OLG KÖLN
Az.: 6 U 4/11
Urteil vom 01.06.2011
Vorinstanz: LG Köln, Az.: 26 O 395/09
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.10.2010 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 26 O 395/09 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.083,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 583,54 € seit dem 24.9.2009 und aus weiteren 1.500 € seit dem 1.2.2010 zu zahlen.
2.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den erstinstanzlichen Kosten haben der Kläger 77 % und die Beklagte 23 % zu tragen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 85 % und die Beklagte 15 % zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Begründung:
I.
Die Beklagte ist eine Lebensversichererin. Der Kläger, ein Steuerberater, war in der Vergangenheit einer ihrer Bestandskunden.
Nachdem der Kläger die Beklagte wegen eines unerbetenen Werbeanrufes abgemahnt hatte, gab diese eine Unterlassungserklärung ab, wonach sie sich u. a. verpflichtete, es zu unterlassen, an die E-Mail-Adressen: …..sowie ……. unaufgefordert Werbematerial per E-Mail zu senden und/oder an einem solchen Versand mitzuwirken, sowie es zu unterlassen, unaufgefordert Werbepost oder Werbetelefaxe an den Kläger zu senden und/oder an einem solchen Versand mitzuwirken. Der Kläger nahm diese Unterlassungserklärung, die mit einem Vertragsstrafeversprechen nach dem sog. „Hamburger Modell“ gesichert war, unter dem 20.05.2009 an.
Unter dem 01.07.2009 ist von der Beklagten eine E-Mail versandt worden, und zwar – das geht aus dem als Anlage K 5 von dem Kläger vorgelegten Ausdruck zwar nicht hervor, ist zwischen den Parteien aber unstreitig – an die Adresse….. Als Empfänger dieser Mail war angegeben: „…..“. Der Text begann mit der Anrede „Sehr geehrte Frau……“.
Der Kläger hat den Erhalt dieser E-Mail zunächst persönlich mit Schreiben vom 06.07.2009 bei der Beklagten beanstandet und auf deren Reaktion mit Anwaltsschreiben vom 03.08.2009 erfolglos die Zahlung einer Vertragsstrafe von 10.000,00 € verlangt. Im vorliegenden Verfahren hat er sodann erstinstanzlich die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 6.000,00 € nebst Zinsen geltend gemacht und zur Begründung u. a. ausgeführt, er könne nicht ausschließen, dass ein Dritter unter seiner E-Mail-Adresse um Übersendung des Werbematerials gebeten habe, auch ein solcher Vorgang löse indes den Vertragsstrafeanspruch aus.
Die Beklagte hat sich damit verteidigt, sie habe alle notwendigen Maßnahmen dafür getroffen, dass der Kläger keine Werbematerialien mehr erhalte, und dies im Einzelnen ausgeführt. Es sei aber unter dem 24.05.2009 die oben erwähnte Adresse „ausdrücklich zum Empfang des Newsletters neu angemeldet“ worden. Auch die Verwendung der Namensangabe „……..“ zeige, dass sie nicht einfach aufgrund einer früheren Anmeldung die E-Mail versandt habe.
Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens, nämlich im Dezember 2009, ist dem Kläger von der Beklagten per Post Prospektmaterial zugesandt worden. Der Kläger hat die Klage daraufhin auf insgesamt 9.000,00 € nebst Zinsen erhöht.
Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich des die E-Mail betreffenden Antrages mit der Begründung abgewiesen, der Kläger selbst habe ausdrücklich nicht ausgeschlossen, dass – wenn auch von einem Dritten – unter Verwendung seiner Adresse das Einverständnis erklärt worden sei. Wegen der Übersendung des Prospektmaterials ist die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 1.500,00 € verurteilt worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Dieser begehrt wegen der E-Mail-Versendung nunmehr eine Vertragsstrafe in Höhe von – nur noch – 3.000,00 € und meint, durch die Übersendung des Prospektmaterials sei eine Vertragsstrafe von insgesamt 3.000,00 € verwirkt.
Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung. Sie hat ergänzend vorgetragen, einen schriftlichen Antrag, den oder die „Sigi Sorglos“ per E-Mail mit Werbematerial zu versorgen, könne sie nicht vorlegen. Es bestehe auf ihrer Internetseite die Möglichkeit, eine entsprechende Anforderung durch Anklicken vorzunehmen. Sie gehe davon aus, dass auf diese Weise die Versendung der streitigen E-Mail bewirkt worden sei. Der zweite Verstoß beruhe darauf, dass in ihrer Versandabteilung versehentlich – und rechtsirrig – das versandte Prospektmaterial, das ein Angebot zum Neuabschluss eines Versicherungsvertrages zum Gegenstand gehabt habe, nicht als „Werbung“ angesehen worden sei.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat zu einem Teil auch Erfolg.
1.
Durch die Übersendung der E-Mail unter dem 01.07.2009 an die Adresse u@n.com hat die Beklagte gemäß §§ 339, 315 BGB eine Vertragsstrafe in Höhe von 500,00 € verwirkt.
a)Durch die Abgabe der Unterlassungserklärung und deren Annahme ist ein vertragsstrafebewehrter Unterlassungsvertrag zustande gekommen, nach dem es die Beklagte u. a. zu unterlassen hat, E-Mails mit Werbung an die beiden oben näher bezeichneten E-Mail-Adressen zu versenden. Gegen diesen Vertrag hat die Beklagte durch Übersendung der E-Mail vom 01.07.2009 verstoßen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die E-Mail, die mit dem „…….direkt“ Newsletter Werbung enthielt, von der Beklagten an die E-Mail-Adresse ……….verschickt worden ist.
Diese Übersendung wäre allerdings kein Vertragsverstoß, wenn der Kläger sie vorher selbst erbeten hätte. Der Senat hält es für gut möglich, dass der Kläger tatsächlich die Übersendung der E-Mail – zu Kontrollzwecken – selbst veranlasst hat. Hierfür sprechen insbesondere die Verwendung des als Fantasiename anzusehenden Namens „…..“, dessen Wahl auf das Problem hinreichender Kontrolle der Einhaltung der Vereinbarung hindeuten könnte, und der Umstand, dass ein Dritter, der die Übersendung von Werbematerial an eine für ihn fremde Mailadresse erbittet, auf diesem Wege selbst die Werbung nicht erhält. Völlig ausgeschlossen ist die Anforderung durch einen Dritten jedoch nicht, weswegen der Senat nicht von einem Einverständnis des Klägers, für dessen Vorliegen die Beklagte die Beweislast tragt, ausgehen kann.
Die Übersendung der E-Mail ist auch – wie es § 339 BGB voraussetzt – schuldhaft erfolgt. Der Beklagten oblag es, nachdem sie die Unterlassungserklärung abgegeben hatte, sicherzustellen, dass im Rahmen der Aussendung von Werbemails diese nicht (mehr) an die beiden Mailadressen versandt wurden, auf die sich der Unterlassungsvertrag bezieht. Das ist – wie die streitgegenständliche Mailübersendung zeigt – nicht geschehen.
Die Beklagte kann es nicht entlasten, dass der Kläger als – damaliger – Bestandskunde nicht vollständig aus dem System gelöscht werden konnte. Vielmehr musste sie nach Eingehung des Unterlassungsvertrages durch geeignete Maßnahmen (auch) sicherstellen, dass Werbeaussendungen, die – wie der Newsletter – für eine Vielzahl oder alle Bestandskunden vorgesehen waren, nicht auch an den Kläger ausgesandt wurden. Dass dies technisch möglich und auch nicht hinsichtlich des notwendigen Aufwandes unzumutbar war, steht außer Frage. Die Beklagte hatte den Kläger aus der Verteilerliste herauszunehmen.
Es entlastet die Beklagte auch nicht, dass ihre Internetseite die Möglichkeit eröffnete, anonym die Zusendung von Werbematerial per Mail zu erbitten. Eine derartige Bitte durch den Kläger hätte im diametralen Gegensatz zu der wenige Wochen zuvor getroffenen Vereinbarung gestanden. Sie hätte daher Anlass für die Beklagte sein müssen, bei dem Kläger rückzufragen, ob er tatsächlich nunmehr doch die Übersendung von Werbe-E-Mails wünsche. Das gilt umso mehr, als das von der Beklagten als mögliche Erklärung angeführte Anklicken des Übersendungswunsches auf ihrer Internetseite nicht unter dem Namen des Klägers, sondern unter der Bezeichnung „Sigi Sorglos“ erfolgt ist. Auch insoweit war es der Beklagten möglich und zumutbar, die geeigneten Vorkehrungen zu treffen. Hatte diese die beiden Mailadressen schon aus dem Verteiler für Newsletter herauszunehmen, so bestand ohne Weiteres auch die Möglichkeit, sicherzustellen, dass auf eine Neubestellung hin vor einer Versendung des Werbematerials die gebotene Rückfrage erfolgte.
b) Die Unterlassungsvereinbarung ist zu Ziffer 4 dahin zu verstehen, dass dem Kläger gemäß § 315 Abs. 1 BGB das Recht eingeräumt worden ist, die Höhe der im Einzelfall verwirkten Vertragsstrafe nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der Kläger, der vorprozessual 10.000,00 € und erstinstanzlich noch 6.000,00 € verlangt hat, macht nunmehr noch 3.000,00 € geltend. Auch dieser Betrag entspricht billigem Ermessen indes nicht, weswegen gem. § 315 Abs. 3 BGB die Bestimmung durch das Gericht getroffen wird. Die verwirkte Vertragsstrafe ist danach auf 500,00 € festzusetzen.
Die vereinbarte Vertragsstrafe hat das zweifache Ziel, die Erfüllung der Unterlassungsvereinbarung als Druckmittel zu sichern und dem Kläger zudem den Beweis des Eintritts eines etwaigen Schadens zu ersparen (vgl. näher Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 339 Rz. 1 m. w. N.). Diese Ziele werden mit der Festsetzung einer Vertragsstrafe in Höhe von 500,00 € erreicht.
Mit diesem Betrag ist zunächst der bei dem Kläger etwa eingetretene Schaden ausgeglichen: Der Schaden des Klägers ist immaterieller Natur und besteht darin, durch die unerwünschte E-Mail belästigt worden zu sein. Der Grad dieser Belästigung ist indes gering, weil die einzelne E-Mail ohne Weiteres als Werbe-E-Mail erkannt und mit einem „Klick“ gelöscht werden konnte. Es kommt hinzu, dass es sich um den ersten Verstoß gegen die Vereinbarung gehandelt hat. Es besteht auch kein Anlass, die zu schätzende Beeinträchtigung an denjenigen Beträgen zu orientieren, die bei wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen dem Mitbewerber als Schadensersatz zuzuerkennen sein können. Die Belästigung des Klägers durch eine einzelne E-Mail ist nicht gleichzusetzen mit der Beeinträchtigung, die einem Wettbewerber dadurch entstehen kann, dass der zur Unterlassung Verpflichtete vertragswidrig etwa an Verbraucher weiter Mails versendet und so die Chance auf Werbeerfolge begründet.
Auch zur Ausübung eines hinreichenden Drucks, zukünftig die Unterlassungsvereinbarung einzuhalten, ist der Betrag von 500,00 € ausreichend. Die Auffassung des Klägers, die Beklagte werde die Aufwendungen für eine Sicherstellung der Einhaltung des Verbotes scheuen und die Zahlung eines Betrages von 500,00 € in Kauf nehmen, teilt der Senat nicht. Die Beklagte weiß als im Geschäftsleben stehendes Unternehmen, dass für den Fall von weiteren Verstößen höhere Vertragsstrafen festzusetzen sein werden. Es trifft daher nicht zu, dass die Beklagte sich durch die Zahlung eines Betrages von „nur“ 500,00 € von der Einhaltung der Verpflichtung sozusagen „freikaufen“ könnte.
2.
Die Beklagte hat auch durch die Übersendung von Prospektmaterial im Dezember 2009 gegen die Unterlassungsvereinbarung, und zwar die dortige Verpflichtung, dem Kläger nicht unaufgefordert Werbepost zuzusenden (Ziffer 2), verstoßen. Die Beklagte, die gemäß § 278 BGB für ihre Mitarbeiter als Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, trifft insoweit – was sie selbst nicht in Abrede stellt – auch das für die Verwirkung einer Vertragsstrafe erforderliche Verschulden.
Bezüglich dieses Vorgangs ist die Berufung unbegründet, weil eine höhere Vertragsstrafe als der von dem Landgericht bereits zuerkannte Betrag von 1.500,00 € nicht verwirkt ist.
Der nach den vorstehend zu 1 b) dargestellten Grundsätzen bestehende doppelte Zweck der Vertragsstrafe wird mit dieser Zahlung erreicht. Dass dem Kläger kein höherer Schaden als 1.500,00 € entstanden ist, bedarf keiner Begründung. Der Betrag reicht aber auch aus, um die Beklagte voraussichtlich zu der Einhaltung auch dieser eingegangenen Verpflichtung anzuhalten: Es handelt sich zwar schon um den zweiten Verstoß, die Beklagte hat jedoch plausibel dargelegt, dass insofern ein getrennter, von anderen Mitarbeitern zu verantwortender Vorgang vorliegt, der nicht den Schluss darauf zulässt, dass die Beklagte etwa auch ungeachtet gegen sie eingeleiteter Verfahren nicht gewillt wäre, die Vereinbarung einzuhalten. Dass ein Mitarbeiter der Vertriebsabteilung der Beklagten das Übersenden eines Vertragsangebotes – irrig – nicht als Werbung angesehen hat, ist ein eigener Vorgang und stellt sich nicht als – hartnäckige – Fortsetzung des der Beklagten hinsichtlich der Versendung der E-Mail vorgeworfenen Verhaltens dar. Es kommt hinzu, dass die bereits zuerkannte Vertragsstrafe die dreifache Höhe dessen erreicht, was für den ersten Verstoß als angemessen anzusehen ist.
3.
Dem Kläger steht aus § 286 Abs. 1 BGB auch der Ersatz der vorprozessual entstanden Kosten für das anwaltliche Mahnschreiben vom 03.08.2009 zu. Er hatte zwar vorher bereits mit Schreiben vom 06.07.2009 persönlich das Senden der E-Mail beanstandet. Da damit indes eine konkrete Zahlung noch nicht gefordert war, stellen sich das Anwaltsschreiben vom 03.08.2009 als für die In-Verzug-Setzung der Beklagten notwendig und seine Kosten damit als ersatzfähig dar.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz derjenigen Anwaltskosten, die bei einer Geltendmachung des angemessenen Betrages von 500,00 € entstanden wären. Daraus ergibt sich folgende Abrechnung:
1,3 Geschäftsgebühr gemäß VV 2300 RVG 58,50 €
Pauschale Post- und Teledienstleistungen gemäß VV 7002 RVG (20 %) 11,70 €
Zwischensumme> 70,20 €
19 % Mehrwertsteuer gemäß VV 7008 RVG 13,34 €
gesamt: 83,54 €
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, wobei der Zinslauf hinsichtlich des Betrages von 583,54 € mit Rechtshängigkeit und damit nicht schon mit dem 17.08.2009, sondern erst mit dem 24.09.2009 beginnt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor. Der Senat hat höchstrichterlich gefestigte Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Einzelfall anzuwenden.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 4.500 €