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Weiterbeschäftigungsanspruch nach einstweiliger Verfügung

Landesarbeitsgericht Köln

Az: 3 SaGa 26/09

Urteil vom 10.03.2010


1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19.11.2009 – 17 Ga 166/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin zu den bisherigen Vertragsbedingungen sowie darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen E-Mail-Account mit Passwort für das Intranet zuzuweisen und bestimmte Programmzugriffsberechtigungen zu erteilen.

Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht die Anträge der Klägerin insgesamt zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils (Bl. 75 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 14.12.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.12.2009 Berufung eingelegt und diese am 15.01.2010 begründet. Sie ist weiterhin der Auffassung, im Verfahren nach § 102 Abs. 5 BetrVG bedürfe es nicht der Darlegung eines Verfügungsgrundes, da das Verfahren an sich bereits eilbedürftig sei. Allein durch die Nichtbeschäftigung entstehe der Klägerin ein wesentlicher Nachteil, der in der Abwägung der Interessen beider Parteien angesichts der schwebend unwirksamen Kündigung ein überwiegendes Interesse der Klägerin begründe. Jedenfalls aber müsse selbst dann, wenn man die Darlegung eines Verfügungsgrundes für nötig erachten würde, ausreichend sein, wenn der Arbeitnehmer darlege, seinen Arbeitsplatz behalten zu wollen. Überdies sei das Interesse der Beklagten, die Klägerin nicht weiter zu beschäftigen, angesichts der Tatsache, dass die Mitarbeiterin J , die die Tätigkeiten der Klägerin weitestgehend übernommen habe, zwischenzeitlich schwanger sei und seit Januar 2010 nicht mehr im Unternehmen beschäftigt werden könne, zwangsläufig sehr gering. Demgegenüber sei die Klägerin auf einen aktuellen Wissens- und Kenntnisstand angewiesen und benötige außerdem die mit der Weiterbeschäftigung verbundene Vergütung, um die von ihr über den 31.12.2009 fortgeführte Mietwohnung in K bezahlen zu können. Sie meint darüber hinaus, der Verfügungsanspruch ergebe sich aus dem ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats, der Widerspruchsgründe sowohl nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG als auch § 102 Abs. 5 Nr. 5 BetrVG enthalte.

Die Klägerin beantragt,

1. unter teilweiser Aufhebung des Urteils vom 19.11.2009 des Arbeitsgerichts Köln – 17 Ga 166/09 – der Antragsgegnerin aufzugeben, die Antragstellerin als Lektoratsassistentin zu den bisherigen Bedingungen, nämlich einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden in F bei einem Bruttomonatsgehalt von 2.900,00 € weiterzubeschäftigen;

hilfsweise, die Antragstellerin vertragsgerecht weiterzubeschäftigen;

2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin einen E-Mail-Account mit Passwort für das Intranet zuzuweisen, einen Zugriff auf den F -Server einzurichten, den E-Mail-Account nebst Passwort für Lotus Notes einzurichten und die Berechtigung für die Programme K und das C Tool sowie M zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei und meint, es fehle sowohl an der Darlegung eines Verfügungsanspruchs als auch eines Verfügungsgrundes. Mit dem Arbeitsgericht sei nämlich davon auszugehen, dass auch in einem auf § 102 Abs. 5 BetrVG gestützten einstweiligen Rechtsschutzverfahren ein besonderer Verfügungsgrund dargelegt und glaubhaft gemacht werden müsse. Der fehlende Verfügungsanspruch ergebe sich daraus, dass die Klägerin den erstinstanzlichen Darlegungen der Beklagten zur Unbeachtlichkeit des Widerspruchs des Betriebsrats nicht entgegen getreten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die einstweiligen Rechtsschutzanträge der Klägerin zu Recht abgewiesen. Es fehlt – wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat – sowohl am Vorliegen eines Verfügungsanspruchs als auch an der erforderlichen Darlegung und Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung, denn es fehlt an dem hierfür erforderlichen ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats.

Gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat wirksam mit der Rechtsfolge des § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG einer beabsichtigen ordentlichen Kündigung nur unter Berufung auf dort enumerativ aufgezählte konkrete Widerspruchsgründe widersprechen. Die Klägerin meint, der Widerspruch des Betriebsrats vom 17.09.2009 genüge in seiner Begründung den in § 102 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 5 BetrVG aufgezählten Widerspruchsgründen.

Nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG kann der Betriebsrat der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn der zu kündigender Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Dies setzt voraus, dass der Betriebsrat einen freien Arbeitsplatz möglichst konkret, zumindest aber in bestimmbarer Weise angibt. Allgemeine Hinweise auf eine Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer genügen insoweit nicht (Fitting, BetrVG, 24. Auflage, § 102 Rdnr. 83; Wlotzke/Preis, BetrVG, 3. Auflage, § 102 Rdnr. 95 jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Diesen Anforderungen genügt der Widerspruch des Betriebsrats nicht. Dort wendet der Betriebsrat nämlich lediglich ein, dass ein Großteil der Arbeiten, die bisher von der Klägerin ausgeführt worden seien, nicht entfalle und ihr ohne Weiteres weitere Aufgaben ihres arbeitsvertraglichen Tätigkeitsfeldes und im Marketing zugewiesen werden könnten. Ein Beschäftigungsbedürfnis sei keinesfalls entfallen. Damit beruft sich der Betriebsrat nicht auf einen konkreten, anderen freien Arbeitsplatz, sondern wendet lediglich ein, dass im Betrieb ein ausreichender Beschäftigungsbedarf bestünde, um die Klägerin weiter zu beschäftigen.

Auch soweit der Betriebsrat weiter einwendet, dass bestimmte Tätigkeiten der Klägerin nicht weggefallen seien und darüber hinaus zu prüfen sei, ob weitere sonstige Tätigkeiten aus den Bereichen Marketing, Lektorat und Herstellung nicht in den Arbeitsbereich der Klägerin umgelagert werden könnten, genügt dies, den an einen ordnungsgemäßen Widerspruch nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG zu stellenden Anforderungen nicht. Denn auch die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz der Klägerin stellt keinen Widerspruchsgrund im Sinne der vorgenannten Vorschrift dar. Ließe man nämlich für den Widerspruch des Betriebsrats eine derartige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf dem bisherigen Arbeitsplatz genügen, so würde man den Widerspruch auf alle Fälle der Sozialwidrigkeit einer Kündigung erstrecken. Denn letztlich macht der Betriebsrat mit einer solchen Widerspruchsbegründung nichts anderes geltend, als das Fehlen des Kündigungsgrundes selbst (vgl. Richardi/Thüsing, BetrVG, 12. Auflage, § 102 Rdnr. 164; Wlotzke/Preis, BetrVG, 3. Auflage, § 102 Rdnr. 94 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Der Widerspruch des Betriebsrats führt auch nach § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG nicht zu einer Weiterbeschäftigungsverpflichtung der Beklagten. Nach dieser Vorschrift kann der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hierzu erklärt hat. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nur dann betroffen, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt werden soll, weil die bisherigen Vertragsbedingungen nicht beibehalten werden können (vgl. Richardi/Thüsing, a. a. O., § 102 Rdnr. 175). § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG stellt lediglich eine Art Auffangtatbestand dar, der alle Beschäftigungsalternativen umfassen soll, bei denen der Arbeitsvertrag geändert werden muss (Däubler/Kittner/Klebe/Bachner, BetrVG, 10. Auflage, § 102 Rdnr. 217). Dies ändert aber nichts an den grundsätzlich bestehenden Konkretisierungsanforderungen des Betriebsrats. Ebenso wie in § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG, muss er auch zur Begründung eines Widerspruchs nach § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG die konkrete Möglichkeit der Weiterbeschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen, also auf einem anderen Arbeitsplatz, dartun. Auch dies ist dem Betriebsratswiderspruch vom 17.09.2009 nicht zu entnehmen.

2. Darüber hinaus fehlt es für die geltend gemachte Weiterbeschäftigung der Klägerin auch an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung folgt die erkennende Kammer der Argumentation des Arbeitsgerichts und verlangt auch für das in einem einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachte Begehren auf Weiterbeschäftigung das Vorliegen einer besonderen Dringlichkeit, also der Darlegung und Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes. Ein solcher Verfügungsgrund lässt sich dem Vortrag der Klägerin jedoch nicht entnehmen. Besondere Umstände, die eine Weiterbeschäftigung der Klägerin unbedingt erforderlich machen, sind weder dargetan, noch glaubhaft gemacht. Insbesondere genügt insoweit nicht die finanzielle Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der Wohnungsmiete für die von ihr weiterhin vorgehaltene Zweitwohnung in K .

3. In Anbetracht der fehlenden Weiterbeschäftigungsverpflichtung der Beklagten ist auch der weiterhin von der Klägerin gestellte Antrag auf Zuweisung eines E-Mail-Accounts mit Passwort und Erteilung einer Zugriffsberechtigung für bestimmte Programme unbegründet. Denn nach dem eigenen Vortrag der Klägerin benötigt sie diesen E-Mail-Account und den Programmzugriff gerade zur Ausübung ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus fehlt es insoweit sowohl an einer weitergehenden Anspruchsgrundlage, mithin also am Bestehen eines Verfügungsanspruchs als auch an einer besonderen Eilbedürftigkeit.

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III. Da die Klägerin das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss sie nach §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung tragen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.

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