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Weihnachtsgeldkürzung – tarifliche Regelung

Bundesarbeitsgericht

Az: 10 AZR 629/99

Urteil vom 24.05.2000


In Sachen hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 24. Mai 2000 für Recht erkannt:

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 11. Juni 1999 – 3 Sa 14/99 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des tariflichen Weihnachtsgeldes für das Jahr 1997.

Der Kläger war seit dem 15. Februar 1989 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Deutschen Service-Gesellschaft der Bahn mbH (im folgenden: DSG) beschäftigt, die zum 30. Juni 1994 mit der Beklagten verschmolzen wurde, so daß das Arbeitsverhältnis des Klägers auf diese übergegangen ist. Für ihn galt bis dahin der Entgelttarifvertrag der DSG vom 23. April 1993 (im folgenden: DSG-ETV).

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind die von der Beklagten mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten abgeschlossenen Firmentarifverträge aufgrund Verbandszugehörigkeit anwendbar. Die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich und damit 173 Stunden im Monat. Die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit des Klägers beträgt 130 Stunden im Monat. Der Kläger war im Jahre 1997 in die Tarifgruppe 5 eingruppiert, für die in diesem Jahr der tarifliche Stundenlohn 16,71 DM betrug.

Seit dem 1. Juli 1997 ist der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden der MITROPA AG (MTV-MITROPA) vom 27. Juni 1997 in Kraft. Er sieht für alle dem Tarifvertrag unterfallenden Mitarbeiter eine Jahressonderzuwendung gestaffelt nach Beschäftigungsjahren zwischen 700,00 DM und 1.000,00 DM vor. Im Falle des Klägers wären dies bei einer Vollzeitbeschäftigung 900,00 DM. Weiter heißt es in § 12 Ziff. 2.3.:

„Jahressonderzuwendung für Teilzeitbeschäftigte

Teilzeitbeschäftigte … haben Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzuwendung, die sich nach dem Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur tariflichen Arbeitszeit bemißt.“

Für den Kläger gilt der „Tarifvertrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Besitzstandswahrung – Zusatzabkommen für die Arbeitnehmer/innen der MITROPA AG – West“ in der Fassung vom 27. Juni 1997 (im folgenden: TV-Sicherung) dessen § 3 Nr. 5 bestimmt:

„Das Weihnachtsgeld wird für die in § 1 Abs. 3 Ziff. 3 genannten Arbeitnehmer/innen nach den Regeln des früheren DSG-ETV vom 23.04.1993 weitergewährt. Dabei erfolgt eine Kürzung von DM 1.000,– bis zu einem Weihnachtsgeld von DM 5.000,–. Der Höchstbetrag beträgt 5.000,– DM …

Es wird jedoch mindestens ein Weihnachtsgeld in Höhe der zum Zeitpunkt der Auszahlung geltenden Bestimmungen des MTV-MITROPA gewährt.“

§ 1 Abs. 3 Ziff. 1 TV-Sicherung erfaßt alle Arbeitnehmer, die „sich am 30.06.1994 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der mit der MITROPA AG verschmolzenen DSG“, befanden, also auch den Kläger.

Nach Abschnitt II 3. des DSG-ETV hätte ein in die Vergütungsgruppe des Klägers eingruppierter vollzeitbeschäftigter gewerblicher Arbeitnehmer bei 173 Stunden monatlich für 1997 als Weihnachtsgeld 3.081,62 DM bekommen und entsprechend der mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 130 Stunden beschäftigte Kläger anteilig 2.315,67 DM. Von diesem Betrag zog die Beklagte 1.000,00 DM ab und zahlte an den Kläger eine Sonderzuwendung in Höhe von 1.315,67 DM. In Anwendung des § 12 Ziff. 2.2 des MTV-MITROPA vom 27. Juni 1997 hätte das Weihnachtsgeld für den Kläger im Jahre 1997 751,45 DM betragen.

Der Kläger ist der Ansicht, § 3 Nr. 5 TV-Sicherung sei so auszulegen, daß ein Abzug nur proportional zur Teilzeitarbeit vorzunehmen sei. Wenn die Beklagte § 3 Ziff. 5 TV-Sicherung aber so auslege und anwende, daß die nach den Regeln des früheren DSG-ETV errechnete Zuwendung für Voll- und Teilzeitbeschäftigte einheitlich um 1.000,00 DM gekürzt werde, verstoße dies sowohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes als auch gegen § 2 Abs. 1 BeschFG. Die Regelung führe zu einer Ungleichbehandlung. Zum einen würden niedrige Lohngruppen durch den einheitlichen Abzug von 1.000,00 DM im Verhältnis zu hohen Lohngruppen überproportional benachteiligt. Zum anderen würden die Teilzeitbeschäftigten nochmals dadurch benachteiligt, daß sie im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigten derselben Lohngruppe einen wesentlich niedrigeren Prozentsatz der Zuwendung erhielten. Der Anspruch auf mindestens die Zuwendung nach dem neuen MTV-MITROPA stelle keinen hinreichenden Ausgleich dar, da diese erheblich niedriger sei. Der Hinweis der Beklagten auf die schwierige wirtschaftliche Lage könne die Benachteiligung der Teilzeitkräfte nicht sachlich rechtfertigen.

Eine verfassungs- und gesetzeskonforme Auslegung zur Vermeidung der Nichtigkeit der Regelung gebiete es, die Sonderzuwendung eines Vollzeitbeschäftigten zunächst um 1.000,00 DM zu kürzen und sodann die Zuwendung eines Teilzeitbeschäftigten entsprechend dessen Stundenzahl zu errechnen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 248,55 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 27. Februar 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Auffassung, die Tarifvertragsparteien hätten eine einheitliche Kürzung für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte eindeutig gewollt. Dies benachteilige die Teilzeitbeschäftigten nicht wegen ihrer Teilzeittätigkeit, sondern behandele die Gruppen gerade gleich. Eine Privilegierung der Teilzeitbeschäftigten durch eine proportionale Kürzung sei weder gewollt noch geboten. Im Hinblick auf die Kappungsgrenze nach oben und die Mindestgrenze nach unten sei eine differenzierte Regelung getroffen worden, die einen sachgerechten Ausgleich der Interessen darstelle. Immerhin hätten die Tarifvertragsparteien in den Verhandlungen ein zunächst gewolltes Einsparvolumen von 30 Mio. auf 20 Mio. DM pro Jahr reduziert, wobei ca. 3 Mio. DM allein auf die Kürzung der Zuwendungen entfielen. § 6 Abs. 1 BeschFG lasse ausdrücklich auch ungünstigere Regelungen für Teilzeitbeschäftigte in Tarifverträgen zu. Die Gerichte könnten außerdem einen Tarifvertrag nicht daraufhin überprüfen, ob im Hinblick auf den Gleichheitssatz jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden worden sei. Wegen der Gleichgewichtigkeit der Tarifvertragsparteien sei davon auszugehen, daß bei einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelungen die jeweiligen Interessen angemessen berücksichtigt würden, weshalb eine materielle Richtigkeitsgewähr für tarifliche Regelungen bestehe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden arbeitsgerichtlichen Urteils, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Restbetrag des Weihnachtsgeldes für das Jahr 1997 zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Anspruch des Klägers folge aus einer ergänzenden Auslegung des § 3 Nr. 5 TV-Sicherung, der wegen Verstoßes gegen das Verbot der unterschiedlichen Behandlung wegen Teilzeitarbeit des § 2 Abs. 1 BeschFG und gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nichtig sei. Die dadurch entstandene Regelungslücke sei in der Weise zu schließen, daß zur Ermittlung des Weihnachtsgeldes von Teilzeitbeschäftigten zunächst von dem eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten 1.000,00 DM abzuziehen seien und der so ermittelte Betrag sodann im Verhältnis der Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten zur Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zu kürzen sei.

Trotz des nicht eindeutigen Wortlauts des § 3 Nr. 5 TV-Sicherung sei die Norm im Sinne der Beklagten so auszulegen, daß die Zuwendung einheitlich für alle Arbeitnehmer gekürzt werden solle. Die Norm verstoße jedoch gegen § 2 Abs. 1 BeschFG. Trotz der Tariföffnungsklausel in § 6 Abs. 1 BeschFG sei es den Tarifvertragsparteien nicht gestattet, vom Grundsatz der Gleichbehandlung, wie er in § 2 Abs. 1 BeschFG konkretisiert sei, ohne sachlichen Grund abzuweichen. Wenn die Beklagte den bei den Teilzeitbeschäftigten entsprechend deren Teilzeitfaktor gekürzten Ausgangsbetrag genauso wie bei den Vollzeitbeschäftigten kürze, führe dies zu einer überproportionalen Kürzung der Zuwendung, obwohl § 3 Nr. 5 TV-Sicherung nicht ausdrücklich an die Teilzeittätigkeit anknüpfe. Die Beklagte habe nicht dargelegt, daß sie ein sachlich begründetes Interesse daran habe, daß ihre Beschäftigten möglichst in Vollzeit oder mit möglichst hohem Teilzeitfaktor arbeiteten, was allein eine unterschiedliche Belastung rechtfertigen könne. Die nach dem Vorbringen der Beklagten damals bestehende dramatische wirtschaftliche Situation stelle keinen sachlichen Grund für die Regelung dar, da das angestrebte Einsparvolumen von 3 Mio. DM im Bereich des Weihnachtsgeldes auch anders hätte erreicht werden können. Die geschaffenen Ober- und Untergrenzen trügen zwar sozialen Gesichtspunkten Rechnung, beseitigten aber die willkürliche Ungleichbehandlung nicht, da das Weihnachtsgeld nach dem MTV-MITROPA deutlich niedriger sei und die Teilzeitbeschäftigten weiterhin erheblich benachteiligt blieben.

Die Rechtsfolge der Nichtigkeit sei die Anpassung der tarifvertraglichen Regelung zugunsten der Teilzeitbeschäftigten. Die Lösung überfordere den Arbeitgeber nicht unzumutbar. Nur ein kleiner Teil der Arbeitnehmer habe in der Vergangenheit Ansprüche innerhalb der Ausschlußfristen geltend gemacht. Die Beklagte habe sich auf eine Überforderung auch nicht berufen. Der Anspruch sei jedenfalls deshalb schon begründet, weil die Beklagte selbst als Tarifvertragspartei gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen habe und daher aufgrund des § 2 Abs. 1 BeschFG auch selbst verpflichtet sei, die Ungleichbehandlung zu beseitigen und ggf. auf eine rückwirkende Änderung des Tarifvertrags hinzuwirken. Ob und wie sie dies erreichen wolle, liege in ihrem Ermessen.

II. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis und teilweise in der Begründung zu folgen. Der Kläger hat einen Anspruch auf die geltend gemachte Klagesumme, da die tarifliche Berechnungsnorm einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG enthält und so anzuwenden ist, daß der Kläger bei der Berechnung seines Weihnachtsgeldes entsprechend seinem Teilzeitfaktor behandelt wird.

1. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, daß der begehrte Anspruch nicht bereits unmittelbar im Wege der Auslegung dem § 3 Nr. 5 TV-Sicherung zu entnehmen ist.

a) Bei der Auslegung von Tarifbestimmungen sind die für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln zu beachten. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Bleiben sodann noch Zweifel, kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auch auf weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden (BAG 12. November 1997 – 10 AZR 206/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 1).

b) Der Wortlaut des § 3 Nr. 5 TV läßt auch die vom Kläger vertretene Auslegung zu, diese Bestimmung wie die Regelung des Weihnachtsgeldes für die gewerblichen Arbeitnehmer in Abschnitt II Nr. 3 Abs. 2 des DSG-ETV dahingehend zu verstehen, daß im Tarifvertrag die Höhe der Zuwendung nur für Vollzeitbeschäftigte geregelt wird und die Kürzung entsprechend dem Teilzeitfaktor aufgrund eines im Tarifvertrag nicht ausdrücklich wiederholten allgemeinen Grundsatzes erfolgt. Dies würde auch der ausdrücklich im MTV-MITROPA in § 12 Ziff. 2.3 aufgenommenen Regelung entsprechen.

Aus Sinn und Zweck der Klausel ist keine eindeutige Bestimmung der Berechnungsweise zu entnehmen. Hieraus folgt lediglich, daß die Tarifvertragsparteien einerseits den früheren DSG-Beschäftigten eine gewisse Besitzstandswahrung im Verhältnis zu den nach dem MTV-MITROPA ungünstigeren Sonderzuwendungsbestimmungen einräumen wollten, andererseits aber auch einen Einspareffekt wollten, der nach beiden Berechnungsweisen eintritt, aber nach derjenigen der Beklagten größer ist.

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Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht jedoch der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung des § 3 Nr. 5 TV-Sicherung gefolgt. Diese Bestimmung nimmt Bezug auf die Regelung der Zuwendung für Angestellte im Abschnitt III Ziff. 3 des DSG-ETV, die von derjenigen für die gewerblichen Arbeitnehmer in Abschnitt II Ziff. 3 teilweise abweicht. Die Angestellten erhalten danach neben ihren Monatsbezügen ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehaltes, das sich aus dem Novembergehalt errechnet und bestimmte Zulagen umfaßt. Das Gehalt der Teilzeitbeschäftigten ist entsprechend dem Teilzeitfaktor gekürzt. Hieraus ergibt sich unmittelbar, daß die teilzeitbeschäftigten Angestellten ein Weihnachtsgeld nach dem DSG-ETV nur in Höhe ihres um den Teilzeitfaktor geminderten Gehaltes erhalten sollten. Damit steht für die Angestellten fest, daß bei ihnen jedenfalls 1.000,00 DM von dem so errechneten Betrag abgezogen werden sollten. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Tarifvertragsparteien in § 3 Nr. 5 TV-Sicherung unterschiedliche Regelungen für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte schaffen wollten. Die Auslegung nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt daher, daß eine Kürzung um volle 1.000,00 DM auch bei teilzeitbeschäftigten gewerblichen Arbeitnehmern erfolgen soll.

Dem entspricht auch eine Auskunft der Tarifvertragsparteien über die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages. Beide Tarifvertragsparteien haben mitgeteilt, daß das ehemalige DSG-Weihnachtsgeld einheitlich um 1.000,00 DM, auch für Teilzeitbeschäftigte, gekürzt werden sollte.

2. Aufgrund der so tarifvertragskonform ausgeübten Berechnungsweise ist der Kläger wegen seiner Teilzeitbeschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG benachteiligt worden.

a) Die Gerichte für Arbeitssachen haben Tarifverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen. Zum zwingenden Gesetzesrecht gehört § 2 Abs. 1 BeschFG. Trotz der Tariföffnungsklausel in § 6 Abs. 1 BeschFG ist es den Tarifvertragsparteien nicht gestattet, vom Grundsatz der Gleichbehandlung, wie er in § 2 Abs. 1 BeschFG konkretisiert ist, abzuweichen (BAG 15. Dezember 1998 – 3 AZR 239/97 – AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 71 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 59 = RdA 2000, 46 mit Anm. Schüren mwN; 13. März 1997 – 2 AZR 175/96 – BAGE 85, 257; 17. Juni 1993 – 6 AZR 620/92 – BAGE 73, 262). § 6 Abs. 1 BeschFG ist in dieser Weise einschränkend auszulegen, um eine Verfassungswidrigkeit der Norm zu vermeiden. Auch die Tarifvertragsparteien können nicht gegen die fundamentale Gerechtigkeitsnorm verstoßen, die der Gleichheitssatz der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 GG) darstellt, der in § 2 Abs. 1 BeschFG nur einen einfachgesetzlichen Ausdruck gefunden hat (so auch ErfKomm-Dieterich Art. 3 GG Rn. 72; Wiedemann/Peters RdA 1997, 100).

b) § 3 Nr. 5 TV-Sicherung benachteiligt Teilzeitbeschäftigte im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigten. Die Benachteiligung ist festzustellen, wenn Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte derselben Grundvergütungsgruppe betrachtet werden. In der Festlegung der Vergütung drückt sich der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber aus. Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit (BVerfG 27. November 1997 – 1 BvL 12/91 – BVerfGE 97, 35, 44).

Die Beklagte argumentiert damit, sie benachteilige keine Gruppe, sondern behandele im Gegenteil alle gleich, indem sie von jedem Weihnachtsgeld 1.000,00 DM abziehe. Diese Argumentation ist jedoch nur vordergründig. Ansatzpunkt der Überprüfung ist nämlich nicht der Weg, der zu der Kürzung führt bzw. dessen Teilschritte, sondern dessen Ergebnis. Es ist grundsätzlich unerheblich, auf welchem Wege und in welcher rechtlichen Gestaltung es zu einer Ungleichbehandlung kommt (vgl. BAG 29. August 1989 – 3 AZR 370/88 – BAGE 62, 338).

c) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, daß der Kläger als Teilzeitbeschäftigter benachteiligt wird, da die Höhe seiner Zuwendung nicht quantitativ seiner Teilzeitquote im Verhältnis zu einem Vollzeitbeschäftigten derselben Vergütungsgruppe entspricht. Wäre der Kläger vollzeitbeschäftigt, hätte er als Zuwendung 3.081,62 DM abzüglich 1.000,00 DM, also 2.081,62 DM erhalten. Würde der quantitative Anteil der Teilzeittätigkeit des Klägers berücksichtigt, ergibt sich im Verhältnis zur bezahlten Summe der geltend gemachte Betrag.

d) Auch bei der Weihnachtszuwendung handelt es sich um Entgelt, das sich zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten nur quantitativ unterscheiden darf, wenn nicht sachliche Gründe eine andere Handhabung rechtfertigen. Mit Gratifikationen erkennt der Arbeitgeber in der Regel geleistete Dienste an, belohnt erbrachte Betriebstreue und setzt Anreize zum weiteren Verbleiben im Arbeitsverhältnis. Alle diese Zwecke lassen sich gegenüber Teilzeitbeschäftigten ebensogut verfolgen wie gegenüber Vollzeitbeschäftigten (GK-TzA Lipke Art. 1 § 2 Rn. 210). Soweit die Beklagte Betriebstreue abgelten will, ist dies schon durch die Abstufung nach Beschäftigungsjahren bei der Berechnungsgrundlage nach dem DSG-ETV geschehen.

3. Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Behandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten bei der Berechnung der Weihnachtszuwendung ist nicht ersichtlich.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß ein sachlicher Grund im Verhältnis zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten allenfalls darin liegen könnte, Vollzeitbeschäftigte oder Teilzeitbeschäftigte mit einer hohen Teilzeitquote stärker an das Unternehmen zu binden als Teilzeitbeschäftigte mit geringem Arbeitsvolumen. Hierfür sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Beklagte hat sich darauf nicht berufen.

b) Die wirtschaftlich schlechte Situation zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sanierungstarifvertrages stellt keinen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung von Teil- und Vollzeitbeschäftigten dar. Wenn der wirtschaftlichen Situation mit einem bestimmten Kürzungsvolumen wirksam begegnet werden sollte, so hätte dem auch mit einer anderen Berechnungsweise, zB durch einen höheren „Abzugs“betrag, jedoch mit anteiliger Verteilung auf Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte, Rechnung getragen werden können.

Jede andere Berechnungsweise wäre mit dem Ziel desselben Kürzungsvolumens zwar rechnerisch aufwendiger gewesen, es ist jedoch nicht erkennbar, daß der zeitliche Aufwand für die Ermittlung einer anderen Berechnungsformel zeitlich oder wirtschaftlich unzumutbar gewesen sein sollte.

c) Schließlich stellen die oberen und unteren Grenzen der Berechnungsformel keinen sachlichen Grund gerade für die unterschiedliche Behandlung der Teil- und Vollzeitbeschäftigten innerhalb einer Vergütungsgruppe dar. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, beruht die Begrenzung der Zuwendung nach oben auf dem Gedanken, daß den höher verdienenden Arbeitnehmern stärkere Opfer aufgrund ihrer sozialen Stärke zugemutet werden können als den weniger gut verdienenden. Auch die untere Grenze in Höhe der Zuwendung nach dem MTV-MITROPA stellt weder einen sachlichen Grund noch einen Ausgleich für die Benachteiligung dar. Sie ist lediglich geeignet, den Umfang der Benachteiligung im Einzelfall zu mildern. Beim Kläger spielt sie keine Rolle.

d) Auch der weitere Zweck des Tarifvertrages, nämlich die Besitzstandswahrung, rechtfertigt nicht die festgestellte Ungleichbehandlung. Im Gegenteil ist nicht erkennbar, wieso der Besitzstand der Teilzeitbeschäftigten in anderer Weise als derjenige der Vollzeitbeschäftigten gesichert werden sollte.

e) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, daß Tarifverträge eine Richtigkeitsgewähr in sich trügen und die Vermutung für sich hätten, daß sie den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermittelten und daher eine weitgehende Gestaltungsfreiheit hätten, so ändert dies nichts daran, daß auch Tarifverträge daraufhin zu untersuchen sind, ob sie gegen die Verfassung, anderes höherrangiges Recht oder die guten Sitten verstoßen (vgl. BAG 6. September 1995 – 5 AZR 174/94 – BAGE 81, 5). Ein solcher Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG liegt jedoch vor. Die Tarifvertragsparteien haben zwar einen weiten Ermessensspielraum, wenn sie Regelungen treffen. Hier ist jedoch kein sachlicher Grund für die Differenzierung erkennbar. Es besteht auch keine Regelung, die Teilzeitbeschäftigte in anderer Weise bevorzugen würde, so daß ein Ausgleich im Tarifvertrag selbst enthalten wäre.

4. Als Folge der sachwidrigen Ungleichbehandlung der Voll- und Teilzeitbeschäftigten innerhalb einer Vergütungsgruppe ist § 3 Nr. 5 TV-Sicherung insoweit nichtig, als bei der Berechnung zuerst eine Teilzeitquote ermittelt wird und sodann ein Abzug von 1.000,00 DM vorgenommen wurde und nicht umgekehrt (§ 134 BGB, BAG 22. Mai 1996 – 10 AZR 618/95 – AP BAT § 39 Nr. 1 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 45; 28. Mai 1996 – 3 AZR 752/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 143 = EzA GG Art. 3 Nr. 55 mit ausführlicher Darstellung der bisherigen Rechtsprechung). Hieraus ergibt sich ein Anspruch auf die geltend gemachte, in ihrer rechnerischen Höhe unstreitige Klageforderung. Der Kläger muß von der Beklagten in der Anwendung der Berechnungsformel der tariflichen Zuwendung für das Jahr 1997 ebenso behandelt werden wie ein Vollzeitbeschäftigter und sodann die Leistung entsprechend der Quote seiner Teilzeittätigkeit erhalten. Dies folgt aus dem Gleichheitsgebot selbst.

Bei Verstößen gegen § 2 Abs. 1 BeschFG erfolgt in der Regel eine „Anpassung nach oben“, wobei leistungsgewährende Tarifvertragsbestimmungen auf diejenigen Personen erstreckt werden, die entgegen dem Gebot der Gleichbehandlung von der Gewährung tariflicher Leistungen – auch teilweise – ausgeschlossen wurden. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in Fällen der Verstöße gegen Art. 119 EGV (zB EuGH 27. Juni 1990 – Rs.C-33/89 – Kowalska – Slg. I 1990, 2591).

Bedenken im Hinblick auf die Gewährleistung der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG (Wiedemann/Peters RdA 1997, 100, 107), wonach eine Ausdehnung des Tarifvertrages im Volumen nicht durch die Gerichte, sondern nur durch die Tarifvertragsparteien selbst erfolgen könne, greifen im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil hier kein eindeutiger Dotierungsrahmen vorgegeben war.

Zwar mögen die Tarifvertragsparteien durchaus ein Einsparvolumen angestrebt haben, dies hindert jedoch nicht die dem Benachteiligungsverbot nach § 2 BeschFG Rechnung tragende und im übrigen unwesentliche Erhöhung der Weihnachtsgeldansprüche teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer.

III. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat die Beklagte zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

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