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Weiterbeschäftigungsanspruch – Zwangsgeldfestsetzung bei Nichtbeachtung

Landesarbeitsgericht Hamm

Az: 7 Ta 186/07

Beschluss vom 30.03.2007

Vorinstanz: Arbeitsgericht Iserlohn – Az.: 5 Ca 2056/06


In Sachen hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der die Festsetzung eines Zwangsgeldes zurückweisende Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 19.02.2007 5 Ca 2056/06 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Gegen die Schuldnerin wird wegen Nichtvornahme Ihrer Verpflichtung aus Ziff. 2 des Urteils des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 09.01.2007 5 Ca 2056/06 ein Zwangsgeld i. H. v. 7.500,00 Euro festgesetzt.
Die Schuldnerin kann die Vollstreckung des Zwangsgeldes dadurch abwenden, dass sie den Gläubiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses 5 Ca 2056/06 Arbeitsgericht Iserlohn = 17 Sa 238/07 LAG Hamm zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 17.02.1995 weiterbeschäftigt.

Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens trägt die Schuldnerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.571,60 Euro festgesetzt.

Gründe
Mit Urteil vom 09.01.2007 hat das Arbeitsgericht Iserlohn festgestellt, dass die fristlose Kündigung der Schuldnerin vom 08.08.2006 rechtsunwirksam ist. Aufgrund dieser Feststellung hat es die Schuldnerin antragsgemäß verpflichtet, den Gläubiger bis zur rechtskräftigen Entscheidung in diesem Kündigungsschutzprozess zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 17.02.1995 zu beschäftigen. Gegen dieses, ihr am 16.01.2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Schuldnerin vom 05.02.2007 (17 Sa 238/07 LAG Hamm). Da die Schuldnerin u. a. aus diesem Anlass ihrer Beschäftigungspflicht nicht nachkommt, beantragte der Gläubiger mit Schriftsatz vom 17.01.2007, durch Festsetzung eines Zwangsgeldes auf der Grundlage des § 888 ZPO die Erfüllung der titulierten Beschäftigungspflicht zu erzwingen. Zuvor war dem Gläubiger am 16.01.2007 eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt worden. Außerdem hatte der Gläubiger am 10.01.2007 um 07.15 Uhr vergeblich versucht, seine vertragsgemäße Arbeit wieder aufzunehmen.

Im Rahmen ihrer Anhörung bezweifelte die Schuldnerin die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 62 Abs. 2 ArbGG, § 750 ZPO. Im übrigen bewertete sie die Vollstreckung als unzulässig. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, sie habe erneut unter dem 26.01.2007 fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30.09.2007 gekündigt. Aus diesem Grunde sei sie zur Beschäftigung nicht verpflichtet.
Gegen diese Kündigung hat der Gläubiger am 30.01.2007 bei dem Arbeitsgericht Iserlohn Klage erhoben (5 Ca 277/07). Er bewertet diese Kündigung als Trotzkündigung bzw. Wiederholungskündigung, die wegen ihrer offensichtlichen Rechtsunwirksamkeit seinen Beschäftigungsanspruch nicht tangiere.

Mit Beschluss vom 19.02.2007 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Gläubigers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der titulierte Weiterbeschäftigungsanspruch sei mit Ausspruch der nachfolgenden Kündigung ab dem Zeitpunkt, zu dem diese wirksam werden solle, erloschen. Hierdurch sei eine zusätzliche Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entstanden. Aufgrund dessen überwögen die schutzwürdigen Interessen der Schuldnerin an einer Befreiung von der Beschäftigungspflicht. Diese Wirkungen träten solange ein, als kein entgegenstehendes stattgebendes Urteil in seinem Interesse getroffen sei. Entgegen der Einschätzung des Gläubigers sehe sich das Gericht nicht dazu in der Lage, die nachgeschobene Kündigung als offensichtlich rechtsunwirksam einzuordnen.

Gegen diesen, ihm am 01.03.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die beim Arbeitsgericht Iserlohn am 15.03.2007 eingegangene sofortige Beschwerde des Gläubigers. Er wiederholt sein Begehren und wehrt sich insbesondere gegen die aus seiner Sicht zu zurückhaltende Bewertung der nachgeschobenen Kündigung.
Das Arbeitsgericht hat seiner Beschwerde durch weiteren Beschluss vom 19.03.2007 nicht abgeholfen.

Die gem. den §§ 567, 569 ZPO i. V. m. den §§ 78, 62 Abs. 2 ArbGG statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers ist begründet. Die Schuldnerin war antragsgemäß auf der Grundlage des § 888 ZPO durch Festsetzung eines Zwangsgeldes dazu anzuhalten, den Gläubiger auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 17.02.1995 zu beschäftigen, solange dieser Beschäftigungstitel existiert.

Entgegen den Hinweisen der Schuldnerin hat die Zwangsvollstreckung begonnen. Es liegen vor, Titel, Klausel und Zustellung i. S. d. §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 750 ZPO. Dabei ist unerheblich, dass das Urteil vom 09.01.2007 der Schuldnerin von Amts wegen ohne Vollstreckungsklausel zugestellt wurde. Es genügt, dass der vollstreckungsfähige Titel zu Gunsten des Gläubigers für vollstreckbar erklärt wurde. Ziff. 2 des Urteils vom 09.01.2007 weist auch einen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Durch die Bezugnahme auf den Änderungsvertrag vom 17.02.1995 wird die Verpflichtung der Schuldnerin eindeutig beschrieben. Dieser Titel ist weiterhin existent. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel wurde auch nicht vorläufig auf der Grundlage des § 62 Abs. 1 ArbGG eingestellt.

Die Wirkungen dieses Titels sind auch nicht auf andere Art und Weise wie z. B. aus den Gründen der §§ 767, 769 ZPO aufgehoben worden. Durch die nachgeschobene Kündigung wurde die Vollstreckungsfähigkeit des Beschäftigungstitels nicht „automatisch“ eingeschränkt.

Die Beschwerdekammer stimmt durchaus mit dem angefochtenen Beschluss in der Bewertung überein, dass die Wirkung der Verurteilung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung aufgrund des zuerst verkündeten Urteils bei nachgeschobener Kündigung endet. Zur Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs bedarf es deshalb grundsätzlich eines neuen Titels. Denn der durch Urteil festgestellte Anspruch ist in seiner Existenz betroffen. Dennoch greift diese materiell-rechtliche Bewertung nicht automatisch auf das formalisierte Vollstreckungsrecht durch. Die Vollstreckung aus dem Titel bleibt solange statthaft, als der Titel selbst existiert und seine Vollstreckungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Der Schuldnerin verbleibt nur der Weg über die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO; diese verbunden mit einer einstweiligen Anordnung gem. § 769 ZPO (GMPM-G/Germelmann, ArbGG, § 62 Rdnr. 15; LAG Hamm, Beschl. v. 12.12.2006, 7 Ta 797/06). Innerhalb dieser Klage muss überprüft werden, ob die nachgeschobene Kündigung ggf. aus dem Gesichtspunkt der Trotz- oder Wiederholungskündigung keinerlei rechtliche Wirkungen zu entfalten vermag.

Der Gläubiger hat völlig zu Recht die Zwangsvollstreckung auf der Grundlage des § 888 ZPO eingeleitet. Denn die Beschäftigung zu bestimmten Vertragsbedingungen hängt ausschließlich vom Willen der Schuldnerin als Arbeitgeberin ab. Die Beschäftigungspflicht ist deshalb eine unvertretbare Handlung i. S. d. Bestimmung.
Die Höhe des festzusetzenden Zwangsgeldes orientiert sich am Wert des Streitgegenstandes. Von der Festlegung einer Ersatzzwangshaft, zu vollziehen am Geschäftsführer der Schuldnerin, hat die Beschwerdekammer abgesehen. Die Schuldnerin muss jedoch damit rechnen, dass bei bewusster Nichtvornahme der Handlung und Beitreibung des nunmehr festgesetzten Zwangsgeldes, eine Verdopplung dessen nicht unangemessen wäre.

Aus den zuvor beschriebenen Gründen war die sofortige Beschwerde erfolgreich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 788 ZPO.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach den §§ 72, 78 ArbGG besteht kein Anlass.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach den §§ 3 ff. ZPO. Dabei ist der Wert des durchzusetzenden Anspruchs (2 Gehälter) maßgebend.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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