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Fahrzeugdiebstahl – Wegfahrsperre intakt – muss Versicherung zahlen?

LANDGERICHT ITZEHOE

Az.: 2 O 204/01

Verkündet am: 22.04.2002


In dem Rechtsstreit hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe auf die mündliche Verhandlung vom 18.03.2002 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.004,70 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 20. April 2001 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % Betrages vorläufig vollstreckbar.

vollstreckenden

Tatbestand

Die Klägerin war Eigentümerin eines Pkw BMW 520 i mit dem amtlichen Kennzeichen XX das bei der Beklagten seit 22. März 2000 kaskoversichert war bei einer Selbstbeteiligung von 2.000,00 DM. Die Klägerin wohnte zu jener Zeit aus beruflichen Gründen in Magdeburg, Am 27- Juli 2000 meldete sie den Verlust ihres Pkw bei der Polizei und teilte mit, ihr Fahrzeug am Vorabend gegen 19 Uhr in der Nähe ihrer Wohnung in der X verschlossen abgestellt und am nächsten Tag gegen 15 Uhr nicht mehr vorgefunden zu haben. Die Polizei leitete soforteine Kraftfahrzeugfahndung ein und fand den Pkw gegen 17 Uhr in der Gemarkung X an der B 1. Er war an der Fahrerseite stark beschädigt. Des weiteren stellte die Polizei äußere und innere Aufbruchspuren am Fahrzeug der Klägerin fest. So war an der Fahrerseite das Fenster eingeschlagen. Die Zündung war kurzgeschlossen und Kabel herausgerissen und abisoliert worden. Das Zündschloss fehlte. Laut Gutachten des Sachverständigen erlitt das Fahrzeug der Klägerin wirtschaftlichen Totalschaden (Wiederbeschaffungswert 18.000,00 DM, Restwert 15.000,00 DM).

Die Klägerin begehrt nach § 12 Abs. 1 AKB l b von der Beklagten Entschädigung in Höhe von 13.700,00 DM (7004,70 Euro).

Die Klägerin beantragt, wie zuerkannt worden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.Sie verweigert die Entschädigung und beruft sich darauf, die BMW AG habe das aus dem streitgegenständlichen Pkw ausgebaute und an sie zum Zwecke der Überprüfung übersandte EWS II Steuergerät ausgelesen mit dem Ergebnis, dass es unbeschädigt sei und sich Manipulationsspuren nicht hätten feststellen lassen. Deshalb müsse der Pkw der Klägerin mit dem Originalschlüssel bewegt worden sein. Da die Klägerin im Besitze von drei Originalschlüsseln sei, von denen, wie die kriminaltechnische Untersuchung ergebenhabe, keine Nachschlüssel gefertigt worden seien, muss der Pkw mit einem dieser Schlüssel gefahren worden sein. Der Einbruch sei damit vorgetäuscht, die Einbruchsspuren mutwillig angebracht worden. In Wirklichkeit habe das Fahrzeug nur einen Unfallschaden erlitten. Darüber hinaus sei die Klägerin in Höhe eines Betrages von 10.762,00 DM nicht aktivlegitimiert, weil sie insoweit ihre eventuellen Entschädigungsansprüche an ihre Kreditgeberin, die AKB-Bank, abgetreten habe.

Auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Anlagen wird Bezug genommen.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2002 die Klägerin gehört, Auf das Sitzungsprotokoll (Blatt 73 ff, dA) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert. Aus der von ihr vorgelegen Vollmacht vom 06. Juni 2001 der AKB-Bank ergibt sich, dass die Bank die Klägerin ermächtigt hat, den Entschädigungsanspruch gerichtlich in eigenem Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen.

Die Klägerin hat auch einen – in der Höhe unbestrittenen – Anspruch auf Entschädigung aufgrund des vorliegenden Kaskoereignisses (§ 1 VVG). Die Beklagte ist nicht nach § 6 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei. Die Klägerin hat glaubhaft Tatsachen dargelegt, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Entwendung des Pkw ergeben.

Dem Versicherungsnehmer kommt in Fällen der vorliegenden Art eine Beweiserleichterung zugute. Trotzdem muss er den vollen Beweis für ein Mindestmass an Tatsachen erbringen, aus denen sich das äußere Bild eines Diebstahls erschließen lässt. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung des Verhandlungsergebnisses (§ 286 ZPO) muss der Richter den Behauptungen und Angaben des Versicherungsnehmers unter Umständen auch dann glauben, wenn dieser ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann (s. BGH VersR 1930, 229). Der Richter muss in objektiv nachprüfbarer Weise darlegen, warum er unter Umständen den Angaben des Versicherungsnehmers nicht glaubt, dieser habe dasFahrzeug an einem bestimmten Ort abgestellt und ohne seinen Willen nicht wieder gefunden (s. BHG VersR 1991. 917), Diesem Erfordernis ist genügt, wenn der Richter Ungereimtheiten im Vortrag des Versicherungsnehmers feststellt, aufgrund deren er zur Überzeugung gelangt, er könne diesen Angabe des Versicherungsnehmers nicht glauben.

Derartige Ungereimtheiten haben sich nicht feststellen lassen. Die Behauptung der Klägerin, sie habe das versicherte Fahrzeug am 26. Juli 2000 gegen 17 Uhr abgestellt und es bei ihrer Rückkehr am 27. Juli 2000 gegen 15 Uhr nicht mehr vorgefunden wird durch das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs unterstrichen. Die ebenfalls vorhandenen Unfallspuren ändern nichts daran, dass es die geschilderten Einbruchsspuren aufgewiesen hat. Da die Klägerin nicht auf andere Weise als durch ihre Angaben beweisen kann, dass sie das versicherte Fahrzeug an dem angegebenen Ort abgestellt und dort gegen ihren Willen nicht mehr vorgefunden hat, ist zu prüfen, ob die Beklagte ihr Vorbringen der mangelnden Glaubwürdigkeit der Klägerin beweisen kann. Hierbei geht es nicht um den bedingungsgemäß erleichterten Gegenbeweis des Versicherers für eine Vortäuschung des Versicherungsfalls (s. BGH VersR 1987, 61), sondern alleine darum, ob der Klägerin als einer redlichen Persönlichkeit die gegebene Sachdarstellung geglaubt werden kann. Den Gegenbeweis hat die Beklagte nicht erbracht. Sie hat nur vorgetragen, dass die BMW AG – die Fahrzeugherstellerin – keine Manipulationsspuren an dem ihr übersandten Teil der Wegfahrsperre festgestellt habe. Gleichzeitig hat die Beklagte zu verstehen gegeben, dass die BMW AG wohl nicht bereit sei, die Funktionsweise des EWS II – Steuergeräts aufzuschlüsseln und den Code preiszugeben, so dass die Behauptungen der Beklagten bzw. die Feststellungen der BMW AG einer gerichtlichen Nachprüfung nicht unterzogen werden können. Zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Fahrzeug ohne Wissen der Klägerin mit einem vierten Originalschlüssel des Voreigentümers bewegt worden ist. Die Behauptung der Beklagten, das Auto müsse mit einem der drei im Besitz der Klägerin befindlichen Originalschlüsse! bewegt worden sein, ist entkräftet durch das von der Beklagten nicht widerlegte Vorbringen der Klägerin, wonach es für den Pkw der entsprechenden Serie einen vierten Originalschlüssel gibt. Dies hat die Klägerin ihrem Vorbringen zufolge selbst erst nach dem Diebstahl von dem Sachverständigen erfahren.

Vermag die Beklagte danach nicht durch objektive Tatsachen die Unredlichkeit der Klägerin zu beweisen, fehlt außerdem jedes Motiv für einen fingierten Diebstahl, da die Klägerin auch gegen Unfallschäden kaskoversichert war. Es bestand unter diesem Gerichtspunktkeine Veranlassung, einen Einbruchsdiebstahl durch mutwillige zusätzliche Sachbeschädigung vorzutäuschen. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung außerdem einen glaubhaften Eindruck gemacht. Nach dem persönlichen Eindruck handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts um eine redliche Versicherungsnehmerin, der ein derartiger Versuch eines Versicherungsbetrugs nicht unterstellt werden kann. Sie handelte auch nicht etwa aus einer finanziellen Notlage heraus unbedacht, zumal der ihr unterstellte fingierte Diebstahl eine finanzielle Notlage keinesfalls hätte abmildern können. In einer finanziellen Notlage befand sie sich zwar, aber nach ihrer Darstellung erst als Folge der unterbliebenen Entschädigungszahlung. Dadurch hätten ihr die finanziellen Mittel für ein Ersatzfahrzeug gefehlt, so dass sie nicht mehr alle Kunden habe aufzusuchen und infolgedessen ihren Job verloren habe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 711 ZPO.

 

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