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WEG – Erlöschen von Sondernutzungsrechten bei Eintritt eines neuen Eigentümers

LG Karlsruhe, Az.: 11 S 145/16, Urteil vom 05.12.2017

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Bretten vom 18.11.2016, Az. 1 C 459/13 WEG, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die an der Ostseite des Grundstückes (…) gepflasterten drei Parkplätze, die westlich von der A.-Straße, nördlich vom Treppenabgang zur tieferliegenden Terrasse und östlich von der mit der in der Grundakte mit „ABCDA“ bezeichneten Fläche begrenzt sind, unter Ausschluss der übrigen Eigentümer als Sondernutzungsberechtigter zu nutzen, insbesondere die Behauptung zu unterlassen, er sei Inhaber eines Sondernutzungsrechts an den bezeichneten Parkplätzen.

Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

2. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die an der Ostseite des Grundstückes (…) gepflasterten drei Parkplätze, die westlich von der A.-Straße, nördlich vom Treppenabgang zur tieferliegenden Terrasse und östlich von der mit der in der Grundakte mit „ABCDA“ bezeichneten Fläche begrenzt sind, unter Ausschluss der übrigen Eigentümer als Sondernutzungsberechtigter zu veräußern.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob zu Gunsten der Wohnung Nr. 7 im Anwesen A. -Straße 15, O., ein Sondernutzungsrecht an den vor der Wohnung angelegten drei Stellplätzen besteht. Der Kläger ist Eigentümer der Wohnungseinheit Nr. 4, der Beklagte ehemaliger Eigentümer der Wohnungseinheit Nr. 7 der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Das Gebäude wurde in den Jahren 2008/2009 im Bauträgermodell errichtet. Es enthält im Erdgeschoss und den beiden Obergeschossen jeweils zwei, insgesamt sechs Wohneinheiten mit gemeinsamem Eingang von der Nordseite her. Im Souterrain des Anwesens befindet sich die hier betroffene weitere Wohneinheit Nr. 7, die einen gesonderten Zugang von der Ostseite des Gebäudes her hat. Wegen der örtlichen Gegebenheiten wird auf die Lagepläne und Lichtbilder verwiesen, die vorgelegt wurden als Anlagen K6, K10 bis K14 und in der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2016 (Aktenseiten 635 bis 647 der ersten Instanz).

In der Teilungserklärung vom 08.10.2008 wurden der Wohneinheit Nr. 7 eine Terrasse und vier Stellplätze auf der Ostseite des Gebäudes zur Sondernutzung zugewiesen (Buchstabe F der Teilungserklärung in Verbindung mit Anlage 2 Ziffer 7). Dabei sollte die Terrasse mit dem Eingang zur Wohnung die halbe Gebäudebreite einnehmen; auf der anderen Hälfte des Gebäudes sollten sich – direkt an die Hauswand angrenzend – die vier Stellplätze anschließen. Zur Verdeutlichung wird ebenfalls auf die erwähnten Planunterlagen und Lichtbilder verwiesen. In der Teilungserklärung behielt sich der Bauherr unter Buchstabe H. vor, Änderungen an der Aufteilung vorzunehmen. Die Vorschrift lautet – soweit hier von Bedeutung – wie folgt:

Der teilende Eigentümer behält sich, solange er noch Eigentümer von mindestens noch einer Sondereigentumseinheit an der vorliegenden Wohnungseigentümergemeinschaft ist, das Recht vor

– an Räumen und weiteren Flächen das Gemeinschaftseigentums Sondernutzungsrechte zu begründen und/oder an Räumen des Gemeinschaftseigentums Sondereigentum zu begründen, sowie solche Sondernutzungsrechte und/oder Räume bestehenden Miteigentumsanteilen zuzuordnen bzw. mit solchen zu verbinden,

– Stellplätze abweichend Wohnungs- und Teileigentumseinheiten durch Sondernutzungsrechte zuzuordnen (…)

Bei der Bauausführung wurde von der in der Teilungserklärung festgehaltenen Planung abgewichen. Statt nur auf der halben Gebäudebreite wurde die Terrasse über die gesamte östliche Gebäudeseite angelegt; statt vierer Stellplätze wurden nur drei errichtet und diese von der Hauswand weg vor die verbreiterte Terrasse, auf die Gemeinschaftsfläche an der Straße, verlegt. Zur Verdeutlichung wird auf die Pläne verwiesen, die vorgelegt wurden als Anlagen K6, K10 bis K14 und in der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2016 (Aktenseiten 635 bis 647 der ersten Instanz). Die Teilungserklärung wurde aber zunächst nicht angepasst.

In der Folge veräußerte der Bauherr ab Februar 2009 sukzessive die errichteten Wohnungen. Ab Oktober 2011 interessierte sich der Beklagte für die Souterrainwohneinheit Nr. 7. Nach verschiedenen Besichtigungsterminen kaufte der Beklagte schließlich mit notariell beglaubigtem Vertrag vom 10.11.2011 das mit der Wohnung Nr. 7 verbundene Miteigentum an dem Grundstück. In § 2 des Kaufvertrages wurde die Rechtsbeziehung zu den Parkflächen wie folgt geregelt:

Nicht mitverkauft ist der nicht errichtete Stellplatz, nächstgelegen zur Grundstücksgrenze. Die Beteiligten bewilligen und beantragen, insoweit das Sondernutzungsrecht im Grundbuch zu löschen dahingehend, dass sich dieses nur auf die drei verbliebenden Stellplätze bezieht, im beigefügten Grundrissplan – Anlage 1 – rot eingezeichnet und mit A-B-C-D-A bezeichnet.

In dem Grundrissplan, der dabei in Bezug genommen wird und der von den Kaufvertragsparteien unterzeichnet wurde, sind die Parkflächen aber nicht so eingezeichnet, wie sie tatsächlich errichtet wurden, sondern so, wie sie ursprünglich geplant worden waren. Die Fläche „ABCDA“ umgrenzt drei von vier eingezeichneten Stellplätzen, die nach Westen direkt an die Hauswand und nach Norden an die Terrasse angrenzen, welche ihrerseits nur die halbe Gebäudebreite einnimmt. Zur Verdeutlichung wird auf den Grundrissplan im Sonderband „Grundbuch“ verwiesen.

Mit Datum vom 02.12.2013 hat der Kläger Klage gegen den Beklagten erhoben mit dem Ziel, diesem die Nutzung der Stellplätze als Sondernutzungsberechtigter zu untersagen. Zur Begründung hat er zunächst – noch in der Annahme, die Pläne im Grundbuch entsprächen der tatsächlichen Lage der Stellplätze -, vorgetragen, der Bauherr habe kein dingliches Sondernutzungsrecht an den streitgegenständlichen Stellplätzen begründen können, da der Änderungsvorbehalt unwirksam sei. Zum einen seien sein Inhalt und Umfang nicht hinreichend bestimmt, zum anderen sei er am 10.11.2011 schon erloschen gewesen, weil zu diesem Zeitpunkt schon Vormerkungen für alle Wohnungen eingetragen gewesen seien. Nachdem im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens die Abweichung der Pläne von der tatsächlichen Lage aufgedeckt wurde, hat der Kläger weiter vorgetragen, der Bauherr habe auch ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht weder begründen wollen noch können. Auch ein schuldrechtliche Sondernutzungsrecht müsse sich auf einen wirksamen Änderungsvorbehalt stützen, der hier nicht vorliege. Zudem sei den Erklärungen zwischen Verkäufer und Beklagtem bei der Veräußerung keine entsprechende schuldrechtliche Abrede zu entnehmen; die Behauptungen des Beklagten zu den Äußerungen und Vereinbarungen im Verlauf der Verkaufsgespräche hat der Kläger bestritten. Schließlich hat der Kläger vorgetragen, ein etwa entstandenes schuldrechtliches Sondernutzungsrecht des Beklagten sei jedenfalls entfallen, als der Miteigentümer S. am 12.12.2012 die Wohneinheit 6 erworben habe. Dieser habe von dem angeblichen schuldrechtlichen Sondernutzungsrecht keine Kenntnis gehabt und es weder ausdrücklich noch konkludent gebilligt oder in sonstiger Weise übernommen.

Der Beklagte hat eingewandt, der veräußernde Bauherr habe ihm – insbesondere bei den Besichtigungsterminen im Oktober 2011 – zugesagt, dass das Eigentum an der Wohneinheit Nr. 7 mit einem Sondernutzungsrecht an den tatsächlich errichteten drei Stellplätzen verbunden sei. Darauf habe er vertraut. Bei der Unterzeichnung des notariellen Vertrages und des damit verbundenen Planes sei weder ihm noch dem Veräußerer die Abweichung von der tatsächlichen Situation aufgefallen. Das sei auch dadurch zu erklären, dass der Kauf unter großem Zeitdruck vonstatten gegangen sei. Seine Familie habe in dieser Zeit die gemeinsame Familienwohnung verloren und kurzfristig eine Ersatzwohnung finden müssen. Das Sondernutzungsrecht sei – schuldrechtlicher Natur und in Abweichung von den Plänen in der Grundakte – auf Grundlage des Änderungsvorbehalts wirksam begründet worden. Dieser sei hinreichend bestimmt und auch noch nicht erloschen, da die auflösende Bedingung – Verlust des letzten Eigentumsanteils – noch nicht eingetreten sei. Schließlich hat der Beklagte eingewandt, das Sondernutzungsrecht sei für den Kläger und die übrigen Miteigentümer nicht nachteilig. Die Stellplätze auf der Ostseite des Gebäudes könnten faktisch ohnehin nur durch den Beklagten sinnvoll genutzt werden; zudem hätte die jetzt von den Stellplätzen eingenommene Fläche ohnehin als Zufahrt zu den geplanten Parkflächen genutzt werden müssen.

Im Sommer 2015 wurde bekannt, dass der Kläger seinen Miteigentumsanteil veräußern wollte. Daraufhin erweiterte der Kläger seine Klage und begehrte zusätzlich die Feststellung, dass der Beklagte zur Veräußerung des Eigentums mit Sondernutzungsrecht an den streitgegenständlichen Stellflächen nicht berechtigt sei. Mit Kaufvertrag vom 17.07.2015 veräußerte der Beklagte seinen Miteigentumsanteil. Wie er dabei mit dem Sondernutzungsrecht an den Parkflächen umging – insbesondere, ob er es unbedingt veräußerte oder die Streitbefangenheit offenlegte -, ist zwischen den Parteien umstritten geblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf das Urteil des Amtsgerichts Bretten vom 18.11.2016 verwiesen. Das Amtsgericht hat Beweis erhoben zu der Frage, was zwischen dem Bauherrn und dem Beklagten vereinbart wurde, durch Vernehmung der Zeugen B., H. und C. Ö. Mit Urteil vom 18.11.2016 hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben habe, dass der Bauherr und der Beklagte ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht an den tatsächlich errichteten Stellplätzen vereinbart hätten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil vom 18.11.2016 Bezug genommen.

Mit seiner Berufung vom 22.12.2016 verfolgt der Kläger seine Klagezeile unverändert fort. Zur Begründung seiner Berufung macht er geltend, das Amtsgericht habe die Zeugenaussagen unzutreffend gewürdigt. Tatsächlich habe der Beklagte die Begründung eines schuldrechtlichen Sondernutzungsrechts an den Stellflächen nicht beweisen können. Im Übrigen verweist der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Nach Hinweis der Kammer hat der Kläger seine Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2017 wie folgt neu gefasst:

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1. Dem Beklagten wird zur Vermeidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR je Einzelfall unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Vermeidung von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, die an der Ostseite des Grundstücks (…) gepflasterten drei Parkplätze, die westlich von der A. -Straße, südlich vom Treppenabgang zur tieferliegenden Terrasse und östlich von der mit „ABCDA“ bezeichneten Fläche begrenzt sind, unter Ausschluss der übrigen Eigentümer als Sondernutzungsrecht zu nutzen, insbesondere wird ihm untersagt, sich darauf zu berufen, dass er Inhaber eines Sondernutzungsrechts an den beschriebenen Parkplätzen sei.

2. Dem Beklagten wird untersagt, die an der Ostseite des Grundstücks (…) gepflasterten drei Parkplätze, die westlich von der A.-Straße, südlich vom Treppenabgang zur tieferliegenden Terrasse und östlich von der mit „ABCDA“ bezeichneten Fläche begrenzt sind, unter Ausschluss der übrigen Eigentümer als Sondernutzungsrecht zu veräußern.

Der Beklagte ist der Berufung unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils und unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags entgegengetreten.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2017 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Amtsgericht hat die zulässige Klage (1.) zu Unrecht abgewiesen, da der Kläger vom Beklagten die geforderte Unterlassung nach § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG verlangen (2.) und der Beklagte sich demgegenüber nicht auf ein Sondernutzungsrecht berufen kann (3.).

1.

Die Klage ist – jedenfalls mit den Anträgen, über die zuletzt in der Berufung zu befinden war – zulässig.

Die Unterlassungsanträge sind in der Form, wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2017 gestellt wurden, hinreichend bestimmt nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und in der Zwangsvollstreckung, wenn dem gestellten Antrag im Erkenntnisverfahren Rechnung getragen würde, die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH, Urteil vom 02. März 2017 – I ZR 194/15; st. Rspr.). Das war bei der ursprünglichen Antragstellung nach Ziffer 1 fraglich, da die Umschreibung „Nutzung als Sondernutzungsrecht“ allein nicht erkennen ließ, welches Verhalten dem Beklagten konkret verboten werden sollte. Durch die Konkretisierung, dass sich der Beklagte nicht auf ein Sondernutzungsrecht berufen dürfe, ist das verbotene Verhalten aber – soweit dies im vorliegenden Fall möglich ist – hinreichend klar umschrieben worden.

WEG - Erlöschen von Sondernutzungsrechten bei Eintritt eines neuen Eigentümers
Symbolfoto: Von Hatsaniuk /Shutterstock.com

Die Umstellung der Klaganträge in der Berufungsverhandlung vom 05.12.2017 war zulässig. Die Ergänzung des Klagantrags Ziffer 1 in Form einer konkretisierenden Ergänzung war als sachdienliche Klageänderung nach § 533 Nr. 1 ZPO auch in der Berufungsinstanz möglich (OLG Hamburg, Urteil vom 12.12.2007, 5 U 50/07). Der Übergang vom Feststellungs- zum Unterlassungsbegehren im Antrag Ziffer 2 war ebenfalls noch in der Berufungsinstanz als Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig (BGH, Urteil vom 12. Mai 1992; VI ZR 118/91; BGH, Urteil vom 16. Mai 2001; XII ZR 199/98).

2.

Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche des Klägers ergeben sich aus § 1004 BGB, §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG.

a.

Der Kläger kann Beseitigung und Unterlassung nach § 1004 BGB, §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG in eigenem Namen verlangen. Unstreitig liegen die vom Beklagten beanspruchten drei Stellplätze auf Gemeinschaftsfläche. Ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch kann von jedem Miteigentümer bei jedem unzulässigen Gebrauch im Sinne des § 15 Abs. 3 WEG geltend gemacht werden, eine darüber hinausgehende konkrete Beeinträchtigung des Anspruchsstellers ist keine Anspruchsvoraussetzung (Schultzky, in: Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 15 Rn. 120). Soweit dies anders gesehen wird (Bruns, NJW 2011, 337), kann die Rechtsfrage letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls ist keine unmittelbare Beeinträchtigung des Sondereigentums erforderlich; es genügt eine Störung des Gemeinschaftseigentums zumindest dann, wenn sie sich mittelbar auch auf das Sondereigentum des Klägers auswirkt (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 17.08.2012 – 318 S 207/10 sowie die Fallgestaltungen bei LG Köln, Urteil vom 25.11.2010 – 29 S 88/10; AG Hanau, Urteil vom 29. 3. 2012 – 32 C 310/11 – Videokamera auf gemeinsamem Zugang). So liegt die Fallgestaltung auch hier. Ein Miteigentümer, der die ausschließliche Nutzung gemeinschaftlicher Stellflächen beansprucht, entzieht den Miteigentümern zum einen Ausweichparkflächen, zum anderen die Möglichkeit, die Stellplätze – etwa durch Vermietung – zu verwerten. Das beeinträchtigt – mittelbar – auch die einzelnen Miteigentümer und somit auch den Kläger und dessen Sondereigentum. Der Vortrag des Beklagten, die Nutzung der Parkplätze komme faktisch für keinen anderen Miteigentümer in Frage und die streitbefangene Fläche hätte ohnehin nicht anders genutzt werden können, weil sie als Zufahrt zu den geplante Stellplätzen benötigt worden wäre, ist demgegenüber unerheblich. Maßgeblich ist die tatsächliche Situation und die tatsächliche, exzessive Inanspruchnahme der Gemeinschaftsfläche.

b.

Die für den Unterlassungsanspruch nach § 1004 S. 2 BGB erforderliche Begehungs- oder Wiederholungsgefahr hat der Kläger hinreichend geltend gemacht. Der Beklagte hat sich nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers gegenüber den Miteigentümern – auch in Wohnungseigentümerversammlungen – auf das Bestehen eines Sondernutzungsrechts berufen. Er hat sich zudem mit dieser Behauptung im vorliegenden, inzwischen bereits vier Jahre währenden Prozess verteidigt und auch beim Verkauf seines Wohnungseigentums im Sommer 2015 das von ihm beanspruchte Sondernutzungsrecht – ob mit oder ohne Einschränkung – einbezogen. In diesem Verhalten liegt eine hinreichende Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr für beide Klaganträge. Das gilt trotz der Veräußerung auch weiterhin für den Klagantrag Ziffer 2, da die Veräußerung unter Einbeziehung des Sondernutzungsrechts auch durch den Erwerber – auf den sich die Rechtskraft des Urteils nach § 325 ZPO erstreckt – zu besorgen ist.

c.

Die Klage konnte auch nach der Veräußerung des streitbefangenen Wohnungseigentums durch den Beklagten gegen diesen weiter verfolgt werden. Der Beklagte trat seit der Veräußerung als gesetzlicher Prozessstandschafter des Erwerbers auf. Das folgt zwar nicht aus § 48 Abs. 2 S. 3 WEG, denn es liegt kein Wechsel im Eigentum eines Beigeladenen vor. Bei einer Unterlassungsklage nach § 1004 BGB finden aber – auch bei einem Prozess unter Wohnungseigentümern – die Vorschriften der §§ 265, 266 ZPO Anwendung (Eberhard, in: Münchener Kommentar-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 265 Rn. 25). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich die vorliegende Fallgestaltung nach § 265 ZPO richtet (BayObLG, Beschluss vom 08.05.1991, BReg. 2Z 34/91; BayObLG, Beschluss vom 19.08.1994, 2Z BR 45/94; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23.08.2001, V ZB 10/01) oder nach der Spezialvorschrift des § 266 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2008, V ZR 222/06).

3.

Der Beklagte kann sich gegenüber dem Unterlassungsanspruch des Klägers nicht auf ein Sondernutzungsrecht berufen.

Es ist zutreffend und zwischen den Parteien auch unstreitig, dass ein dingliches Sondernutzungsrecht an den streitbefangenen Stellplätzen mangels Eintragung im Grundbuch nicht besteht.

Der Beklagte kann sich aber auch nicht auf ein schuldrechtlich vereinbartes Sondernutzungsrecht berufen. Dabei hat die Kammer schon Zweifel, ob sich das von den Parteien unzweifelhaft beabsichtigte dingliche Sondernutzungsrecht nach § 140 BGB in eine schuldrechtliche Abrede mit Bezug auf die tatsächlich errichteten Stellplätze umdeuten lässt, obwohl der Wortlaut der notariellen Urkunde insoweit eindeutig ist, die Parteien sich angesichts der Fassung des § 2 des Kaufvertrages offensichtlich bewusst waren, dass die tatsächliche Ausführung von der Planung abwich und dennoch den Lageplan mit der rot umrandeten Fläche „ABCDA“ abzeichneten. Jedenfalls genügen die Erklärungen bei den Besichtigungsterminen, auf die das Amtsgericht abgestellt hat, für eine solche Umdeutung nicht, da sie lediglich als Vorbereitungserklärungen zu qualifizieren sind. Maßgeblich für die Auslegung ist allein der Vertragsschluss vor dem Notar; die Vorbereitungsverhandlungen können hierbei allenfalls als Auslegungshilfe mit herangezogen werden. Dies kann aber letztlich dahingestellt bleiben, da der Bauherr bei Veräußerung an den Beklagten nicht zur Begründung eines Sondernutzungsrechts berechtigt war (a.) und zudem ein etwaiges Sondernutzungsrecht jedenfalls infolge des späteren Eintritts neuer Wohnungseigentümer wieder entfallen wäre (b.).

a.

Eine Ermächtigung, durch die sich der teilende Eigentümer vorbehält, Sondernutzungsrechte zu einem späteren Zeitpunkt zu begründen, ist zulässig, muss aber grundsätzlich dem sachenrechtlichen Bestimmtheitserfordernis genügen. Ist der Änderungsvorbehalt nur schuldrechtlich, gilt der – von dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu trennende – Grundsatz, dass die Übertragung einer nach dem Gesetz den Wohnungseigentümern vorbehaltenen Kompetenz auf einzelne Wohnungseigentümer einer Ermächtigung bedarf, die Ausmaß und Umfang der daraus folgenden Belastungen für die Wohnungseigentümer zweifelsfrei erkennen lässt. Ein Vorbehalt, der den teilenden Eigentümer berechtigt, einzelnen Wohnungen nachträglich Sondernutzungsrechte zuzuordnen, ist demnach nur wirksam, wenn er erkennen lässt, welche Flächen für die Begründung von Sondernutzungsrechten herangezogen werden können (BGH, Urteil vom 20.01.2012, V ZR 125/11). Dieser Anforderung genügt die hier vorliegende Fassung des Änderungsvorbehalts nicht. Der Formulierung in Buchstabe H erster Spiegelstrich der Teilungserklärung, der teilende Eigentümer behalte sich vor, „an Räumen und weiteren Flächen das Gemeinschaftseigentums Sondernutzungsrechte zu begründen und/oder an Räumen des Gemeinschaftseigentums Sondereigentum zu begründen, sowie solche Sondernutzungsrechte und/oder Räume bestehenden Miteigentumsanteilen zuzuordnen bzw. mit solchen zu verbinden“, lässt offen, auf welche Räume oder Flächen des Gemeinschaftseigentums sich die Befugnis bezieht. Diese sind weder aus einem Lageplan ersichtlich noch in anderer Form beschrieben. Ein bestimmter Inhalt der Ermächtigung lässt sich deshalb – auch im Wege der Auslegung – nicht feststellen (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2012, V ZR 125/11). Die in Spiegelstrich 2 vorgesehene Befugnis, „Stellplätze abweichend Wohnungs- und Teileigentumseinheiten durch Sondernutzungsrechte zuzuordnen“, deckt den vorliegenden Fall ebenfalls nicht ab. Denn diese Klausel betrifft schon ihrem Wortlaut nach nur Flächen, die bereits nach dem Aufteilungsplan als Stellplätze ausgewiesen sind. Das ist bei der hier streitgegenständlichen Fläche aber nicht der Fall.

b.

Zudem wäre ein etwa begründetes schuldrechtliches Sondernutzungsrecht auch aufgrund nachfolgender Erwerbsvorgänge erloschen. Ein obligatorisches Sondernutzungsrecht wirkt grundsätzlich nur zwischen den Parteien, die es abgeschlossen haben. Bei Wechsel auch nur eines Wohnungseigentümers entfällt ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht in der Regel vollständig (§ 139 BGB), wenn nicht ausnahmsweise anzunehmen ist, dass die Vereinbarung unter den verbleibenden aufrecht erhalten werden sollte (BGH, Urteil vom 17.05.2002, V ZR 149/01; Suilmann, in: Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 10 Rn. 108; § 13 Rn. 83). Der Wille des Sondernachfolgers zur Aufrechterhaltung des Sondernutzungsrechts muss positiv feststehen, er darf nicht einfach fingiert werden (Suilmann, in: Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 10 Rn. 107) und liegt insbesondere auch nicht in der stillschweigenden Hinnahme des alleinigen Gebrauchs eines Stellplatzes (OLG Köln, Beschluss vom 02.04.2001, 16 Wx 7/01). Nach unbestrittenem Vortrag des Klägers hat der Miteigentümer S. am 12.12.2012 die Wohneinheit 6 erworben, ohne die vom Beklagten behauptete Abrede zu kennen und ohne sie ausdrücklich oder stillschweigend zu übernehmen. Spätestens mit diesem Erwerbsvorgang wäre ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht des Beklagten jedenfalls erloschen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 10, 711, 713 ZPO.

Randnummer 34

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO).

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