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WEG-Anlage – Verjährungsfrist des Beseitigungsanspruchs einer baulichen Veränderung

LG Frankfurt/Main, 2-13 S 191/14, Urteil vom 28.06.2017

Gründe:

I.

Die Kläger nehmen die Beklagten zu 1) und 2) auf Beseitigung einer Terrassenverglasung in Anspruch und begehren mit dem Hilfsantrag die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zur Beseitigung der Verglasung.

Die Kläger sind seit 2009 Wohnungseigentümer, die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 5. Der Beklagte zu 2) ist Eigentümer der Wohnung Nr. 4, die zunächst ebenfalls im Eigentum der Beklagten zu 1) stand und mit notariellem Vertrag vom September 2010 an den Beklagten zu 2) übertragen wurde.

Unter im einzelnen streitigen Umständen nahm der Beklagte zu 2) eine Verglasung der vor den Wohnungen Nr. 5 und 4 befindlichen Terrasse vor, sodass eine Art Wintergarten entstand, an dessen Seite eine Zugangstür nach Außen angebracht ist. …

WEG Anlage
Symbolfoto: VladKyryl/Bigstock

Auf der Eigentümerversammlung vom 07.08.2010 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich die Genehmigung dieser Verglasung. Mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-13 S 133/11) vom 08.05.2013 wurde der Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt. Am 31.12.2013 haben die Kläger Klage auf Beseitigung erhoben.

Die Parteien haben in erster Instanz um die Frage gestritten, ob die Verglasungen im Jahre 2009 oder erst im Jahre 2010 vorgenommen worden sind, und zu welchem Zeitpunkt die Kläger hiervon erfahren haben.

Das Amtsgericht auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Klage nach Beweiserhebung abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen aufgeführt:

Den Klägern stünde zwar gegen den Beklagten zu 2) aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB ein Beseitigungsanspruch zu, denn das Eigentum der Kläger sei durch die Verglasung der Terrasse beeinträchtigt, der Beklagte zu 2) habe auch unstreitig die Verglasung der Terrasse vorgenommen und sei daher auch Handlungs- sowie Zustandszerstörer. Der Anspruch sei jedoch verjährt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Gericht davon überzeugt, dass der Anspruch der Kläger bereits im Jahre 2009 entstanden sei. Mithin sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 2013 der Anspruch verjährt gewesen. Die Verjährung sei nicht gem. § 203 BGB dadurch gehemmt gewesen, dass zwischenzeitlich die bauliche Veränderung genehmigt worden sei. Denn die Kläger seien seinerzeit überstimmt worden, Verhandlungen habe es nicht gegeben. Mit der rechtskräftigen Ungültigerklärung durch das Berufungsgericht sei dieser Genehmigungsbeschluss auch im Nachhinein von Anfang an ungültig geworden und könne deshalb keine Auswirkungen auf die Verjährung haben.

Der Hilfsantrag sei unzulässig, denn eine hilfsweise Klageerhebung gegen Parteien, die an dem Hauptantrag nicht beteiligt seien, sei unzulässig.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese ihre erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter verfolgen. Die Berufung wendet sich vor allem gegen die Annahme der Verjährung.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat mit dem Hauptantrag Erfolg.

Der Hilfsantrag ist allerdings unzulässig. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen werden. Ein hilfsweise gestellter Klageantrag kann nicht gegen Dritte gerichtet werden, da es sich insoweit nicht um eine innerprozessuale Bedingung handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2005 – XI ZR 152/04). Insoweit bedarf es – auch bei einer lediglich hilfsweisen Klageerhebung – einer Entscheidung, da das Prozessverhältnis gegenüber den Dritten nicht in der Schwebe gelassen werden darf (Zöller/Vollkommer § 33 Rn. 27).

Den Klägern steht der geltend gemachte Beseitigungsanspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) aus §§ 1004 Abs. 1. S. 1 BGB i.V.m. § 15 WEG zu. Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass es sich bei der Verglasung der Terrasse um eine bauliche Veränderung handelt, welche die Kläger benachteiligt. Die insoweit vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen sind für das Berufungsgericht bindend.

Diese bauliche Veränderung beeinträchtigt – wie das Amtsgericht ebenfalls zutreffend und für das die Kammer bindend festgestellt hat – auch die Kläger über das in § 14 Nr. 1 WEG festgelegte Maß hinaus. Insoweit entspricht es auch weiterhin der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass ein Nachteil, den andere Wohnungseigentümer nicht hinnehmen müssen, vorliegt wenn die bauliche Veränderung zu einer erheblichen optischen Veränderung des Gebäudes führt (BGH WuM 2017, 298).

Eine derartige erhebliche Veränderung des optischen Erscheinungsbildes liegt hier vor. Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat und sich auch aus den vorgelegten Bildern eindeutig ergibt, hat sich durch die Verglasung das gesamte Erscheinungsbild des Gebäudes erheblich verändert. Während zuvor wie auf dem Foto …. erkennbar ist, das Gebäude dadurch geprägt war, dass es zwei freischwebende Balkone hat, befindet sich nun unterhalb des unteren Balkons durch die Umbauten ein umbauter Raum, hierdurch hat sich der bestehende Gesamteindruck erheblich verändert. So ist etwa aus dem freischwebenden unteren Balkon ein aufgesetzter Balkon geworden, und der angebrachte Raum wirkt von außen betrachtet so, als würde er zum inneren Teil des Gebäudes gehören. Dies führt insgesamt zu einer erheblichen Veränderung des optischen Gesamteindrucks.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist der geltend gemachte Anspruch aber nicht verjährt (§ 199 BGB). Dabei kommt es nicht auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage an, ob die baulichen Veränderungen im Jahre 2009 oder im Jahre 2010 vorgenommen worden sind.

Denn selbst wenn diese erst im Jahre 2010 vorgenommen worden wären, hätte die im Jahre 2013 erhobene Klage die Verjährung rechtzeitig gehemmt. Denn in den Zeitraum der Verjährung ist der Zeitraum vom 07.08.2010 bis zum 08.05.2013 nicht einzuberechnen.

Dabei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob für diesen Zeitraum die Verjährungsfrist nicht lief, oder den Klägern aus Rechtsgründen eine Geltendmachung ihres Beseitigungsanspruches nicht zuzumuten war, weil eine entsprechende Klage aufgrund des seinerzeit gefassten Beschlusses als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden wäre.

Durch die auf der Versammlung vom 07.08.2010 zu dem TOP 12 erfolgte Genehmigung der baulichen Veränderung war diese bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses am 08.05.2013 legitimiert (§ 22 Abs. 1 WEG). Dieser Beschluss war – auch wenn er anfechtbar war – bis zum Zeitpunkt seiner Ungültigerklärung (§ 23 Abs. 4 WEG) gültig und bindend (BayObLG NZM 1999, 132).

Demzufolge bestand während dieses Zeitraums ein Unterlassungsanspruch der Kläger, den diese mit Erfolg hätten durchsetzen können, nicht. Eine von den Klägern erhobene Beseitigungsklage hätte vielmehr nach verbreiteter Ansicht in der Rechtsprechung als derzeit unbegründet abgewiesen werden können (so ausdr. BayObLG NZM 1999, 132; LG Stuttgart ZWE 2014, 190; Niedenführ/Vandenhouten § 22 Randnr. 142). Angesichts dieser feststehenden Rechtsprechung wäre es jedenfalls den Klägern nicht zumutbar gewesen, während dieses Zeitraums eine Beseitigungsklage zu erheben. Denn sie konnten nicht sicher davon ausgehen, dass das Gericht dieses Verfahren – wie es die Kammer zunächst für möglich gehalten hat (ebenso Riecke/Drabek/Riecke § 24 Rn. 63; vgl. auch Jennißen/Hogenschurz § 22 Rn. 17a) – gem. § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage aussetzt, sondern mussten mit deren Abweisung rechnen, da zum Zeitpunkt einer Entscheidung bis zum 08.05.2013 der klägerische Anspruch gerade nicht bestand.

Nach Ansicht der Kammer steht der Genehmigungsbeschluss überhaupt dem Lauf der Verjährung für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung entgegen. Denn wenn aufgrund dieses Beschlusses – wie ausgeführt – der Beseitigungsanspruch nicht besteht, kann er auch keiner Verjährung unterliegen (§ 194 BGB). Insoweit liegt auch kein mit § 205 BGB vergleichbarer Fall eines vorübergehenden Leistungsverweigerungsrechts vor, denn durch die Beschlussfassung ist die Rechtslage für die Wohnungseigentümer endgültig bindend – bis zur gerichtlichen Ungültigerklärung des Beschlusses (§ 23 Abs. 4 WEG) – umgestaltet.

An diesem Befund ändert sich – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – nichts durch die zwischenzeitlich rechtskräftige Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass durch die gerichtliche Ungültigerklärung eines Beschluss dieser von Anfang an seine Wirkung insgesamt verliert (BGH NJW 1989, 1087, 1088). Dies ändert allerdings nichts daran, dass der Beschluss für die Zeit bis zur gerichtliche Ungültigkeitserklärung für die Wohnungseigentümer sowie für den Verwalter bindend war (§ 23 Abs. 4 WEG), denn der Anfechtungsklage kommt gerade keine aufschiebende Wirkung zu.

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Demzufolge ist es zwar so, dass aus heutiger Sicht – ex post – der Beseitigungsanspruch seit der Errichtung der baulichen Veränderung fortlaufend bestanden hat. Gleichwohl bestand aufgrund der gesetzlichen Bindungswirkung des Genehmigungsbeschlusses bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung ein Beseitigungsanspruch, den die Kläger mit Erfolg gerichtlich durchsetzen konnten, nicht. Entsprechend ist in der Rechtsprechung – auch des Bundesgerichtshofs – anerkannt, dass auch in anderen Fällen die Ungültigerklärung von Beschlüssen nicht den Wegfall jeglicher Rechtswirkungen für die Zwischenzeit zur Folge hat. So ist etwa anerkannt, dass im Falle der Ungültigerklärung der Verwalterbestellung das Handeln des Verwalters wirksam bleibt (Niedenführ § 26 Rn. 24; Bärmann/Merle/Becker § 26 Rn. 66; noch weitergehend nur ex nunc Wirkung Jennißen § 26 Rn. 73). Diese Ansicht vertritt auch der Bundesgerichtshof (BGH NJW 2007, 2776; ausdr. bestätigt in BGH NJW 2016, 716 Rn. 9), so dass beispielsweise auch nach Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses eine vom Verwalter erteilte Prozessvollmacht wirksam bleibt (BGH NJW 2016, 716).

Für den hier zu entscheidenden Fall kann nichts anderes gelten. Auch insoweit kann sich durch die nachträgliche Ungültigerklärung eines Beschlusses die zwischenzeitlich bestehende Rechtslage – nämlich die zwischenzeitliche Genehmigung der baulichen Veränderung (§ 23 Abs. 4 WEG) mit der Folge, dass Beseitigungsansprüche jedenfalls nicht erfolgreich durchzusetzen waren – nach Ansicht der Kammer sogar nicht bestand – nicht mehr ändern. Lässt man diesen Zeitraum jedoch für die Berechnung des Verjährungszeitraums außer Betracht, so ergibt sich, dass der geltend gemachte Anspruch nicht verjährt ist. Auf die Frage, ob nach der Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses die Verjährung sogar neu beginnt, kommt es daher nicht an.

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