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Weiterbeschäftigungsanspruch – Zwangsgeldfestsetzung

Landesarbeitsgericht Hamm

Az: 7 Ta 797/06

Beschluss vom 12.12.2006

Vorinstanz: Arbeitsgericht Arnsberg – Az.: 3 Ca 680/06 O


In Sachen hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der seine Zwangsvollstreckung einstellende Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 06.11.2006 3 Ca 680/06 O aufgehoben und der Antrag der Schuldnerin zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Beschwerde trägt die Schuldnerin.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

GRÜNDE:
Mit Urteil vom 05.09.2006 hat das Arbeitsgericht Arnsberg die fristlose Kündigung der Schuldnerin vom 30.05.2006 für rechtsunwirksam erklärt. Zugleich hat es die Schuldnerin dazu verurteilt, den Gläubiger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Kündigungsschutzrechtsstreits als EDV-Administrator weiterzubeschäftigen. Gegen dieses Urteil wehrt sich die Schuldnerin mit der beim Landesarbeitsgericht am 20.10.2006 eingelegten Berufung (17 Sa 1694/06 LAG Hamm). Das Urteil vom 05.09.2006 war ihr zuvor am 21.09.2006 zugestellt worden. Zugunsten des Gläubigers wurde dieses Urteil bezüglich der Beschäftigungspflicht am 26.09.2006 für vollstreckbar erklärt. Da die Schuldnerin ihrer titulierten Verpflichtung nicht nachkam, beantragte er am 29.09.2006, gegen ihren Bürgermeister zur Erzwingung seiner tatsächlichen Beschäftigung ein Zwangsgeld festzusetzen. Gleichzeitig sprach die Schuldnerin am 29.09.2006 eine weitere fristlose Kündigung aus. Diese begründete sie damit, dass sie durch erneute Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten weitere Erkenntnisse über vom Gläubiger begangener Straftaten erhalten habe. Nachdem zuvor geäußerten Verdacht einer Computersabotage gemäß § 303 b StGB sehe sie sich nunmehr endgültig nicht mehr dazu in der Lage, den Gläubiger als Administrator zu beschäftigen.

Mit Beschluss vom 25.10.2006 hat das Arbeitsgericht Arnsberg gegen den Bürgermeister ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der titulierten Beschäftigungspflicht stünden weder die nachgeschobene Kündigung noch etwaige neue Erkenntnisse über Straftaten des Gläubigers entgegen. Hierbei handele es sich ausschließlich um materiellrechtliche Einwendungen, die im Vollstreckungsverfahren keine Berücksichtigung finden könnten.

Dieser Zwangsgeldbeschluss wurde der Schuldnerin am 26.10.2006 zugestellt. Mit Antrag vom 27.10.2006 bat die Schuldnerin darum, die Vollziehung des Zwangsgeldbeschlusses aus den Gründen des § 765 a ZPO einstweilen einzustellen, zumal die Vollstreckung des Gläubigers ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil erbringen würde. Nach neueren Erkenntnissen müsse sie davon ausgehen, dass der Gläubiger sein Fachwissen zu weiteren Sabotagehandlungen ausnutze und sie hierüber nicht begrenzbaren Haftungsrisiken aussetzen würde.

Im Rahmen seiner Anhörung verwahrte sich der Gläubiger gegen die weiteren Vorwürfe der Schuldnerin. Er sah zudem die Voraussetzungen des § 765 a ZPO als nicht erfüllt an.

Mit weiterem Beschluss vom 06.11.2006 hat das Arbeitsgericht antragsgemäß die Zwangsvollstreckung des Gläubigers aus dem Urteil vom 05.09.2006 gemäß § 765 a ZPO bis zur Entscheidung über die Wirksamkeit der nachgeschobenen Kündigung vom 29.09.2006 einstweilen eingestellt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, das Gericht bejahe die Voraussetzungen des § 765 a ZPO i. V. m. § 62 Abs. 1 ArbGG. Die Stellung des Gläubigers als Systemadministrator beschreibe eine herausgehobene Position aufgrund fachlicher Kompetenz. Die Schuldnerin sei nicht dazu in der Lage, den Gläubiger effektiv zu überwachen. Andererseits sei die Einflussmöglichkeit des Gläubigers auf ihre Arbeitsabläufe äußerst bedeutsam. Bei Störungen in er EDV könnten Arbeitsprobleme in der gesamten Verwaltungsarbeit auftreten. Bei bewussten Störmanipulationen seien mögliche Folgen kaum absehbar. Sein weiterer Einsatz als Systemadministrator erfordere ihr notwendiges Vertrauen in seine Rechtschaffenheit. Dieses Vertrauen könne sie dem Gläubiger nicht mehr entgegen bringen. Deswegen überwöge ihr Interesse an einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung.

Gegen diesen, ihm am 08.11.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die beim Arbeitsgericht Arnsberg am 20.11.2006 eingegangene sofortige Beschwerde des Gläubigers. Er bittet um Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrags der Schuldnerin. Zur Begründung vertritt er die Auffassung, der auf der Grundlage des § 765 a ZPO gestellte Antrag sei unzulässig. Die Schuldnerin sei auf den Einstellungsantrag gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zu verweisen. Hierüber befinde ausschließlich das Landesarbeitsgericht als Berufungsgericht. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 765 a ZPO nicht vor. Die von ihm angedachte Zwangsvollstreckungsmaßnahme führe bei der Schuldnerin zu keinem untragbaren Ergebnis. Seine tatsächliche Beschäftigung beschreibe nicht eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte. Für die Schuldnerin habe er bislang beanstandungsfrei gearbeitet. Die ihm zu Last gelegte Sabotage erfasse ausschließlich sein privates Umfeld. Zu keiner Zeit habe er hierfür den Internetanschluss des dienstlichen Arbeitsplatzes „benutzt“.
Das Arbeitsgericht Arnsberg hat mit weiterem Beschluss vom 22.11.2006 seiner sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Die gemäß den §§ 567, 569 ZPO i. V. m. § 78 ArbGG statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers ist begründet. Der Einstellungsbeschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 06.11.2006 war aufzuheben, zumal zur Überzeugung der Beschwerdekammer die Voraussetzungen des § 765 a ZPO nicht erfüllt sind.

Gemäß § 765 a ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Schuldnerin eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine besondere Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Diese Bestimmung ist durch die globale Verweisung des § 62 Abs. 2 ArbGG auf das 8. Buch der ZPO auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen. Da diese Bestimmung als allgemeine Schutzvorschrift des Vollstreckungsrechts gewertet wird, erfasst sie auch die Zwangsvollstreckung zur Erzwingung von Handlungen gemäß den §§ 887 und 888 ZPO (statt vieler: Zöller/Stöber ZPO, § 765 a Rd.-Nr. 2). Die Schuldnerin ist auch berechtigt, sich auf diese Schutzvorschrift zu berufen, zumal sich die Zwangsvollstreckung des Gläubigers aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 05.09.2006 ausschließlich gegen sie richtet. Immerhin hatte das Arbeitsgericht Arnsberg auf Antrag des Gläubigers gegen sie antragsgemäß zur Erzwingung seiner Beschäftigungspflicht mit Beschluss vom 25.10.2006 ein Zwangsgeld festgesetzt.

Obwohl folglich diese Schutzvorschrift vom Gläubiger zu beachten ist, kann sich zur Überzeugung der Beschwerdekammer die Schuldnerin hierauf nicht mit Erfolg berufen. Denn es geht ihr um die Zwangsvollstreckung an sich, nicht jedoch um die Art und Weise der Vollstreckung bzw. um die in Anspruch genommene und eingeleitete Vollstreckungsmaßnahme. Damit überschreitet sie das Ziel des mit § 765 a ZPO erfassten Schutzzwecks. Hierüber kann ausschließlich die jeweilige Vollstreckungsmaßnahme verhindert, nicht jedoch das Vollstreckungsrecht grundlegend vereitelt werden (so ausdrücklich: Stöber a.a.O. Rd.-Nr. 4; Baumbauch/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 765 a Rd.-Nr. 2). Das vom Gericht festgesetzte Zwangsgeld dürfte für die Schuldnerin keine besondere Härte bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren wäre. Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes orientiert sich am Wert des Beschwerdegegenstandes. Im Übrigen sieht sich die Beschwerdekammer dazu außerstande in der Vollstreckung, d. h. in der zwangsweisen Durchsetzung der Beschäftigungspflicht als Systemadministrator ein für die Schuldnerin untragbares Ergebnis zu erkennen (vgl. hierzu Stöber a.a.O. Rd.-Nr. 5). Die Seitens der Schuldnerin angesprochene Gefährdung der eigenen Interessen ist nicht nachvollziehbar. Ihr ist es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass der Gläubiger seine Stellung als städtischer Angestellter dazu missbraucht hat, ihr einen (hohen) Schaden zuzufügen. Die für die Zeit der Zwangsvollstreckung angesprochene Befürchtung hat eine reine Spekulation zum Inhalt. Zur Überzeugung der Beschwerdekammer berücksichtigt der angefochtene Beschluss auch nicht die Interessen und das Schutzbedürfnis des Gläubigers. Ein Schuldnerschutz kann nur beim krassen Missverhältnis der für und gegen die Vollstreckung sprechenden Interessen gewährt werden. Deshalb ist es nicht hinnehmbar, dass die Vollstreckung bis zur Entscheidung über die Wirksamkeit der nachgeschobenen Kündigung vom 29.09.2006 einstweilen eingestellt wurde. Die Beschäftigungspflicht aus dem Urteil vom 05.09.2006 greift bis zu Rechtskraft dieser Entscheidung (also des Berufungsverfahrens 17 Sa 1694/06), also der rechtlichen Überprüfung der am 30.05.2006 erklärten fristlosen Kündigung, die mit diesem Urteil für rechtsunwirksam erklärt wurde. Mit dieser Tenorirrung entzieht das Arbeitsgericht Arnsberg dem Zwangsgeldbeschluss vom 25.10.2006 die eigene Begründung, dass materiellrechtliche Einwendungen im Vollstreckungsverfahren außen vorbleiben. Die weitere Begründung des angefochtenen Beschlusses überzeugt ebenso wenig. Die Schuldnerin hatte das Recht, mit beim Landesarbeitsgericht Hamm am 20.10.2006 eingegangener Berufungsschrift die Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 62 Abs. 1 ArbGG zu beantragen. Sie musste mit diesem Antrag nicht bis zur Berufungsbegründung warten. Denn im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ausschließlich ein Hilfskriterium für die Bewertung des nicht zu ersetzenden Nachteils i. S. d. § 62 Abs. 1 ArbGG (GMP M-G, ArbGG, § 62 Rd.-Nr. 14; ErfK/Koch, § 62 ArbGG Rd.-Nr. 4; Zöller/Herget, ZPO, § 719 Rd.-Nr. 3; Groeger, NZA 1994, 251 und 253). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung einer tenorrierten Beschäftigungspflicht ist unter Beachtung des § 62 Abs. 1 ArbGG nur dann möglich, wenn durch die Beschäftigung selbst ein unersetzbarer Nachteil wirtschaftlicher oder immaterieller Art eintreten würde, für den aller Wahrscheinlichkeit nach ein Ersatz von dem Arbeitnehmer nicht erlangt werden könnte (GMP M-G a.a.O. § 62 Rd.-Nr. 15 m. w. N.).

Die Schuldnerin bleibt im Übrigen nicht rechtlos. Für sie ist die Möglichkeit der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO eröffnet, die einstweilige Anordnungen gemäß § 769 ZPO zulassen. Bei nachgeschobener Kündigung endet die Wirkung der Verurteilung der vorläufigen Weiterbeschäftigung aufgrund des zuerst verkündeten Urteils. Zur Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs bedarf es nunmehr eines neuen Titels. Da nunmehr der durch das Urteil festgestellte Anspruch selbst in seiner Existenz betroffen ist, ist die Vollstreckungsabwehrklage des § 767 ZPO das ausschließlich statthafte und hinreichend geeignete Schutzmittel.

Aus den zuvor beschriebenen Gründen war die sofortige Beschwerde erfolgreich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 788 ZPO.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerden nach den §§ 72, 78 ArbGG besteht kein Anlass.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach dem § 3 f. ZPO. Dabei ist der Wert des durchzusetzenden Anspruchs maßgebend.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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