LG Berlin
Az.: 63 T 198/12
Beschluss vom 29.11.2012
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 11. September 2012 – 6 C 271/12 – wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe einer von der Rechtsvorgängerin der Klägerin an die Beklagten überlassenen Wohnung, in der die Beklagten einer entlohnten Hauswartstätigkeit nachgegangen sind. Das Amtsgericht hat den Rechtsweg zu den Zivilgerichten im angefochtenen Beschluss für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, der das Amtsgericht nicht abgeholfen und die es der Kammer zur Entscheidung vorgelegt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 567 ff. ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den beschrittenen Rechtsweg zu den Zivilgerichten gemäß § 17 a Abs. 2 GVG zutreffend für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, Abs. 3 ArbGG ausschließlich zuständige Arbeitsgericht Berlin verwiesen. Dagegen vermag die Beschwerde nichts zu erinnern.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage Ansprüche, für die eine ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet ist.
Soweit sie Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung von der Beklagten zu 1) begehrt, folgt die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Danach sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1) erfüllt.
Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass der gegenüber der Beklagten zu 1) geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht aus einem Mietverhältnis über Wohnraum (§ 23 Nr. 2 a GVG), sondern aus einem Arbeitsverhältnis herrührt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG). Denn die Klägerin begehrt die die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründende Räumung und Herausgabe einer Werkdienstwohnung.
Für die Abgrenzung von Werkdienstwohnungen (§ 576 b BGB) und Werkmietwohnungen (§ 576 BGB) kommt es nicht auf die Bezeichnung der Parteien oder deren rechtliche Beurteilung, sondern auf den materiellen Gehalt des Vereinbarten an, der durch Auslegung des Vertrags gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Diese hat zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis geführt.
Kennzeichnend für eine in die Zuständigkeit der Amtsgerichte fallende Werkmietwohnung ist, dass sie „mit Rücksicht auf das Bestehen eines Dienstverhältnisses vermietet“ wird (§ 576 Abs. 1 BGB). Dabei wird neben dem Arbeitsvertrag ein Mietvertrag abgeschlossen. Demgegenüber ist die Werkdienstwohnung unmittelbarer Bestandteil des Arbeitsvertrages und regelmäßig Teil der Vergütung; es liegt kein selbstständiger Mietvertrag vor, § 576 b Abs. 1 BGB (BAG, Beschl. v. 28. November 2007 – 5 AZB 44/07, NJW 2008, 1020; v. 2. November 1999 – 5 AZB 18/99 – AP § 2 ArbGG 1979 Nr. 68; v. 28. Juli 1992 – 1 ABR 22/02 – AP § 87 BetrVG Werkmietwohnungen Nr. 7; v. 23. August 1989 – 5 AZR 569/99, AP § 565e BGB Nr. 3; LAG Köln, Beschl. v. 4. März 2008 – 11 Sa 582/07, ZMR 2008, 963) .
Gemessen daran hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Beklagten zu 1) keinen eigenständigen Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung geschlossen. Die entgeltliche Überlassung erfolgte vielmehr im Rahmen des zwischen den Parteien am 11. April 2000 schriftlich geschlossenen „Hauswart-Dienstvertrages“. Weder haben die damaligen Vertragsparteien eine vom Dienstvertrag unabhängige Vereinbarung über die Wohnung getroffen, noch haben sie sonstwie zu erkennen gegeben, dass sie die Überlassung der Wohnung abweichend vom bereits geschlossenen Dienstvertrag einer gesonderten – allein mietrechtlich zu beurteilenden – Regelung unterwerfen wollten. Hinzu tritt, dass in § 6 des „Hauswart-Dienstvertrages“ die Wohnung ausdrücklich als „Dienstwohnung“ und nicht als „Mietwohnung“ bezeichnet wird. Auch dies spricht für den Willen der Parteien, die Überlassung einer Werkdienst-, nicht hingegen die einer Werkmietwohnung zum Gegenstand ihrer vertraglichen Regelungen zu machen (Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 576 b Rz. 8).
Schließlich haben die Vertragsparteien in § 6 des „Hauswart-Dienstvertrages“ auch eine Verrechnung des an die Beklagten für ihre Hauswartstätigkeit zu entrichtenden Nettolohnes mit dem zu entrichtenden Mietzins vereinbart. Zwar hat eine entsprechende Verrechnungsabrede für die Auslegung des Vertrages nur untergeordnete Bedeutung (Blank, a.a.O.); in der Zusammenschau mit den vorgenannten übrigen für eine Werkdienstwohnung sprechenden Umständen indes gebietet auch sie eine Auslegung dahingehend, dass es sich bei der überlassenen Wohnung um eine Werkdienstwohnung handelt.
Eine davon abweichende Beurteilung wäre nur in Betracht zu ziehen gewesen, wenn zeitgleich zum „Hauswart-Dienstvertrag“ oder in dessen Nachgang ein weitere gesonderte mietvertragliche Vereinbarung über die streitgegenständliche Wohnung getroffen worden wäre. Daran indes fehlt es. Denn der zu den Akten gereichte Wohnraummietvertrag vom 5. April 2000 ist lediglich von der Rechtsvorgängerin der Klägerin, nicht hingegen von den Beklagten unterzeichnet. Nichts anderes folgt aus dem allein mit der Beklagten zu 1) geschlossenen weiteren „Hauswart-Dienstvertrag“ vom 30. April 2003, da sich auch diesem im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB eine von der Ursprungsvereinbarung abweichende Überlassung einer Werkmietwohnung nicht entnehmen lässt. Soweit sich die Klage gegen den Beklagten zu 2) richtet, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ob dieser vor dem Hintergrund des allein mit der Beklagten zu 1) geschlossenen „Hauswart-Dienstvertrages“ vom 30. April 2003 – noch – Arbeitnehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG ist. Denn eine ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich insoweit zumindest aus § 2 Abs. 3 ArbGG. Danach können vor die Gerichte für Arbeitssachen auch nicht unter die Absätze 1 und 2 fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. Die Voraussetzungen für eine sog. „Zusammenhangsklage“ sind vorliegend erfüllt. Denn die dem Beklagten zu 2) gegenüber erhobene Herausgabeklage wird auf § 985 BGB und damit einen Anspruch gestützt, der keine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet. Sie steht auch in einem – für eine Anwendung des § 2 Abs. 3 ArbGG hinreichenden – wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gegenüber der Beklagten zu 1) erhobenen Räumungsklage (vgl. Koch in: Erfurter Kommentar, 13. Aufl. 2013, § 2 ArbGG Rz. 33).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewertes, den die Kammer mit 1/3 des Hauptsachenstreitwertes bemessen hat, auf § 3 ZPO (vgl. Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 17 a GVG).
Gründe, die Beschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zuzulassen, bestanden nicht.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf bis 1.200,00 EUR.