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Wegeunfall – Haftung bei unaufklärbarem Unfallzeitpunkt?


Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

Az: L 3 U 115/09

Beschluss vom 02.01.2012


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung des Unfallgeschehens vom 05. Mai 1992 als versicherter Wegeunfall.

Der 1955 geborene Kläger hatte sich Ende 1991/Anfang 1992 als Zahnarzt mit einer eigenen Praxis in P, F Str., selbständig gemacht. In der sich im Aufbau befindlichen Praxis beschäftigte der Kläger im Jahr 1992 noch zwei (so die Angaben im Verwaltungsverfahren) bzw. drei (so die Angaben im Gerichtsverfahren) angestellte Zahnärzte und ca. sieben Sprechstundenhilfen in zwei Schichten täglich. Er wohnte zu jener Zeit in der ihm von einem Freund überlassenen Wohnung in der P Str. in B. Am 05. Mai 1992 wurde der Kläger, der am Ortsausgang von Neu F in Richtung S (B) mit seinem Auto verunglückt war, um 04:02 Uhr auf der Rettungsstelle im Klinikum E in P eingeliefert. Wegen einer Schädelimpressionsfraktur mit retrograder Amnesie, Claviculafraktur links, Rippenfraktur links, Frakturen der Metacarpalen III bis V links und einer Hemiparese rechts befand sich der Kläger bis zum 13. Mai 1992 in der stationären Behandlung des Klinikums E, anschließend bis zum 26. Mai 1992 in der neurologischen Abteilung der Kliniken im T Werk und danach bis zum 19. Juni 1992 im Städtischen Krankenhaus Z.

Wegen der Folgen des Autounfalls (Zustand nach Schädelfraktur und Craniotomie sowie Kontusion und traumatischer Subarachnoidalblutung mit jetzt fortbestehender, zum Teil spastischer, armbetonter Hemiparese rechts mit weiteren neurologischen Ausfällen und einer mäßigen postkontusionellen Hirnleistungsschwäche) wird dem Kläger seit März 1993 eine Berufsunfähigkeitsrente vom Versorgungswerk der Zahnärztekammer B gezahlt.

Mit Bescheid vom 05. April 1994 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus Anlass des Unfalls mit der Begründung ab, dass für den Kläger kein Versicherungsschutz bestehe. Wörtlich führte sie hierzu aus: „Nach den uns vorliegenden Unterlagen wurde ihr Unternehmen am 30. Juni 1990 gelöscht“.

Am 28. Juni 2001 meldete sich der Kläger bei der Beklagten und fragte nach Leistungen wegen des im „April 1992“ erlittenen Unfalls an, da in der Zwischenzeit ein Beitragsverfahren für den Zeitraum 1991/1992 durchgeführt worden war (Beitragsbescheid vom 09. Februar 1995: u. a. Erhebung von Beiträgen zur freiwilligen Versicherung für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. Dezember 1992; Zahlungsaufforderung vom 17. April 2001). Im Wegeunfallfragebogen vom 22. Oktober 2001 gab der Kläger an, dass sich der Unfall am „5. April 1992“ um 01:30 Uhr auf dem Weg von seiner Zahnarztpraxis zur Wohnung in B ereignet habe. Er trug im Weiteren vor, in der Regel über 12 Stunden täglich gearbeitet zu haben. Die Vormittagsschicht habe von 07:00 Uhr bis 14:00 Uhr und die Nachmittagsschicht von 13:00 Uhr bis 20:00 Uhr gedauert. Die Büro- und Planungsarbeiten seien von ihm nach den Sprechzeiten erledigt worden, so dass er häufig die Praxisräume erst spät in der Nacht verlassen habe. Am Unfalltag habe er bis ca. 21:00 Uhr Patienten behandelt und dann bis 24:00 Uhr seine Büroarbeiten erledigt. Zum Nachweis legte der Kläger eine Erklärung des Steuerberaters U G vom 14. Januar 2002 betreffend die Überlassung der Mietwohnung in B, P Straße, sowie zwei gleich lautende schriftliche Erklärungen vom 11. Januar 2002 der von ihm in der Praxis beschäftigten Zahnarzthelferinnen K K und S M vor. Darin heißt es wortwörtlich: „Zum Zeitpunkt des o. g. Unfalls war ich mit Dr. G im Spätdienst bis 21:30 Uhr in den Praxisräumen. Als ich die Praxis verließ, war Dr. G noch mit Büroarbeiten beschäftigt.“

Die Beklagte zog die beim Versorgungswerk der Zahnärztekammer B befindlichen medizinischen Unterlagen (Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. O vom 17. August 1998, ärztlicher Befundbericht des Chefarztes der Neurologischen Abteilung in der Kliniken im T-Werk Dr. S vom 23. September 1993, Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G vom 28. März 1994), die Entlassungsberichte des Städtischen Krankenhauses Z vom 07. Juli 1992 und der Kliniken im TWerk vom 26. Mai 1992 sowie die Patientenunterlagen des Klinikum E bei. Das Polizeipräsidium P, Schutzbereich T, teilte unter dem 13. November 2001 der Beklagten mit, dass Unfallunterlagen nicht mehr vorlägen, da diese nur drei Jahre aufbewahrt und anschließend vernichtet würden. Die private Krankenversicherung des Klägers (H-N) reichte auf Anfrage alle ihr noch zur Verfügung stehenden Unterlagen in Kopie zur Akte, u. a. die Unfallmeldung des Klägers vom 15. Juli 1992, in der als Unfallzeit 02:30 Uhr morgens angegeben worden ist, sowie die Rechnung für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes, ausgestellt vom Magistrat der Stadt P am 17. Februar 1993.

Mit Bescheid vom 25. April 2002 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger durch seine freiwillige Versicherung zum Zeitpunkt des Unfalls am 05. Mai 1992 zum Kreis der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Person gehörte. Die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfalls lehnte sie jedoch mit der Begründung ab, dass anhand der Unterlagen nicht objektiv feststellbar sei, wann genau zwischen 0:00 Uhr und 04:02 Uhr am 05. Mai 1992 der Verkehrsunfall tatsächlich eingetreten sei. Es gebe höchst unterschiedliche Aussagen zum Zeitpunkt des Unfalls in den beigezogenen Unterlagen sowie auch in den eigenen Angaben des Klägers. Daher könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob er sich überhaupt auf einem versicherten Weg von der Zahnarztpraxis zum gewählten Wohnsitz in B und dies innerhalb der Zwei-Stunden-Grenze befunden habe oder er sich bereits zum Unfallzeitpunkt von der versicherten Tätigkeit gelöst habe.

Der Kläger hat hiergegen direkt Klage beim Sozialgericht (SG) Potsdam erhoben und vorgetragen, aufgrund seiner Verletzungen habe er keine Erinnerung an das Unfallgeschehen. Er sei allein unterwegs gewesen. Sein Auto, ein vollkaskoversicherter offener Sportwagen, habe einen Totalschaden erlitten. Alkohol sei nicht im Spiel gewesen. Es habe keine polizeilichen oder staatsanwaltlichen Anzeigen gegen Unbekannt gegeben. Mangels Baumschäden o. ä. sei auch das Land B nicht beteiligt gewesen. Ein Polizeiprotokoll habe er nie erhalten. Im Hinblick auf die seinerzeit üblichen Umstände müsse davon ausgegangen werden, dass er bis ca. 23:30 Uhr/00:30 Uhr gearbeitet habe. Bei einer Fahrzeit von 20 Minuten von der Zahnarztpraxis zum Unfallort könne von einem Unfallgeschehen frühestens in der Zeit von 23:50 Uhr bis 00:50 ausgegangen werde. Die vom Klinikum E dokumentierte stationäre Aufnahme um 04:00 Uhr morgens beziehe sich auf die Aufnahme in der Intensivstation, davor sei er jedoch schon länger versorgt und geröntgt worden. Seine ehemalige Assistentin Frau Dr. K könne bezeugen, dass er vor dem Unfall bis ca. 00:45 Uhr in der Zahnarztpraxis tätig gewesen sei. Hätte die Beklagte zu dem ihr 1992 angezeigten Unfallgeschehen gleich sorgfältig ermittelt, wäre er jetzt nicht in Beweisnot. Aufgrund der Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten sei eine Beweislastumkehrung geboten.

In der ersten mündlichen Verhandlung vom 20. September 2006 hat das SG als Zeuginnen Frau Dr. P K und Frau S M vernommen. Frau M hat erklärt, 1992 in der Praxis des Klägers ihre Ausbildung begonnen zu haben. Es sei in einem Zwei-Schichten-System gearbeitet worden, die erste von 08:00 Uhr bis 14:00 Uhr und die zweite beginnend um 14:00 Uhr bis 20:00 Uhr. Wegen des hohen Arbeitsanfalls sei es auch oft vorgekommen, dass abends länger gearbeitet worden sei. Sie selbst könne sich an den Abend des 04. Mai 1992 nicht mehr erinnern. Auch wisse sie nicht mehr, was sie mit Schreiben vom 11. Januar 2002 erklärt habe. Die Zeugin Dr. K hat angegeben, aufgrund des Bestellbuches sei ihr in Erinnerung, dass am Nachmittag des 04. Mai 1992 Frau W von dem Kläger behandelt worden sei. Es sei ein mehrstündiges Behandlungsprogramm für eine umfangreiche prothetische Versorgung vorgesehen gewesen. Ihre Arbeitszeit sei oftmals bis in den späten Abend gegangen. So sei es keine Seltenheit gewesen, dass sie zwischen 22:00 und 23:00 Uhr noch in der Praxis anwesend gewesen seien. Abends hätten sie oftmals zusammen am Computer gesessen, der Arbeitsplatz habe ein so genanntes Mehrplatzsystem besessen. Ihr sei nicht mehr erinnerlich, wann der Kläger an diesem Abend die Praxis verlassen habe. Die Nachbesprechungen hätten in der Regel ca. eine Stunde oder länger gedauert. Sie wisse nicht mehr, was am Abend des 04. Mai 1992 in der Praxis passiert sei bzw. wann der Kläger die Praxis verlassen habe. Sie könne sich nicht mehr daran erinnern. Aufgrund des großen Patientenanlaufes in der Praxis sei es oftmals zu zeitlichen Verzögerungen gekommen, so dass sie denke, die Behandlung von Frau W sei gegen 17:00 Uhr gewesen.

Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte erfolglos weitere Ermittlungen zu Unterlagen über das Unfallgeschehen beim Polizeipräsidium P, Schutzbereich P (Antwortschreiben vom 22. November 2006) und Schutzbereich W (Telefonvermerk vom 12. Dezember 2006), der Feuerwehr P (Telefonvermerk vom 22. November 2006), der Staatsanwaltschaft P (Auskunft vom 30. November 2006), der M Allgemeinen Zeitung – Pressearchiv – (Telefonvermerk vom 15. November 2006) und der A Versicherung – vormals A Versicherung – (Telefonauskunft vom 04. Dezember 2006) durchgeführt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01. Februar 2007 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Auch nach dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt auf einem versicherten Weg befunden habe.

Des Weiteren hat die Beklagte ein amtliches Gutachten über die Wetterverhältnisse am 05. Mai 1992 um 01:30 Uhr auf der Bundesstraße 2 – Ortsausgang Neu F – vom 08. März 2007 vorgelegt.

Der Kläger hat zur Stützung seines Vortrages eine Seite aus dem Bestellbuch der Praxis in Kopie vorgelegt, in der zur Überschrift „Tag:“ das Datum fehlt und sich der Eintrag findet „16:00 Uhr bis 19:15 Uhr W, A, präp8Z OK/UK“. Er hat ausgeführt, ausgehend von der vorgesehenen Behandlungszeit vom 16:00 bis 19:15 Uhr für die prothetische Versorgung von Frau W und dem Umstand, dass parallel noch weitere Patienten zu versorgen gewesen seien, könne von einem Verlassen der Praxisräume nach Abschluss der Nachbereitung nicht vor 0:30 Uhr ausgegangen werden. Da das Bestellbuch nur bis 19:15 Uhr ausgelegt gewesen sei, habe das spätere Ende der Behandlung nicht mehr eingetragen werden können. Man habe sich in der Praxis anders beholfen. Für die seinerzeit angestellten drei Zahnärzte habe er auch die Bürotätigkeiten erledigen müssen, und zwar nach den Behandlungen noch in einem Umfang zwischen 3 und 4 Stunden täglich. Da die Abrechnungen über seinen Namen gelaufen seien, habe er alle Rechnungspost noch einmal überprüfen müssen, Er sei damals nur zum Schlafen nach Hause gefahren und der Letzte in der Praxis und früh der Erste gewesen. Nach dem Unfall hätten sich Freunde und Verwandte um ihn gekümmert, er sei dazu nicht in der Lage gewesen. Unterlagen über den Unfall besitze er nicht mehr.

Die weiteren Ermittlungen des SG zum Unfallgeschehen bei dem Vollkaskoversicherer des Sportwagens (Allianz) sind ergebnislos geblieben. Frau A W hat, nachdem sie vom SG zunächst als Zeugin zur mündlichen Verhandlung geladen war, schriftlich unter dem 18. Februar und 10. März 2008 mitgeteilt, dass sie sich an eine Behandlung durch den Kläger am 04. Mai 1992 nicht erinnere.

Durch Urteil vom 27. Februar 2009 hat das SG die Klage, die auf die Änderung der angefochtenen Bescheide und Feststellung eines Arbeitsunfalls vom 05. Mai 1992 gerichtet war, abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen verbleibe es bei einer Lücke für die Zeit zwischen 20:00 Uhr und der auf der Krankenakte notierten Uhrzeit von 04:06 Uhr, welche nicht weiter aufklärbar sei. Dieser Zeitraum könne nicht weiter eingegrenzt werden. Zwar sei der Vortrag des Klägers zu einem denkbaren Verlauf und den üblichen Praxisvorgängen plausibel. Objektive Anhaltspunkte hierfür fehlten jedoch. So ergebe sich aus der Aussage der Zeugin Dr. K, dass der Kläger zumindest bis 17:00 Uhr noch in der Praxis tätig gewesen sei. Die Zeugin M habe sich nicht mehr an die Geschehnisse erinnern können. Das vorgelegte Bestellbuch lege zwar nahe, dass der Kläger noch nach 19:15 Uhr tätig gewesen sei, eine genaue Dauer dieser Behandlung sei für das Gericht jedoch nicht feststellbar, da die Patientin Frau W sich nicht mehr an diesen Vorgang erinnere. Der Kläger könne aufgrund der retrograden Amnesie, die nach der Schilderung bei der Begutachtung durch Prof. Dr. G bis zwei Tage vor dem Unfall zurückreiche und den Zeitraum bis zu einer Woche nach dem Unfall erfasse, keine genauen Angaben machen. Aufgrund des langen ungeklärten Zeitraums sei nicht feststellbar, ob der Kläger sich auf einem versicherten Weg befunden habe, da die Zwei-Stunden-Grenze überschritten sein könnte. Die Folgen der Beweislosigkeit träfen hier den Kläger. Eine andere Entscheidung sei auch dann nicht möglich, wenn zugunsten des Klägers unterstellt werde, dass mit dem fehlerhaften Bescheid vom 05. April 1994 der Beweisnotstand durch die Beklagte verursacht worden sei. So bestünden Zweifel, ob überhaupt von einer fehlerhaften Beweiserhebung oder einer Beweisvereitelung durch die Beklagte gesprochen werden könne, wenn sie von einer fehlerhaften Rechtslage ausgegangen sei. Eine Beweislastumkehr sei hier gleichwohl nicht möglich. Die Lehre von der Umkehr der Beweislast finde auch bei schuldhafter Beweisvereitelung keine ausreichende Stütze in den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und der Zivilprozessordnung (ZPO). Insoweit schließe sich die Kammer der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 27. Mai 1997 – 2 RU 38/96 – (in juris) an. Vielmehr hätten die Tatsachengerichte bei einem durch den Sozialleistungsträger verursachten Beweisnotstand des Anspruchstellers im Rahmen der Beweiswürdigung zwar an den Beweis der Tatsachen, auf die sich der Beweisnotstand beziehe, weniger hohe Anforderungen zu stellen, sie seien aber nicht befugt, dabei den Beweismaßstab zu verringern. Nach der Rechtsprechung des BSG bleibe es dem Tatsachengericht im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung überlassen, je nach den Besonderheiten des maßgebenden Einzelfalls schon einzelne Beweisanzeichen, im Extremfall ein Indiz für die Feststellung einer Tatsache oder der daraus abgeleiteten Bejahung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ausreichen zu lassen. Solche Beweisanzeichen oder Indizien seien im hier zu beurteilenden Sachverhalt jedoch nicht ersichtlich, da über die Geschehnisse am konkreten Unfalltag keine Aussagen möglich seien. Der Vergleich mit sonstigen Arbeitstagen des Klägers bleibe spekulativ und lasse viele andere denkbare Geschehensabläufe zu.

Gegen das ihm am 25. März 2009 zugestellte Urteil richtet sich der Kläger mit seiner am 27. April 2009 eingelegten Berufung, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Februar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Februar 2007 aufzuheben und unter Änderung des Bescheides vom 05. April 1994 festzustellen, dass der Unfall vom 05. Mai 1992 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält es auch unter Berücksichtigung der weiteren Ermittlungen nicht für erwiesen, dass sich der Autounfall bei einer versicherten Tätigkeit ereignet habe.

Der Senat hat zunächst Frau Andrea W schriftlich um eine Auskunft zu der vom Kläger angegebenen Behandlung am 04. Mai 1992 gebeten. Frau W hat am 10. Januar 2011 telefonisch mitgeteilt, dass sie auch nach Durchsicht ihrer gesamten Unterlagen nichts betreffend eine Behandlung bei dem Kläger habe finden können. Sie sei immer nur bei weiblichen Ärzten in Behandlung gewesen. Es wäre nur möglich, dass sie dort wegen einer Notbehandlung gewesen sei, an die sie sich aber nicht mehr erinnern könne. Mit Schreiben vom 20. Februar 2011 hat sie nochmals bestätigt, dass auch die Suche nach alten Aufzeichnungen bzw. Kalendern erfolglos geblieben sei und sie nichts Weiteres hierzu mitteilen könne.

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Der Senat hat Routenplanerauskünfte zur Dauer und Strecke des Weges vom Klinikum E zum Unfallort B (ca. 10 km, Fahrzeit 21 Minuten) und von der Zahnarztpraxis zum Unfallort (ca. 8,5 km, Fahrzeit 17 Minuten) ins Verfahren eingeführt. Des Weiteren sind die Originalbehandlungsakten des Klinikums E beigezogen und der Aufnahmeschein der Rettungsstelle in Kopie zur Akte genommen worden. Das Klinikum E hat auf Nachfrage unter dem 28. Januar 2011 schriftlich mitgeteilt, dass nach dem Rettungsstellenprotokoll der Kläger um 04:02 Uhr in die Rettungsstelle aufgenommen worden sei.

Die schriftliche Aufforderung des Senats vom 28. Dezember 2010, das vollständige Bestellbuch der Praxis im Original einzureichen und zu erläutern, woraus sich ergebe, welcher Arzt für welchen Patienten am 04. Mai 1992 zuständig gewesen sei und welche Zahnarzthelferin an diesem Tage jeweils welchem Zahnarzt assistiert habe, des Weiteren welche Zahnärzte neben der Zeugin Dr. K in der Praxis beschäftigt gewesen seien, ist vom Kläger nicht beantwortet worden. Nachdem der Kläger auch zum Erörterungstermin am 04. August 2011 ohne Angabe von Gründen nicht erschienen war, hat die Vorsitzende mit Schreiben vom 04. August 2011 darauf hingewiesen, dass ohne seine Mitwirkung bei der Beschaffung und Vorlage von Unterlagen aus der Zahnarztpraxis keine weiteren Möglichkeiten zur Ermittlungen von Amts wegen gesehen werden. Gleichzeitig sind die Beteiligten mit Schreiben vom 04. August 2011 zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss der Berufsrichter nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Akte des SG Potsdam – S 2 U 54/02 – sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bd.), die bei Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Zutreffend hat das SG Potsdam mit dem angefochtenen Urteil vom 27. Februar 2009 die auf Feststellung des Unfalls vom 05. Mai 1992 als Arbeits-/ Wegeunfall gerichtete Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Februar 2007 erweist sich als rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Rücknahme des Bescheides vom 05. April 1994, mit dem die Beklagte im Ergebnis zu Recht die Anerkennung eines Arbeits-/Wegeunfalls abgelehnt hatte.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt auch nach dem er unanfechtbar geworden ist mit Wirkung für die Vergangenheit zurück zu nehmen.

Vorliegend beurteilt sich der Sachverhalt noch nach den Vorschriften der RVO, da der Kläger im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Feststellung eines vor In-Kraft-Treten des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 erlittenen Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall (Wegeunfall) geltend macht (§ 214 Abs. 3 SGB VII).

Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteile vom 12. Dezember 2006 – B 2 U 1/06 R – und 04. September 2007 – B 2 U 28/06 R -, jeweils in Juris und m. w. N.).

Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des Versicherungsschutztatbestandes nach §§ 539 ff RVO, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlichkeit als Unfallmerkmale. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, Randnr. 3b zu § 128 m. w. N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG in SozR 3-2200, § 551 RVO Nr. 16 m. w. N.).

Der Kläger war zwar im Jahr 1992 aufgrund seiner Tätigkeit als selbständiger Zahnarzt als Unternehmer bei der Beklagten gemäß § 543 Abs. 1 RVO i. V. m. der Satzung der Beklagten freiwillig versichert. Er hat auch am 05. Mai 1992 einen Unfall erlitten, als er mit dem Auto aus der Richtung P kommend nach dem Ortsausgang von Neu F (B) von der Bundesstraße 2 abkam, aus dem Auto geschleudert wurde und sich hierbei eine Schädelimpressionsfraktur, eine Claviculafraktur links, eine Rippenfraktur links sowie Frakturen der Metacarpalen III bis V links zuzog. Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, da ein sachlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden kann.

Als Arbeitsunfall gilt zwar gemäß § 550 Abs. 1 RVO auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Der Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von der Arbeitsstätte oder einer anderen versicherten Tätigkeit wird damit begründet, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit unternommen werden und somit eine Art Vor- und Nachbereitungshandlung zur eigentlichen versicherten Tätigkeit darstellen. Andererseits sind diese Wege noch nicht Teil der eigentlichen versicherten Tätigkeit und rein tatsächlich werden mit solchen Wegen häufig auch private Verrichtungen und Zwecke verbunden.

Die in § 550 Abs. 1 RVO gebrauchte Formulierung „auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg“ kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit. Dieser besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 29/06 R-, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 25 m. w. N.). Dieser Schutz setzt voraus, dass der Weg mit der versicherten Haupttätigkeit nach §§ 539, 540 oder 543 bis 545 RVO zusammenhängt, weil er nur dann nach § 550 Abs. 1 RVO versichert ist, solange und soweit er eng mit der Aufnahme oder der Beendigung der Haupttätigkeit verbunden ist. An diesem Zusammenhang fehlt es, wenn ein Versicherter den Weg von dem Ort der Tätigkeit um mehr als zwei Stunden durch eine eigenwirtschaftlichen Zwecken dienende Verrichtung unterbrochen hat (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 23/08 R -, in juris, m. w. N.). Fehlt es an dem geforderten sachlichen Zusammenhang zur eigentlichen versicherten Tätigkeit, ist das Zurücklegen des Weges auch dann keine versicherte Tätigkeit, wenn der Versicherte dieselbe Strecke benutzt, die er als Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (vgl. BSG, Urteile vom 02. Dezember 2008 – B 2 U 26/06 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 29, und vom 09. Dezember 2003 – B 2 U 23/03 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 3; jeweils m. w. N.).

Von diesen Grundsätzen ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG gebotenen Maße davon überzeugt, dass sich der Autounfall des Klägers vom 05. Mai 1992 auf einem versicherten Weg ereignet hat. Zwar befand er sich zum Unfallzeitpunkt auf dem üblichen Weg zwischen seiner in P gelegenen Zahnarztpraxis zu der von ihm damals innegehabten Wohnung in B-S jedoch ist nicht erwiesen, dass er sich auf dem unmittelbaren Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung befand.

Wie das SG in dem angefochtenen Urteil vom 27. Februar 2009 zutreffend dargelegt hat, lässt sich zunächst schon nicht feststellen, zu welcher Uhrzeit der Kläger am Abend des 04. Mai 1992 bzw. in der Nacht zum 05. Mai 1992 seine versicherte Tätigkeit in der Zahnarztpraxis in P tatsächlich beendet hat und ob er direkt von dort – ohne Unterbrechung – den Heimweg nach B-S angetreten hat. Die –etwas variierenden – Angaben des Klägers zu den damals üblichen Abläufen in der Praxis reichen hierfür nicht aus. Er selbst kann aufgrund der fortdauernden, durch die Schädelverletzung hervorgerufenen retrograden Amnesie für den Zeitraum ab zwei Tage vor dem Unfall bis eine Woche nach dem Unfall (vgl. Gutachten von Prof. Dr. Gr vom 28. März 1994) keine belastbaren Aussagen hierzu wie auch zum Unfallgeschehen und –zeitpunkt machen. Seine Behauptung, am 04. Mai 1992 zuletzt mit einer fünf- bis sechsstündigen und damit bis weit in den Abend hineinreichenden komplexen Zahnbehandlung bei der Patientin A W beschäftigt gewesen zu sein, findet keine hinreichende Stütze in den Ermittlungsergebnissen des SG und des Senats. So hat die von ihm als Zeugin benannte Frau W wiederholt (vgl. schriftliche Auskünfte vom 18. Februar 2008, 10. März 2008 und 20. Februar 2011, telefonische Auskunft vom 10. Januar 2011) mitgeteilt, sich – auch nach Durchsicht ihrer Unterlagen – an eine Behandlung durch den Kläger bzw. in dessen Praxis nicht erinnern zu können; sie sei in der Regel bei Ärztinnen in Behandlung gewesen. Die von ihr als einzig möglich erachtete Notfallbehandlung kommt hier nach dem Vortrag des Klägers, dass es sich um eine umfangreiche Präparation von 8 Zähnen im Ober- und Unterkiefer für eine prothetische Versorgung gehandelt habe, gerade nicht in Betracht. Die in Kopie vorgelegte Seite eines Bestellbuches lässt weder eine Zuordnung der dort eingetragenen Patiententermine zu einem bestimmten Tag noch zu einem bestimmten Zahnarzt zu. Obwohl erstinstanzlich vom Kläger die Vorlage des Originalbestellbuches in Aussicht gestellt worden ist, ist er der entsprechenden Aufforderung des Senats (siehe Schreiben vom 28. Dezember 2010 und 04. August 2011) nicht nachgekommen. Die Zeugin S M, die sich zum Unfallzeitpunkt in der Ausbildung zur Zahnarzthelferin in der Praxis des Klägers befand, vermochte sich bei ihrer Befragung durch das SG am 20. September 2006 weder an den Abend des 04. Mai 1992 noch an die von ihr unter dem 11. Januar 2002 unterschriebene Zeugenerklärung zu erinnern. Die zur damaligen Zeit als angestellte Zahnärztin in der Praxis des Klägers tätige Zeugin Dr. P K konnte sich bei ihrer Befragung durch das SG am 20. September 2006 ebenfalls nicht daran erinnern, was am Abend des 04. Mai 1992 in der Praxis geschehen ist und wann der Kläger die Praxis verlassen hat. Sowohl nach den Angaben der Zeuginnen Dr. P K und S M als auch des Klägers zu den üblichen Arbeitsschichten bzw. Behandlungszeiten (bis 20:00 Uhr) und der erforderlichen Nachbesprechungen („ca. eine Stunde oder länger“) bzw. Büroarbeiten (ca. zwei bis drei Stunden) erscheint es als nicht ganz fernliegend, dass der Kläger am 04. Mai 1992 die Praxis nicht vor 23:00 Uhr verlassen hat, erwiesen ist es jedoch nicht.

Des Weiteren ist nicht mehr aufklärbar, zu welcher Uhrzeit sich am 05. Mai 1992 der Unfall ereignet hat. Weder die Schutzbereiche W, T und P des Polizeipräsidiums P noch die Feuerwehr P verfügen über Unterlagen betreffend den Unfall des Klägers. Auch im Archiv der Lokalzeitung war keine diesbezügliche Berichterstattung zu ermitteln (vgl. telefonische Auskunft der M Allgemeinen Zeitung – Pressearchiv – vom 15. November 2006). Die – variierenden – Angaben des Klägers zum Unfallzeitpunkt (z. B. 03:00 Uhr in der Unfall-Schadenanzeige für die A Versicherung, 02:30 Uhr in der Unfallmeldung an die H-N Versicherung, 00:00 Uhr im Entlassungsbericht der Kliniken im T WW) sind nicht verwertbar, da der Kläger aufgrund seiner retrograden Amnesie über keine konkrete Erinnerung an das Unfallgeschehen und den Unfallzeitpunkt verfügt.

Fest steht allein die Tatsache, dass der Kläger um 04:02 Uhr in die Rettungsstelle des Klinikums Et eingeliefert, gegen 05:30 Uhr dann zur Computertomographie vorgestellt und um 06:30 Uhr operiert worden ist. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den vom Klinikum Et übersandten Original-Patientenunterlagen einschließlich des Protokolls der Rettungsstelle und der schriftlichen Auskunft des Klinikums Et vom 28. Januar 2011. Nach den vom Senat ins Verfahren eingeführten Routenplanerauskünften ist für die Anfahrt des Rettungswagens zur Unfallstelle sowie für den Rückweg zum Klinikum jeweils eine Fahrzeit von maximal 25 Minuten anzusetzen. Demzufolge kann allenfalls davon ausgegangen werden, dass sich der Unfall spätestens gegen 03:00 Uhr am Morgen des 05. Mai 1992 ereignet hat. Berücksichtigt man für die am Unfallort notwendige medizinische Erstversorgung noch eine weitere Zeit von ca. 30 Minuten, so käme ein etwas früherer Unfallzeitpunkt – ca. 02:30 Uhr – in Betracht.

Selbst wenn man unter Heranziehung der schriftlichen Auskünfte der Zeuginnen K K und S M vom 11. Januar 2002, die im Hinblick auf das Erscheinungsbild und die Aussage von Frau M vor dem SG Anlass zu Zweifeln am Wahrheitsgehalt geben, es als gesichert ansehen würde, dass der Kläger am 04. Mai 1992 zumindest bis um 21:30 Uhr seiner Arbeit in der Zahnarztpraxis nachgegangen ist, verbleibt es bei einer nicht mehr aufklärbaren zeitlichen Lücke von ca. fünf Stunden (zwischen 21:30 Uhr abends und 02:30/03:00 Uhr morgens).

Wenn, wie hier, nach Ausschöpfung aller Beweismittel weder festgestellt werden kann, zu welchem Zeitpunkt und von welchem Ort aus der Versicherte seinen Heimweg angetreten und zu welchem Zeitpunkt sich der Unfall ereignet hat, ist auf die Grundsätze der objektiven Beweis- oder Feststellungslast zurückzugreifen. Danach geht die Unerweislichkeit einer Tatsache grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will. Während denjenigen, der einen Anspruch erhebt, die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatschen trifft, ist derjenige, der das geltend gemachte Recht bestreitet, für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen beweispflichtig (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 02. Dezember 2008 – B 2 U 26/06 R -, a. a. O., m. w. N.). Bezogen auf die hier streitige Vorschrift des § 550 Abs. 1 RVO bedeutet dies, dass den Versicherten die Beweislast dafür trifft, dass er den Heimweg von der Arbeitsstätte aus angetreten hat und bei einer eventuellen Unterbrechung den Heimweg innerhalb der Zeitgrenze von zwei Stunden fortgesetzt hat (vgl. BSG, Urteile vom 02. Dezember 2008 – B 2 U 26/06 – und vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 23/08 -, jeweils a. a. O.). Den Unfallversicherungsträger dagegen trifft die Beweislast dafür, dass der Versicherte den von der Arbeitsstätte aus begonnenen Heimweg unterbrochen hat (vgl. BSG, Urteil vom 05. Mai 1994 – 2 RU 16/93 –, in juris). Da hier schon nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger und zu welchem Zeitpunkt am 04. bzw. 05. Mai 1992 den Heimweg zu der von ihm genutzten, in B-S gelegenen Wohnung von seiner in P gelegenen Zahnarztpraxis aus angetreten hat, trägt er die Folgen der Beweislosigkeit hinsichtlich des begonnenen Heimweges.

Bei dieser Sachlage kommt eine Beweislastentscheidung zu Ungunsten der Beklagten – auch im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten Beweisnotstand – nicht in Betracht. Zwar können Eigentümlichkeiten eines Sachverhaltes in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen, z. Bsp. können sich der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugen (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2004 – B 2 U 25/03 R -, in juris, m. w. N.). Eine allgemeingültige Beweiserleichterung – oder Beweislastumkehr – für den Fall des Beweisnotstandes würde jedoch dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) widersprechen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteile vom 02. Dezember 2008 – B 2 U 26/06 R – und 07. September 2004 – B 2 U 25/03 R -​, a. a. O., jeweils m. w. N.). Gerade die typischerweise bei der Aufklärung viele Jahre zurückliegender Sachverhalte auftretenden Schwierigkeiten sind im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zu berücksichtigten. Dass die Beklagte zunächst die Anerkennung eines Arbeits-/Wegeunfalls mangels Versicherungsschutz abgelehnt hatte (vgl. Bescheid vom 05. April 1994), was sich später als fehlerhaft herausgestellt hat, rechtfertigt bereits aus den vom SG im Urteil vom 27. Februar 2009 angeführten Gründen (siehe Seite 5 des Urteils) keine weitergehenden Beweiserleichterungen. Schließlich bestand für den Kläger im Jahre 1994 die Möglichkeit, im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens seinen unfallversicherungsrechtlichen Status zu klären, zumal er bis dato keinerlei Beiträge geleistet hatte (siehe Beitragsbescheid vom 09. Februar 1995), und auch die in seiner Sphäre liegenden Beweise für den Antritt des Heimweges von der Arbeitsstätte (Zahnarztpraxis) aus gegenüber der Beklagten offen zu legen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

Die Revision war mangels Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.


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