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Weihnachtszuwendung – Wegfall bei Arbeitnehmerfehlzeiten

BUNDESARBEITSGERICHT

Az.: 10 AZR 709/01

Urteil vom 07.08.2002


1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. Oktober 2001 – 7 Sa 641/01 – aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Januar 2001 – 15 Ca 2986/00 – wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Weihnachtszuwendung für das Jahr 1999.

In der Vergangenheit zahlte die Beklagte ihren Arbeitnehmern jeweils eine Weihnachtszuwendung, dem Kläger zuletzt in folgender Höhe:

1990 5.100,00 DM brutto

1991 5.400,00 DM brutto

1992 bis 1995 jeweils 5.500,00 DM brutto

1996 und 1997 jeweils 5.700,00 DM brutto.

Der Kläger wie seine Kollegen unterzeichneten beim Empfang der Sonderzahlung jeweils eine Erklärung, wonach es sich um eine freiwillige Leistung der Beklagten handele, auf die kein Rechtsanspruch bestehe und deren Wiederholung in den Folgejahren sich die Beklagte vorbehalte. Auch enthalten die Vergütungsabrechnungen der Kalenderjahre 1993 bis 1997, mit denen die Weihnachtszuwendung abgerechnet wurde, den Vermerk „freiwillig, jederzeit widerruflich“. Im Jahre 1998 unterschrieb der krankheitsbedingt fehlende Kläger im Gegensatz zu seinen Kollegen den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht.

Der Kläger war ab 13. Oktober 1998 arbeitsunfähig erkrankt und erbrachte im Jahr 1999 lediglich vom 8. März bis 12. März und am 14. April Arbeitsleistungen. Vom 15. bis 26. März 1999 nahm er Urlaub. Im übrigen war der Kläger während des Kalenderjahres 1999 arbeitsunfähig. Seit dem 31. Mai 2000 arbeitete der Kläger wieder. Inzwischen ist das Arbeitsverhältnis beendet.

Für das Jahr 1998 zahlte die Beklagte dem Kläger zunächst 3.000,00 DM Weihnachtsgeld. Durch rechtskräftiges Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Juni 2000 (- 7 Sa 161/00 -) wurde sie jedoch verurteilt, dem Kläger auf die Weihnachtszuwendung 1998 weitere 2.700,00 DM brutto zu zahlen.

Für das Jahr 1999 zahlte die Beklagte dem Kläger keine Weihnachtszuwendung, leistete jedoch an Kollegen des Klägers den Vorjahren entsprechende Zahlungen. Dabei ging die Beklagte unabhängig von der monatlichen Vergütung eines Arbeitnehmers von einem Höchstbetrag von 5.700,00 DM aus, den sie nach individuellen Kriterien kürzte.

Der Kläger hat für das Jahr 1999 eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 5.700,00 DM brutto beansprucht und diesen Anspruch zunächst auf betriebliche Übung gestützt. Weiter hat er die Auffassung vertreten, er müsse wie seine Kollegen die Weihnachtszuwendung erhalten; die Beklagte sei nicht berechtigt, krankheitsbedingte Fehlzeiten anspruchsmindernd zu berücksichtigen, jedenfalls nicht rückwirkend. Mit ihrem Schriftsatz vom 26. April 1999 im Verfahren – 7 Sa 161/00 – habe die Beklagte nicht hinreichend deutlich gemacht, dass die Sonderzahlung den Charakter einer Anwesenheitsprämie habe. Da die Beklagte 1999 an alle Arbeitnehmer eine Sonderzahlung geleistet habe, dürfe sie ihn, den Kläger, hiervon nicht ausnehmen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.700,00 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit 17. Mai 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, Ansprüche aus betrieblicher Übung könnten schon auf Grund des jeweiligen Freiwilligkeitsvorbehalts nicht entstehen. Bei der individuellen Festlegung der Weihnachtsgeldzuwendung habe sie Leistungskriterien, Fehlzeiten, betriebliches Verhalten, alkoholbedingte Auffälligkeiten und den persönlichen Einsatz des Arbeitnehmers berücksichtigt. Dies sei den Arbeitnehmern des Betriebes seit langem bekannt gewesen und vom Kläger nie beanstandet worden, auch nicht in seiner angeblichen Funktion als Vorsitzender des Betriebsrats. Überdies habe der Kläger durch den Schriftsatz vom 26. April 1999 hinreichende Kenntnis davon gehabt, daß mit der Weihnachtszuwendung auch die Anwesenheit honoriert werde. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Anwesenheitsprämien gelte nicht für freiwillige Zahlungen. § 4 b EFZG (= jetzt § 4 a EFZG) finde nur auf Sonderzahlungen, auf die ein vertraglicher oder tariflicher Anspruch bestehe, Anwendung. Der Kläger habe sich schon auf Grund der Existenz des § 4 b EFZG wie jeder Arbeitnehmer darauf einstellen können, daß jede Fehlzeit zu Kürzungen führe. Die Krankheitszeiten berechtigten die Beklagte deshalb, den Kläger ungleich zu anderen Arbeitnehmern zu behandeln. Neben den Fehlzeiten im Jahr 1999 habe sie beim Kläger auch mehrfaches Fehlverhalten im Jahr 1998 berücksichtigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Weihnachtszuwendung für das Jahr 1999.

I.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es bestehe zwar wegen des regelmäßigen Freiwilligkeitsvorbehalts kein Anspruch des Klägers auf das Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung, wohl aber aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe eine generelle Regelung dahingehend aufgestellt, dass ihre Arbeitnehmer eine Gratifikation von 5.700,00 DM erhalten. Eine Gruppenbildung nach sachlichen Gesichtspunkten, auf Grund derer der Kläger von der Gewährung der Weihnachtszuwendung ausgenommen werden könne, habe die Beklagte nicht substantiiert dargelegt, sondern immer nur „individuelle“ Kürzungen aus den verschiedensten Gesichtspunkten behauptet. Das von der Beklagten behauptete Fehlverhalten des Klägers in der Vergangenheit sei teilweise schon nicht als Pflichtverletzung zu werten, im übrigen unsubstantiiert und als bereits gegen den Anspruch für 1998 angeführter Einwand verbraucht. Soweit die Beklagte der Weihnachtszuwendung auch den Zweck einer Anwesenheitsprämie beimessen wolle, setze dies eine rechtzeitige Offenlegung des Differenzierungsgrundes voraus. Der Gleichbehandlungsgrundsatz fordere nämlich nicht nur, dass die vorgenommene Differenzierung vom Zweck der Leistung her sachlich gerechtfertigt sei, sondern auch, dass die differenzierende Regelung geeignet sei, den Zweck der Sonderleistung zu fördern. Anderenfalls hätte die Versagung der Auszahlung lediglich den Charakter einer nachträglich verhängten Strafe. Weder aus § 4 a EFZG, der eine vorherige Vereinbarung verlange, noch aus dem Schriftsatz vom 26. April 1999 habe der Kläger den Zweck einer Anwesenheitsprämie für den Bezugszeitraum 1999 ersehen können.

II.

Dem folgt der Senat nicht. Der Kläger hat die Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Weihnachtszuwendung für das Jahr 1999 aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht dargelegt.

1.

Zutreffend ist allerdings die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass infolge der jeweiligen Freiwilligkeitsvorbehalte in den zurückliegenden Jahren ein Anspruch aus betrieblicher Übung nicht entstehen konnte. Dies hat der Kläger auch nicht mehr geltend gemacht.

2.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem Berufungsgericht ferner darin zuzustimmen, dass sich dem unstreitigen Sachverhalt eine Leistungsgewährung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip entnehmen lässt. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass sie 5.700,00 DM als Höchstbetrag für die Weihnachtszuwendung festgesetzt habe und andere Mitarbeiter diesen Betrag auch ohne Rücksicht auf ihre individuelle Vergütung erhalten hätten. Dabei hat die Beklagte auf eine „Minderung der Weihnachtszuwendung“ bei Fehlzeiten verwiesen. Für eine entsprechende generelle Regelung spricht zudem, daß der Kläger bereits ab 1996 jeweils 5.700,00 DM erhalten hat.

3.

Damit steht allerdings nur fest, daß die Beklagte einer Gruppe von Arbeitnehmern, die ua. keine Fehlzeiten im Bezugszeitraum aufwiesen, für das Jahr 1999 generell eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 5.700,00 DM gezahlt hat. Von dieser Gruppe unterscheidet sich der Kläger jedoch gerade dadurch, dass er im Bezugszeitraum fast durchgehend keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht, sondern – abgesehen von seinem Urlaub und sechs Tagen Arbeit im März und April – infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gefehlt hat. Eine Gleichbehandlung des Klägers mit der Gruppe von Arbeitnehmern, die die volle Weihnachtszuwendung erhielten, käme deshalb nur in Betracht, wenn die Fehlzeiten des Klägers nicht als sachlicher Grund für seine Ungleichbehandlung anzuerkennen wären.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats steht es dem Arbeitgeber grundsätzlich frei, im einzelnen zu bestimmen, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung sich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auf die Sonderzahlung auswirken sollen, soweit dem gesetzliche Regelungen nicht entgegenstehen. Auch Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung, für die ein gesetzlicher Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes besteht, können sich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auf eine freiwillige Sonderzahlung auswirken. Freiwillige Jahressonderzahlungen haben regelmäßig auch Entgeltcharakter, dh. sie sollen die im Betrieb während des Bezugszeitraumes geleistete Arbeit zusätzlich vergüten. Sie sind jedoch kein Arbeitsentgelt, das kraft Gesetzes für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt werden muss (vgl. 26. Oktober 1994 – 10 AZR 482/93 – BAGE 78, 174 mwN). Eine Kürzung der Jahressonderzahlung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten verstößt grundsätzlich auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB, wie sich nunmehr bereits der gesetzlichen Regelung des § 4 a EFZG entnehmen lässt.

b) Die Weihnachtszuwendung diente vorwiegend gerade auch der zusätzlichen Vergütung der während des Bezugszeitraums tatsächlich geleisteten Arbeit. Die Beklagte hat dazu unwidersprochen vorgetragen, sie habe die in der Vergangenheit, vor allem im laufenden Jahr, erbrachten Leistungen ihrer Arbeitnehmer und deren Beitrag zum Produktionsergebnis berücksichtigt. Dem entspricht es, dass die Empfangsbescheinigungen in früheren Jahren die „Anerkennung für treue Mitarbeit“ als Leistungszweck nannten, also nicht etwa die „Anerkennung für Betriebstreue“. Damit erscheint es nicht sachwidrig, dem Kläger die Weihnachtszuwendung für das Jahr 1999 deshalb zu versagen, weil er im Gegensatz zu den Arbeitnehmern, die diese freiwillige Sonderzahlung in voller Höhe erhielten, im Bezugszeitraum tatsächlich nur sechs Tage gearbeitet hatte und im übrigen – abgesehen von seinem Urlaub – wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit fehlte. Die aus § 4 a Satz 2 EFZG abzuleitenden Grenzen einer zulässigen Differenzierung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten sind damit nicht verletzt.

c) Die Entscheidung des Senats vom 26. Oktober 1994 (aaO), wonach der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert, dass die differenzierende Regelung geeignet ist, den Zweck der Sonderleistung zu fördern, steht dem nicht entgegen. Der Senat hat insoweit lediglich für den Fall, dass eine an der jeweiligen Anzahl der – unentschuldigten oder krankheitsbedingten – Fehltage ausgerichtete Minderung der Sonderzahlung um einen bestimmten Bruchteil erfolgen und damit dem Arbeitnehmer ein Anreiz geboten werden soll, die Zahl seiner – berechtigten oder unberechtigten – Fehltage im Bezugszeitraum möglichst gering zu halten, angenommen, eine solche Regelung müsse dem Arbeitnehmer im voraus bekannt sein. Nur wenn der Arbeitnehmer, der einen Fehltag „in Anspruch nehmen“ wolle, wisse, dass die Inanspruchnahme dieses Fehltages eine Verringerung seines Anspruchs auf die Sonderzahlung zur Folge haben werde, könne der Zweck der Regelung, Fehlzeiten zu vermeiden, erreicht werden. Eine derartige Anwesenheitsprämie müsse deshalb an künftige Fehltage anknüpfen. Eine Regelung mit einer solchen Zweckbestimmung hat der Kläger aber vorliegend nicht behauptet. Sie ergibt sich auch nicht aus dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt.

d) Im übrigen hält der Senat an dieser Rechtsprechung (vgl. auch LAG Hamm vom 5. November 1997 – 10 Sa 1006/97 – LAGE BGB § 611 Gratifikation Nr. 39 für eine Kürzung entsprechend dem Leistungsverhalten der Arbeitnehmer; krit. Gaul Anm. zu BAG 26. Oktober 1994 – 10 AZR 482/93 – EzA BGB § 611 Anwesenheitsprämie Nr. 10 aE) uneingeschränkt nur hinsichtlich zukunftsbezogener Regelungen fest. Eine freiwillige Sonderleistung des Arbeitgebers, auf die – wie vorliegend – keinerlei Anspruch der Arbeitnehmer besteht, sondern allenfalls aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz erwachsen könnte, belohnt dagegen die in der Vergangenheit tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung. Wie bei zukunftsgerichteten Regelungen eine an der Zahl der Fehltage ausgerichtete Differenzierung grundsätzlich zulässig ist und nach Maßgabe des § 4 a EFZG auch wegen krankheitsbedingter Fehltage erfolgen kann, ist eine entsprechende Differenzierung in den Grenzen des § 4 a Satz 2 EFZG auch bei einer vergangenheitsbezogenen Regelung sachlich gerechtfertigt und zulässig (vgl. auch Meisel SAE 1995, 320, 321). Einer vorherigen „Vereinbarung“ iSv. § 4 a Satz 1 EFZG bedarf es insoweit nicht, weil auch die Sonderzahlung nicht vereinbart ist und deshalb ein Anspruch der Arbeitnehmer bis zu einer Zusage oder der Zahlung ohnehin nicht besteht. Erfolgt die Zahlung mit einer § 4 a Satz 2 EFZG entsprechenden Differenzierung unter Freiwilligkeitsvorbehalt, können die Arbeitnehmer allenfalls hoffen, nicht aber darauf vertrauen, dass auch künftig wieder entsprechende Sonderzahlungen erfolgen werden. Für den Fall, dass sich diese Hoffnung erfüllt, müssen sie dann aber ohnehin damit rechnen, dass der Arbeitgeber wiederum entsprechend § 4 a Satz 2 EFZG differenzieren wird.

4.

Generelle Regelungen der Beklagten hinsichtlich der Gewährung eines reduzierten Weihnachtsgeldes hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Die Beklagte hat insoweit ausschließlich individuelle Festsetzungen behauptet. Für einen Anspruch auf Zahlung eines gekürzten Weihnachtsgeldes hätte der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger deshalb eine entsprechende Gruppenbildung seitens der Beklagen darlegen und ferner angeben müssen, mit welcher Gruppe er sich aus welchen Gründen für vergleichbar hält, so dass sein völliger Ausschluss von der Gewährung einer Weihnachtszuwendung eine sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung darstellen würde. Dazu fehlt aber jeglicher Sachvortrag, so dass der Klage auch nicht teilweise stattzugeben war.

III.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

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