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WEG – Neuwahl der Verwaltung treuwidrig

AG Viersen

Az.: 30 C 31/10

Urteil vom 25.10.2012


Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger, soweit darüber noch nicht entschieden wurde.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beteiligungsgesellschaft und die Beklagten sind Mitglieder der Wohnungseigentümergesellschaft in Viersen. Der Kläger ist aufgrund Beschlusses vom 16.12.2010 Insolvenzverwalter der Beteiligungsgesellschaft, die mit einem Anteil von 72.000/100.000 Mehrheitseigentümerin ist. Nach der Teilungserklärung werden die Stimmen in der Eigentümerversammlung nach Anteilen gewertet. Verwalterin ist spätestens seit 2005 Frau R., handelnd unter Firma M.

Am 31.8.2010 fand eine Jahreshauptversammlung der Eigentümer statt, in deren Einladung die Neu-/Wiederwahl der WEG-Verwaltung aufgenommen worden war. Gegen Ende 2010 stand turnusgemäß die Neu-/Wiederwahl der WEG-Verwaltung an, deren Bestellung zum 31.12.2010 ablief. Da sich keine anderen Verwalter zur Wahl gestellt hatten und auch die bisherige Verwaltung nicht wiedergewählt wurde, wurde auf den 28.10.2010 eine neue Versammlung angesetzt. Auch in dieser Versammlung kam es zu keiner Vorstellung alternativer Verwalter. Eine Neu/Wiederwahl der bisherigen verwaltung erfolgte nicht. Hintergrund war, dass sich die Beteiligungsgesellschaft in finanziellen Schwierigkeiten befand und einen Inverstor suchte. Damit ein potentieller Investor nach eigenen Vorstellungen arbeiten konnte, sollte nach den Vorstellungen der Mehrheitseigentümerin noch keine Festlegung der Verwaltung erfolgen.

Vor der auch zur Wahl einer Verwaltung anberaumten weiteren Eigentümerversammlung vom 23.11.2010 teilte der Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft der Verwalterin mit, dass sich dort noch zwei weitere potentielle WEG-Verwaltungen vorstellen würden. Eine neue Verwaltung solle noch nicht gewählt werden, damit sich die Eigentümergemeinschaft ein Bild der potentiellen Verwalter machen könne. Zu Beginn der Versammlung teilte die Mehrheitseigentümerin mit, dass die Verhandlungen mit einem interessierten Investor noch nicht abgeschlossen seien. Eine Verwalterneubestellung müsse deshalb verhindert werden.

Die Eigentümer stimmten sodann unter anderem über folgenden Antrag zu TOP 1 ab:

„Die Firma M. wird auf der Grundlage des bisherigen Verwaltervertrages vom 24.5.2005 für den Zeitraum vom 1.1.2011 bis 31.12.2012 als Verwalterin neu bestellt“.

Mit 12.094 Miteigentumsanteilen wurde für den Antrag, mit 72.000 Miteigentumsanteilen – denjenigen der Beteiligungsgesellschaft- wurde dagegen gestimmt. 449 Miteigentumsanteile enthielten sich.

Bei der Stimmwertung blieben die auf die Mehrheitseigentümerin entfallenden Stimmen unberücksichtigt. Ausweislich des Protokolls der Eigentümerversammlung erfülle das Verhalten der Mehrheitseigentümerin die Voraussetzungen für einen Stimmrechtsmissbrauch, da die Mehrheitseigentümerin ihre Majorität zu gemeinschaftsfremden und eigennützigen Zielen gegen den Willen der übrigen Wohnungseigentümer eingesetzt habe. Da die Stimmabgabe wegen des Missbrauchs unwirksam sei, bleibe die für die Mehrheitseigentümerin erfolgte Stimmabgabe bei der Feststellung des Beschlussergebnisses unberücksichtigt. Sodann findet sich der Passus: „Der Beschluss wurde mehrheitlich angenommen und als zustande gekommen verkündet.“

Mit E-Mail vom 1.12.2010 forderte der Geschäftsführerin der Beteiligungsgesellschaft bei der Verwaltung die Beschlusssammlung an, die ihm jedoch nicht übersandt wurde.

Der Kläger ist der Auffassung, die Verwalterin habe die für die Mehrheitseigentümerin abgegebenen Stimmen nicht von der Stimmwertung ausschließen dürfen. Ferner verstoße die unterbliebene Übersendung der Beschlusssammlung gegen § 26 Abs. 4 WEG und rechtfertige die fristlose Abberufung der Verwalterin. Wer aber fristlos abberufen werden könne, könne auch nicht wiedergewählt werden. Der Verwalterin seien gemäß § 49 Abs. 2 WEG die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt, den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 23.11.2010 zu TOP 1 (Wiederwahl der Verwaltung) für unwirksam zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Durch Zwischenurteil vom 23.9.2011 hat das Gericht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht durch Urteil vom 5.4.2012 zurückgewiesen und darauf hingewiesen, dass der Kläger aktivlegitimiert sei.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger kann den Beschluss vom 23.11.2010 zu TOP 1 nicht erfolgreich anfechten, da er den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (§§ 21 Abs. 3 und 4 WEG) entsprach.

Einberufungsmängel der Eigentümerversammlung vom 23.11.2010 sind nicht vorgetragen noch ersichtlich. Die Abstimmung erfolgte durch Mehrheitsbeschluss in zulässiger, da vereinbarter, Weise objektbezogen.

Zu Recht hat die Eigentümerversammlung auf der Eigentümerversammlung vom 23.11.2010 die Mehrheitseigentümerin vom Stimmrecht ausgeschlossen, da ihr Verhalten rechtsmissbräuchlich war. Entsprechend der allgemeinen Rechtsfolge rechtsmissbräuchlichen Verhaltens sind die unter Missbrauch des Stimmrechts abgegebenen Stimmen unwirksam, müssen also bei der Feststellung des Beschlussergebnisses unberücksichtigt bleiben (BGH, V ZB 30/02 vom 19.9.2002 = BGHZ 152, 46).

Rechtsmissbräuchlich ist ein Verhalten, dass gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gemeinschaft und damit gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstößt (BGH, V ZR 129/11 vom 13.1.2012 ). Das ist hier der Fall. Denn die Mehrheitseigentümerin wollte unter Ausnutzung ihres Stimmrechts am 23.11.2010 die Neu-/Wiederwahl einer Verwaltung schlechthin verhindern, um ihre Verhandlungsposition gegenüber einem potentiellen Investor zu verbessern. Sie nahm damit in Kauf, dass die WEG mit Ablauf des 31.12.2010 ohne jede Verwaltung war. Die dadurch erreichbare Verbesserung ihrer Verhandlungsposition käme jedoch ausschließlich ihr allein zugute; die WEG würde davon nicht profitieren. Im Gegenteil wären aber die Interessen der Gemeinschaft für den Fall des Fehlens jeder Verwaltung in erheblicher Weise negativ beeinflusst. Die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters sind in § 27 WEG geregelt. Sinn und Zweck der Institutionalisierung eines Verwalters ist es, ein Mindestmaß an Handlungsfähigkeit im Rechtsverkehr insbesondere der rechtsfähigen WEG zu gewährleisten (Bärmann-Merle, WEG § 27 Rdnr. 3). Fiele der Verwalter weg – so wie dies die Mehrheitseigentümerin zumindest in Kauf nahm -, wäre die WEG trotz der theoretischen Möglichkeit eines Gesamthandelns faktisch nicht mehr handlungsfähig. Der Relevanz einer funktionierenden Verwaltung hat der Gesetzgeber eine solche Bedeutung beigemessen, dass er durch § 21 Abs. 8 WEG den Gerichten die Möglichkeit eröffnet hat, nach billigem Ermessen einen Verwalter zu bestellen. Nimmt die Mehrheitseigentümerin die drohende faktische Handlungsunfähigkeit der WEG aber aus rein eigennützigen Motiven in Kauf, so verhält sie sich treuwidrig. Ihre abgegebenen Stimmen nicht zu berücksichtigen, widersprach somit nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Etwas anderes gilt auch nicht, soweit die Mehrheitseigentümerin darauf beruft, die bisherige Verwalterin haben ihr pflichtwidrig keine Beschlusssammlung übersandt. Gemäß § 24 Abs. 7 Satz 8 WEG ist den Berechtigten Einsicht zu gewähren, die in der Regel in den Geschäftsräumen der Verwaltung erfolgt (Bärmann-Merle a.a.O., § 24 Rdnr. 179). Zur Übersendung von Ablichtungen ist der Verwalter ohne entsprechende – hier nicht ersichtliche – Vereinbarung nicht verpflichtet (Bärmann Merle a.a.O., Rdnr. 181). Ein pflichtwidriges Verhalten, zumal ein solches, das eine Abberufung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 45.000,00 Euro

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