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Wein darf auf Etikett nicht als bekömmlich bezeichnet werden

Verwaltungsgericht Trier

Az.: 5 K 43/09.TR

Urteil vom 23.04.2009


Leitsatz:

Der Begriff „bekömmlich“ stellt eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar, die gemäß Artikel 2 Abs. 3 und Art. 3 Satz 1 dieser Verordnung weder bei der Etikettierung von Wein noch bei der Werbung für ihn verwandt werden darf.


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Weinrechts hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2009 für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, gegenüber der Klägerin das In-Verkehr-Bringen eines in Deutschland aus italienischem Tafelwein hergestellten Perlweins unter der Bezeichnung „Perlwein – Vino frizzante Prosecco Del Veneto IGT“ zu untersagen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte berechtigt ist, der Klägerin zu untersagen, Perlwein, den sie in Deutschland aus italienischem IGT-Wein herstellt, als „Perlwein – Vino frizzante Prosecco Del Veneto IGT“ in Verkehr zu bringen. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin bezieht aus Italien Prosecco-Tafelwein mit der geographischen Angabe „Indicazione Geografica Tipica“ = IGT, dem sie in Deutschland Gährungskohlensäure zusetzt. Das Produkt wird sodann in Flaschen abgefüllt und unter der genannten Angabe in Verkehr gebracht

Im Herbst 2008 informierte der zuständige Weinkontrolleur die Klägerin, dass diese Verfahrensweise nicht zulässig sei, nachdem das italienische Landwirtschaftsministerium gegenüber den zuständigen deutschen Stellen ausgeführt habe, dass der Begriff „IGT“ eine geographische Ursprungsbezeichnung darstelle und nur verwandt werden dürfe, wenn das entsprechende Produkt unter Beachtung der entsprechenden Normen hergestellt worden sei. Von daher dürften italienische Weinbauerzeugnisse mit geographischer Ursprungsbezeichnung nicht außerhalb des italienischen Staatsgebiets hergestellt werden.

Hierzu vertrat die Klägerin die Ansicht, dass Italien zwar nach Art. 28 VO(EG) Nr. 753/2002 grundsätzlich berechtigt sei, die geographischen Einheiten und die Verwendungsbedingungen für die Angabe „IGT“ mitzuteilen; hiervon habe Italien aber nicht im Sinne des Art 38 Abs. 3 VO(EG) Nr. 753/2002 Gebrauch gemacht. Die italienischen Bestimmungen enthielten auch keine nationalen Regelungen darüber, wie und wo IGT-Perlwein hergestellt werden dürfe. Außerdem könne auch aus Art. 50, 51 VO(EG) Nr. 753/2002 nichts für ein Verbot hergeleitet werden. Im Übrigen müsse gesehen werden, dass italienische Genossenschaften seit Jahrzehnten die Grundweine für entsprechende Produkte legal ins Ausland lieferten.

Demgegenüber verwiesen italienische Stellen auf ein Ministerialdekret vom 29. Juli 2004, das in Art. 2 in Bezug auf Perlweine mit IGT vorschreibe, dass mindestens 85 % aller Bestandteile der Charge aus dem durch die betreffenden Ordnungsvorschriften begrenzten Gebiet der Traubenerzeugung stammen müssten (59).

Am 23. Januar 2009 hat die Klägerin sodann Klage erhoben.

Sie trägt zur Begründung ihrer Klage vor, dass sie beabsichtige, weitere IGT-Tafelweine der Rebsorte Prosecco aus Italien zu importieren und zu Perlwein zu verarbeiten. Sie möchte Klarheit haben, ob dies zulässig sei oder sie mit Beanstandungen rechnen müsse, so dass ein Feststellungsinteresse für die begehrte Feststellung bestehe.

In der Sache sei die Klage begründet, weil Italien von der Möglichkeit des Art. 38 Abs. 3 Satz 3 bzw. Abs. 4 der VO(EG) Nr. 753/2002 keinen Gebrauch gemacht habe. Im Übrigen müsse gesehen werden, dass Perlwein der Rebsorte Prosecco nicht nur in der Region Veneto, in der die entsprechenden Trauben angebaut würden, sondern in ganz Italien produziert werde, so dass die Argumentation der italienischen Behörden nicht nachvollziehbar sei, weil in Konsequenz ihrer Meinung ein „IGT del Veneto“ eben nur im Veneto hergestellt werden dürfe. Ferner verstießen regionale Produktionsbeschränkungen gegen das Prinzip des freien Warenverkehrs, wie es sich aus Art. 23 ff. des EG-Vertrags ergebe. Soweit in Italien Bestrebungen bestünden, auf der Grundlage der ab 1. August 2009 geltenden VO(EG) Nr. 479/2008 weitergehende Beschränkungen vorzusehen, zeige dies, dass es derzeit jedenfalls keine Verbotsbestimmungen gebe. Die gewählte Bezeichnung entspreche Art. 38 Abs. 3 b und c der VO(EG) Nr. 753/2002, weil Perlwein-Vino frizzante die Verkehrsbezeichnung sei, „del Veneto“ den Hinweis auf die Herkunft des Grundweins enthalte und „IGT“ auf die verwendete Weinart hinweise. Schließlich habe die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier die streitige Bezeichnung 2001 noch als zulässig erachtet.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, gegenüber der Klägerin das In-Verkehr-Bringen eines in Deutschland aus italienischem IGT-Tafelwein der Rebsorte Prosecco aus der Region Veneto hergestellten Perlweins unter der Bezeichnung „Perlwein – Vino frizzante Prosecco Del Veneto IGT“ zu untersagen.

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass das In-Verkehr-Bringen des von der Klägerin hergestellten Perlweins unter der Bezeichnung „Vino frizzante Prosecco Del Veneto IGT“ deshalb unzulässig sei, weil die Abkürzung „IGT“ auf der Etikettierung von in Deutschland hergestelltem Perlwein nicht angebracht werden dürfe. „IGT“ stelle gemäß Art. 28 Verordnung (EG) Nr. 753/2002 eine geographische Bezeichnung für Tafelwein mit Ursprung in Italien dar. Werde dieser Begriff bei in Deutschland hergestelltem Perlwein verwandt, liege darin eine unzulässige Herkunftsbezeichnung, weil sich der Herstellungsbegriff nicht nur auf den landwirtschaftlichen Anbau, sondern auch auf die abschließende Erzeugung des Endprodukts erstrecke. Insoweit müsse gewährleistet sein, dass das Endprodukt den für es geltenden italienischen Bestimmungen entspreche, was jedoch von deutschen Behörden nicht kontrolliert werden könne. Darauf, dass Italien keine Mitteilung nach Art 38 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 gemacht habe, komme es nicht an, denn eine derartige Mitteilung habe nur deklaratorische Wirkung. Soweit die ab August 2009 geltende VO (EG) Nr. 479/2008 in Art. 33, 34 Anforderungen hinsichtlich des Begriffs der „Ursprungsbezeichnung“ stelle, werde lediglich die bisherige Verbrauchererwartung ausdrücklich kodifiziert. Im Übrigen müsse gesehen werden, dass in Italien derzeit darum gestritten werde, ob die Herstellung von Prosecco auf die Regionen Venetien, Friuli und Venezia Giulia beschränkt werden dürfe, da derzeit 25 % des Prosecco im Piemont hergestellt würden.

Die Beschränkung der Herkunftsangabe „IGT“ auf italienische Erzeugnisse ergebe sich auch aus der Aufführung „Indicazione Geografica Tipica“ – IGT in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 unter der Rubrik der für Italien geltenden traditionellen Begriffe gemäß Art 28 der Verordnung.

Ferner müsse gesehen werden, dass gemäß Art. 22 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) geographische Angaben besonders geschützt würden, so dass sich die Frage stelle, ob eine Ursprungsbezeichnung an die Herkunft einer Zutat anknüpfen dürfe, wenn das Endprodukt woanders hergestellt werde. Insoweit sei auch auf Art. 2 Abs. 2a VO(EWG) Nr. 2081/92 hinzuweisen, der für seinen – allerdings vorliegend nicht einschlägigen – Anwendungsbereich als Ursprungsbezeichnung den Namen einer Gegend, eines bestimmten Ortes und in Ausnahmefällen eines Landes definiere, aus dem das Erzeugnis stamme und das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdanke und das in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde. Dies entspreche dem Ursprungsbegriff im allgemeinen Sprachgebrauch und sei auf den Bereich der Weinerzeugnisse übertragbar. Von daher habe ein Perlwein seinen Ursprung in Italien, wenn er dort erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde, was nur dann der Fall sei, wenn er dort seinen füllfertigen Zustand erreicht habe. Daran fehle es indessen bei dem von der Klägerin hergestellten Perlwein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsvorgänge, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die die Kammer nach § 52 Nr. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – als örtlich zuständiges Gericht zu entscheiden hat, ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig und in der Sache begründet.

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Die Klage bezieht sich auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne dieser Norm sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben und verlangen, dass eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 – BVerwGE 100, S. 262 ff. m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 30. September 1999 – 3 C 39/98 -, DVBl. 2000, S. 636 m.w.N.) haben sich rechtliche Beziehungen dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist. Das Erfordernis einer Verdichtung der Rechtsbeziehungen zu einem „konkreten“ Rechtsverhältnis rechtfertigt sich aus dem Anliegen, den Verwaltungsgerichten nicht die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen aufzubürden. Die Beantwortung solcher abstrakter Rechtsfragen, von denen unsicher ist, ob und wann sie für die Rechtsstellung des Betroffenen relevant werden, ist nicht Teil des den Gerichten vom Grundgesetz erteilten Rechtsschutzauftrages.

Bei Anwendung dieser Kriterien steht in tatsächlicher Hinsicht außer Frage, dass die Klägerin mit der Feststellungsklage einen konkreten Sachverhalt zur Beurteilung unterbreitet hat. Die begehrte Feststellung bezieht sich auch auf die Anwendung bestimmter Normen, nämlich der Art. 48 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1493/99 und der Normen der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 auf den von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Perlwein.

Ferner steht der Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses zur Seite. Mit der Feststellungsklage erstrebt sie zwar letztlich vorbeugenden Rechtsschutz, der als Zulässigkeitserfordernis das Vorhandensein qualifizierter Rechtsschutzvoraussetzungen verlangt. Es muss ein spezielles auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse bestehen, das heißt, es muss eine begründete Besorgnis bestehen, bei der Vornahme der beabsichtigten Handlung nicht zumutbaren Rechtsfolgen ausgesetzt zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1999 a.a.O.). Vorliegend ist ein derartiges besonderes Feststellungsinteresse zu bejahen, weil sich die gesetzlichen Vertreter der Klägerin im Falle der Verwendung einer unzulässigen Angabe auf den Etiketten des von ihr vertriebenen Perlweins möglicherweise nach §§ 48, 49 WeinG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 985), zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 57 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), strafbar machen oder eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 50 WeinG begehen könnten (vgl. zum Feststellungsinteresse auch BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1969 – I C 86.64 -, BVerwGE 31, S. 177).

Des Weiteren steht der Zulässigkeit der Klage die Bestimmung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht entgegen, der zufolge eine Feststellung nicht begehrt werden kann, wenn die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Vorliegend stand der Klägerin indessen die Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage, die allein in Betracht kommen könnte, bislang nicht offen, denn in den gegenüber der Klägerin ergangenen schriftlichen Stellungnahme des Beklagten kann noch kein anfechtbarer Verwaltungsakt im Sinne des gemäß § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – anwendbaren § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes – VwVfG – gesehen werden; insbesondere können die ergangenen Schriftsätze des Beklagten aufgrund der in ihnen enthaltenen Formulierungen nicht als feststellender Verwaltungsakt qualifiziert werden.

Schließlich ist das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier, richtiger Anspruchsgegner für das Begehren der Klägerin, denn diese Behörde wäre für den Erlass einer eventuellen Untersagungsverfügung, die ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes finden würde, zuständig (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. November 2003 – 7 A 10959/03.OVG -, ESOVGRP m.w.N.).

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Gemäß Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 und § 27 Abs. 1 WeinG dürfen Erzeugnisse, die den Rechtsakten der EG, dem Weingesetz oder den aufgrund des Weingesetzes erlassenen Rechtsverordnungen nicht entsprechen, nicht in Verkehr gebracht werden, sofern nicht eine durch Rechtsverordnung im Sinne des § 27 Abs. 2 WeinG zugelassene Ausnahme vorliegt. Vorliegend verstößt die Angabe der Abkürzung „IGT“ auf der Etikettierung des von der Klägerin hergestellten Perlweins indessen nicht gegen derartige Bestimmungen, so dass der Beklagte nicht berechtigt ist, das In-Verkehr-Bringen zu untersagen.

Perlwein unterliegt gemäß Art. 1 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang I Nr. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 dem Anwendungsbereich dieser Verordnung, die unter A.4 ihres Anhangs VII bestimmt, dass hinsichtlich der Etikettierung von Perlwein mit geographischer Angabe noch ergänzende Bestimmungen ergehen.

Die zur Ausführung dieser Verordnung ergangen Bestimmungen enthält sodann die Verordnung (EG) Nr. 753/2002. Diese führt in ihrem Art. 38 aus, dass für Perlwein Art. 28 der Verordnung entsprechend gilt. Dort ist im Zusammenhang mit den Ausführungen in Anhang III, der eine Liste der traditionellen Begriffe im Sinne des Art. 24 der Verordnung enthält, geregelt, dass „indicatione geographica tipica“ oder „IGT“ einen traditionellen geographischen Begriff für Weine aus Italien im Sinne des Art. 28 der Verordnung darstellt und dass hinsichtlich der Tafelweine, die als IGT-Weinewein mit Ursprung in Italien bezeichnet werden, der Erzeugerstaat strengere einzelstaatliche Regeln für die Verwendung dieser traditionellen Begriffe festlegen und der Kommission mitteilen kann. Ferner sehen die Absätze 3-5 des Art. 38 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 ebenfalls ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten Regelungen in Bezug auf die Verwendung geographischer Begriffe treffen dürfen. Von dieser Möglichkeit hat Italien indessen keinen Gebrauch gemacht. Wenn es aber in Art. 38 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 753/2002 heißt, dass in Anwendung von Anhang VII Abschnitt A Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 in der Gemeinschaft (Hervorhebung durch die Kammer) hergestellte Perlweine mit einer geographischen Angabe bezeichnet werden können und in diesem Fall die Verkehrsbezeichnung eines Perlweins besteht aus a) dem Begriff „Perlwein“, b) dem Namen der geographischen Einheit und c) einem traditionellen spezifischen Begriff, so kann hieraus zur Überzeugung der Kammer nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Nennung der Abkürzung IGT für eine geographische Einheit nicht nur solchen Perlweinen vorbehalten ist, die auch in der geographischen Einheit hergestellt worden sind. Da der europäische Gesetzgeber in Art. 38 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 ausdrücklich auf in der Gemeinschaft hergestellte Perlweine abstellt und dem zur Herstellung von Perlwein verwandten Grundwein für die Qualität eines Perlweins erhebliche Bedeutung zukommt, kann diese Norm nach Auffassung der Kammer nur dahingehend verstanden werden, dass sich die Frage, ob ein Perlwein mit geographischer Angabe vorliegt, danach richtet, welcher Wein zu seiner Herstellung verwandt wurde. Da indessen zur Herstellung des Perlweins der Klägerin nach Aktenlage ausschließlich italienischer IGT-Tafelwein verwandt wird, ist gegen die Angabe „IGT“ auf seiner Etikettierung nichts zu erinnern.

Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, einer fehlenden Mitteilung durch italienische Stellen komme nur deklaratorische Bedeutung zu, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Von einer lediglich deklaratorischen Angabe könnte nämlich nur dann ausgegangen werden, wenn sich das Verbot, die vorliegend streitige geographische Bezeichnung bei dem von der Klägerin hergestellten Perlwein zu verwenden, bereits unmittelbar aus europarechtlichen Bestimmungen ergeben würde. Dies ist indessen – wie ausgeführt – nicht der Fall.

Schließlich vermag die Kammer auch die Bedenken des Beklagten nicht zu teilen, dass bei einer Verwendung des Begriffs „IGT“ bei der Herstellung des Perlweins nationales italienisches Recht beachtet werden müsse. Insoweit kommt es vorliegend nämlich nur darauf an, ob der bei der Herstellung des Perlweins verwandte IGT-Grundwein ordnungsgemäß hergestellt wurde, was aber durch die entsprechenden Einfuhrpapiere dokumentiert wird. Die anschließende Herstellung des Endprodukts in Deutschland muss sich indessen nach den hier geltenden Bestimmungen richten.

Außerdem kann sich die Kammer den Ausführungen des Beklagten zu dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums und zur Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 nicht anzuschließen. Letztere ist, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, zum 30. März 2006 außer Kraft getreten und durch die Verordnung (EG) Nr. 510/2006 abgelöst worden. Die Bestimmungen in Art. 2 Abs. 1a, Abs. 1b und Abs. 2 dieser Verordnung (EG) Nr. 510/2006 machen jedoch deutlich, dass eine Ursprungsbezeichnung als der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient, nicht identisch ist mit einer geographischen Angabe. Hinzu kommt, dass die Verordnung (EG) Nr. 753/2002 zwar den Begriff der „Ursprungsbezeichnung“ kennt, ihn aber gerade nicht im Zusammenhang mit den Bestimmungen über die Verwendung der geographischen Angaben erwähnt.

Schließlich muss gesehen werden, dass die Etikettierung des von der Klägerin vertriebenen Perlweins auch nicht gegen Art. 22 und 23 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums vom 15. April 1994 (BGBl. II S. 1730), zuletzt geändert am 6. Dezember 2005 (ABl. 2007 Nr. L 311 S. 37), die geographische Angaben schützen, verstößt. Art. 22 Abs. 1 definiert die geographischen Angaben im Sinne des TRIPS-Abkommens als „Angaben, die eine Ware als aus dem Hoheitsgebiet eines Mitglieds oder aus einer Gegend oder aus einem Ort in diesem Gebiet stammend kennzeichnen, wenn eine bestimmte Qualität, der Ruf oder eine sonstige Eigenschaft der Ware im wesentlichen auf ihrer geographischen Herkunft beruht“. Art. 22 des Abkommens enthält indessen kein allgemeines Verbot der Benutzung geographischer Angaben. Die Normen des TRIPS-Abkommens schützen vielmehr geographische Angaben nur durch das allgemeine Verbot der Irreführung über die geographische Herkunft und durch das Verbot des Hervorrufens von Verwechslungsgefahr oder das allgemeine Irreführungsverbot erfassen (vgl. Knaak, Der Schutz geographischer Angaben nach dem TRIPS-Abkommen, GRUR Int 1995, S. 642/647, beck-online). Verwechslungs- und Irreführungsgefahren bestehen indessen nicht, denn der von der Klägerin vertriebene Perlwein hat ungeachtet dessen, dass er in Deutschland hergestellt wird, seinen Ursprung im Sinne dieser Normen in Italien, denn der Herkunft, Art und Qualität des bei der Herstellung verwandten Weins kommt für die Beurteilung des endgültigen Produkts herausragende Bedeutung zu, so dass die Erwähnung seiner geographischen Herkunft in der Etikettierung keine falsche Angabe über den Ursprung des Perlweins darstellt. Außerdem wird – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor Gericht besonders hervorgehoben hat – sowohl die Herstellung durch sie – die Klägerin – als auch die deutsche Bezeichnung „Perlwein“ in der Etikettierung deutlich zum Ausdruck gebracht, so dass ein Irrtum über den Herstellungsort des Produkts ausgeschlossen erscheint.

Von daher kann der Klage der Erfolg nicht versagt bleiben, wobei die Kammer keine Veranlassung sieht, gemäß Art. 234 Abs. 1 und 2 EGV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften einzuholen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO -.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, denn der Frage, ob bei einem in Deutschland aus italienischen IGT-Wein hergestellten Perlwein die Nennung des traditionellen italienischen Begriffs IGT zulässig ist, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG, vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – 7 E 11665/03.OVG -).

Dabei sieht die Kammer keine Veranlassung, die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzulassen, denn die Streitwertfestsetzung hat keine grundsätzliche Bedeutung.

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