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Wasserhaushaltsveränderung durch Baumwurzeln des Nachbargrundstücks – Abwehranspruch

LG Darmstadt – Az.: 7 O 7/16 – Urteil vom 11.08.2021

Die Klage der Klägerin zu 1 wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen je zur Hälfte zu tragen, mit Ausnahme der gerichtlichen Auslagen und der außergerichtlichen Auslagen der Beklagten, die nach Rücknahme der Klage durch die Klägerin zu 2 entstanden sind, die die Klägerin zu 1 allein zu tragen hat.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin zu 1 ist Eigentümerin des mit einem 1905 errichteten viergeschossigen Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks Adresse 1. An das Grundstück der Klägerin zu 1 grenzt auf der straßenabgewandten Seite das Grundstück des B …, Adresse 2. Die Grundstücke trennt eine Mauer, die zugleich den Höhenunterschied zwischen der etwa 2 m höher liegenden Geländeoberfläche des B gegen das tiefer liegende Grundstück der Klägerin abfängt. Wegen der genauen räumlichen Situation wird auf den Lageplan Bl. VII/1497 der Akte verwiesen.

Wasserhaushaltsveränderung durch Baumwurzeln des Nachbargrundstücks - Abwehranspruch
(Symbolfoto: andreiuc88/Shutterstock.com)

Auf dem Grundstück der Klägerin zu 1 und in dessen Umgebung steht im Boden, etwa 2 bis 3 m unterhalb der natürlichen Geländeoberfläche und damit etwa auf der Höhe der Gründung des Gebäudes der Klägerin zu 1 tertiärer Rupelton an. Dieser hat die Eigenschaft, bei einem Wassergehalt in einem bestimmten Bereich schon bei geringer Veränderung des Wassergehalts sein Volumen stark zu verändern, eine Verringerung des Wassergehalts führt dann zu einer erheblichen Schrumpfung. Oberhalb der tertiären Rupeltonschicht finden sich quartäre Sande und Kiese.

Auf dem Grundstück Adresse 2 war zunächst ein Altbau mit Erweiterungsbau errichtet, den der Beklagte 2. für das B nutzte (Lageplan zur früheren Bebauungssituation Bl. I/223 d. A). An dem Erweiterungsbau zeigten sich bereits in den 1970er Jahren erhebliche Rissschäden. Im Jahr 1972 fertigte deshalb das Hessische Landesamtes für Bodenforschung ein Gutachten zu deren Ursachen. Dabei stellte das Landesamt fest, dass die in unmittelbarer Gebäudenähe befindlichen Platanen dem Boden Wasser entzögen, was zu einer Setzung des Untergrundes führe, der die Gebäudeschäden verursache (Bl. I/113 ff. d. A.).

In den 1980er Jahren ließ der Beklagte 2. das alte B sowie ein in der Nähe der gemeinsamen Grundstücksgrenze zum Grundstück der Klägerin zu 1 befindliches Nebengebäude abbrechen und ein neues B errichten. Dabei wurden alte Platanen erhalten und im Rahmen der Gestaltung der Freiflächen parallel zur gemeinsamen Grundstücksgrenze zum Grundstück der Klägerin zu 1 eine Galerie von Laubbäumen angepflanzt (Lichtbild Bl. I/121 unten aus dem Jahr 2006). Zudem ließ der Beklagte 2. entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze vor der dort befindlichen Mauer eine Drainage errichten, die ohne Rückstausicherung in die öffentliche Kanalisation entwässert.

An dem Gebäude der Klägerin zu 1 zeigten sich Risse, die Klägerin zu 1 behauptet, erstmals im September 2000.

Die Klägerin zu 1 behauptet, diese Gebäudeschäden beruhten auf einem Schrumpfen des Rupeltons, in Folge dessen Austrocknung. Die Austrocknung wiederum werde durch die Laubbaumgalerie, durch die Platanen und durch die Drainage verursacht. Zudem befürchtet die Klägerin zu 1 das Eindringen von verunreinigtem Wasser über die Drainage auf ihr Grundstück im Fall eines Rückstauereignisses. Zudem werde durch rückstauendes Wasser der Boden unter ihrem Grundstück gelockert, fortgetragen, verschoben und weggespült. Sie meint zudem, die Bäume der Laubbaumgalerie hielten den nachbarrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstand nicht ein.

Das Grundstück Adresse 2 wurde vom Bekl. 2. zum 01.01.2006 veräußert und befindet sich heute im Eigentum der Beklagten zu 1.

Die Klägerin zu 1 nahm vor dem Amtsgericht […] neben ihrer Gebäudeversicherung den Beklagte 2. wegen der Gebäudeschäden in Anspruch (Az. …). Das in diesem Rechtsstreit eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. E (Bl. I/15 ff.) kam zu dem Ergebnis, dass die Gebäudeschäden auf einer durch den Wasserentzug der Bäume verursachen Schrumpfung des Tons beruhten. Das Amtsgericht […] traf gegenüber dem Beklagten 2. mit Urteil vom 07.09.2006 die beantragte Feststellung hinsichtlich der Bäume der Baumgalerie und wies die Klage im Übrigen ab (Bl. I/95 ff. d. A.). Die Berufung des Beklagten 2. zum Landgericht […] (Az. …) blieb im Wesentlichen ohne Erfolg (Bl. V/1185 ff. d. A.). Die in der Berufungsinstanz mit Urteil vom 20.12.2011 abgeänderte Entscheidungsformel zur Hauptsache lautet insofern:

„[…] Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin diejenigen Schäden angemessen auszugleichen, die an dem im Eigentum der Klägerin stehenden Gebäude Adresse 1 sowie dem darin befindlichen Mobiliar, durch eine Absenkung bzw. Setzung des Erdbodens als Folge der auf dem angrenzenden von der Beklagten genutzten Nachbargrundstück Adresse 2, parallel zur Grundstücksgrenze der Klägerin gepflanzten Laubbaumgalerie entstanden sind oder noch entstehen werden. […]“

Während des Rechtsstreits hat die Klägerin der Beklagte 2. zudem vor dem Landgericht […] auf Zahlung gemäß dem Feststellungsurteil in Anspruch genommen (Az. …). Das Landgericht […] hat die dortige Klage im Hinblick auf den im hiesigen Rechtsstreit verfolgten Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 1 U 251/13) das Urteil des Landgerichts […] aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der weitere Gang Verfahrens vor dem Landgericht […] ist der Kammer nicht bekannt.

Mit der Klage hat die Klägerin zu 1 die Beklagten zunächst mit den Anträgen in Anspruch genommen,

den Beklagten 2. zu verurteilen, durch wirksame Maßnahmen zu verhindern, dass dem klägerischen Grundstück Adresse1, durch die auf dem Grundstück des Beklagten 2. Adresse 2 unterhaltenen Laubbäume (Robinien und Platanen), Wasser entzogen wird,

den Beklagten 2. weiter zu verurteilen, innerhalb von sechs Monaten das entwässerte Erdreich des klägerischen Grundstücks Adresse 1 durch geeignete technische Maßnahmen wieder auf seinen natürlichen Feuchtigkeitsgehalt zu bringen oder es innerhalb dieser sechs Monate durch ungestörtes Erdreich mit einem Wassergehalt von mindestens 30 % zu ersetzen,

den Beklagten 2. weiter zu verurteilen, durch wirksame Maßnahmen zu verhindern, dass durch die auf dem Grundstück des Beklagten 2. Adresse 2 unterhaltene Drainage, Abwasser aus dem Abwasserkanal in der …straße in … auf das klägerische Grundstück gelangen kann sowie

den Beklagten 2. zu verurteilen, die durch den Wasserentzug aus dem Erdreich sowie den Betrieb der Drainage verursachten Beeinträchtigungen und Beschädigungen am klägerischen Grundstück Adresse 1 sowie dem dazugehörigen Gebäude zu beseitigen.

Später ist ein Rechtsstreit der Klägerin zu 2, der Eigentümerin des Nachbargrundstücks Adresse 3, mit entsprechender Antragstellung bezüglich des Nachbargrundstücks mit dem vorliegenden zunächst zur gemeinsamen Durchführung der Beweisaufnahme (Bl. II/344 d. A.) und später zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden (Bl. IV/766 f. d. A.).

Nach verschiedenen Änderungen der Antragstellung hat die Klägerin zu 2 die Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen. Die Klägerin zu 1 beantragt nach ebenfalls verschiedenen Änderungen der Antragstellung unter teilweiser Klagerücknahme im Übrigen zuletzt,

1. die Beklagten zu verurteilen, zu unterbinden, dass dem Grundstück Adresse 1 durch die auf dem Grundstück Adresse 2 unterhaltenen Bäume der Laubbaumgalerie (= Robinien) Wasser entzogen wird

durch Entfernen derjenigen 7 Bäume, die in dem Gutachten C vom 15.03.2017 beiliegenden „Lageplan mit vorhandenen Aufschluss der Grenze zu den Grundstücken Adresse 3 und Adresse 4“ eingezeichnet sind;

hilfsweise: den Wasserentzug durch diese 7 genannten Bäume auf andere geeignete Weise (z. B: durch tief reichende Wurzelsperren entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken Adresse 1 und Adresse 2, jeweils in …) zu unterbinden;

2. die Beklagten weiter zu verurteilen, zu unterbinden, dass dem Grundstück Adresse 1 durch diejenigen auf dem Grundstück Adresse 2 unterhaltenen 4 Platanen, welche den geringsten Abstand zum klägerischen Grundstück aufweisen, Wasser entzogen wird;

3. die Beklagten weiter zu verurteilen, zu unterbinden, dass auf dem Grundstück Adresse 2 Bäume unterhalten werden, die näher als 3 Meter zur Grundstücksgrenze des Grundstücks Adresse 1 stehen und auf dem klägerischen Grundstück Wasser entziehen können;

4. die Beklagten weiter zu verurteilen, zu unterbinden, dass durch die auf dem Grundstück Adresse 2 unterhaltene Drainage Abwasser aus dem Abwasserkanal in der …straße auf das Grundstück Adresse 1 gelangen kann sowie zu unterbinden, dass dem Grundstück Adresse 1 durch die auf dem Grundstück Adresse 2 unterhaltene Drainage Wasser entzogen wird sowie

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5. festzustellen, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet sei, sämtliche Beeinträchtigungen und Schäden am Grundstück und Gebäude Adresse 1 zu ersetzen, die als Folge des Wassersentzuges aus dem Grundstück durch die Unterhaltung einer Laubbaumgalerie an der gemeinsamen Grundstücksgrenze, von Platanen und den Betrieb der Drainage auf dem Grundstück Adresse 2 seit dem 01.01.2006 entstanden sind und noch entstehen werden.

Die Beklagte zu 1 beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2 beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. A, des Sachverständigen B, des Sachverständigen C sowie des Sachverständigen Dr.-Ing. D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. A vom 30.05.2008, 25.06.2008, 10.02.2010, 26.09.2013, 14.03.2014 und die Niederschrift dessen Anhörung vom 31.01.2014 (Bl. V/1201–1203 d. A.), auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen B vom 15.07.2016 (Bl. VII/1454–1470) und 08.11.2018 (Bl. VII/1667–1671), auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen C vom 15.03.2017 (Bl. VII/1471–1516) und 18.10.2018 (Bl. VII/1638–1663) sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. D vom 09.05.2019 (Bl. VII/1688–1689) verwiesen.

Weiter hat die Kammer das den Parteien bekannte in dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht […] ([Aktenzeichen]) eingeholte schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. E vom 28.02.2006 (Bl. I/15–25 d. A.) und das den Parteien bekannte in dem gleichen Rechtsstreit vor dem Landgericht […] ([Aktenzeichen]) eingeholte schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. F vom 15.07.2009 (Bl. III/585–620 d. A.) verwertet. Weiter hat die Kammer die den Parteien bekannten in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht […] ([Aktenzeichen]) eingeholten Gutachten der Sachverständigen G vom 16.04.2018 (Bl. VIII/1829–1834 d. A.) und Prof. Dr. H vom 28.05.2019 (Bl. VIII/1822–1828 d. A.) berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

Nachdem die Klägerin zu 2 die Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat ist nur noch über die Klage der Klägerin zu 1 zu entscheiden.

I. Diese Klage ist zulässig. Insbesondere steht ihr eine anderweitige Rechtshängigkeit oder Rechtskraft im Hinblick auf die erstinstanzlich vor dem Amtsgericht […] und Landgericht […] geführten Rechtsstreitigkeiten nicht entgegen. In den dort geführten Rechtstreitigkeiten nahm die Klägerin zu 1 neben Dritten nur den hier Beklagten zu 2 wegen Gebäudeschäden in Anspruch, während sie vorliegend insofern nur Feststellung gegenüber der Beklagten zu 1 beansprucht.

II. Die Klage bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Der Klägerin zu 1 stehen die gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch, insbesondere nicht aus § 1004 Abs. 1 BGB, gegen die Beklagten, – auf welche Weise auch immer – einem Wasserentzug des Bodens ihres Grundstücks Adresse 1 durch die Bäume der entlang der gemeinsamen Grenze der Grundstücke Adresse 1 und Adresse 2 befindlichen Laubbaumgalerie entgegenzuwirken oder diesen zu unterlassen (Antrag zu Ziff. 1). Dies gilt für Haupt- wie Hilfsantrag gleichermaßen.

Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass das Eigentum der Klägerin zu 1 an dem Grundstück Adresse 1 durch Wasserentzug durch die Bäume der Laubbaumgalerie beeinträchtigt wird.

Zwar muss die Kammer nach der Beweisaufnahme davon ausgehen, dass das Haus Adresse 1 auf dem Grundstück der Klägerin zu 1 zumindest auch in Folge Schrumpfens des auf der Ebene der Gründung des Hauses anstehenden tertiären Rupeltons Schaden genommen hat und diese Schrumpfung auf einer Reduzierung des Wassergehalts des oberen Bereichs der Rupeltonschicht gegenüber dem Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes beruht. Hierauf näher einzugehen erübrigt sich jedoch, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dieser Trocknungsprozess nicht dem Verantwortungsbereich der Beklagten im Sinne einer Störung des Eigentums der Klägerin zu 1 zugeordnet werden kann.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wird dem Grundstück der Klägerin zu 1 durch die Bäume der Laubbaumgalerie nicht in beeinträchtigender Weise Wasser entzogen.

Hierfür wäre es erforderlich, dass ein mehr als nur unerhebliches, vom Grundstück der Adresse 2 ausgehendes Wurzelwachstum auf das benachbarte Grundstück der Klägerin zu 1 festzustellen wäre, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann von einer Sogwirkung der Baumwurzeln, die sich vom Grundstück Adresse 2 bis auf das Grundstück der Klägerin zu 1 erstreckt, nicht ausgegangen werden. Eine solche Sogwirkung ergibt sich aus keinem der vorliegenden Sachverständigengutachten, insbesondere auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen C, der nachvollziehbar zwar andere über den Wurzelbereich der Bäume hinausgehende Einflüsse feststellt – auf die noch näher einzugehen sein wird – nicht aber eine so weitreichende „Sogwirkung“ von Baumwurzeln. Insofern führt der Sachverständige lediglich aus, dass wenn die Niederschlagsspende von der Vegetation aufgenommen werde, der Wassergehalt in diesem Bereich sinke, was zu einer Feuchtigkeitsgradiente in Richtung des durchwurzelten Bereichs und dies wiederum zu einem Feuchtigkeitstransport in diese Richtung führe (Bl. VII/1494 d. A).

Ein die Benutzung des Grundstücks der Klägerin beeinträchtigendes Wurzelwachstum der Bäume der Laubbaumgalerie auf das Grundstück der Klägerin kann nicht festgestellt werden.

Dies ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B nicht der Fall. Nach dem Gutachten des Sachverständigen B, dessen Ergebnis insofern mit dem vom Landgericht […] eingeholten Gutachtens des Sachverständigen G (Bl. VIII/1833 d. A.) übereinstimmt, handelt es sich bei den Bäumen der Laubbaumgalerie um Kugelakazien, Robinia pseudoacacia „Umbraculifera“ (Bl. VII/1671 d. A.). Diese Art stammt aus dem östlichen Nordamerika und besiedelt dort offene Flächen mit hohem Sauerstoffgehalt im Substrat. Auf Grund des hohen Sauerstoffbedarfs der Wurzeln ist ein Eindringen in ein stark bindiges, sauerstoffarmes Substrat nicht zu erwarten (Bl. VII/1466 f. d. A). Diese Feststellungen sind vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr.-Ing. A überzeugend. Es ist nachvollziehbar, dass abgesehen von dem zusätzlichen mechanischen Hindernis, das der Rupelton den Wurzeln entgegensetzt, diese schon wegen des feinporigen und damit sauerstoffarmen Substrats und zugleich wegen des geringen Wasserdurchlässigkeitsbeiwerts des Rupeltons diesen meiden und sich in erster Linie in den darüber befindlichen gut durchlüfteten quartären Sanden und Kiesen ausbreiten, wo Niederschlagswasser unproblematisch vom Boden aufgenommen wird und den Wurzeln zu Verfügung steht. So führt der Sachverständige Dr.-Ing. A im Gutachten vom 30.05.2008 auch überzeugend aus, dass eine freie Grundwasserzirkulation im Rupelton wegen dessen kleinräumiger Porenstruktur nicht möglich sei. Wegen dessen geringem Wasserdurchlässigkeitsbeiwert wirke der tertiäre Rupelton als Grundwasserstauer. Wasser sammele sich deshalb innerhalb der quartären Sande und Kiese auf der Oberfläche des Rupeltons und fließe darauf gegebenenfalls ab. Die Wurzeln der Bäume breiteten sich deshalb bevorzugt innerhalb der quartären Sande und Kiese aus, zumal die Wasseraufnahme für Pflanzen innerhalb des Rupeltons deutlich schwieriger sei. Hinzu komme, dass Wurzeln wegen des mechanischen Widerstands und vor allem des mangelnden Luftgehalts der Bodenporen den sauerstoffarmen Rupelton nicht wesentlich durchwurzelten (S. 31 ff. der Gutachtenausfertigung).

Der Sachverständige Dr.-Ing. A kommt deshalb in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen B zu dem überzeugenden Schluss, dass ein direkter Entzug von Wasser aus dem Rupelton unterhalb der Gebäudegründung durch die Bäume nicht zu erwarten sei. Auch die Sachverständigen Prof. Dr. H und G kommen in ihren für das Landgericht […] in dem dortigen Rechtsstreit [Aktenzeichen] erstatteten Gutachten vom 16.04.2018 und 28.05.2019 zu keinem abweichenden Ergebnis (Bl. VIII/1824 d. A.).

Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Suchschachtungen, die der Sachverständige B mittels Saugbagger im Bereich der Grundstücksgrenze auf dem Grundstück Adresse 2 vorgenommen hat. Hierbei hat der Sachverständige keine Wurzelaktivität der Bäume feststellen können, die für ein Einwachsen der Wurzeln in den Rupelton sprechen könnten (Bl. VII/1466 d. A).

Auch das von dem Landgericht […] eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H kommt unter Einbeziehung der in dem dortigen Rechtsstreit eingeholten baumkundlichen Gutachten zu einem entsprechenden Ergebnis (Bl. VIII/1824 R d. A.).

Die dem entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. E in dessen für das Amtsgericht […] erstatteten Gutachten vom 28.02.2006 (Bl. I/24 d. A.) sind nicht überzeugend. Der Sachverständige unterstellt dort ohne nachvollziehbare Begründung, dass die Bäume der Laubbaumgalerie tief im Untergrund und damit auch unter die Gebäude wurzelten. Soweit der Sachverständige Dr. E hierbei zu Grunde gelegt hat, dass die Bäume dem Boden in so starkem Maß Wasser entzogen hätten, dass der in deren Umgebung des Grundstücks Adresse 1 anstehende Rupelton nur noch einen mittleren Wassergehalt von 20 bis 30 % aufweise, an Stelle eines mittleren Wassergehalts von 30 bis 40 % bei unbeeinflussten Bodenverhältnissen, geht der Sachverständige Dr. E von einer unzutreffenden Ausgangssituation aus. Sowohl der Sachverständige C als auch der Sachverständige Dr.-Ing. A haben jeweils mit ausführlicher und überzeugender Begründung dargestellt, dass bei dem […] Rupelton mangels eines freien Grundwasserspiegels oberhalb der Tonoberfläche von einem unbeeinflussten Wassergehalt von im Mittel nur 27 bis 28 % auszugehen sei, wie dies auch die Auswertung der in den Jahren 1983 und 1984 auf dem Grundstück Adresse 2 entnommenen Proben durch das damalige Hessische Landesamt für Bodenforschung vom 11.05.1984 (Bl. I/215 ff. d. A.) gezeigt habe (Bl. VII/1487 f. d. A., S. 24 ff. der Gutachtenausfertigung vom 30.05.2008 und S. 13 der Gutachtenausfertigung vom 10.02.2010).

Diesem Ergebnis zum Wuchsverhalten der Wurzeln steht nicht entgegen, dass die Klägerin zu 1 bei einer Grabung im November 2020 auf dem Grundstück Adresse 1 unterhalb des Betonplattenbelags des Hofes Pflanzenwurzeln vorgefunden haben will, wie sie sich aus den zur Akte gereichten Lichtbildern (Bl. VIII/1867–1873 d. A.) ergeben, denn es ergibt sich daraus nicht, dass diese Wurzeln entgegen den gut begründeten Erkenntnissen der vorgenannten Sachverständigen in die erst etwa auf Gründungsebene des Hauses Adresse 1 anstehende Rupeltonschicht hineingewachsen wären oder hineinwachsen werden.

Allein das Vorhandensein einzelner Wurzeln oberhalb der Gründungsebene des Hauses beeinträchtigt das Eigentum der Klägerin zu 1 aber nicht. Zwar können auch Wurzeln oberhalb der Rupeltonschicht – was noch auszuführen sein wird – zu einem trocknungsbedingten Schrumpfen des Rupeltons beitragen, indem diese Niederschlagswasser aufnehmen, das dann nicht mehr zur Oberfläche des Rupeltons vordringt. Dies trifft aber auf bloß einzelne, unterhalb einer versiegelten Hoffläche wachsende Wurzeln nicht zu. Hier ist schon auf Grund der Oberflächenversiegelung davon auszugehen, dass die Niederschlagsspende ganz überwiegend auf der Geländeoberfläche abgeleitet wird und die Oberfläche des Rupeltons nicht erreicht. Dies gilt insbesondere bei einer Pflasterung, die ausweislich der von der Klägerin zu 1 vorgelegten Lichtbilder (Bl. VIII/1873 d. A.) aus in Mörtelbett verlegten Beton-Gehwegplatten hergestellt ist. Diese Verlegeweise ergibt sich zudem aus dem eigenen Vortrag der Klägerin zu 1, die insofern ausdrücklich von einer unterhalb des Belages befindlichen „Zementschicht“ spricht (Bl. VIII/1850 d. A.).

Im Fall eines solchen unwesentlichen Wasserentzugs durch vereinzelt vom Nachbargrundstück herüberwachsende Pflanzenwurzeln ist die Klägerin zu 1 im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung verpflichtet. Nach dem auch im Rahmen des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB anwendbaren Rechtsgedanken des § 910 Abs. 2 BGB steht der betroffenen Eigentümerin ein Abwehranspruch nicht zu, wenn die Benutzung des Grundstücks durch die hinübergewachsenen Wurzeln nicht beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2003 – V ZR 99/03 –, juris Rn. 13).

b) Selbst wenn man den Antrag der Klägerin zu 1 über seinen Wortlaut hinaus dahin verstehen wollte, dass die Klägerin zu 1 jeglichen negativen Einfluss der auf dem Grundstück Adresse 2 unterhaltenen Bäume auf den Wasserhaushalt des Grundstücks Adresse 1 abzuwehren beantragt, kann auch der so verstandenen Klage kein Erfolg beigemessen werden.

Zwar muss die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgehen, dass auch durch die auf dem Grundstück Adresse 2 befindlichen Bäume der Wasserhaushalt auch mit Auswirkungen für das benachbarte Grundstück der Klägerin so beeinflusst wird, dass Niederschlagswasser die Oberfläche des Rupeltons in geringerem Maße erreicht, als dies der Fall wäre, wenn die Bäume dort nicht unterhalten würden.

Insofern hat der Sachverständige C überzeugend ausgeführt, dass sich die Reichweite der Auswirkungen von Baumwurzeln nicht auf den durchwurzelten Bereich beschränken, wie sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. J ergebe, das dieser zu den Schäden an dem ehemals auf dem Grundstück Adresse 2 befindlichen Bsgebäude erstellt hat. Auch in der Literatur seien zahlreiche Fälle dokumentiert, aus denen sich eine Wirkung der Einflüsse von Baumwurzeln auf tonigen Boden hervorgingen, die deutlich über die Ausdehnung der Wurzeln hinausgehe (Bl. VII/1491 d. A). Vorliegend werde der Wassergehalt des Rupeltons nicht durch einen freien Grundwasserleiter reguliert. Der Feuchtigkeitseintrag erfolge deshalb lediglich durch das auf nicht versiegelten Flächen versickernde Niederschlagswasser. Werde die Niederschlagsspende von der Vegetation aufgenommen, sinke der Wassergehalt in diesem Bereich, was zu einer Feuchtigkeitsgradiente in Richtung des durchwurzelten Bereichs und dies wiederum zu einem Feuchtigkeitstransport in diese Richtung führe (Bl. VII/1494 d. A).

Die Richtigkeit dieser Ausführungen belegt die vom Sachverständigen C vorgenommene Auswertung der verschiedenen vorangegangenen Untersuchungen, wonach bei Aufschlüssen in der Nähe des Baumbestandes auf dem Grundstück Adresse 2 im oberflächennahen Bereich bis etwa 6,5 m Tiefe einen geringeren Wassergehalt des Rupeltons festgestellt wurde, als bei den vom Baumbestand weiter entfernten Aufschlüssen (Bl. VII/1481 f. und VII/1496 d. A).

Auch hat der Sachverständige C überzeugend ausgeführt, dass bereits eine geringe Abnahme des Feuchtigkeitsgehalts, insbesondere innerhalb der Spannweite der für den […] Rupelton im unbeeinflussten Zustand typischen Feuchtigkeitswerte zu einer mehr als nur unerheblichen Schrumpfung des Rupeltons führe (Bl. VII/1484 ff. d. A). Die dem entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr.-Ing. A sind nicht überzeugend, da dessen Ausführungen zu dem hier allein interessierenden Verhalten des Rupeltons diesseits der Schrumpfgrenze nicht nachvollziehbar sind und vom Sachverständigen C auch aus fachlicher Sicht als nicht nachvollziehbar qualifiziert worden sind (Bl. VII/1490 d. A).

aa) Allerdings ergibt sich bezogen auf eine solche Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin zu 1 durch die auf dem Grundstück Adresse 2 vorhandenen Bäume kein Anspruch gegen die Beklagten aus § 1004 Abs. 1 BGB.

Bei der Veränderung des Wasserhaushalts durch auf dem Nachbargrundstück unterhaltene Bäume handelt es sich um eine natürliche Auswirkung, für die die Beklagten als Eigentümer oder Nutzer des Nachbargrundstücks nicht im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB einzustehen haben.

Bei Störungen durch Einwirken von Naturereignissen kommt es für die Störerhaftung des Nachbarn darauf an, ob die Störung auf einem pflichtwidrigen Unterlassen beruht, ob sich also aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Störung ausgeht, eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen der Nachbargrundstücke ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 07.07.1995 – V ZR 213/94 –, juris Rn. 7 ff.; BGH, Urteil vom 16. Februar 2001 – V ZR 422/99 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 28.11.2003 – V ZR 99/03 –, juris Rn. 12).

Eine solche Pflicht der Beklagten ist hier nicht gegeben. Anpflanzung und Unterhaltung der Bäume auf dem Grundstück Adresse 2 entspricht einer ordnungsgemäßen Grundstücksnutzung.

Insbesondere halten die Bäume der Laubbaumgalerie den nach dem hessischen Nachbarrecht vorgeschriebenen Grenzabstand ein.

Nach sachverständiger Beratung durch den Sachverständigen B geht die Kammer davon aus, dass es sich bei den Bäumen der Art Robinia pseudoacacia „Umbraculifera“ wegen deren typischen Erscheinungsbildes im Alter um eine solche im Sinne von § 38 bs.1 Nr. 1 Buchst. c HNachbG handelt, für die ein Grenzabstand von 1,5 m zu wahren ist. Der Sachverständige B hat insofern unter Bezugnahme auf entsprechende Fachliteratur ausgeführt, dass es sich bei der Kugelakazie um einen Kleinbaum mit 5 bis 6 m Höhe und einem Kronendurchmesser bis 4 m handele. Die Krone wachse schwach und kompakt. Dagegen erreichten die unter § 38 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b beispielhaft genannten Bäume Endhöhen von 15 bis 35 m (Bl. VII/1671 d. A).

Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Wortwahl von § 38 Abs. 1 Nr. 1 HNachbG insofern unklar ist, als das Merkmal „stark wachsend“ durchaus auch auf die Wuchsgeschwindigkeit des Baumes bezogen sein könnte. Die beispielhafte Zuordnung der Baumarten in § 38 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bis c HNachbG zeigt aber, dass der Gesetzgeber hier im Wesentlichen das typische Erscheinungsbild älterer Exemplare der jeweiligen Baumarten im Blick hatte, was auch dem Sinn und Zweck des § 38 HNachbG entspricht.

Der danach einzuhaltende Grenzabstand von 1,5 m ist vorliegend gewahrt, wie sich aus dem überzeugenden vermessungstechnischen Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. D ergibt (Bl. VII/1688 f. d. A).

bb) Ein Anspruch der Klägerin zu 1 gegen die Beklagten ergibt sich auch nicht aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis.

Ein solcher Anspruch kann sich bei Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ergeben, wenn ein über die gesetzlichen Regelungen hinausgehender billiger Anspruch unter Abwägung der widerstreitenden nachbarlichen Interessen dringend geboten erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2019 – V ZR 218/18 –, juris; BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 229/14 – juris).

Die für einen solchen Anspruch erforderliche ungewöhnlich schwere Beeinträchtigung durch die Bäume ist hier grundsätzlich auch gegeben, weil die Einflussnahme der Bäume auf den Wasserhaushalt zu den schweren Setzungsschäden am Gebäude der Klägerin zu 1 zumindest beigetragen hat.

Einen derartigen Einfluss auf den Wasserhaushalt hat aber nicht nur die Unterhaltung von Bäumen auf dem Grundstück Adresse 2, sondern auch jede andere Nutzung des Grundstücks in Nähe zur der gemeinsamen Grundstücksgrenze, die Einfluss auf den Anteil der Niederschlagsspende hat, der die Oberfläche des Rupeltons erreicht. Die Verpflichtung der Beklagten zur nachbarlichen Rücksichtnahme auf die Interessen der Klägerin würde sich deshalb nicht auf ein Unterlassen der Anpflanzung von Bäumen im grenznahen Bereich beschränken. Die Beklagten müssten vielmehr zur Vermeidung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Klägerin zu 1 durch Setzungsschäden jedenfalls im Grenzbereich sämtliche – auch an sich ordnungsgemäßen – Grundstücksnutzungen unterlassen, die verhindern, dass die Niederschlagsspende die Oberfläche des Rupeltons vollständig erreicht. Hierunter würde insbesondere nicht nur die gärtnerische Nutzung durch Anpflanzung und Unterhalt von großen Sträuchern, Hecken oder Bäumen fallen, sondern erst recht eine Oberflächenversiegelung – während etwa die Klägerin selbst in unmittelbarer Näher zu ihrem Gebäude Adresse 1 ausweislich der zur Akte gereichten Lichtbilder eine versiegelte Hoffläche unterhält. So weit reicht nach Auffassung der Kammer das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen der Nachbarn nicht.

2. Nichts Anderes gilt im Ergebnis im Hinblick auf die noch weiter vom klägerischen Grundstück entfernten Platanen (Antrag zu Ziff. 2).

Bei den in etwa 37,5 m und mehr von dem Haus Adresse 1 entfernten Platanen kommt allenfalls eine Beeinflussung des Wasserhaushalts mit Auswirkungen für das Grundstück der Klägerin zu 1 in Betracht. Wie der Sachverständige B ausgeführt hat, ist nämlich nicht damit zu rechnen, dass sich die Wurzeln der Platanen bis zum Grundstück der Klägerin zu 1 erstrecken und es wurden bei den vom Sachverständigen B mit Hilfe eines Sagbaggers vorgenommenen Suchschachtungen auch keine Wurzeln in dieser Richtung angetroffen (Bl. VII/1460 ff. d. A.). Aber auch eine Veränderung des Wasserhaushalts im Bereich des klägerischen Grundstücks durch die auf dem Grundstück Adresse 2 unterhaltenen Platanen kann nicht positiv festgestellt werden, der Sachverständige C hat sie lediglich nicht ausschließen können (Bl. VII/1658 d. A). Selbst wenn sich ein solcher Einfluss feststellen ließe, würde es sich dabei zudem – wie in Bezug auf die Bäume der Laubbaumgalerie bereits ausgeführt – um eine natürliche Auswirkung handeln, für die die Beklagten als Eigentümerin oder Nutzer des Nachbargrundstücks nicht im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB einzustehen hätten.

3. Soweit die Klägerin zu 1 die Beklagten weitergehend in Anspruch nimmt, zu „unterbinden“, dass auf dem Grundstück Adresse 2 Bäume unterhalten werden, die näher als 3 Meter zur Grundstücksgrenze des Grundstücks Adresse 1 stehen (Antrag zu Ziff. 3), versteht die Kammer dies zugleich als Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren.

Ein dahingehender Anspruch der Klägerin ist aber weder aus § 1004 Abs. 1 BGB oder dem Hessischen Nachbarrechtsgesetz noch unter dem Gesichtspunkt des Gebotes nachbarlicher Rücksichtnahme gegen die Beklagten gegeben.

Den Beklagten ist es innerhalb des nachbarrechtlich Zulässigen unbenommen, das ihnen gehörende oder zur Nutzung überlassene Grundstück gärtnerisch zu nutzen. Das Nachbarrecht sieht insofern etwa ausweislich § 38 HNachbG durchaus auch die zulässige Anpflanzung von Bäumen innerhalb eines Bereichs von weniger als 3 m zur Nachbargrenze vor.

Auch ein Anspruch aus § 43 Abs. 1 HNachbG würde deshalb voraussetzen, dass auf dem Grundstück der Beklagten Bäume unterhalten würden, für die der gesetzliche Grenzabstand nicht gewahrt ist. Dies ist vorliegend, wie im Hinblick auf die Bäume der Laubbaumgalerie bereits ausgeführt, nicht der Fall.

Auch das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme hindert die Beklagten, wie bereits ausgeführt, nicht an einer gärtnerischen Nutzung des Grundstücks durch Anpflanzung und Unterhaltung von hierfür geeigneten Bäumen im Bereich von weniger als 3 m zur gemeinsamen Nachbargrenze.

4. Soweit die Klägerin zu 1 die Beklagten in Anspruch nimmt, zu „unterbinden“, dass durch die an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf dem Grundstück Adresse 2 unterhaltene Drainage Abwasser aus dem Abwasserkanal in der …straße auf das Grundstück Adresse 1 gelangen kann sowie zu „unterbinden“, dass dem Grundstück Adresse 1 durch die Drainage Wasser entzogen wird (Antrag zu Ziff. 4), versteht die Kammer dies wiederum als Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren.

Ein solcher Anspruch der Klägerin zu 1 gegen die Beklagten besteht auch im Hinblick auf die Drainage nicht. Er ergibt sich insbesondere nicht aus § 1004 Abs. 1 BGB.

Wie nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststeht, ist weder zu besorgen, dass durch die Drainage Abwasser aus dem Abwasserkanal auf das Grundstück Adresse 1 gelangt, noch, dass diesem Grundstück Wasser entzogen wird.

a) Ein Rückstau in die Drainage wäre nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen C, die auf der Einmessung der Höhenlage durch den Sachverständigen Dr.-Ing. D beruht, überhaupt nur möglich, wenn sich ein Aufstau von über 1,55 m ereignen würde (Bl. VII/1495 d. A). Dies würde bereits ein starkes und äußerst seltenes Starkregenereignis voraussetzen, für das die Beklagten der Klägerin zu 1 keine Vorsorge schulden. Hiermit übereinstimmend hat auch der Sachverständige Prof. F in seinem für das Landgericht […] erstatteten Gutachten ausgeführt, dass Rückstauereignisse wegen der für die Drainage fehlenden Rückstausicherung in der Vergangenheit zwar eingetreten aber nur selten zu erwarten seien (Bl. III/602 d. A.).

Dessen ungeachtet würde ein solcher Rückstau – und auch dies steht für sich genommen bereits einem Anspruch der Klägerin zu 1 gegen die Beklagten entgegen – lediglich zu einem temporären Aufstau von Wasser in der Drainage führen, der für die Klägerin zu 1 nicht mit nachteiligen Folgen verbunden wäre. Wie der Sachverständige C in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr.-Ing. A überzeugend ausgeführt hat, führt ein solcher Aufstau weder zu Erosion noch zu anderweitigen physikalischen Veränderungen des umgebenden Bodens, da das gestaute Wasser lediglich zeitverzögert abfließt (Bl. VII/1489, VII/1491 d. A). Auch der Sachverständige Prof. F hat in seinem für das Landgericht […] erstatteten Gutachten damit übereinstimmend ausgeführt, dass auch bei einem Rückstau nicht mit Spülvorgängen im Bereich des Fundaments des Grundstücks der Klägerin zu 1 zu rechnen sei (Bl. III/598 d. A.), da Drainagen grundsätzlich keine negativen Einwirkungen durch Unter- oder Ausspülungen hätten, auch nicht bei vereinzelten Rückstauereignissen (Bl. III/603 d. A.).

Dies gilt noch in verstärkten Maß für Auswirkungen auf den Boden des Grundstücks der Klägerin zu 1, da die Drainage auf Grund ihrer Höhenlage in den Rupelton einschneidet. Wie der Sachverständige Dr.-Ing. A überzeugend ausgeführt hat, wirkt der Rupelton wegen seines geringen Wasserdurchlässigkeitsbeiwerts einem Eindringen von rückgestautem Wasser der Kanalisation, das aus der Drainage austreten könnte, in den Boden des klägerischen Grundstücks entgegen (S. 38 der Gutachtenausfertigung vom 30.05.2008).

An alldem ändert der Umstand nichts, dass die Drainage auch über das Fehlen einer Rückstausicherung hinaus nicht vollständig nach den anerkannten Regeln der Technik errichtet ist. Sämtliche Versäumnisse in dieser Hinsicht, die die Beweisaufnahme ergeben hat und die von der Klägerin zu 1 behauptet werden – sei es die Verwendung ungeeigneten Rohrmaterials oder die behauptete Richtungsänderung von einem Winkel über 45° ohne Revisionsschacht – beeinträchtigen allenfalls die (dauerhafte) Funktion der Drainage – was die Kammer auf Grund einer Sachkunde feststellen kann –, nicht aber die Interessen der Klägerin zu 1. Bei einer vollständigen oder teilweisen Verstopfung der Drainage würde lediglich der Abfluss verhindert, was allenfalls zu einer Befeuchtung des Bodens auf Grund mangelnder Dränung führen würde.

b) Auch von einem Wasserentzug des Bodens des klägerischen Grundstücks durch die Drainage ist nicht auszugehen.

Zu diesem überzeugenden Ergebnis kommt das Gutachten des Sachverständigen C (Bl. VII/1645 ff.) in Übereinstimmung mit dem Gutachten der Sachverständigen Dr. E (Bl. I/23 d. A.) und dem Sachverständigen Prof. F (Bl. III/603 d. A.).

Allenfalls ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen C möglich, dass die Ableitung von auf dem Grundstück Adresse 2 versickerndem Niederschlagwasser durch die Drainage der Wasserhaushalt so verändert wird, dass die Feuchtigkeitszufuhr auch für den Boden des Grundstücks der Klägerin zu 1 verringert wird (Bl. VII/1647 d. A). Anders als bei der Wasseraufnahme durch Baumwurzeln handelt es sich bei der Entwässerung durch eine Drainage nicht um einen natürlichen Vorgang, sodass hier der in § 20 HNachbG zum Ausdruck gebrachte Rechtsgedanke Bedeutung erlangen könnte. Allerdings setzt auch diese Vorschrift voraus, dass die Veränderung auf dem Nachbargrundstück zu erheblichen Beeinträchtigungen führt. Dies kann hier nicht festgestellt werden, weil der Sachverständige C insofern lediglich nicht auszuschließen vermocht hat, dass die Drainage einen mittelbaren Einfluss auf den Wassergehalt des Tons habe (Bl. VII/1647 d. A).

Schließlich besteht für die Beklagten auch unter Gesichtspunkten der nachbarlichen Rücksichtnahme in Bezug auf die Drainage kein Anlass zum Handeln. Deren Einbau ist nämlich in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem Abbruch des zuvor in Nähe zur gemeinsamen Grundstücksgrenze befindlichen Nebengebäudes zu sehen. Während zunächst die Versiegelung durch das Gebäude die Befeuchtung des Bodens durch Niederschlagswasser verringert hat, mag nunmehr die Drainage Niederschlagswasser abführen (Bl. VII/1647 d. A). Eine Änderung des Zustandes mit nachteiliger Wirkung für das Grundstück ist mit dem Einbau der Drainage deshalb nicht verbunden. Auch der Sachverständige Prof. F hat in seinem für das Landgericht […] erstatteten Gutachten deshalb ausgeführt, dass der Zustand mit Drainage in Bezug auf den Wasserhaushalt im Wesentlichen dem mit einer früher durch das Gebäude versiegelten Oberfläche entspreche (Bl. III/603 d. A).

5. Schließlich hat die Klägerin zu 1 gegen die Beklagte zu 1 auch keinen Anspruch auf Ersatz von Beeinträchtigungen und Schäden am Grundstück und Gebäude Adresse 1, die als Folge eines Wassersentzuges entstanden sind und noch entstehen werden, dessen Feststellung die Klägerin zu 1 begehrt (Antrag zu Ziff. 5).

Wie bereits ausgeführt, findet ein Wasserentzug von dem Grundstück der Klägerin zu 1 nicht statt. Auch wenn der Antrag weitergehend dahin zu verstehen sein mag, dass auch ein Vorenthalten von Niederschlagswasser erfasst sein soll, hat die Beklagte zu 1, wie ausgeführt, hierfür nicht als Störerin einzustehen. Eine deliktische Haftung kommt unter diesen Umständen ebenfalls nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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