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Weihnachtsgeld bei vorzeitigem Ausscheiden nach Eigenkündigung

LAG München

Az.: 11 Sa 717/11

Urteil vom 07.12.2011


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg (Az.: 10 Ca 3169/10) vom 08.06.2011 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger weitere 529,38 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2010 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen des Berufungsverfahrens noch über die Zahlung eines tariflichen Weihnachtsgeldes.

Der Kläger war vom 01.11.2006 bis 31.07.2010 bei der Beklagten als Rezeptionssekretär mit einer Vergütung in Höhe von zuletzt 0,- € brutto monatlich beschäftigt. Die Beschäftigung erfolgte auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages vom 21.01.2009, der zunächst bis 20.01.2010 befristet war und dann bis 20.01.2011 verlängert wurde. Die Befristung erfolgte auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 TzBfG ohne sachlichen Grund. Der Kläger schied durch Eigenkündigung zum 31.07.2010 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Gem. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages gelten für das Dienstverhältnis die Bestimmungen des örtlich maßgeblichen Tarifvertrages für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe in Bayern einschließlich der entsprechenden Zusatzabkommen sowie der Tarifvertrag über eine tarifliche Altersvorsorge.

Der Kläger hat für das Jahr 2010 kein Weihnachtsgeld erhalten. § 12 des Manteltarifvertrages für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe in Bayern vom 26.05.2006 (im Folgenden: MTV) lautet wie folgt:

㤠12 Weihnachtsgeld

I. Arbeitnehmer, die am 30. November und seit Januar des laufenden Jahres als Vollzeitbeschäftigte in ungekündigter Stellung ununterbrochen im selben Betrieb oder beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt sind, erhalten spätestens im Dezember des jeweiligen Jahres ein Weihnachtsgeld von 50 % der tariflich vorgesehenen Vergütung. Derselbe Anspruch steht Arbeitnehmern zu, die im Anschluss an die Ausbildungszeit vom Betrieb übernommen werden oder die nach Ableistung des Grundwehrdienstes/Ersatzdienstes in den Betrieb zurückkehren. Die Berechnungsgrundlage des Weihnachtsgeldes ist bei umsatzbeteiligten Arbeitnehmern der/das im jeweils gültigen Entgelttarifvertrag vereinbarte Festlohn/-gehalt.

II. Das Weihnachtsgeld für Auszubildende beträgt 50 % der tariflich vorgesehenen Vergütung.

III. Teilzeitbeschäftigte erhalten dieses Weihnachtsgeld anteilig im Verhältnis zu ihrer Beschäftigungszeit.

IV. Befristet Beschäftigte, die insgesamt länger als 11 Monate im Betrieb beschäftigt sind und diese Beschäftigung nicht länger als ein Jahr unterbrochen haben, erhalten das Weihnachtsgeld zeitanteilig zu ihrer Beschäftigung im jeweiligen Auszahlungsjahr.

V. Bei Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs erhalten Arbeitnehmer und Auszubildende, sofern sie die Voraussetzungen des Absatzes I erfüllen, für jeden angefangenen Monat ihrer Tätigkeit bis zum Antritt des Erziehungsurlaubs sowie nach Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub 1/12 des Weihnachtsgeldes.

VI. Scheidet ein Arbeitnehmer oder Auszubildender bis zum 31. März des darauffolgenden Jahres aus, kann der Arbeitgeber bis auf 102,00 Euro das Weihnachtsgeld kürzen oder zurückfordern. Dies gilt jedoch nicht, wenn dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird oder das Arbeitsverhältnis eines befristeten Arbeitnehmers in der Zeit vom 1.1. bis 31.3. des Folgejahres aufgrund Befristung endet.

VII. Arbeitnehmer, die mehr als 9 Monate im Kalenderjahr arbeitsunfähig erkrankt sind, haben keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Dies gilt nicht für Zeiten aufgrund Betriebsunfällen im Sinne des SGB VII.“

Mit seiner am 08.11.2010 beim Arbeitsgericht Augsburg eingegangenen Klage macht der Kläger u. a. ein anteiliges Weihnachtsgeld für die Zeit von Januar bis Juli 2010 geltend. Er ist diesbezüglich der Auffassung, dass nach dem klaren Wortlaut des § 12 Abs. 4 MTV ein anteiliges Weihnachtsgeld in Höhe von 529,38 € brutto geschuldet sei. Anspruchsvoraussetzung sei nach dieser tarifvertraglichen Regelung lediglich eine Mindestbeschäftigungsdauer von elf Monaten und keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses von mehr als einem Jahr. Eine Einschränkung im Hinblick auf die Art des Ausscheidens, insbesondere im Hinblick auf ein vorzeitiges Ausscheiden vor Ablauf der Befristung sei in der tariflichen Regelung nicht beinhaltet. Daher habe der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes im Falle einer Eigenkündigung. Insoweit sei auch nicht eine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen befristet und unbefristet beschäftigten Mitarbeitern vorhanden, die bei vorzeitigem Ausscheiden keinen Anspruch auf ein Weihnachtsgeld hätten, da unbefristet angestellte Arbeitnehmer einen erheblich höheren Bestandsschutz hätten als befristet Beschäftigte. Im Hinblick auf die vonseiten der Tarifvertragsparteien offensichtlich angestellten Erwägungen bestehe auch kein Anlass dafür, ein Redaktionsversehen anzunehmen, sodass sich der Anspruch aus der tariflichen Regelung ergebe.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, soweit für die Berufung von Bedeutung:

Die Beklagte wird verurteilt, 529,38 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2010 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie war erstinstanzlich der Auffassung, dass ein Anspruch auf Weihnachtsgeld deswegen nicht bestehe, da die Regelung des § 12 Abs. 4 MTV nicht auf den Fall der Eigenkündigung des Arbeitnehmers mit vorzeitiger Beendigung anzuwenden sei. Sinn und Zweck der Regelung sei es gewesen, den zahlreichen Saisonarbeitern in der Gastronomie einen Anspruch auf Weihnachtsgeld zu ermöglichen, da in diesem Gewerbe die Saisonarbeit weit verbreitet sei und ohne eine entsprechende Regelung die befristet beschäftigten Mitarbeiter kaum in den Genuss eines Weihnachtsgeldes hätten kommen können, da sie die Stichtagsregelung nicht hätten erfüllen können. In der Regelung seien aber Saisonarbeitnehmer bzw. befristet Beschäftigte nicht besser zu stellen als unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer. Insofern sei die Regelung des § 12 Abs. 4 MTV dahingehend auszulegen, dass ein Weihnachtsgeld nur geschuldet sei, wenn das Arbeitsverhältnis durch Ablauf der Befristung ende.

Im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Vorbringen der Parteien und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Mit dem angegriffenen Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 08.06.2011 hat dieses die Klage in Bezug auf das vom Kläger geltend gemachte Weihnachtsgeld abgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass § 12 Abs. 4 MTV dahingehend auszulegen sei, dass ein Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld bei befristet Beschäftigten nur dann bestehe, wenn der Mitarbeiter aufgrund Ablaufs der Befristung ausscheide, nicht hingegen im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens aufgrund Eigenkündigung. Nachdem die Regelung des § 12 Abs. 4 MTV insoweit eindeutig nach dem Wortlaut dahingehend auszulegen sei, dass befristet Beschäftigte unabhängig von der Art des Ausscheidens Anspruch auf ein anteiliges Weihnachtsgeld hätten, sei aber wegen Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke die Norm des § 12 Abs. 4 MTV im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu ergänzen, dass lediglich bei Ausscheiden aufgrund Ablaufs der Befristung das anteilige Weihnachtsgeld geschuldet sei. Insoweit enthalte die Regelung des § 12 Abs. 4 MTV eine Lücke, als nicht geregelt sei, was bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses passiere. Diese Lücke sei auch planwidrig. Da die Regelung seit dem Manteltarifvertrag aus dem Jahr 1990 in den Tarifvertrag aufgenommen worden sei und damals befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund nicht im gleichen Umfang bestanden hätten wie heutzutage, sei damals ein vorzeitiges Ausscheiden der Mitarbeiter unwahrscheinlicher gewesen als heute und deswegen nicht mit geregelt worden. Ohne die Schließung dieser Regelungslücke sei eine interessengerechte Lösung hinsichtlich des Weihnachtsgeldes nicht zu erzielen. § 12 Abs. 4 MTV habe nicht beabsichtigt, befristet Beschäftigte besser zu stellen als unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, sondern lediglich hinsichtlich der Möglichkeit der Erlangung eines Weihnachtsgeldes im Hinblick auf die Stichtagsregelung gleichzustellen. Auch lasse sich aus dem Gesamtzusammenhang des § 12 MTV ein mutmaßlicher Wille der Tarifvertragsparteien dahingehend entnehmen, wie die Fallkonstellation des vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers zu regeln sei. Angesichts des aus den Regelungen erkennbaren Willens der Tarifparteien, insbesondere die Betriebstreue zu belohnen, was sich aus der Stichtagsregelung sowie insbesondere aus § 12 Abs. 6 MTV zeige, könne § 12 Abs. 4 MTV nur dahingehend ausgelegt werden, dass befristet Beschäftigte, die infolge einer Eigenkündigung eine Betriebstreue nicht zeigen würden, keinen Anspruch auf das Weihnachtsgeld besäßen.

Gegen dieses dem Kläger am 13.07.2011 zugestellte Endurteil richtet sich seine Berufung mit Schriftsatz vom 10.08.2011, am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen.

Er ist im Rahmen der Berufung der Auffassung, dass eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliege und er aufgrund der eindeutigen Regelung des § 12 Abs. 4 MTV Anspruch auf das anteilige Weihnachtsgeld habe. Die Tatsache, dass die Regelung seit 1990 unverändert in den Tarifverträgen fortgeführt worden sei, spreche gegen eine planwidrige Regelungslücke. Insoweit hätten Veränderungen im Arbeitsleben auch nicht zu Veränderungen im Tarifvertrag geführt. Zwar würden befristet beschäftigte Mitarbeiter gegenüber unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens bevorzugt, eine Gleichbehandlung sei aber deswegen nicht erforderlich, da hier beide Arbeitnehmergruppen ungleiche Voraussetzungen besäßen, weil insbesondere befristet Beschäftigte keinen gleichwertigen Bestandsschutz genießen würden wie unbefristete Mitarbeiter. Aus der tarifvertraglichen Regelung würde sich im Übrigen ergeben, dass zwar der Betriebstreueaspekt betont sei, allerdings die Betriebstreue bei befristet beschäftigten Arbeitnehmern, die wegen der Befristung keine gleiche Betriebstreue zeigen könnten wie unbefristet Beschäftigte, i. S. der abgeleisteten Arbeitszeit belohnt werden solle.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg, Az. 10 Ca 3169/10, vom 08.06.2011 wird teilweise abgeändert.

2. Die Beklagte wird über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 529,38 € brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.08.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie ist der Auffassung, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliege. Der der Vorschrift des § 12 Abs. 4 MTV zugrunde liegende Regelungsplan könne nur durch Ergänzung dieser Norm verwirklicht und eine angemessene interessengerechte Lösung erzielt werden – wie vom Erstgericht geschehen. Die Regelungslücke sei auch planwidrig, da die vorliegende Konstellation vonseiten der Tarifvertragsparteien nicht gesehen worden sei. Dem stehe auch die Tatsache, dass die Vorschrift seit 1990 unverändert in den Tarifverträgen enthalten sei, nicht entgegen. Befristet beschäftigte Mitarbeiter sollten jedenfalls gegenüber unbefristet Beschäftigten nicht bevorzugt werden. Dies zeige auch die Betriebstreueregelung in § 12 Abs. 6 MTV. Befristet beschäftigte Arbeitnehmer könnten auch die Betriebstreue insoweit gleichermaßen wie unbefristet Beschäftigte erbringen, als sie lediglich durch Ablauf der Befristung ausscheiden könnten.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien vom 10.10.2011 und 07.11.2011 sowie die Sitzungsniederschrift vom 30.11.2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist auch begründet.

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 a ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist auch begründet. Eine planwidrige Lücke kann in der Regelung des § 12 Abs. 4 MTV zwar möglicherweise vorliegen, jedenfalls sind diesbezüglich Regelungsmöglichkeiten in unterschiedlicher Art und Weise denkbar, sodass die tatsächliche Regelung den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben muss.

1.

Wie das Erstgericht zutreffenderweise festgestellt hat und im Übrigen auch zwischen den Parteien an sich unstreitig ist, beinhaltet § 12 Abs. 4 MTV eine eindeutige Regelung, die somit einer Auslegung grundsätzlich nicht offen steht. Nach dem Wortlaut der Vorschrift beinhaltet diese einen eindeutigen Anspruch befristet beschäftigter Mitarbeiter auf ein anteiliges Weihnachtsgeld, wenn sie die in der entsprechenden Regelung enthaltenen Voraussetzungen, nämlich eine elfmonatige Betriebszugehörigkeit und fehlende Unterbrechung von mehr als einem Jahr, erfüllen. Nachdem die Norm selbst hinsichtlich der Art der Beendigung, sei es nun der Ablauf der Befristung oder ein sonstiger Beendigungstatbestand, keine Unterscheidung beinhaltet, ergibt sich aus ihr eindeutig, dass auch befristet beschäftigte Mitarbeiter dann einen Anspruch auf das anteilige Weihnachtsgeld haben, wenn sie vorzeitig ausscheiden. Insoweit liegt auch, was ebenfalls zwischen den Parteien unstreitig ist, eine Ungleichbehandlung zwischen befristet und unbefristet beschäftigten Mitarbeitern vor, da Letztere bei einem vorzeitigen Ausscheiden vor dem Stichtag, dem 30.11. eines Jahres, keinen anteiligen Weihnachtsgeldanspruch erwerben.

2.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt in Fällen eines eindeutigen Inhalts grundsätzlich aber eine ergänzende Vertragsauslegung dann in Betracht, wenn Tarifverträge erkennbare Regelungslücken aufweisen. Allerdings ist dafür Voraussetzung, dass eine Vereinbarung eine Regelungslücke i. S. einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist. Eine Regelungslücke liegt dabei nur vor, wenn die Tarifvertragsparteien einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst deshalb offen gelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben und diese Annahme sich nachträglich als unzutreffend herausstellt. Von einer Planwidrigkeit kann nur die Rede sein, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (vgl. BAG, Urt. v. 11.11.2010 – 8 AZR 392/09 m. w. N.).

Das Gericht konnte es letzten Endes dahingestellt sein lassen, ob tatsächlich eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Angesichts des vonseiten des Erstgerichts dargelegten und auch letztlich von den Parteien nicht wesentlich bestrittenen Umstands, dass die Regelung insbesondere dazu dienen sollte, befristet beschäftigte Mitarbeiter, wie sie im Gaststättengewerbe vor allem in Form der Saisonarbeitnehmer vorkommen, mit den unbefristet Beschäftigten dahingehend gleichzustellen, dass sie einen Weihnachtsgeldanspruch erhalten, auch wenn sie den Stichtag infolge ihrer Befristung nicht erreichen und der Tatsache, dass sich insoweit die tatsächliche Arbeitswelt dahingehend verändert hat, dass die Befristungen in der heutigen Zeit häufiger und länger auftreten als zur Zeit, als diese Regelung erstmalig in den Tarifvertrag aufgenommen wurde, somit damals eine Notwendigkeit einer Regelung möglicherweise entweder nicht gesehen oder aber bewusst offen gelassen wurde, könnte eine Regelungslücke i. S. der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorliegen, wonach eine solche auch dann vorliegt, wenn ein Punkt nicht übersehen, aber bewusst offen gelassen wurde, weil er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten wurde. Zwar wurde der Manteltarifvertrag in der Vergangenheit mehrmals neu abgeschlossen, zuletzt im Jahr 2006; insoweit kann sich schon die Frage stellen, ob sich tatsächlich seit dem Zeitpunkt des letzten Abschlusses des Tarifvertrages die Arbeitswelt in einem Maße verändert hat, dass insoweit von einer Regelungslücke überhaupt ausgegangen werden kann, oder ob nicht – wie vonseiten des Klägers argumentiert – tatsächlich aus der Tatsache des Beibehaltens der Regelung geschlossen werden muss, dass die Tarifvertragsparteien bewusst die Regelung so gewählt haben, auch angesichts der Veränderungen in der Arbeitswelt.

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Die Kammer ist der Auffassung, dass die vonseiten des Erstgerichts im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angenommene Ergänzung des § 12 Abs. 4 MTV dahingehend, dass in die Regelung gewissermaßen hineingelesen werden müsse, dass der anteilige Weihnachtsgeldanspruch nur dann entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis durch Ablauf der Befristung endet, nicht die einzig denkbare Regelungsmöglichkeit durch die Tarifvertragsparteien darstellt.

Zwar zeigt sich in den Regelungen des § 12 MTV, dass diese Regelung sehr stark den Betriebstreueaspekt betont. Dies ergibt schon die Stichtagsregelung mit der Formulierung, dass zu diesem Zeitpunkt ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehen muss sowie auch insbesondere die Regelung des § 12 Abs. 6 MTV mit den Rückzahlungsmodalitäten. Gleichermaßen ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Tarifvertragsparteien auch unter Berücksichtigung dieses Betriebstreueaspekts die Regelung in § 12 Abs. 4 MTV entweder so gelassen hätten, wie sie vorliegt, auch wenn sie den Punkt erkannt oder aber verschiedene Beendigungsmodalitäten im Hinblick auf das Beibehalten oder Entfallen des anteiligen Weihnachtsgeldanspruchs in unterschiedlicher Art und Weise geregelt hätten. Denn dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein befristetes Arbeitsverhältnis tatsächlich von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis insbesondere im Hinblick auf den Bestandsschutz unterscheidet. Es ist schon nicht auszuschließen, dass die Tarifvertragsparteien auch im Falle einer Eigenkündigung befristet beschäftigten Mitarbeitern einen Anspruch hätten geben wollen. Denn bei diesen befristet beschäftigten Arbeitnehmern ist das Ende des Arbeitsverhältnisses infolge der Befristung eher absehbar als bei unbefristet Beschäftigten. Daher werden befristet beschäftigte Mitarbeiter eher die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung, die etwa über den Befristungszeitpunkt hinaus ihnen angeboten wird, annehmen und insoweit eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses betreiben. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte und die Tarifvertragsparteien vor allem im Hinblick auf die Formulierung in § 12 Abs. 1 MTV, dass ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehen muss, den Betriebstreueaspekt weiter betonen und etwa auch bei Eigenkündigung bzw. Kündigung durch den Arbeitgeber befristet beschäftigte Mitarbeiter mit unbefristet Beschäftigten unter Berücksichtigung deren unterschiedlicher Situation zumindest gleichbehandeln wollten, verbleibt es ebenfalls dabei, dass unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten denkbar sind. Insbesondere unter Berücksichtigung von § 12 Abs. 6 MTV ist nicht auszuschließen, dass bei befristet Beschäftigten auch im Falle des vorzeitigen Ausscheidens infolge von betriebs- oder personenbedingten Kündigungen, also aus Anlass einer Beendigung, die vonseiten des Arbeitnehmers nicht zu verantworten ist, der anteilige Weihnachtsgeldanspruch beibehalten worden wäre. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass, wie das Erstgericht auch festgestellt hat, befristet Beschäftigte, für die diese Regelung des § 12 Abs. 4 MTV gedacht ist, nämlich insbesondere Saisonarbeitnehmer, kaum länger als sechs Monate befristet beschäftigt werden. Dies bedeutet, dass befristet beschäftigte Mitarbeiter kaum in den Genuss eines Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz gelangen können. Häufig wird auch die Unterbrechung zwischen den befristeten Beschäftigungen so lange sein, dass keine Zusammenrechnung im Hinblick auf den Kündigungsschutz stattfindet. Dies bedeutet aber, dass befristet Beschäftigte tatsächlich einen geringeren Bestandsschutz aufzuweisen haben als etwa unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer. Im Falle einer Arbeitgeberkündigung können sich daher befristet Beschäftigte nicht gegen eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Befristung wehren. Insoweit wäre es den Arbeitgebern möglich, den anteiligen Weihnachtsgeldanspruch dann entfallen zu lassen. Bei unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern wäre dies in der Regel deswegen nicht in gleichem Maße möglich, weil diese sich infolge des Bestandsschutzes, vor allem durch das Kündigungsschutzgesetz, gegen eine ungerechtfertigte Berechtigung durch Kündigung vonseiten des Arbeitgebers wehren und damit auch den Stichtag erreichen könnten. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre es durchaus denkbar, dass die Tarifvertragsparteien eine vorzeitige Beendigung etwa im Hinblick auf eine Arbeitgeberkündigung als unschädlich für den anteiligen Weihnachtsgeldanspruch angesehen hätten.

Da somit nicht eine eindeutige Regelung, die den Interessen der tariflichen Gesamtregelung entspricht, festgestellt werden kann, also mehrere Möglichkeiten zur Lückenschließung in Betracht kommen, sodass ein mutmaßlicher Wille der Tarifvertragsparteien nicht eindeutig festgestellt werden kann, kann eine Schließung der Regelungslücke durch das Gericht nicht erfolgen, da dies in die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien eingreifen würde (vgl. BAG a. a. O.). Es muss daher den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben, ggf. die vorliegende Regelungslücke zu schließen. Solange dies nicht der Fall ist, verbleibt es bei der Regelung des § 12 Abs. 4 MTV in der vorliegenden Form mit der Konsequenz, dass der Kläger Anspruch auf das anteilige Weihnachtsgeld hat. Insoweit war der Berufung stattzugeben und das erstinstanzliche Urteil entsprechend zu ändern.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

4.

Angesichts der grundlegenden Bedeutung auch im Hinblick auf die Auslegung der tarifvertraglichen Norm war die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen. Insoweit wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung Bezug genommen.

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