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Werbefaxe – wettbewerbswidrig?

OBERLANDESGERICHT HAMM

AZ.: 4 U 22/90

Urteil vom 17.05.1990

Vorinstanz: LG Münster, AZ.: 22 0 198/89


In Sachen hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 1990 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie durch die Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 9. November 1989 verkündete Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Beide Parteien handeln mit Computern. Sie streiten darüber, ob die aus … erfolgte Übermittlung zweier Werbetelefaxe im Namen der Antragsgegnerin unter Angabe ihrer postalischen Firmenadressen sowie Telefon- und Telefaxanschlüsse an einen Kunden des Antragstellers (am 13. Oktober 1989) und an den Antragsteller selbst (am 29. Oktober 1989) wettbewerbswidrig ist. Ferner besteht darüber Streit, ob die Antragsgegnerin, die in Abrede stellt, Auftraggeberin oder Veranlasserin der fraglichen Werbetelefaxe zu sein, dafür verantwortlich ist.

Das Landgericht hat durch am 9. November 1989 verkündetes Urteil der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, es zu unterlassen, mittels Übermittlung durch Telefax unerbeten Werbeschreiben mit dem Inhalt der Werbung für eigene Handelswaren verbreiten zu lassen, ohne mit dem Empfänger in irgendwelchen geschäftlichen Kontakten zu stehen – wie geschehen am 29. Oktober 1989 über den Fax-Anschluß 43-XXXXXX einer … in … .

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiter verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Antragesgegnerin.

Sie will unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Zurückweisung des Verfügungsantrages erreichen.

Wegen des Vorbringes der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

1 .

Die von der Antragsgegnerin gegen das erstinstanzliche Verfahren erhobenen Bedenken spielen in der Berufungsinstanz keine Rolle. Ob ein Verfahrensfehler darin liegt, dass das Landgericht seiner Entscheidung den mit Schriftsatz von 03.11.1989 – also nach Anbringung des Verfügungsantrages – nachgetragenen Sachverhalt (Übermittlung eines Telefax an den Antragsteller selbst) zugrundegelegt hat, obwohl den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin dieser Schriftsatz nicht zugegangen war, ist schon angesichts der vor der Anzeige anwaltlicher Vertretung veranlassten förmlichen Zustellung dieses Schriftsatzes an die Antragsgegnerin selbst und auch mit Blick auf § 295 ZPO, nachdem dazu mündlich verhandelt worden ist, zweifelhaft; indes bedarf diese Frage keiner abschließender Diskussionen.

Denn eine Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache aus diesem Grunde scheidet zumal im Eilverfahren ohnehin aus; dann aber hat ein derartiger Verfahrensfehler auch keine kostenrechtliche Relevanz.

Im übrigen rechtfertigt auch schon der mit dem Verfügungsantrag unterbreitete Sachverhalt den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung, so dass es auf den nachgeschobenen Fall (Telefax an den Antragsteller selbst) nicht entscheidend ankommt.

2.

Die – wie hier erfolgte – Telefaxwerbung, die sich die Antragsgegnerin zurechnen lassen muss, verstößt gegen § 1 UWG.

Ein Verhalten in Wettbewerb verstößt nicht nur dann gegen die guten Sitten, wenn es dem Anstandsgefühl der redlichen und verständigen Mitbewerber des betreffenden Gewerbezweiges widerspricht, sondern auch dann, wenn die fragliche wettbewerbliche Maßnahme von der Allgemeinheit, insbesondere von dem durch die Werbemaßnahme angesprochenen Verkehrskreisen missbilligt und als untragbar angesehen wird; denn § 1 UWG will nicht nur die Mitbewerber vor unlauterem Wettbewerb schützen, sondern auch die Allgemeinheit vor Auswüchsen des Wettbewerbs bewahren (BGHZ 59, 317 = NJW 1973, 42 – Telex-Werbung; GRUR 1989, 753 = WRP 90, 169 , Telefonwerbung II; GRUR 1990, 280 = WRP 1990, 288 – Telefonwerbung III).

Als Fall der in diesem Sinne unzulässigen Werbung wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen (BGHZ 54, 188 = NJW 1970, 1738 – Telefonwerbung I; aaO – Telefonwerbung II; aaO – Telefonwerbung III) und auch die Telex-Werbung (BGH aaO) angesehen (vgl. zur Werbung im BTX-Mitteilungsdienst (BGHZ 103, 203 = GRUR 1988, 614 = Betriebsberater 1988, 787).

Ob die Erwägungen, die zum Verbot der Telefonwerbung geführt haben, sich auf den vorliegenden Fall der Telefaxwerbung übertragen lassen, mag zweifelhaft sein, weil hier nicht die Privatsphäre der Adressaten betroffen wird (vgl. dazu BGH aaO – Telefonwerbung I sowie BTX-Werbung); das kann hier aber auch dahinstehen.

Denn die Telefaxwerbung ist jedenfalls aus den Gründen des Verbots der Telex-Werbung als wettbewerbswidrig zu qualifizieren. Zwischen der Übermittlung eines Telefax und einer solchen durch Telex bestehen zwar technische Unterschiede, auch ist das äußere Erscheinungsbild des Telefax anders als bei der vorgenannten Fernübertragungsmöglichkeit, der Sache nach entspricht das Telefax jedoch als alternative Übermittlungsform derjenigen durch Telex. Deshalb gilt entsprechend das, was der Bundesgerichtshof zur Telexwerbung (aaO) bereits ausgeführt hat:

Wer sich dem Telefaxnetz anschließt, tut dies, um den bei ihn anfallenden Schriftverkehr zu rationalisieren, seine Geschäftspartner schnell und zuverlässig erreichen zu können und für an ihn selbst gerichtete Mitteilungen schnell erreichbar zu sein, ohne – wie beim Telefonverkehr – auf einen schriftlichen Beleg über die jeweilige Mitteilung verzichten zu müssen. Da die Telefaxanlage zur gleichen Zeit nur jeweils ein Schreiben empfangen oder absenden kann, hat der Anschlussinhaber ein berechtigtes Interesse daran, die Anlage von jeder Inanspruchnahme freizuhalten, die deren bestimmungsgemäße Funktion beeinträchtigt.

Die Grenzen der zumutbaren Inanspruchnahme mögen im Einzelfall nicht leicht zu ziehen sein. Keinesfalls kann jedoch davon ausgegangen werden, der Inhaber eines Telefaxanschlusses sei schlechthin damit einverstanden, dass ihm über das Telefaxgerät Werbeschreiben jedweder Art übermittelt werden. Gegen ein generelles Einverständnis spricht nicht nur die Beeinträchtigung durch die mit der Durchgabe von Werbeschreiben bedingte zeitweilige Blockierung der Anlage. Eine ebenso empfindliche Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebes des Empfängers kann sich nach Durchgabe des Werbeschreibens ergeben.

Dort muss es nämlich im Einzelfall daraufhin durchgesehen werden, ob es sich um Werbung oder um eigentliche Geschäftspost handelt, was im Einzelfall unterschiedlichen Zeitaufwand erfordert. Nun bedingt allerdings auch die Briefwerbung – soweit zulässig – Arbeits- und Zeitaufwand, um aus der eigentlichen Geschäftspost aussortiert zu werden. Damit kann jedoch die Zulässigkeit der Telefaxwerbung nicht gerechtfertigt werden. Insoweit ist zu bedenken, dass das Telefaxgerät schon aus Gründen der Praktikabilität erfahrungsgemäß enger in den büromäßigen Geschäftsbetrieb eingebunden ist als eine Posteingangsstelle, so dass an sich für den Posteingang sonst unzuständige Mitarbeiter damit befasst und belastet werden. Hinzukommt, dass – anders als der zu bestimmten festen Zeiten regelmäßig erfolgende Posteingang – die Telefaxübermittlung zu beliebigen Bürozeiten erfo1gen kann und damit zu einer ständigen Quelle der Arbeitsunterbrechung wird, was sich auf den Arbeitsablauf störend auswirken kann, zumal wenn die Beschäftigung der Mitarbeiter mit Werbung nicht zu deren Arbeits- und Aufgabenbereich gehört.

Ob und inwieweit der Telefax-Teilnehmer solche Beeinträchtigungen in Kauf zu nehmen bereit ist, wird von dem Grad des Interesses bestimmt, dass er der jeweiligen Werbung entgegen bringt. Sein Interesse an der Werbung überhaupt wird nicht vornherein auszuschließen sein, wenn es sich um ein sachbezogenes Werbeschreiben handelt, das heißt die Werbung das Angebot einer Ware oder Leistung zum Gegenstand hat, für die beim Adressaten ein Bedürfnis besteht oder doch aufgrund sachlicher Erwägungen vermutet werden kann (BGH aaO – Telex-Werbung). Das mag mit Blick auf das an den Kunden des Antragstellers gerichtete Telefax noch relativ unproblematisch sein; Bedenken bestehen aber, soweit es den Antragsteller selbst betrifft. Die Konsequenz dessen bedarf an dieser Stelle keiner abschließenden Erörterung und Entscheidung, weil bei der Frage nach der Zulässigkeit der streitigen Werbung neben der Sachbezogenheit auch darauf abzustellen ist, ob ein sachlicher, in der Interessensphäre des Adressaten liegender Grund besteht, das Angebot über Fernschreiben zu übermitteln (vgl. BGH aaO Telex-Werbung).

Das ist hier bei der Übermittlung eines Computerangebotes nicht der Fall, denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum das Angebot per Telefax an den Empfänger übermittelt werden muss. Die Telefaxanlage dient dem erleichterten Informationsaustausch; dagegen gehört die Überlegung der Anschaffung bürotechnischer Ausstattung in den Bereich der langfristen und durchdachten Planung, für die die Schnelligkeit der Übermittlung von Angeboten keine Rolle spielt und die deshalb im Wege der normalen Briefpost erwartet werden darf.

Schließlich gilt, dass eine Werbeart auch dann als unlauter zu qualifizieren ist, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich trägt und deshalb zu einer untragbaren Belästigung und zu einer Verwilderung der Wettbewerbssitten führt (BGH aaO – BTX-Werbung mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Dazu hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat herausgestellt, dass Telefaxwerbung im allgemeinen zum Teil sogar schon computergesteuert erfolgt, was eine Ausweitung der Werbeform insgesamt nahe legt. Im vorliegenden Verfügungsverfahren geht der Senat deshalb davon aus, dass die angegriffene Werbemethode – würde sie als zulässig angesehen – rasch auch von anderen Unternehmen aufgegriffen würde, um schon aus Gründen des Wettbewerbs mithalten zu können. Die Gefahr einer unerträglichen Belastung und Belästigung der Telefaxteilnehmer liegt daher nahe.

Eine Ausweitung dieser Werbemethode würde nicht nur eine ständig wachsende Blockierung der Anlagen und bei den an das Telefaxnetz angeschlossenen Firmen eine zunehmende Beeinträchtigung des Arbeitsablaufes mit sich bringen, sondern auch zu einer nicht zumutbaren Kostenbelastung der Telefaxteilnehmer führen. So könnten die Kosten für aufzuwendendes Material (Papier und Farbflüssigkeit) bei Ausweitung der Werbemethode durchaus ins Gesicht fallen. Erschwerend ist ferner zu berücksichtigen, dass die Auslastung des Telefaxgerätes durch Werbeschreiben den Benutzer der Anlage daran hindert, diese sachgerecht für eigene Zwecke einsetzen zu können.

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Hiernach erweist sich die Telefaxwerbung – ohne, dass es auf den Fall der Übermittlung des Telefax an den Antragsteller selbst ankommt – gemäß § 1 UWG wettbewerbswidrig.

3.

Die Antragsgegnerin kann sich der Verantwortlichkeit für die beanstandete Werbung nicht mit der Erklärung entziehen, sie habe die Übermittlung des Telefax nicht veranlasst und sei auch an dem Sendegerät nicht irgendwie beteiligt. Störer ist auch, wer fremdes wettbewerbswidriges Verhalten für sich ausnutzt und/oder von der Möglichkeit, den Dritten an der ihm günstigen Störungshandlung zu hindern, keinen Gebrauch macht (vgl. dazu Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 15. Aufl., Einleitung UWG Rn. 303 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Im vorliegenden Fall ist die Werbung der Antragsgegnerin förderlich, sie kommt mithin ihrem Geschäftsbetrieb zugute. Dass die Antragsgegnerin geschäftliche Kontakte aufgrund der hier umstrittenen Werbung ablehnt, ist schon nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen, das wird von ihr auch selbst nicht ins Feld geführt. Die Antragsgegnerin hat auch nichts dafür dargetan, dass sie sich gegen die ihr nützliche Werbung verwahrt und/oder deren Einstellung zu erreichen versucht. Es ist nicht einmal ersichtlich, ob sie sich überhaupt darum gekümmert hat, der angeblichen Fremdwerbung auf den Grund zu gehen. Unter diesen Umständen ist die Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin in so hohem Maß wahrscheinlich, dass sie im vor liegenden einstweiligen Verfügungsverfahren angenommen werden muss.

4.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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