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WEG-Anlage – Modernisierung

LG Saarbrücken

Az.: 5 S 182/12

Urteil vom 28.03.2013


1. In Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22.3.2012 – Az. 36 C 381/11 (12) – werden die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft xxx, xxx, vom 17.11.2011,Tagesordnungspunkt 2, für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen nach Kopfteilen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Der Kläger hat den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.11.2011 TOP 2 angefochten.

Die Wohnungseigentümer haben in der Versammlung am 17.11.2011 mit einfacher Mehrheit beschlossen, die vorhandenen Glasbausteine, die sich im Eingangsbereich in der Außenwand des Gebäudes befinden, auszubauen und durch Fenster zu ersetzen.

In den gegenüberliegenden Außenwandbereichen befinden sich – übereinander – jeweils fünf Glasbausteinfelder, die aus jeweils 44 Glasbausteinen mit einer zusätzlichen Lüftungsklappe bestehen. In der rechten Wand (Blickrichtung auf das Gebäude hin) sind in dem oberen Glasbausteinfeld 22 Glasbausteine beschädigt. Auf der linken Wandseite ist im oberen Glasbausteinfeld ein Glasbaustein gerissen.

Das Amtsgericht Saarbrücken hat die gegen diesen Wohnungseigentümerbeschluss gerichtete Anfechtungsklage des Klägers mit der Begründung abgewiesen, bei dem Austausch der Glasbausteine gegen Fenster handele es sich nicht um eine bauliche Veränderung gemäß § 22 WEG, die der Zustimmung aller rechtlich betroffenen Wohnungseigentümer bedurft hätte, sondern um eine modernisierende Instandsetzungsmaßnahme gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, die durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden könne.

Gegen dieses am 27.3.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.4.2012 Berufung eingelegt, die er am 29.5.2012 (Dienstag nach Pfingsten) begründet hat.

Der Kläger ist der Auffassung, durch die beschlossene Maßnahme werde das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes erheblich verändert.

Es sei keine Instandsetzung, sondern eine bauliche Veränderung beabsichtigt. Der zulässige Rahmen einer modernisierenden Instandsetzung sei überschritten.

Die beschlossene Maßnahme sei wirtschaftlich nicht sinnvoll. Durch den Austausch der Glasbausteine gegen Fenster ergäbe sich eine jährliche Energieeinsparung in Höhe von 39,80 EUR. Unter Berücksichtigung von Investitionskosten in Höhe von 9.124,92 EUR betrage die Amortisationsdauer 229 Jahre.

Die schadhaften Glasbausteine könnten ohne weiteres durch im Handel erhältliche, den vorhandenen sehr ähnliche Glasbausteine ersetzt werden.

Die Energieeinsparverordnung sei vorliegend nicht zu beachten. Denn es handele sich nur um eine Bagatellfläche. Im Übrigen gebe es auch wärmegedämmte Glasbausteine.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken aufzuheben und die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.11.2011 TOP 2 für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, mit dem Einbau von Glasbausteinen seien die Anforderungen der Energieeinsparverordnung nicht zu erreichen.

Die Glasbausteinflächen seien von der Straße aus nur teilweise einsehbar, es könne deshalb nicht von einer erheblichen optischen Veränderung ausgegangen werden, wenn alle 10 Glasbausteinfelder durch Fenster ersetzt würden.

Wenn aber nur die beiden schadhaften Glasbausteinflächen durch Fenster ersetzt würden, käme es wegen des dann uneinheitlichen Gesamterscheinungsbildes zu einer erheblichen optischen Veränderung.

Sie behaupten, die Kosten für die Herstellung von 20 m² Glasbausteinfläche lägen unter Berücksichtigung der Gerüstkosten und der Lüftungsflügel bei 13.685,– EUR.

Die Herstellung einer Glasbausteinfläche sei nicht billiger als die Herstellung von Fensterelementen. Deshalb führe im Ergebnis jegliche Energieeinsparung zu einer Kostenamortisation.

B.

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 511, 513, 518, 520 ZPO zulässig.

II.

Die Berufung ist auch begründet und führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken zur Ungültigerklärung der angefochtenen Wohnungseigentümerbeschlüsse vom 17.11.2011, TOP 2.

1. Die Auffassung des Amtsgerichts Saarbrücken, bei dem mehrheitlich beschlossenen Austausch der Glasbausteine durch Fenster handele es sich nicht um eine bauliche Veränderung gemäß § 22 WEG, die der Zustimmung aller rechtlich betroffenen Wohnungseigentümer bedurft hätte, sondern um eine modernisierende Instandsetzungsmaßnahme gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, die durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden könne, beruht auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung.

Allerdings ist dem Amtsgericht zugute zu halten, dass die vorliegende Rechtsproblematik erst nach Verkündung seiner Entscheidung durch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.12.2012 – V ZR 224/11 – (zitiert nach juris) abweichend von der Rechtsauffassung des Amtsgerichts geklärt worden ist.

Nach der Auffassung des BGH, der sich die erkennende Berufungskammer anschließt, darf eine Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung oder Instandsetzung über die bloße Reparatur oder Wiederherstellung des früheren Zustandes hinausgehen, wenn die Neuerung eine technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt (vgl. BGH, aaO, juris Rnr. 10; Bärmann/Merle, WEG, 10. Auflage, § 21 WEG Rnr. 101 ff; § 22 WEG Rnr. 25 mwN).

Diese Voraussetzungen liegen bereits deshalb nicht vor, weil durch den streitgegenständlichen Wohnungseigentümerbeschluss nicht nur die beiden schadhaften Glasbausteinfelder, sondern sämtliche 10 Felder – also auch die acht nicht schadhaften – durch Fenster ersetzt werden sollen.

Eine solche Baumaßnahme, durch die – unabhängig von dem Vorliegen eines Reparaturbedarfs – der Gebrauchswert des Gebäudes hinsichtlich des Energieverbrauchs nachhaltig erhöht werden soll, kann allenfalls mit einer doppelt qualifizierten Mehrheit gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 WEG oder durch Zustimmung aller rechtlich betroffenen Wohnungseigentümer gemäß § 22 Abs. 1 WEG beschlossen werden (vgl. dazu BGH, aaO, juris Rnr. 12), nicht jedoch mit der einfachen Mehrheit über den Weg der modernisierenden Instandsetzung gemäß §§ 22 Abs. 3 i.V.m. 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG.

Abgesehen davon kann auch eine modernisierende Instandsetzung mit lediglich einfacher Mehrheit nur dann in zulässiger Weise beschlossen werden, wenn die angestrebte Neuerung eine technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt (vgl. BGH, aaO, juris Rnr. 10; Bärmann/Merle, aaO). Diese Bewertung hängt von einer anzustellenden Kosten-Nutzen-Analyse ab, die den Wohnungseigentümerbeschluss nur dann rechtfertigen würde, wenn sich die Mehraufwendungen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes – grundsätzlich innerhalb von 10 Jahren – amortisieren würden (vgl. BGH, aaO, juris Rnr. 10; BayObLG, FGPrax, 2005, 108 ff; KG FGPrax 1996, 95; Bärmann/Merle, § 21 Rnr. 102). Dazu hätte es näherer Feststellungen zu dem Kostenaufwand bedurft, die in dem amtsgerichtlichen Urteil nicht angestellt worden sind.

Für die Entscheidung in dem Berufungsverfahren ist eine solche Kosten-Nutzen-Analyse nicht erforderlich. Denn der angefochtene Beschluss ist bereits deshalb für ungültig zu erklären, weil die Grenzen der modernisierenden Instandsetzung überschritten sind und die gesetzlich geforderten Mehrheiten (vgl. §§ 22 Abs. 1 und 22 Abs. 2 WEG) nicht vorliegen.

2. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die – insoweit unbestrittene – erhebliche optisch nachteilige Veränderung des Fassadenbildes des Gebäudes eine Ersetzung lediglich der beiden schadhaften Glasbausteinfelder durch Fenster von keinem der Beteiligten gewollt ist.

3. Schließlich ist der angefochtene Wohnungseigentümerbeschluss auch nicht durch die Vorgaben der Energieeinsparverordnung gerechtfertigt.

Zwar sind gemäß § 9 Abs. 1 der EnEV Änderungen bei geheizten Räumen von Gebäuden so auszuführen, dass die in Anlage 3 festgelegten Wärmedurchgangskoeffizienten der betroffenen Außenteile nicht überschritten werden.

Allerdings ist diese Bestimmung gemäß § 9 Abs. 3 EnEV nicht anzuwenden auf Änderungen von Außenbauteilen, wenn die Fläche der geänderten Bauteile nicht mehr als 10/100 der gesamten jeweiligen Bauteilfläche das Gebäude betrifft.

Vorliegend hat der Kläger unbestritten dargetan, dass die Glasbausteinfelder nicht mehr als 10 % der gesamten Außenwandfläche des Gebäudes ausmachen.

Deshalb können die schadhaften Glasbausteine ohne Rücksicht auf die Anforderungen der Energieeinsparverordnung ausgetauscht werden.

Nach dem insoweit ebenfalls unbestrittenen Vortrag des Klägers können derartige Glasbausteine auf dem Markt ohne Schwierigkeiten nachgekauft werden.

4. Der angefochtene Wohnungseigentümerbeschluss war somit für ungültig zu erklären.

Die Kostenentscheidung für beide Instanzen erging nach § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, die nur die Kostenentscheidung betrifft, beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für beide Instanzen wurde gemäß § 49 a Abs. 1 S. 2 Gerichtskostengesetz festgesetzt. Zur Ermittlung des maßgeblichen Fünffachen des Wertes des Interesses des Klägers wurden die von den Beklagten in dem Berufungsverfahren angegebenen Gesamtreparaturkosten für den Einbau von Fenstern in Höhe von 10.974,30 EUR zugrunde gelegt und berücksichtigt, dass der Miteigentumsanteil des Klägers 42/1000 beträgt (10.974,30 EUR : 1000 x 42 x 5 = 2.304,60 EUR).

Der Streitwert beider Instanzen wird festgesetzt auf jeweils 2.304,60 Euro.

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