LG Karlsruhe
Az: 1 S 172/02
Urteil vom: 19.02.2003
In dem Rechtsstreit wegen Forderung hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze berücksichtigt wurden, die bis zum 05.02.2003 bei Gericht eingegangen waren, für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird .das Urteil des Amtsgerichts Bruchsal vom 21.08.2002 – 3 C 265/01 – abgeändert:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von der (restlichen) Mietwagenforderung der Firma xx, Rechnungs-Nr. xx vom 04.05.2001 in Höhe von 1.246,99 EUR (= 2.438,90 DM) freizustellen.
2. Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz trägt die Klägerin 34%, die Beklagten tragen 66%. Die durch die Säumnis der Beklagten seit dem Verhandlungstermin vom 09.10.2001 veranlassten Mehrkosten tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e:
Die – zulässige – Berufung ist begründet.
1.
Die Kammer nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen der angegriffenen Entscheidung, soweit nicht nachfolgend Änderungen oder Ergänzungen dargestellt sind (§ 540 Abs. 1 ZPO).
2.
Das Amtsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt, dass der zuletzt gestellte Klageantrag auf Freistellung von den Mietwagenkosten nicht begründet sei. Es bestehe zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Freistellung von der Forderung der Mietwagenfirma, soweit diese berechtigt sei und der Schädiger gegenüber dem Geschädigten zu einem Schadensausgleich verpflichtet sei. Der Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Firma xx sei jedoch wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig, so dass lediglich ein Bereicherungsanspruch der Firma xx gegen die Klägerin gegeben sei, der durch die bereits geleistete Zahlung auf die Mietwagenkosten erfüllt sei. Die Firma xx habe durch ihre über die vertragliche geschuldeten Leistungen hinausgehende Hilfe bei der Unfallschadensregulierung gegen Artikel 1 § 1 RBerG verstoßen. Dieser Verstoß führe zur Nichtigkeit gemäß § 134 BGB. Nach der herrschenden Rechtsprechung liege bei der Unfallhilfe ein Verstoß gegen Artikel 1 § 1 RBerG vor, wenn die Unfallhilfe die Entlastung des Geschädigten von der gesamten, auch rechtlichen Schadensabwicklung bezwecke. Die Information der Klägerin durch die Firma xx und deren Zusammenwirken mit den klägerischen Prozessbevollmächtigten und dem Sachverständigen sei darauf gerichtet gewesen, der Geschädigten die Schadensabwicklung und hierbei auch die rechtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche im Wesentlichen abzunehmen. Die Firma xx habe damit nicht nur rechtliche Angelegenheiten, die mit ihrem Gewerbebetrieb im unmittelbarem Zusammenhang gestanden hätten, erledigt, sondern fremde Rechtsangelegenheiten besorgt. Für die Annahme eines derartigen Verstoßes reiche bereits die Beauftragung des Gutachters durch die Firma xx, weil die eigenständige Begründung von Vertragsverhältnissen zu Gunsten eines Dritten stets die Besorgung von dessen Rechtsangelegenheiten darstelle und jedenfalls die Beauftragung eines Gutachters eine Beziehung begründe, die wesentlich auch von Vertrauen geprägt sei und demgemäss eine entschieden rechtliche Ausgestaltung verlange.
Die Kammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung.
3.
Auf das Berufungsvorbringen war einen Abänderung des Urteils geboten.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der zwischen der Klägerin und der Firma xx angeschlossene Mietvertrag nicht wegen eines Verstoßes gegen Artikel 1 § 1 RBerG nichtig. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW, 2000, 2108 ff.) liegt eine – erlaubnispflichtige – Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinn des Artikel 1 § 1 RBerG vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung ist, weil eine Besorgung fremder Geschäfte außer mit wirtschaftlichen Belangen vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist, auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen. Es ist danach zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann in Anbetracht der Tatsache, dass nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und kaum eine wirtschaftliche Betätigung ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Es bedarf vielmehr einer abwägenden Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich hierbei um Rechtsbesorgung handelt oder ob es um eine Tätigkeit geht, welche von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann, ohne dass die Qualität der Dienstleistung oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beeinträchtigt werden. Würde jede eigenständige Begründung von Vertragsverhältnissen für Drifte, die sich nicht – wie bei den Bargeschäften des täglichen Lebens – im einmaligen sofortigen Leistungsaustausch erschöpft oder die sonst unerhebliches Gewicht hat, als erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten angesehen, so wären weite Bereiche des stellvertretenden Handelns, mit dem seit jeher und anstandslos erlaubnisfrei Geschäften des Vertretenen besorgt werden, durch das Rechtsberatungsgesetz blockiert. Das entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Maßgebend ist, ob der Auftraggeber eine besondere rechtliche Prüfung von Geschäftsinhalt oder Geschäftsrisiken ausdrücklich wünscht oder zumindest erkennbar erwartet. Ist beim Abschluss von Verträgen für Dritte eine besondere rechtliche Prüfung weder verkehrsüblich noch im Einzelfall offensichtlich geboten oder vom Auftraggeber ausdrücklich gewünscht, so entbehrt die Geschäftsbesorgung in der Regel der Besonderheiten einer Rechtsbesorgung.
Unter Heranziehung dieser Gesichtspunkte kann im vorliegenden Fall nicht von einer unerlaubten Rechtsbesorgung durch die Firma xx ausgegangen werden. Im Gegensatz zu dem im Rahmen unerlaubter Unfallhilfe regelmäßig auftretenden Sachverhalt, dass der Geschädigte Schadensersatzforderungen an die Unfallhelfer abtritt, und diese von diesen für ihn geltend gemacht werden, hat sich die Tätigkeit der Firma xx im vorliegenden Fall darauf beschränkt, der Klägerin ein Mietfahrzeug zu vermieten ihr auf ihren ausdrücklichen Wunsch einen Rechtsanwalt zu empfehlen, bei diesem eine Prozessvollmacht per Fax anzufordern, die, nach dem Ausfüllen durch die Klägerin, an diesen zurückgefaxt wurde, ihr beim Ausfüllen des Unfallberichtes behilflich zu sein, einen Sachverständigen zu beauftragen und das Fahrzeug zu reparieren. Damit hat die Firma xx zwar einen großen Bereich notwendiger Tätigkeiten im Anschluss an einen Verkehrsunfall für die Geschädigte übernommen, doch handelte es sich dabei stets um Tätigkeiten, bei denen nicht die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund stand und es auch nicht um die Klärung rechtlicher Verhältnisse ging. Die Bereitstellung von Büromaterial, Schreibkraft, Telefon und Fax ist eine rein tatsächliche Hilfeleistung, ebenso wie die Empfehlung eines Rechtsanwaltes auf den ausdrücklichen Wunsch eines Kunden. Auch die Beauftragung eines Sachverständigen erfordert im Regelfall bei einem Verkehrsunfall zur Schadensschätzung keine besondere rechtliche Prüfung, eine solche wird auch von Auftraggeber üblicherweise nicht erwartet, so dass auch hierin eine Rechtsbesorgung nicht gesehen werden kann. Ein kollusives Zusammenwirken zwischen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Firma xx zum Nachteil der Klägerin ist weder dargetan noch ersichtlich. Dass die weitere Regulierung des Verkehrsunfallschadens für die Klägerin seitens ihres späteren Prozessbevollmächtigten erfolgte, ist Kern seiner Mandatierung und führt nicht zu einer Nichtigkeit des Mietvertrages, dessen Tätigkeit kann auch der Firma xx nicht als eigene zugerechnet werden.
Da die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges nach einem Verkehrunfall regelmäßig in einem so frühen Stadium erfolgt, dass die Geschädigten einen Anwalt noch gar nicht eingeschaltet haben, hätte auch ein im Sinne des amtsgerichtlichen Urteils „neutraler“ Rechtsanwalt den möglichen Interessenkonflikt zwischen der Geschädigten und dem Vermieter nicht verhindern können. Dass bei der späteren Feststellung eines möglichen Interessenkonfliktes zwischen der Geschädigten und dem Mietwagenunternehmen der Rechtsanwalt nur die Interessen des Geschädigten wahrnehmen darf, ist ein Sachverhalt, der dem Regime des anwaltlichen Berufsrechtes unterliegt, jedoch nicht über die Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes zu verhindern ist.
Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass sich der klägerische Anspruch auf Ersatz des unfallbedingt entstandenen Schadens aus den §§ 7, 17, 18 StVG, § 3 Pflichtversicherungsgesetz ergibt, der Umfang des Schadensersatzanspruches richtet sich nach § 249 Satz 2 BGB. Hiernach darf der Geschädigte vom Schädiger den Geldbetrag verlangen, der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, wie er ohne das schädigende Ereignis bestanden haben würde. Die Herstellung umfasst auch die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges, sofern der Geschädigte hierzu zum Ausgleich des Nutzungsausfalls infolge des schädigenden Ereignisses befugt war. Wenn, wie hier, die Mietwagenrechnung noch nicht bezahlt ist, besteht auch ein Anspruch auf Freistellung von der Forderung der Mietwagenfirma, soweit diese berechtigt ist und der Schädiger gegenüber dem Geschädigten zu einem Schadensausgleich verpflichtet ist.
Zwischen der Klägerin und der Firma xx war wirksam ein Mietvertrag über die Anmietung des Ersatzfahrzeuges zustande gekommen. Auch wenn in der schriftlichen Fassung des Mietvertrages die Miethöhe nicht festgehalten war, ist der Vertrag nicht wegen eines offenen Einigungsmangels nichtig, da für das Zustandekommen eines Mietvertrages, die Einigung über eine entgeltliche Überlassung genügt, auch wenn deren Höhe nicht vereinbart ist (vgl. Palandt, BGB, 62. Auflage, § 535 Randziffer 74 m.w.N.). Die Entgeltlichkeit ergibt sich aus den Ausführungen im Mietvertrag, wonach der Mietpreis aus einer Grundgebühr und einer Gebühr für jeden gefahrenen Kilometer besteht. Allerdings war nicht, wie im Formular vorgesehen, die Höhe nebenstehend angegeben worden. Da die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht jedoch äußerte, dass über Mietpreise gesprochen worden sei, kann an einer entgeltlichen Überlassung des Fahrzeuges nicht gezweifelt werden.
Nach der Anhörung der Klägerin steht darüber hinaus fest, dass der Mietvertrag zu dem von der Firma xx angebotenen Unfallersatztarif der Gruppe 2 zustande gekommen ist. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung nämlich angegeben, dass über Preise gesprochen worden sei, es sei ihr nicht aufgefallen, dass diese im Vertrag nicht festgehalten worden seien, es sei ihr lediglich darauf angekommen, so schnell wie möglich einen Mietwagen zur Verfügung zu haben, da sie sich auf dem Weg zum Büro befunden habe und noch in der Probezeit gewesen sei. Sie sei der Auffassung gewesen, an dem Unfall unschuldig gewesen zu sein. Dies spricht dafür, dass die Klägerin mit Unterzeichnung des Mietvertrages konkludent in den Unfallersatztarif der Firma einwilligte, da es ihr auf die Höhe der Miete sowohl wegen der Dringlichkeit des Anliegens als auch auf Grund der Überzeugung, dafür letztendlich nicht einstehen zu müssen, nicht ankam. Aber auch wenn man wegen des Fehlens einer ausdrücklichen Vereinbarung zur Höhe des Mietzinses davon ausgeht, dass damit ein angemessener oder ortsüblicher Mietzins vereinbart worden ist (vgl. BGH NJW 02, 3016 <3018>), führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Ortsüblich ist nach Kenntnis der Kammer im Gerichtsbezirk beim Unfall-Ersatzwagen-Geschäft, dass unfallgeschädigten Verkehrsteilnehmern allein der Unfallersatztarif angeboten wird. Mit der Vorlage von Vergleichspreisen aus den Unfallersatztarifen sechs anderer örtlicher Anbieter hat die Klägerin auch nachgewiesen, dass der geforderte Tarif der Firma xx sich im Bereich der üblichen Tarife bewegt und damit angemessen ist. Die in Rechnung gestellten Mietwagenkosten der Firma xx betrugen 4.529,80 DM. Die Klägerin hat durch die Vorlage von Vergleichspreisen von weiteren 6 Mietwagenfirmen in Karlsruhe und dessen Umgebung belegt, dass bei einer Anmietung dort der Mietwagenpreis zwischen 4.145,14 DM und 4.617,96 DM geschwankt habe. Der in Rechnung gestellte Preis bildet demnach das vertraglich geschuldete Entgelt.
Der Klägerin steht damit ein Freistellungsanspruch in der von ihr begehrten Höhe zu. Es kann der Klägerin nicht entgegengehalten werden, dass sie vor Abschluss des Mietvertrages nicht mindestens 2 Vergleichsangebote eingeholt hat, um die Angemessenheit des vorgeschlagenen Tarifes zu überprüfen, da sich ein etwaiger Verstoß gegen Erkundigungspflichten nicht ausgewirkt hätte.
Auch die Dauer der Anmietung von 22 Tagen ist nicht zu beanstanden. Nach dem vorliegenden Sachverständigengutachten schätzte der Sachverständige die Reparaturdauer auf 12-14 Arbeitstage. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass nach dem Unfall am 05.04.2001 – einem Donnerstag – auf Grund der Wochenenden, der Feiertage – Karfreitag und Ostermontag – der 14. Arbeitstag, ausgehend von einem Reparaturbeginn am Unfalltag, am 26.04.2001 lag, dem Tag der Rückgabe des Mietwagens.
Die Klägerin hat in ihre Berechnung bereits einen Abzug von ersparten Eigenaufwendungen in Höhe von 10% der Mietwagenkosten eingestellt. Nachdem die Kammer in ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit dem OLG Karlsruhe den Abzugsbetrag gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 5% schätzt (vgl. Urteil vom 20.02.2002 – 1 S 140/01; Urteil vom 11.09.2002 – 1 S 54/02 -), führte auch die Berücksichtigung der Vorteilsausgleichung nicht zu einer Reduzierung des Betrages.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91, 91 a, 269, 344 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
Es lagen keine Gründe vor, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.