Ein Hauseigentümer forderte den nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruch bei Oberflächenwasser, weil marode Rohre auf dem höher gelegenen Grundstück seit Jahren sein Fundament beschädigten. Doch das Gericht stufte die jahrhundertealten Entwässerungsanlagen überraschend als einen rechtlich „natürlichen Zustand“ ein.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wer haftet, wenn Wasser vom höher gelegenen Nachbargrundstück auf mein Grundstück läuft?
- Kann ich meinen Nachbarn zwingen, eine uralte Entwässerungsanlage zu entfernen?
- Wie beweise ich, dass die Feuchtigkeit an meinem Fundament vom Nachbarn verursacht wurde?
- Was passiert, wenn ich einen alten Entwässerungsgraben jahrzehntelang geduldet habe?
- Wie belege ich die Höhe meines Schadensersatzes für Wasserschäden rechtssicher?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 U 48/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandgericht Rostock
- Datum: 11.12.2020
- Aktenzeichen: 3 U 48/19
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Nachbarrecht, Wasserrecht, Haftungsrecht
- Das Problem: Die Eigentümer eines tiefer gelegenen Grundstücks forderten von der Nachbarin, den Abfluss von Oberflächenwasser aus einer Geländesenke zu stoppen. Sie behaupteten, der überlaufende Teich auf dem höher gelegenen Grundstück habe massive Schäden am Haus verursacht und forderten 85.000,00 € Schadensersatz.
- Die Rechtsfrage: Muss der Nachbar für Schäden haften, die durch Wasser verursacht werden, das von seinem höher gelegenen Grundstück über historisch gewachsene oder sehr alte Anlagen abfließt?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Forderungen ab. Der jahrhundertelang bestehende Graben und die alten Rohre wurden als geduldeter, natürlicher Zustand des Geländes gewertet. Die Nachbarin haftete nicht, da sie die Anlagen weder gebaut noch deren Betrieb aktiv gefördert hatte.
- Die Bedeutung: Historische oder lange geduldete Wasserabläufe gelten rechtlich oft als natürliche Gegebenheit. Ein Grundstückseigentümer haftet nur, wenn er die Probleme aktiv verursacht oder bewusst herbeigeführt hat.
Der Fall vor Gericht
Woraus setzte sich die Forderung von 85.000 Euro zusammen – und was sagte der Gutachter dazu?
Ein Wasserschaden am Haus, Risse im Fundament, ein feuchter Keller – ein Albtraum für jeden Eigentümer. Für die Eigentümer eines Doppelhauses in Mecklenburg-Vorpommern wurde dieser Albtraum zur Grundlage einer Klage über 85.000 Euro. Der Schuldige war schnell ausgemacht: die Nachbarin, von deren höher gelegenem Grundstück Anfang 2012 Wasser auf ihr Grundstück geflossen war. Die Rechnung schien einfach: 100 Quadratmeter sanierungsbedürftige Fläche, veranschlagt mit 1.000 Euro pro Meter, abzüglich 15.000 Euro für ohnehin anfallende Kosten.

Doch die juristische Realität ist selten so geradlinig wie eine Kalkulation. Das Oberlandesgericht Rostock musste nicht nur den Weg des Wassers, sondern auch den Ursprung dieser Zahlungsforderung genau nachverfolgen – und stieß auf ein entscheidendes Missverständnis.
Ein bereits Jahre zuvor beauftragter Sachverständiger hatte die Schäden am Haus untersucht. Sein Gutachten pulverisierte die Grundlage der Forderung. Er fand keine Spuren, die auf eine massive Wassereinwirkung hindeuteten. Die Risse in der Wand hatten andere Ursachen. Leichte Feuchtigkeit führte er auf eine fehlende Abdichtung des Hauses gegen Erdfeuchte zurück. Den Betrag von 1.000 Euro pro Quadratmeter hatte der Gutachter zwar genannt – aber in einem völlig anderen Kontext. Es war seine Schätzung für die Kosten, das leerstehende Haus auf einen modernen Wohnstandard zu bringen. Mit der Beseitigung konkreter Wasserschäden hatte diese Summe nichts zu tun. Damit fehlte dem Schadensersatzanspruch die wichtigste Voraussetzung: ein nachweisbarer, durch das Wasser verursachter Schaden.
Warum war die Nachbarin rechtlich nicht für das Wasser verantwortlich?
Die Kläger argumentierten, ihre Nachbarin sei als „Störerin“ für die Überschwemmung verantwortlich. Nach ihrer Auffassung war die Senke auf dem Nachbargrundstück eine künstliche Gefahrenquelle. Diese werde durch alte Betonrohre zusätzlich mit Wasser von anderen Grundstücken gespeist. Ein verstopftes Abflussrohr habe dann zum Überlaufen geführt. Ihr Ziel war ein sogenannter Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, verankert im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1004 BGB). Dieser schützt Eigentümer vor Beeinträchtigungen.
Das Gericht folgte dieser Sichtweise nicht. Eine Störerhaftung entsteht nicht allein durch Eigentum. Die Richter stellten klar: Die Nachbarin hatte die Senke nicht geschaffen und die Rohre nicht verlegt. Sie war weder Handlungsstörerin, weil sie nichts aktiv getan hatte, noch Zustandsstörerin. Als Zustandsstörer haftet nur, wer einen gefahrträchtigen Zustand willentlich aufrechterhält oder zumindest mittelbar durch seinen Willen verursacht hat. Die bloße Existenz alter, ihr vielleicht unbekannter Anlagen auf ihrem Grundstück genügte dem Gericht dafür nicht.
Ein weiterer Gutachter bestätigte die Einschätzung. Er untersuchte die alten Rohre. Sein Befund war eindeutig. Die Zuleitungen aus DDR-Zeiten waren fast vollständig verstopft. Sie transportierten kaum noch Wasser. Das Abflussrohr war ebenfalls funktionslos. Seine Öffnung lag durch jahrzehntelange Aufschlammung 1,30 Meter unter der Sohle der Senke. Ob es zur Hälfte zugesetzt war oder nicht, spielte keine Rolle mehr. Es konnte ohnehin nur noch Sickerwasser aufnehmen. Von einer künstlich geschaffenen und unterhaltenen Gefahrenquelle konnte keine Rede sein.
Kann eine von Menschen geschaffene Anlage zum „natürlichen“ Zustand werden?
Der zentrale Punkt der gerichtlichen Argumentation lag in der Geschichte der Grundstücke. Die Kläger selbst trugen vor, dass der Graben, aus dem sich die Senke entwickelt hatte, bereits im 12. oder 13. Jahrhundert angelegt wurde. Die Rohrleitungen stammten aus den 1930er-Jahren oder der DDR-Zeit. Sie waren also Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte alt.
Hier wandte das Gericht einen wichtigen Grundsatz des Nachbarrechts an. Ein Zustand, der ursprünglich künstlich geschaffen wurde, kann rechtlich zum „natürlichen Zustand“ werden. Das geschieht, wenn der Eingriff sehr lange zurückliegt und von den Betroffenen – oder ihren Rechtsvorgängern – über lange Zeit geduldet wurde. Der heutige, gewohnte Zustand wird zur neuen Normalität. Der natürliche Wasserablauf wird dann so beurteilt, wie er sich heute darstellt, nicht wie er vor Jahrhunderten einmal war.
Die Kläger konnten nicht darlegen, dass sich ihre Vorgänger jemals gegen den Graben oder die Rohre gewehrt hätten. Die jahrzehntelange Duldung zementierte den Status quo. Damit war die Senke mitsamt ihrer alten, maroden Leitungen rechtlich als Teil des natürlichen Geländeverlaufs zu behandeln. Die Nachbarin musste nach Ansicht des Gerichts nicht dafür einstehen, einen jahrhundertealten, von allen geduldeten Zustand zu verändern. Das galt auch für die Instandhaltung. Die Pflicht, eine Leitung funktionstüchtig zu halten, trifft in der Regel denjenigen, der sie zum eigenen Vorteil verlegt hat oder nutzt – hier also potenziell die Rechtsvorgänger der Kläger, die durch die Entwässerung geschützt werden sollten.
Wieso scheiterte die Klage am Ende auf ganzer Linie?
Die Klage der Grundstückseigentümer brach an mehreren Fronten gleichzeitig zusammen. Das Oberlandesgericht Rostock wies ihre Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz zurück und bestätigte die Klageabweisung.
Der Schadensersatzanspruch scheiterte schon an der Beweisführung. Der Gutachter hatte klar festgestellt, dass die behaupteten Schäden am Haus nicht auf das Wasser vom Nachbargrundstück zurückzuführen waren. Die geforderten 85.000 Euro waren eine fiktive Summe für eine Modernisierung, keinen Ausgleich für einen erlittenen Schaden.
Der Anspruch auf Schutzmaßnahmen – der Kern des § 1004 BGB in Verbindung mit dem Wassergesetz von Mecklenburg-Vorpommern (§ 80 Abs. 3 LWaG-MV) – scheiterte aus rechtlichen Gründen. Die Richter sahen in der Nachbarin keine Störerin. Sie hatte die Anlagen weder geschaffen noch war deren Zustand auf ihren Willen zurückzuführen.
Zuletzt durchkreuzte die Geschichte den Anspruch der Kläger. Die Senke und die Rohre waren durch jahrzehntelange Duldung Teil des „natürlichen“ Zustands geworden. Ein Nachbar muss den natürlichen Abfluss von Oberflächenwasser vom höher gelegenen Grundstück grundsätzlich hinnehmen. Ein Eingriff kann nur gefordert werden, wenn der Oberlieger diesen Ablauf künstlich und zum Nachteil des Nachbarn verändert. Genau das konnte hier nicht nachgewiesen werden. Die alten Anlagen waren Teil des Systems geworden – und ihr langsamer Verfall änderte daran nichts.
Die Urteilslogik
Das Nachbarrecht beurteilt den Abfluss von Oberflächenwasser streng nach den Prinzipien der Beweispflicht und der historischen Duldung.
- Langjährige Duldung definiert den natürlichen Zustand: Ein ursprünglich künstlich geschaffener Zustand – wie alte Entwässerungsanlagen oder Gräben – wandelt sich rechtlich zum natürlichen Geländeverlauf, wenn er über Jahrzehnte hinweg von den betroffenen Eigentümern geduldet wird.
- Eigentum begründet keine automatische Störerhaftung: Ein Grundstückseigentümer haftet nicht als Zustandsstörer für Anlagen auf seinem Grund, die er weder selbst geschaffen hat noch deren gefährlichen Zustand er willentlich aufrechterhält.
- Schadensersatz erfordert den konkreten Nachweis der Kausalität: Wer Ersatz für Mängel fordert, muss unwiderlegbar belegen, dass die geltend gemachten Schäden am Haus oder Fundament direkt und ursächlich durch das Wasser vom Nachbargrundstück verursacht wurden, und nicht auf andere Ursachen zurückgehen.
In nachbarrechtlichen Streitigkeiten bestimmt die Dauer der Hinnahme maßgeblich, welche Beeinträchtigungen als Teil der gewohnten Realität hinzunehmen sind.
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Experten Kommentar
Oftmals schauen Eigentümer nur auf den unmittelbaren Schaden, vergessen aber, wie lange ein Zustand schon geduldet wurde. Dieses Urteil zieht eine klare rote Linie: Wer jahrzehntelang einen künstlichen Wasserablauf hinnimmt, kann sich später kaum noch auf den nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruch berufen. Die Richter sagen damit, dass historisch gewachsene Senken oder marode Rohre zur neuen Normalität werden, rechtlich also zum „natürlichen Zustand“ zählen. Das entlastet den Oberlieger massiv von der Haftung für den bloßen Wasserablauf. Zudem zeigt der Fall gnadenlos, dass Schadensersatz nur für nachweisbare, durch das Wasser verursachte Schäden gezahlt wird – nicht für Modernisierungswünsche.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer haftet, wenn Wasser vom höher gelegenen Nachbargrundstück auf mein Grundstück läuft?
Die Regel: Sie müssen den natürlichen Ablauf von Oberflächenwasser vom höher gelegenen Grundstück grundsätzlich hinnehmen. Das bedeutet, der Nachbar haftet nicht automatisch, nur weil sein Grundstück höher liegt. Eine Haftung entsteht erst dann, wenn Ihr Nachbar den Wasserablauf künstlich zu Ihrem Nachteil verändert oder eine konkrete Gefahrenquelle aktiv verursacht und willentlich aufrechterhält.
Das Nachbarrecht schützt den historisch gewachsenen Geländeverlauf. Eigentümer sind daher nicht verpflichtet, den Wasserablauf zu verhindern, solange dieser dem natürlichen Gefälle folgt. Eine Haftung des Nachbarn setzt voraus, dass er die Rolle des sogenannten Störers einnimmt. Dies geschieht entweder durch aktive Handlungen (Handlungsstörer, z. B. Aufschüttung) oder durch die willentliche Aufrechterhaltung eines gefährlichen Zustands (Zustandsstörer). Die bloße Existenz alter, dem Nachbarn vielleicht unbekannter Anlagen, die er nicht selbst geschaffen hat, reicht für eine Störerhaftung oft nicht aus.
Wenn das Wasser beispielsweise über uralte Rohre fließt, die bereits von früheren Eigentümern geduldet wurden, trägt der heutige Nachbar keine Verantwortung für den ursprünglichen Zustand. Die Klage scheiterte in einem konkreten Fall auf ganzer Linie, weil die Kläger keine aktive, neuere Veränderung nachweisen konnten, die der Nachbar verursacht hätte. Nur wenn der Nachbar den natürlichen Abfluss durch neue Versiegelung oder künstliche Zuleitungen verändert, kann ein Beseitigungsanspruch entstehen.
Dokumentieren Sie detailliert den Geländeverlauf und die genaue Quelle des Wassers, um festzustellen, ob eine künstliche Veränderung vorliegt.
Kann ich meinen Nachbarn zwingen, eine uralte Entwässerungsanlage zu entfernen?
In den meisten Fällen lautet die Antwort Nein. Wenn Ihre Rechtsvorgänger die künstliche Entwässerungsanlage über Jahrzehnte geduldet haben, kann dieser Zustand zur juristischen neuen Normalität werden. Sie können die Beseitigung der Anlage von Ihrem Nachbarn nicht mehr verlangen, weil die jahrelange Duldung den Status quo zementiert hat. Ein ursprünglich künstlich geschaffener Zustand wird somit rechtlich als Teil des natürlichen Geländeverlaufs behandelt.
Selbst Anlagen, die einst von Menschen geschaffen wurden, wandeln sich durch sehr lange Zeiträume der Hinnahme in einen rechtlichen natürlichen Zustand um. Gerichte beurteilen den heutigen Wasserablauf dann so, als wäre er schon immer so vorhanden gewesen. Ihr gesetzlicher Beseitigungsanspruch aus dem zentralen Paragrafen § 1004 BGB entfällt dadurch vollständig. Die jahrzehntelange Passivität der früheren Eigentümer bindet Sie als heutiger Grundstückseigentümer ebenfalls an diesen geduldeten Zustand.
Das Alter oder die Marodität der Rohre allein verschafft Ihnen keine Ansprüche auf Entfernung. Da die Anlage als Teil des natürlichen Zustands gilt, ist Ihr Nachbar nicht automatisch zur Instandhaltung verpflichtet. Die Pflicht zur Funktionserhaltung trifft in der Regel denjenigen, der die Anlage zum eigenen Vorteil nutzte oder anlegte. Sie können die Beseitigung der Anlage lediglich dann fordern, wenn der Nachbar den Zustand durch eigene, aktive Maßnahmen zum Nachteil Ihres Grundstücks verändert oder verschlimmert hat.
Prüfen Sie in alten Bauakten oder im Grundbuch, ob Ihre oder frühere Eigentümer jemals aktiv Widerspruch gegen die Errichtung oder den Zustand der Anlage eingelegt haben.
Wie beweise ich, dass die Feuchtigkeit an meinem Fundament vom Nachbarn verursacht wurde?
Um erfolgreich Schadensersatz zu fordern, benötigen Sie einen lückenlosen Beweis der Kausalität. Es reicht nicht aus, dass Ihr Keller feucht ist und das Wasser offensichtlich vom Nachbargrundstück stammt. Sie müssen zweifelsfrei nachweisen, dass die konkreten Schäden an Ihrem Fundament direkt durch die Wassereinwirkung des Nachbarn entstanden sind. Nur ein spezialisierter Sachverständiger kann diese komplexe Beweiskette vor Gericht belastbar erbringen.
Der zentrale Punkt in Nachbarrechtsstreitigkeiten ist der Ausschluss alternativer Schadensursachen. Viele ältere Gebäude verfügen zum Beispiel über keine oder nur eine mangelhafte Abdichtung gegen die natürliche Erdfeuchte. Stellt der Gutachter fest, dass die Feuchtigkeit auf diese ohnehin bestehende fehlende Abdichtung zurückzuführen ist und nicht auf eine massive Einwirkung des Nachbarwassers, scheitert Ihr Anspruch. Das Gericht prüft sehr genau, ob der Nachbar für den konkreten Mangel tatsächlich verantwortlich gemacht werden kann.
Ihr Gutachter muss klare Spuren massiver Wassereinwirkung am Fundament oder der Wand dokumentieren. Wenn Sie beispielsweise die Sanierung von Rissen verlangen, muss der Sachverständige belegen, dass diese Risse kausal durch die Vernässung entstanden sind. Stellt der Gutachter jedoch fest, dass die Nässequelle unklar bleibt oder die Risse statische Ursachen haben, entfällt die Haftung des Nachbarn. Ohne diesen eindeutigen Nachweis eines durch das Wasser verursachten Schadens führt dies zur vollständigen Abweisung des Schadensersatzanspruchs.
Bevor Sie eine Klage einreichen, beauftragen Sie einen öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen, der seine Untersuchung explizit auf die Kausalitätskette zwischen Wasserfluss und spezifischem Schaden fokussiert.
Was passiert, wenn ich einen alten Entwässerungsgraben jahrzehntelang geduldet habe?
Wenn Sie oder Ihre Rechtsvorgänger eine ursprünglich künstliche Entwässerungsanlage über viele Jahre geduldet haben, kann dieser Zustand zur juristischen Normalität werden. Die jahrzehntelange Duldung führt dazu, dass der Graben oder die Senke rechtlich als natürlicher Zustand des Geländeverlaufs behandelt wird. Dadurch erlischt Ihr Beseitigungsanspruch gegen den Nachbarn gemäß § 1004 BGB.
Das Nachbarrecht folgt dem Grundsatz, dass ein Zustand, der sehr lange besteht und von den Rechtsvorgängern nicht angefochten wurde, den heutigen Eigentümer bindet. Gerichte sehen in dieser Passivität eine stillschweigende Hinnahme, welche den Status quo zementiert. Ist der Zustand einmal als natürlich anerkannt, müssen Sie den daraus resultierenden Abfluss von Oberflächenwasser hinnehmen. Der Nachbar kann dann nicht mehr gezwungen werden, die Anlage zu entfernen oder ihren Zustand zu verändern.
Auch der langsame Verfall oder die mangelnde Funktionstüchtigkeit des Grabens ändert nichts an seinem Status. Ihr Nachbar ist nicht automatisch zur Instandhaltung verpflichtet, da die Anlage nun als Teil des natürlichen Geländes gilt. Sie können erst dann juristisch einschreiten, wenn der Nachbar den Abfluss aktiv zum Nachteil Ihres Grundstücks verändert hat. Dies wäre der Fall, wenn er beispielsweise eine neue Aufschüttung vornimmt oder zusätzliche Wasserzuleitungen schafft.
Prüfen Sie genau, ob der Nachbar den alten Graben nach der Duldungszeit aktiv verschlimmert hat, da nur diese neuen Eingriffe eine Klage ermöglichen.
Wie belege ich die Höhe meines Schadensersatzes für Wasserschäden rechtssicher?
Die Höhe des Schadensersatzes müssen Sie lückenlos belegen und streng auf die Kosten begrenzen, die kausal durch das Wasser des Nachbarn verursacht wurden. Eine Forderung darf niemals fiktive Kosten für eine allgemeine Modernisierung oder die Wiederherstellung eines idealen Wohnstandards umfassen. Entscheidend ist die Wiederherstellung des Zustands, wie er unmittelbar vor dem Schadensereignis bestand.
Das zentrale juristische Prinzip ist die Kausalität. Der Nachbar haftet ausschließlich für Sanierungsmaßnahmen, die direkt auf seine Pflichtverletzung zurückzuführen sind, wie etwa die notwendigen Trocknungsmaßnahmen oder den Austausch nasser Bauteile. Kosten für bereits ohnehin notwendige Sanierungen – zum Beispiel eine fehlende Abdichtung Ihres Hauses gegen Erdfeuchte – müssen von der Schadensersatzforderung abgezogen werden. Ihr Gutachter muss diese Posten sauber voneinander trennen, um die Forderung gerichtlich durchzusetzen.
Nehmen wir den Fall, in dem die Kläger 85.000 Euro Schadensersatz für ihren Wasserschaden forderten: Das Oberlandesgericht Rostock wies die Klage ab, weil der geforderte Betrag keinen tatsächlichen Schaden ausglich. Der Sachverständige hatte die Summe ursprünglich nur als Schätzung für die fiktiven Modernisierungskosten genannt, um das Haus auf einen modernen Wohnstandard zu bringen. Solche Beträge sind nicht vom Nachbarn zu tragen, da sie nicht der Beseitigung eines erlittenen Schadens dienen, sondern der Vermögensmehrung.
Fordern Sie von Ihrem Sachverständigen einen detaillierten Kostenvoranschlag, der ausschließlich die Sanierung der Schäden auflistet, die nachweislich durch die konkrete Wassereinwirkung entstanden sind.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
Ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch ist das im § 1004 BGB verankerte Recht eines Eigentümers, Beeinträchtigungen seines Grundstücks durch Dritte zu unterbinden und bereits erfolgte Störungen zu beenden.
Juristen nutzen diesen Anspruch, um den Eigentümer schnell und effektiv vor unzumutbaren Einwirkungen vom Nachbargrundstück zu schützen, wie beispielsweise Lärm oder eindringendes Oberflächenwasser.
Beispiel: Obwohl die Kläger den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gegen die Nachbarin geltend machen wollten, scheiterte dieser, weil das Gericht die Wasserquelle als Teil des natürlichen Zustands bewertete.
Kausalität
Die Kausalität beschreibt die notwendige Ursachenkette zwischen dem rechtswidrigen Verhalten eines Schädigers und dem konkret eingetretenen Schaden.
Dieses zentrale juristische Prinzip stellt sicher, dass eine Person nur dann haftet, wenn ihr Handeln oder Unterlassen den Schaden tatsächlich verursacht hat und nicht etwa eine ganz andere Ursache vorlag.
Beispiel: Die Kausalität für die geltend gemachten Risse am Fundament konnte nicht nachgewiesen werden, da der Sachverständige feststellte, dass diese Mängel auf eine ohnehin bestehende fehlende Abdichtung gegen Erdfeuchte zurückzuführen waren.
Natürlicher Zustand (im Nachbarrecht)
Als Natürlicher Zustand im Nachbarrecht gilt ein Gelände- oder Wasserablauf, der entweder von Natur aus so besteht oder der durch jahrzehntelange Duldung eines ursprünglich künstlichen Zustands rechtlich zur Normalität wurde.
Das Gesetz berücksichtigt damit den über lange Zeit gewachsenen Status quo zwischen Nachbarn und verhindert, dass Eigentümer nach Jahrhunderten der Hinnahme plötzlich teure Rückbauten fordern können.
Beispiel: Da der Graben und die alten Betonrohre bereits seit DDR-Zeiten existierten und von den Rechtsvorgängern der Kläger geduldet wurden, behandelte das Gericht die Senke als natürlichen Zustand.
Schadensersatzanspruch
Ein Schadensersatzanspruch ist die Forderung, die auf die finanzielle Kompensation für einen erlittenen Schaden gerichtet ist, um den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte.
Dieses Recht dient ausschließlich dem Ausgleich von Vermögensnachteilen und soll das Opfer so stellen, als wäre der Schaden nie eingetreten, wobei fiktive Modernisierungskosten strikt ausgeschlossen sind.
Beispiel: Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 85.000 Euro scheiterte, da diese Summe nicht die Beseitigung eines tatsächlichen Schadens, sondern die Kosten einer zukünftigen Modernisierung abbildete.
Störerhaftung
Die Störerhaftung beschreibt die rechtliche Verantwortlichkeit einer Person, die durch ihr aktives Tun (Handlungsstörer) oder den gefährlichen Zustand einer Sache (Zustandsstörer) eine rechtswidrige Beeinträchtigung fremden Eigentums verursacht.
Der Grundsatz stellt sicher, dass nicht nur der aktive Verursacher, sondern auch derjenige, der eine Gefahrenquelle willentlich aufrechterhält, für die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands in die Pflicht genommen werden kann.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Rostock lehnte eine Störerhaftung der Nachbarin ab, weil sie die uralten Entwässerungsanlagen nicht selbst geschaffen hatte und der mangelhafte Zustand der Rohre nicht auf ihrem Willen beruhte.
Das vorliegende Urteil
OLG Rostock – Az.: 3 U 48/19 – Urteil vom 11.12.2020
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





