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Werkunternehmerhaftung für unzulängliche Oldtimersicherung

Versicherung fordert Regress: Werkstatt haftet für gestohlenen Oldtimer.

Eine Kaskoversicherung verlangt von einer Werkstatt Schadensersatz für einen gestohlenen Oldtimer. Die Werkstatt hatte das Fahrzeug unverschlossen in einer Halle aufbewahrt, die lediglich durch ein Vorhängeschloss gesichert war. Unbekannte Täter brachen das Schloss auf und stahlen das Auto. Die Versicherung argumentiert, dass die Werkstatt ihre Obhutspflicht verletzt hat und verlangt die Regulierung des Schadens in Höhe von 87.850 Euro.

Die Werkstatt weist die Vorwürfe zurück und argumentiert, dass die Halle ausreichend gegen unbefugten Zutritt und Diebstahl gesichert gewesen sei. Außerdem sei es gängige Praxis, Oldtimer unverschlossen aufzubewahren, da dies Brandschutzauflagen erforderten. Die Zündschlüssel wurden nach Aussage des Beklagten in einem getrennten Büro aufbewahrt, um jederzeit auf die Fahrzeuge zugreifen zu können.

Das Landgericht Aachen muss nun entscheiden, ob die Werkstatt ihre Obhutspflichten verletzt hat und für den gestohlenen Oldtimer haften muss. Der Beklagte beruft sich außerdem auf Verjährung und bezweifelt die von der Versicherung angegebene Schadenshöhe. Das Verfahren wurde vom Mahngericht an das Landgericht übergeben.

Die Klägerin hat in ihrem Prozess gegen den Beklagten weitgehend Erfolg gehabt. Sie erhält den Hauptanspruch in Höhe von 80.000 Euro sowie die zugehörigen Nebenforderungen. Die Klage gründet sich auf einen Zahlungsanspruch aus übergegangenem Recht, der auf einer Pflichtverletzung des Beklagten beruht. Der Beklagte hat gegenüber dem Versicherungsnehmer der Klägerin, der sein Fahrzeug zur Reparatur abgegeben hatte, seine Obhutspflicht verletzt. Der Werkstattbetreiber hatte das Fahrzeug nicht verschlossen, so dass es gestohlen wurde. Das Gericht sah keine ausreichende Entschuldigung für diese Nachlässigkeit. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.


LG Aachen – Az.: 12 O 248/21 – Urteil vom 01.06.2022

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 80.000,00 EUR sowie weitere 2.161,54 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.12.2020, sowie weitere 28,62 EUR zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Regressansprüche für die Inanspruchnahme der Klägerin als Versicherung zur Regulierung eines Kfz-Schadenfalls aus übergegangenem Recht.

Werkunternehmerhaftung für unzulängliche Oldtimersicherung
(Symbolfoto: jakkapan/Shutterstock.com)

Die Klägerin ist Kaskoversicherer. Bei ihr war ein Oldtimer der Marke BMW, Typ 3200 CS Bertone, Coupé, Baujahr 1964, amtliches Kennzeichen SI-…, FIN: WDB76276, ihres Versicherungsnehmers Herr X aus Kreuztal diebstahlversichert. Die Beklagte betrieb eine Werkstatt zur Reparatur und Restauration von Kraftfahrzeugen in der S in I . Bei den eingelieferten Fahrzeugen handelte es sich in vielen Fällen um Oldtimer. Die zum Werksbetrieb zugehörige Werkshalle besaß ein Rolltor, welches außerhalb der Geschäftszeiten durch ein Vorhängeschloss gesichert wurde. Um die Werkshalle herum befand sich außerdem eine etwa 2 Meter hohe verschlossene Grundstückumzäunung. Die in der Werkshalle aufbewahrten Fahrzeuge wurden nach ständiger Praxis des Beklagten unverschlossen auch außerhalb der Geschäftszeiten abgestellt. Die zugehörigen Zündschlüssel wurden in einem Werkstattbüro, welches sich getrennt durch einen Flur im selben Gebäude der Werkshalle befand, an einem Schlüsselbrett aufgehängt.

Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde zu Reparaturzwecken am Motor am 6.12.2017 bei der Beklagten eingeliefert. Die Prognose zum Reparaturzeitraum betraf etwa acht bis vierzehn Tage. Es erfolgte eine teilweise Demontage des Motors, insbesondere einer solchen des Luftfilters und der Zündkerzenstecker.

Am 8.12.2017 stiegen unbekannte Dritte in die Werkshalle des Beklagten ein. Dabei brachen sie das Vorhängeschloss zum Werkshallentor auf, schoben dieses nach oben und konnten so unter anderem das streitgegenständliche Fahrzeug aus der Halle bewegen. Die Grundstücksumzäunung wurde ebenso durch die Dritten eingerissen, sodass die Fahrzeuge vom Grundstück des Beklagten entfernt werden konnten.

Das Fahrzeug wurde bislang nicht aufgefunden.

Die Klägerin zahlte nach Vorlage eines niederländischen Kfz-Wertgutachtens des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom 14.11.2014, vorgelegt als Anlage K3 (Bl. 99 GA) an ihren Versicherungsnehmer einen Betrag in Höhe von 87.850,00 EUR zur Regulierung des Schadenfalls aus. Dieses wies zum Stichtag einen Wert des Fahrzeugs von 87.500,00 EUR aus.

Auf den übrigen Inhalt des Wertgutachtens wird Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 2.12.2020 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von 87.850,00 EUR bis zum 14.12.2020 fruchtlos auf.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden Regressansprüche gegen den Beklagten in Höhe der gegenüber ihrem Versicherungsnehmer regulierten Schadenshöhe zu. Dieser habe seine aus dem Vertragsverhältnis entspringenden Obhutspflichten dadurch verletzt, dass er das streitgegenständliche Fahrzeug unverschlossen in der Werkshalle aufbewahrt habe. Zudem sei der Zugriff der Dritten auf Zündschlüssel zu den betroffenen Fahrzeugen zu leicht gewesen. Diese hätten sicherer verwahrt werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 87.850,00 EUR nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 15.12.2020 sowie 6,00 EUR an vorgerichtlichen Mahnkosten und 22,62 EUR an Auskunftskosten zu bezahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.161,54 EUR nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 15.12.2020 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, das streitgegenständliche Fahrzeug sei durch die abgeschlossene Halle nebst verschlossener Grundstücksumzäunung ausreichend gegen unbefugten Zutritt und Diebstahl gesichert gewesen. Demgemäß sei in der fehlenden Verriegelung des Fahrzeugs keine Obhutspflichtverletzung zu erkennen. Im Übrigen sei die Praxis des Beklagten, die eingelagerten Fahrzeuge grundsätzlich unverschlossen aufzubewahren, legitim, weil Brandschutz sowie Auflagen der Berufsgenossenschaft dies erfordern würden. Dadurch, dass zum Zeitpunkt des Diebstahls Luftfilter und Zündkerzenstecker aus dem Fahrzeug entfernt wurden, sei anzunehmen, dass das Fahrzeug nicht fahrbereit gewesen sei. Hieraus sei zu folgern, dass die Art und Weise der Schlüsselaufbewahrung unerheblich sei. Insofern sei anerkannt, dass hinsichtlich der Obhutspflichten eines Werkstatthallenbetreibers keine besonderen Aufbewahrungspflichten für Zündschlüssel gelten würden. Allenfalls ein Steckenlassen im Fahrzeug selbst sei vorwerfbar. Die Zündschlüssel müssten für die Mitarbeiter des Beklagten immer erreichbar sein, um auf das jeweilige Fahrzeug allzeit zugreifen zu können. Auch hierbei spiele Brandschutz eine Rolle. Vorsorglich sei die geltend gemachte Schadenshöhe nicht zutreffend ermittelt. Da sich das streitgegenständliche Fahrzeug wegen eines voraussichtlichen Motorschadens bei der Beklagten befunden habe, seien bei vergleichbaren Fahrzeugen mit Motorschaden womöglich 20.000 – 25.000 EUR vom Fahrzeugwert in Abzug zu bringen. Der Beklagte beruft sich im Übrigen auf Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin hat am 10.12.2020 Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides in Höhe der Klageforderung gestellt. Der Mahnbescheid ist dem Beklagten am 15.12.2020 zugestellt worden. Der Kläger ist unter dem 29.12.2020 durch gerichtliche Benachrichtigung über den Eingang eines Widerspruchs des Beklagten informiert worden. Auf Einzahlung des Gerichtskostenvorschuss hat das Mahngericht das Verfahren mit Verfügung vom 23.06.2020 an das Landgericht Aachen abgegeben.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache weit überwiegend Erfolg. Der Klägerin stehen gegen den Beklagten der geltend gemachte Hauptanspruch in Höhe von 80.000,00 EUR und die Nebenforderungen in voller Höhe zu.

1.

Ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten ergibt sich in Höhe von 80.000,00 EUR aus übergegangenem Recht gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 631 BGB i. V. m. § 86 VVG.

Dem Versicherungsnehmer der Klägerin stand gegen die Beklagte seinerseits ein Schadensersatzanspruch in dieser Höhe zu, welcher durch Zahlung der Klägerin auf diese gem. § 86 VVG übergegangen ist.

a)

Zwischen dem Versicherungsnehmer der Klägerin und dem Beklagten kam zumindest konkludent ein Werkvertrag durch Einlieferung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zum Zwecke der Reparatur in der Werkstatt des Beklagten gem. §§ 145, 147, 631 BGB zustande.

b)

Der Beklagte hat eine Pflicht aus diesem Schuldverhältnis verletzt, § 280 Abs. 1 BGB.

Zu den Pflichten aus einem Werkvertrag zählen neben den Hauptleistungspflichten insbesondere auch Nebenpflichten, wie sie sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Danach hat grundsätzlich jeder Vertragspartner auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Als sog. leistungssichernde Nebenpflichten fallen hierunter insbesondere Erhaltungs- und Obhutspflichten in Bezug auf den Schuldgegenstand (vgl. MüKoBGB/Bachmann § 241 Rn. 96, zitiert nach beck-online).

Nach Ansicht des Gerichts ist der Beklagte seiner ihn treffenden Obhutspflicht in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug nicht ausreichend nachgekommen.

Im Falle eines Kfz-Werkstattbetriebs geht die Obhutspflicht zwar nicht so weit, dass der Handwerker die Wegnahme eines in Obhut genommenen Fahrzeugs mit allerletzter Sicherheit auszuschließen hätte (vgl. OLG Oldenburg Urteil vom 13.1.1982 – 3 U 110/81). Er hat jedoch all jene Maßnahmen zu treffen, die technisch praktikabel und effektiv sowie unter Berücksichtigung des Betriebsablaufs zumutbar und mit Rücksicht auf den Wert der in Obhut genommenen Sache erforderlich sind (vgl. OLG Oldenburg aaO; ebenso OLG Hamm, Urteil vom 28.6.1991 – 26 U 156/90). Dazu gehört einerseits, dass die Werkstatt selbst verschlossen gehalten und die Zugänge wirksam versperrt werden müssen, andererseits aber auch die Benutzung und Anwendung der in jedem Personenwagen vorhandenen Sicherungen gegen Entwendung und unbefugte Benutzung. Dazu gehört, dass der Zündschlüssel vom Lenkradschloss abgezogen und die Türen und Fenster des Fahrzeuges verriegelt werden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.6.1991 – 26 U 156/90).

Diesen Anforderungen hat der Beklagte hier nicht genügt. Er durfte sich hinsichtlich seiner Obhutpflichten nicht damit begnügen, dass das Rolltor der Werkstatthalle selbst durch ein Vorhängeschloss gesichert und das Werkstattgelände durch eine Umzäunung zusätzlich abgesichert war.

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Unstreitig herrschte im Betrieb des Beklagten die Praxis, die in Obhut genommenen Fahrzeuge nicht abzuschließen. Das Verriegeln der Türen und Fenster von Fahrzeugen ist jedoch ein Mittel, durch welches unberechtigter Fremdzugriff auf die in Obhut genommenen Fahrzeuge erheblich erschwert wird und welches daher grundsätzlich objektiv geboten ist. Auf der anderen Seite bedeutet ein solches ständiges Verriegeln der Fahrzeuge nach Betriebsschluss für den Werkstattbetreiber in aller Regel keinen erheblichen oder unzumutbaren Mehraufwand. Jedenfalls steht aber ein solcher Mehraufwand in einem angemessenen Verhältnis, insbesondere wenn es sich, wie vorliegend, bei den in Obhut genommenen Fahrzeugen um solche von bedeutendem Wert handelt.

Sofern sich der Beklagte auf brandschutzrechtliche Erfordernisse beruft, rechtfertigt dies pauschal keine abweichende Praxis. Es ist zum einen schon nicht ersichtlich, welche „eindeutigen Auflagen der Feuerwehr und Feuerversicherung“ der Beklagte hier einzuhalten haben sollte. Diesbezüglich mangelt es etwa schon an einem hinreichend qualifizierten und nachvollziehbaren Beklagtenvortrag. Im Übrigen hat der Beklagte hierzu auch keinerlei Unterlagen vorgelegt oder etwa Beweis für diese Behauptungen angeboten.

Wenn der Beklagte sich darauf beruft, die Feuerwehr müsse im Brandfall zumindest die Möglichkeit haben, die Fahrzeuge aus der Halle zu schieben, so hat dies keinen Einfluss darauf, ob die Fahrzeuge offen oder verriegelt abzustellen sind. Dem Werkstatthallenbetreiber steht es frei, für den Brandfall zumutbare Maßnahmen zu treffen, um das Eigentum seiner Kunden zu schützen. So ist es insbesondere denkbar, dass die Halle mit ausreichend Löschvorrichtungen versehen wird. Auch ist es vorstellbar, Dritten, wie bspw. den Mitarbeitenden der Feuerwehr, die Möglichkeit eines Zugriffs auf die jeweiligen Zündschlüssel gewährt wird. Zudem könnte über die Einrichtung einer entsprechenden Meldezentrale sichergestellt werden, dass im Brandfall der Werkstatthallenbetreiber oder dessen Mitarbeitende unverzüglich informiert werden, um selbst die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen zu können bzw. diese einzuleiten. Keine angemessene Begegnung einer Brandgefahr findet jedenfalls durch solche Maßnahmen statt, die ersichtlich eine andere, vergleichbare Gefahrenquelle schaffen, wie hier die Ermöglichung eines barrierefreien Zugriffs auf die Fahrzeuge nach Einstieg unbefugter Dritter in die Werkstatthalle.

Mithin kam es vorliegend nicht mehr darauf an, ob der Beklagte auch eine weitere Pflichtverletzung dadurch begangen haben könnte, dass er die zu den Fahrzeugen gehörenden Zündschlüssel in seinem, im selben Gebäude wie die Werkstatthalle befindlichen, Werkstattbüro an einem Schlüsselbrett hängend aufbewahrte. Daher ist es ferner unerheblich, aus welchem Antrieb er dies tat und ob das streitgegenständliche Fahrzeug im Zeitpunkt seiner Wegnahme fahrtüchtig war. Schließlich gelang es den unbefugten Dritten, das streitgegenständliche Fahrzeug aus der Halle zu schaffen. Es ist für die festgestellte Obliegenheitsverletzung unerheblich, ob dieses aus der Halle hinausgeschoben, hinausgezogen oder gefahren werden konnte.

Schließlich führt auch das Berufen des Beklagten auf die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken (Urteil vom 12.7. 2006 – 5 U 610/05) nicht zu einer anderen Bewertung dieser Rechtsfrage. In der zitierten Entscheidung ging es u. a. um die versicherungsrechtliche Einschätzung, ob eine grob fahrlässige Pflichtverletzung darin erkannt werden kann, dass ein Werkstatthallenbetreiber Zündschlüssel der Fahrzeuge im Werkstattbüro aufbewahrt. Zu der Konstellation, dass unverschlossene, hochwertige Fahrzeuge in einer (durch Vorhängeschloss) verschlossenen, umzäunten Werkstatthalle untergebracht wurden, ist das Urteil des OLG Saarbrücken nicht vergleichbar. Auch die dort entschiedene Rechtsfrage ist nicht übertragbar. Im hiesigen Fall kommt es nicht auf das Maß des Pflichtverstoßes in Form eines grob fahrlässigen an.

c)

Der Beklagte hat diese Pflichtverletzung auch zu vertreten, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Entlastende Umstände kann der Beklagte für sich nicht in Anspruch nehmen.

d)

Der Beklagte hat den aus der Pflichtverletzung kausal entstandenen Schaden zu ersetzen. Dieser besteht vorliegend in der Höhe des geschätzten Restwerts des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Dem Versicherungsnehmer Herrn X ist ein Schaden in Höhe des Restwerts seines Fahrzeugs durch den Diebstahl vom 8.12.2017 entstanden, da sein Fahrzeug nicht mehr aufgespürt werden konnte und Ersatzansprüche gegen unbekannte Dritte bis auf Weiteres nicht werthaltig zu machen sind, vgl. §§ 249, 251 BGB. Dabei war die Pflichtverletzung des Beklagten, die mangelnde Verriegelung der Fahrzeuge, zumindest mitursächlich, wurde hierdurch nämlich der uneingeschränkte und unmittelbare Zugriff auf diese ohne weiteres erst ermöglicht. Mit der Regulierung des Schadenfalls durch die Klägerin, ging auch der Schaden auf diese über, § 86 Abs. 1 S. 1 VVG.

Sofern der Beklagte der geltend gemachten Schadenshöhe entgegen tritt, war insofern eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst. Das Gericht konnte Schadenshöhe gem. § 287 ZPO ermitteln. Danach entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, wenn zwischen den Parteien streitig ist, wie hoch sich ein Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft. Diese Anforderungen liegen hier vor.

Zur Substantiierung des Restwerts des streitgegenständlichen Fahrzeugs hat der Kläger ein niederländisches Wertgutachten vorgelegt, welches von einen Restwert von 87.500 EUR ausgeht. Zwar datierte dieses aus Ende des Jahres 2014. Indes ist der Zeitraum zwischen Gutachtenerstellung und Diebstahl in Anbetracht der Gesamtlaufzeit des Fahrzeugs verhältnismäßig gering, sodass unter verständiger Würdigung nicht davon auszugehen ist, dass sich der Fahrzeugwert im Laufe der Zwischenzeit, in etwa drei Jahren, wesentlich verändert hätte.

Sofern der Beklagte gegen den darin ausgewiesenen Wert ins Feld führt, das Fahrzeug sei mit einem möglichen Motorschaden bei der Beklagten eingeliefert worden und die diesbezüglichen Reparaturkosten könnten schnell einen Schadensbereich von über 20.000,00 EUR erreicht haben, führt dies grundsätzlich nicht zu einer anderen Bewertung. Der diesbezügliche Vortrag des Beklagten erschöpft sich im Wesentlichen in Mutmaßungen, die in Anbetracht des substantiierten Klägervorbringens mittels Wertgutachtens wenig überzeugend sind. Schließlich steht zwischen den Parteien nicht fest, welchen konkreten Mangel das eingelieferte Fahrzeug aufwies. Dies ist bis auf weiteres auch nicht mehr nachträglich feststellbar. Dass das Fahrzeug aber überhaupt irgendwie geartete Probleme im Bereich des Motors aufwies, ist zwischen den Parteien unstreitig. Aufgrund dessen hält das Gericht unter Würdigung aller Umstände einen Abschlag in Höhe von 8.500 EUR vom privatgutachterlich ausgewiesenen Restwert des Fahrzeugs für angemessen. Zur Geltendmachung eines höheren Abschlags hätte es dem Beklagten oblegen, den substantiierten Darstellungen des Klägers qualifiziert entgegenzutreten. Dies erscheint gerade auch in Anbetracht der Tatsache nicht unbillig, dass er über gewisse Fachkenntnisse im Kraftfahrzeugbereich verfügte und das Kraftfahrzeug zuletzt selbst, wenn auch verhältnismäßig kurz, in Besitz hatte.

2.

Die Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erst im Termin zur mündlichen Verhandlung erhoben. Ob diese verspätet i. S. d. § 296 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO erhoben wurde, kann dahinstehen, weil die klägerischen Ansprüche tatsächlich nicht verjährt sind.

Für den vorgenannten vertraglichen Schadensersatzanspruch aus Nebenpflichtverletzung gilt mangels spezieller Regelung die dreijährige Regelverjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB (vgl. MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, § 195 Rn. 4). Diese Frist beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Anspruchskenntnis konnte die Klägerin frühestens mit der Mitteilung des Schadensfalles durch ihren Versicherungsnehmer Herrn X oder einen Dritten erlangen. Die Klägerin trägt dazu in ihrem Schriftsatz vom 25.5.2022 vor, erst am 15.2.2018 Kenntnis von dem Vorgang durch Akteneinsicht in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Aachen erlangt zu haben. Es kann dahinstehen, ob dieser Vortrag mangels Schriftsatznachlasses nicht zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden darf, vgl. § 296a ZPO, weil selbst bei Verjährungsbeginn im Jahre 2017 der Anspruch der Klägerin infolge zwischenzeitlicher und ununterbrochener Verjährungshemmung nicht verjährt wäre, sodass eine Wiedereröffnung der Verhandlung gem. § 156 Abs. 1 ZPO nicht angezeigt ist.

Nach § 204 Abs. 2 S. 1 BGB endet die durch Zustellung des Mahnbescheids bewirkte Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass es die Parteien nicht betreiben, so tritt gemäß § 204 Abs. 2 S. 3 BGB an die Stelle der Verfahrensbeendigung die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Unterlässt der Antragsteller im Mahnverfahren – wie hier der Kläger – nach dem Widerspruch des Antragsgegners (zunächst) den Antrag auf Abgabe an das Streitgericht, ist die letzte Verfahrenshandlung, die für die Berechnung der Frist gem. § 204 Abs. 2 S. 1 BGB maßgeblich ist, der Zugang der gemäß § 695 S. 1 ZPO vom Mahngericht zu veranlassenden Mitteilung des Widerspruchs beim Antragsteller (vgl. BGH, Beschluss vom 30.07.2020 – III ZR 192/19; BGH, Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 48/15) . Letzteres ist im vorliegenden Fall unter dem 29.12.2020 durch Benachrichtigung des Klägers über den Widerspruch verbunden mit dem Hinweis geschehen, dass die Zahlung der Kosten für das streitige Verfahren als Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens angesehen wird. Die durch die Zustellung des Mahnbescheids bewirkte Hemmung der Verjährung bestand daher jedenfalls bis zum 29.06.2021 fort. Da der Kläger zumindest bis zum 23.06.2021 den Gerichtskostenvorschuss für das streitige Verfahren eingezahlt hat und das Verfahren daraufhin mit Verfügung vom 23.06.2020 an das Landgericht Aachen abgegeben worden ist, wurde die Verjährung gemäß § 204 Abs. 2 S. 4 BGB erneut gehemmt und dauerte auch nach Abgabe an das Streitgericht weiter.

3.

Die Nebenforderungen ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 BGB. Der Beklagte befand sich aufgrund des klägerischen, anwaltlichen Mahnschreibens vom 2.12.2020 ab dem 15.12.2020 in Verzug mit der Begleichung der Hauptverbindlichkeit. Dabei ist unerheblich, dass der Kläger einen höheren Betrag außergerichtlich eingefordert hatte. Insbesondere war die außergerichtliche Mahnung nicht weit übersetzt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.4.2005 – 10 U 191/04).

Der Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht zugleich in Verzug mit der Zahlung der außergerichtlichen Anwaltskosten. Diesbezüglich trat Verzug aber jedenfalls mit der Zustellung des Mahnbescheides am 15.12.2020 ein, § 286 Abs. 1 S. 2 BGB.

4.

Die Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO. Dabei stellt sich die klägerische Zuvielforderung und die daraus folgende Kostenverursachung als verhältnismäßig geringfügig dar. Sowohl die zugesprochene Hauptforderung als auch die entstandenen Mehrkosten weichen jeweils unter 10% vom Klageantrag bzw. Gebührenstreitwert ab (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2019 – VIII ZR 12/18; MüKo ZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, § 92 Rn. 18a ff.).

5.

Der Streitwert wird auf 87.850,00 EUR festgesetzt, §§ 2, 3 ZPO i. V. m. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind in diesem Urteil relevant:

  • Versicherungsrecht: Die Klägerin ist eine Kaskoversicherung und fordert Regressansprüche aufgrund der Inanspruchnahme durch ihren Versicherungsnehmer zur Regulierung eines Kfz-Schadensfalls aus übergegangenem Recht. Das Urteil betrifft somit die Rechte und Pflichten von Versicherungen bei Schadensregulierungen.
  • Vertragsrecht: Der Beklagte betrieb eine Werkstatt und hatte einen Vertrag mit dem Versicherungsnehmer der Klägerin, um das streitgegenständliche Fahrzeug zu reparieren. Die Klägerin macht geltend, dass der Beklagte seine aus dem Vertragsverhältnis entspringenden Obhutspflichten verletzt hat, indem er das unverschlossene Fahrzeug in der Werkshalle aufbewahrt hat. Das Urteil betrifft somit die Vertragspflichten eines Werkstatthallenbetreibers.
  • Schadensersatzrecht: Die Klägerin fordert Schadensersatz vom Beklagten aufgrund der angeblichen Verletzung seiner Obhutspflichten. Das Urteil betrifft somit die Voraussetzungen und Umfang des Schadensersatzanspruchs in solchen Fällen.
  • Zivilprozessrecht: Das Urteil betrifft auch das Zivilprozessrecht, insbesondere die Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage sowie die Einhaltung von Verfahrensfristen und -vorschriften.
  • Verjährungsrecht: Der Beklagte beruft sich auf Verjährung. Das Urteil betrifft somit die Frage, ob der Anspruch der Klägerin aufgrund von Verjährung erloschen ist und welche Fristen hierbei zu beachten sind.

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