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Wendevorgang – Verkehrsunfall und Haftungsverteilung

Oberlandesgericht München

Az: 10 U 2539/08

Urteil vom 25.07.2008


In dem Rechtsstreit erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2008 folgendes Endurteil:

1. Auf die Berufung des Klägers vom 26.03.2008 wird das Endurteil des LG München I vom 07.01.2008 (Az. 17 O 12402/06) aufgehoben.

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger samtverbindlich 2.890,60 EUR sowie weitere 305,95 EUR jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.890,60 EUR seit 10.04.2006 und aus weiteren 305,95 EUR seit 12.07.2006 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 55% und die Beklagten samtverbindlich 45%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:
A.
Der Kläger macht gegen den Beklagten zu 1) und dessen Haftpflichtversicherung einen Anspruch auf Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Am Freitag, dem 03.03.2006 gegen 16.30 Uhr befuhr die Tochter des Klägers, die Zeugin S. D. mit dem Pkw Opel Corsa des Klägers, amtl. Kennzeichen …, auf dem rechten von zwei Fahrstreifen der C. Straße Richtung T.platz. Beifahrer war ihr Freund, der Zeuge L. Die Tochter des Klägers wechselte auf die linke Fahrspur, um an einem Mittelstreifendurchbruch zu wenden. Dabei kam es zur Kollision mit dem hinter der Zeugin D. auf dem linken Fahrstreifen mit seinem Pkw Volvo fahrenden Beklagten zu 1).

Der Kläger trägt vor, seine Tochter habe links geblinkt und sei bereits einige Zeit am Mittelstreifendurchbruch mit dem Heck noch in der linken, von ihr zuvor befahrenen Fahrspur gestanden, als der Beklagte zu 1) auf den Corsa aufgefahren sei.

Die Beklagten tragen vor, die Zeugin D. habe die Spur 10 m – 15 m vor dem Mittelstreifendurchbruch gewechselt ohne den Spurwechsel durch blinken anzukündigen, der Abstand zu dem auf der linken Spur fahrenden Pkw Volvo habe nur 2 m – 3 m betragen und dann habe die Zeugin D. erneut ohne zu blinken zu wenden versucht und plötzlich gebremst, der Beklagte zu 1) habe den Unfall nicht vermeiden können.

Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 07.01.2008 (Bl. 78/84 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat nach Einvernahme der Zeugen D. und L, Anhörung des Beklagten zu 1) und anschließender Erholung eines Sachverständigengutachtens nach Richterwechsel die Klage abgewiesen.

Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 28.02.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht am 26.03.2008 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 91/92 d.A.) und diese mit einem beim Oberlandesgericht am 28.04.2008 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 98/105 d.A.) begründet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beweisanordnung vom 08.05.2008 (Bl. 106 d.A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Sabrina D. und L, Anhörung des Beklagten zu 1) sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. B..

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.07.2008 verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 03.06.2008 (Bl. 110/112 d.A.), den weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz der Klagepartei vom 18.06.2008 (Bl. 114/115 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 11.07.2008 Bezug genommen.

B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

I. Das Landgericht hat, wie erst die in zweiter Instanz wiederholte Beweisaufnahme ergab, zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz verneint und ist unzutreffend von einem gegen den Kläger sprechenden Anscheinsbeweis aus §§ 7 V, 9 V StVO unter Ablehnung eines Mitverschuldens des Beklagten zu 1) ausgegangen.

1. Der Senat ist nach der von ihm selbst durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Tochter des Klägers nach dem verkehrsfehlerhaften Fahrspurwechsel auf die linke Fahrspur den Wendevorgang einleitete, ohne sich über einen Blick nach hinten, etwa über die Spiegel, davon zu vergewissern, ob die Gefährdung des rückwärtigen Verkehrs ausgeschlossen ist, und der Beklagte seinerseits auf den für ihn erkennbaren Bremsvorgang des Corsa zu spät reagierte, wodurch es zur Kollision der Fahrzeuge kam. Bei rechtzeitiger Reaktion hätte der Beklagte zu 1) sein Fahrzeug problemlos noch vor dem Corsa zum Stillstand abbremsen können.

Da das Fahrzeug des Klägers bei dem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) durch dieses beschädigt wurde, besteht grundsätzlich ein Anspruch des Klägers aus § 7 I StVG und, da ein Verschulden des Beklagten zu 1) vorliegt, aus § 823 I BGB gegen den Beklagten zu 1) sowie aus § 3 Nr. 1 PflVersG a.F. gegen die Beklagte zu 2). Dass der Unfall durch höhere Gewalt (§ 7 II StVG) verursacht worden sei, wird von keiner Partei geltend gemacht. Ein Anspruch des Klägers wäre deshalb nur ausgeschlossen, wenn der Unfallschaden von der Zeugin D. durch ein für den Beklagten zu 1) unabwendbares Ereignis (§ 17 III 1 StVG) oder jedenfalls ganz überwiegend verursacht bzw. verschuldet wurde, so daß der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) vernachlässigt werden kann (§§ 17 I StVG; 254 I BGB). Beides ist vorliegend nicht der Fall.

a) Die Zeugin D. hat bei dem Wendevorgang gegen § 9 V StVO verstoßen, wobei anzumerken ist, dass § 9 V StVO vorliegend § 7 V StVO vorgeht, vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, § 7 StVO Rn. 17. Vorliegend kam es zur Kollision im Zusammenhang mit dem Wendemanöver der Zeugin D.. Bei dem Wendemanöver unter Benutzung des Mittelstreifendurchbruches liegt angesichts der baulichen Ausgestaltung (der Mittelstreifen ist so schmal, dass er in einem Bogen umfahren werden kann und muss und nicht erst zwischen den beiden Fahrbahnen ein Stück geradeaus gefahren werden muss, vgl. KG VerkMitt. 1981, 67) ein Wenden nach § 9 V StVO und kein Linksabbiegen vor. Die Zeugin räumte ein, dass sie sich vor Einleitung des eigentlichen Wendemanövers durch Abbremsen, leichtes Ausschwenken nach rechts und anschließendes Einlenken in den Mittelstreifendurchbruch nicht durch Rückschau oder Blick nach hinten darüber vergewisserte, ob eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Der Beklagte zu 1) gab an, die Zeugin D. habe die Spur nach links gewechselt, als er auf der linken Spur mit einer Annäherungsgeschwindigkeit von 50 km/h – 55 km/h fast schon auf Höhe des Hecks des Corsa war, er habe gebremst und seine Geschwindigkeit habe nach dem Spurwechsel 40 km/h – 45 km/h und der Abstand 3 m – 4 m betragen. Die Zeugin D. erinnerte sich, dass sie vor Einleitung des Spurwechsels im Innen- und linken Außenspiegel schaute und kein Fahrzeug auf der linken Spur hinter sich sah. Dies spricht dafür, dass sich der Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt der Einleitung des Spurwechsels im „toten Winkel“ des Corsa befand. Der Senat glaubt dem Beklagten zu 1) daher, dass der Abstand nach dem Spurwechsel lediglich wenige Meter betrug und damit als solcher verkehrswidrig war. Deshalb liegt ein Verstoß gegen § 9 V StVO vor und eines Rückgriffs auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises bedarf es nicht.

b) Die weiteren Angaben des Beklagten zu 1), dass bei Abschluss des Spurwechsels die Entfernung vom späteren Kollisionsort noch 10 m -15 m betrug, hat der Sachverständige Prof. Dr. B., von dessen Sachkunde der Senat sich überzeugt hat, als technisch nicht möglich erachtet. Die Zeugin D. gab an, dass sie auf der linken Spur aus einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h bremste und den Wendevorgang einleitete. Sie musste – um nach dem Spurwechsel bis zum Wendeort in die Kollisionsstellung zu gelangen und im Hinblick darauf, dass eine kontrollierte Lenkbewegung mit einer Querbeschleunigung von 3 m/sek.² es dem Normalfahrer noch ermöglicht, gleichzeitig mit einer Bremsverzögerung von 3 m/sek.² kontrolliert abzubremsen – nach dem Spurwechsel mindestens 29 m – 32 m auf der linken Spur zurücklegen, um bis zu einer höchstens anzunehmenden Kollisionsgeschwindigkeit von 12 km/h (schneller konnte die Zeugin D. das Wendemanöver vorliegend nicht fahren) bzw. bis zum Stillstand abzubremsen. Nach Angaben aller am Unfall Beteiligten, auch des Beklagten zu 1), war der Corsa fahrbahnparallel auf der linken Fahrspur eingeordnet und der Spurwechsel technisch beendet, bevor die Zeugin D. den eigentlichen Wendevorgang einleitete. Dies bestätigte auch der Zeuge L., der schätzte, dass der Beginn des Spurwechsels 60 m – 80 m vor der Wendemöglichkeit lag.

c) Der Beklagte zu 1) hätte, wie der Sachverständige überzeugend ausführte und erläuterte – ausgehend von einer Reaktionsaufforderung zum Zeitpunkt des Aufleuchtens der Bremslichter des Corsa (was der Beklagte zu 1) nach eigenen Angaben auch wahrnahm) aus einer Geschwindigkeit von 45 km/h bei einer anzusetzenden Reaktionszeit von 0,8 sek. und einer Bremsschwellzeit von 0,2 sek. bei einer auch bei nasser Fahrbahn anzusetzenden Bremsverzögerung von 5 m/sek.² – sein Fahrzeug problemlos noch vor dem Corsa bis zum Stillstand abbremsen können, und zwar selbst bei einem Abstand von 0 m, da sein Anhalteweg 27 m betrug. Da selbst der Beklagte zu 1) nach dem Spurwechsel einen Abstand zum vorausfahrenden Corsa von 3 m – 4 m angibt, hätte er in jedem Fall bei rechtzeitiger Bremsung die Kollision verhindern können. Damit steht auch ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 1) fest.

d) Im Rahmen der nach § 17 II StVG vorzunehmenden Abwägung geht der Senat vorliegend von einer Mithaftung des Beklagten zu 1) in Höhe von 50% aus. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass angesichts der erkennbaren Verzögerung des Corsa in Annäherung an den Mittelstreifendurchbruch mit einem Abbiegen oder Wenden zu rechnen war, da ein sonstiger verkehrsbedingter Grund für die Verzögerung nicht vorlag (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 10. Aufl. 2007, Rn. 258).

2. Auf der Grundlage vorgenannter Haftungsverteilung ergibt sich, ausgehend von einem ersatzfähigen Schaden in Höhe von 5.781,21 EUR ein Schadensbetrag von 2.890,60 EUR.

a) Die Reparaturkosten belaufen sich nach der vorgelegten Werkstattrechnung auf 3.958,50 EUR. Unerheblich ist insoweit, dass der vorgerichtlich mit der Schadensermittlung eingeschaltete Sachverständige V. von Reparaturkosten nur in Höhe von 3.615,57 EUR ausgeht. Anhaltspunkte dafür, dass die in der Rechnung der Firma Be. ausgewiesenen Kosten nicht der Reparatur des Schadens aus dem verfahrensgegenständlichen Unfall dienten, bestehen nicht. Der Senat (Urteil v. 07.07.2006 – Az. 10 U 2270/06) ist mit der herrschenden, auch vom OLG Stuttgart (NJW-RR 2004, 104) vertretenen Meinung der Auffassung, dass der Geschädigte eine geeignete Werkstätte seines Vertrauens beauftragen konnte. Der Geschädigte trägt im Rahmen des Anspruchs auf Erstattung des „erforderlichen“ Geldbetrages nach § 249 II 1 BGB nicht das sog. Werkstattrisiko, weil die Reparaturwerkstätte nicht sein Erfüllungsgehilfe im Sinn des § 278 BGB ist (ständige Rechtsprechung des Senats). Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten – etwa durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten Werkstatt -verursacht worden sind (BGH NJW 1975, 160; OLG Karlsruhe NJW-RR 2005, 248).

b) Ein auch nach Reparatur verbleibender merkantiler Minderwert in Höhe von 500,- EUR war ebenso wie die Kosten für die Einschaltung des Sachverständigen in Höhe von 440,22 EUR nicht streitig.

c) Ein Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten in Höhe von 220,40 EUR ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten mit der im Rahmen von § 287 ZPO erforderlichen Sicherheit aus der Rechnung Anlage K 5; die diesbezüglichen Kosten beziehen sich auf das beschädigte Fahrzeug des Klägers und die Verbringung vom Unfallort zur Fa. Be. in U. als vom Kläger ausgewählte Fachwerkstätte ist auch aus Entfernungsgründen nicht zu beanstanden.

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d) Die geltend gemachtem Mietwagenkosten in Höhe von 1.213,30 EUR für 18 Tage Anmietdauer vom 03.03.2006 bis 18.03.2006 sind nur zum Teil gerechtfertigt.

(1) Der Senat geht zwar auf Grund des Unfalles am Freitag Nachmittag und der daher erst am darauffolgenden Montag möglichen Beauftragung eines Sachverständigen sowie der Gutachtenserstattung am 09.03 nach Besichtigung am 07.03, der ausweislich der Reparaturrechnung der Fa. Be. erfolgten Fertigstellung am 20.03.2006 schon wegen der dazwischen liegenden Wochenenden und der auch nach dem Gutachten erforderlichen Reparaturdauer von 6 Werktagen nicht von einem Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht im Zusammenhang mit der Schadensbehebung aus, zumal wegen der Entfernung der Reparaturwerkstätte vom Wohnort des Klägers mit einem Abholen des Pkw am 20.03. nicht mehr zu rechnen war.

(2) Vorliegend erfolgte die Anmietung ausweislich der Mietwagenrechnung zu einem sogenannten „Unfallersatztarif“. Der Geschädigte hat unter dem Gesichtspunkt der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen (BGHZ 132, 373 [375 f.]; 155, 1[4 f.]; NJW 1985, 2637 = VersR 1985, 1090; 1985, 2639).

Nach BGH NJW 2006, 1726 (1727) „verstößt der Geschädigte bei Anmietung eines Kraftfahrzeugs zu einem Unfallersatztarif, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, nur dann nicht gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlaßt und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind‘ (vgl. auch Senat, Urt. v. 28.07.2006 – 10 U 2237/06 = DAR 2006, 692). Es sind die nach einem so genannten „Unfallersatztarif“ geschuldeten Kosten grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als sie tatsächlich zur Herstellung des Zustands erforderlich sind, der ohne die Schädigung bestehen würde. Deshalb kommt es darauf an, ob und inwieweit der geltend gemachte „Unfallersatztarif“ nach seiner Struktur als „erforderlicher“ Aufwand zur Schadensbeseitigung angesehen werden kann. Dies kann nur insoweit der Fall sein, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Anknüpfungspunkt für diese Prüfung kann nur ein „Normaltarif“ sein, also regelmäßig ein Tarif, der für Selbstzahler Anwendung findet und daher unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird. Eine Erhöhung des sich bei Anknüpfung an einen „Normaltarif“ ergebenden Betrags ist nur gerechtfertigt, soweit sie nach den vorstehenden Ausführungen unfallbedingt ist.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Frage, ob der Aufschlag auf einen günstigeren „Normaltarif“ wegen konkreter unfallbedingter Mehrleistungen des Vermieters objektiv zur Wiederherstellung erforderlich war i.S.d. § 249 BGB, trägt dabei nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts der Geschädigte, da es sich um Voraussetzungen für die Höhe seines Schadensersatzanspruchs handelt (vgl. etwa Baumgärtel/Strieder, Hdb. der Beweislast im PrivatR I, 2. Aufl., § 249 Rn. 1)

Für einen gegenüber einem Normaltarif gerechtfertigten höheren Preis sind vorliegend keine Gründe genannt.

(3) Nach dem „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (http://mietwagen spiegel.iao.fraunhofer.de/), welcher an Hand einer der realen Anmietsituation nahekommenden Befragung aufgestellt wurde, weil die befragten Firmen anders als etwa bei der Erstellung der Schwacke-Liste nicht wussten, dass ihre Antworten zur Grundlage einer Marktuntersuchung über die Höhe der Mietwagentarife gemacht wurden, ergibt sich für den hier maßgeblichen Postleitzahlenbereich für einen Kleinwagen (Haftungsbefreiung mit Selbstbeteiligung) bei einer Anmietdauer von 7 Tagen ein Mittelwert von 31,07 EUR/tgl., bei einer Anmietdauer von 3 Tagen ein solcher von 45,61 EUR/tgl. und bei einer Anmietdauer von 1 Tag ein Mittelwert von 50,28 EUR. Für 18 Tage errechnet sich daher im Mittelwert ein erstattungsfähiger Betrag von 622,09 EUR (vgl. S. 90 der vorgenannten Studie). Zwar sind die Durchschnittspreise dieser Studie niedriger als nach der Schwacke-Liste inklusive Vollkaskowerten. Da die Preise der Schwacke-Liste auf Grund einer Selbstauskunft der Mietwagenvermieter in Kenntnis, dass die Angaben zur Grundlage einer Marktuntersuchung gemacht werden, erfolgten, während das Ergebnis des Preisspiegels des Fraunhofer-Instituts auf einer anonymen Befragung im Rahmen eines typischen Anmietszenarios beruht, legt der Senat die Preise zu Grunde, wie sie sich nach der Studie des Fraunhofer-Instituts ergeben.

(4) Dass dem Kläger der Normaltarif nicht zugänglich gewesen wäre, ist nicht vorgetragen. Bei der Zugänglichkeit des Normaltarifs handelt es sich nicht um eine Frage der Schadensminderungspflicht, für die grundsätzlich der Schädiger die Beweislast trägt, sondern um eine Anspruchsvoraussetzung. Kann der Geschädigte nach § 249 BGB grundsätzlich nur den zur Herstellung „erforderlichen“ Betrag ersetzt verlangen, so gilt dies erst recht für die ausnahmsweise Ersatzfähigkeit an sich nicht erforderlicher Aufwendungen wegen der Nichtzugänglichkeit eines „Normaltarifs“. Der Geschädigte hat deshalb darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass dem Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.

e) Unter Berücksichtigung der dem Kläger mangels Zahlung der Beklagten entstandenen weiteren Kosten in Höhe von 15,- EUR sowie der Unkostenpauschale von 25,- EUR ergibt sich ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 5.781,21 EUR und damit ein Anspruch in Höhe von 2.890,60 EUR.

3. Nach § 249 I, II 1 BGB sind diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten in Form vorprozessualer, nicht anrechenbarer Anwaltskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (Senat a.a.O.). Als erforderlich sind die nach dem Urteil begründeten Forderungen anzusehen (BGH MDR 2008, 351 [352]; Senat a.a.O.). Ausgehend von einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 W RVG (BGH AnwBl. 2007, 154 ff. = VersR 2007, 265 = NZV 2007, 181; Senat a.a.O.) ergeben sich vorliegend inklusive Post- und Telekommunikationspauschale und Mehrwertsteuer 316,18 EUR, so dass die beantragten 305,05 EUR zuzusprechen waren. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 I, 291 BGB.

II. Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf §§ 92 I 1 Fall 2, 100 IV ZPO und für das Berufungsverfahren auf §§ 92 I 1 Fall 2, 100 IV, 97 I ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, daß die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

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