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Werkvertrag – Mängelbeseitigungsfrist

Bundesgerichtshof

Az: X ZR 104/04

Urteil vom 03.04.2007


Leitsatz:

Bei der Prüfung der Angemessenheit einer Fristsetzung nach § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. kann ins Gewicht fallen, dass sich der Besteller zuvor in Annahmeverzug befunden hatte. In einem solchen Fall kann die Länge der Frist nicht allein von der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Zeit abhängen, sondern geräumiger zu bemessen sein, denn dem Unternehmer ist es nicht zuzumuten, sich dauernd zur Erbringung der noch ausstehenden restlichen Werkleistung bereit zu halten (Bestätigung von RG Recht 1924, 212 Nr. 624).


Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2007 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das am 19. Mai 2004 verkündete Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagte, die eine Buchdruckerei betreibt, schloss mit der Klägerin, einem EDV-Systemhaus, im März 1998 einen Vertrag über Lieferung und Installation eines Komplettsystems (Hard- und Software) für Finanzbuchhaltung und Auftragsbearbeitung, wobei die unter der Bezeichnung „N. “ vertriebene Systemsoftware an die Bedürfnisse der Beklagten anzupassen war. Die Klägerin schloss ihre Arbeiten bei der Beklagten zunächst im August 1998 ab. Die Beklagte machte geltend, dass die Klägerin das System nicht in einen lauffähigen Zustand versetzt habe, und setzte der Klägerin am 20. Januar 1999 eine letzte Frist bis 25. Januar 1999, 12 Uhr. An diesem Tag brach sie die Tätigkeit der Klägerin um 12.55 Uhr ab. Mit Schreiben vom 4. Februar 1999 trat sie vom Vertrag zurück. Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin auf Zahlung von 50.494,80 DM nebst Zinsen gerichtlich in Anspruch und erstritt ein diesen Betrag zusprechendes Urteil des Landgerichts. Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage ab. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese beantragt, unter Aufhebung des Berufungsurteils die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Vergütungsanspruch der Klägerin bestehe nicht, weil deren Leistung mangelhaft gewesen sei und die Beklagte berechtigt die Wandelung erklärt habe. Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handle es sich um einen Vertrag (u.a.) über Lieferung und Anpassung einer Spezialsoftware. Wegen des Umfangs der erforderlichen Anpassung sei von einem Werkvertrag auszugehen. Die auf Grund des nicht ordentlich erfüllten Vertrags erbrachte Werkleistung sei mangelhaft gewesen, weil die geschuldeten Funktionen „Drucken von Proformarechnungen“ und „Drucken von Rechnungen“ nicht realisiert worden seien. Die Beklagte habe das Werk nicht abgenommen; sie sei hierzu auch nicht verpflichtet gewesen, weil im Fehlen dieser Funktionen ein wesentlicher Mangel des gesamten Werks gelegen habe. Hinzu komme, dass trotz Lieferung im August 1998 am 25. Januar 1999 eine voll funktionsfähige Druckeranpassung noch nicht realisiert gewesen sei. Die Klägerin könne auch nicht Bezahlung trotz fehlender Abnahme fordern, denn die Beklagte habe sich durch Wandelung vom Vertrag gelöst. Die Fälligkeit der geschuldeten Leistung sei mit Ablauf der angemessenen Fertigstellungsfrist spätestens Anfang Januar 1999 eingetreten. Mit ihrem Vortrag, die Beklagte habe die Fertigstellung vereitelt und Termine platzen lassen, könne die Klägerin schon deshalb nicht durchdringen, weil die §§ 642, 643 BGB dem Unternehmer für den Fall der ausbleibenden Mitwirkung des Bestellers angemessene Möglichkeiten zur Wahrung seiner Interessen gäben, von denen die Klägerin keinen Gebrauch gemacht habe. Die Fristsetzung durch die Beklagte sei mit Kündigungsandrohung und angemessener Fristsetzung erfolgt, denn aus dem Sachverständigengutachten ergebe sich, dass die Klägerin die ausstehenden Arbeiten ohne weiteres in der gesetzten Frist hätte ausführen können. Mit Fristablauf sei die Beklagte nicht mehr gehalten gewesen, weitere Nachbesserungsarbeiten zuzulassen. Das Schreiben vom 4. Februar 1999, mit dem der Rücktritt erklärt worden sei, sei als Wandelungserklärung auszulegen.

II. Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin nicht beachtet, die Beklagte habe die Fertigstellung des Werks vereitelt und Termine platzen lassen, denn sie habe einen mit dem Zeugen F. auf den 10. Oktober 1998 vereinbarten Termin zur Beseitigung etwaiger Mängel nicht eingehalten und sich zu einer weiteren Terminsabsprache nicht bereiterklärt. Demnach habe sich die Beklagte im Gläubigerverzug befunden. Dadurch habe ein möglicher vorheriger Schuldnerverzug der Klägerin geendet; seine Neubegründung setze Verschulden voraus. Davon könne aber erst nach Ablauf einer angemessenen Zeit die Rede sein. Das müsse erst recht gelten, wenn der Gläubiger, nämlich hier die Beklagte, monatelang in Annahmeverzug gewesen sei. Der Gläubiger dürfe nach Beendigung seines Verzugs den Schuldner nicht so in Anspruch nehmen, als habe der Gläubigerverzug nie bestanden. Vielmehr müsse er dem Schuldner eine großzügigere Leistungsfrist einräumen. Jedenfalls könne der Gläubiger nicht monatelang die Leistung verzögern und dann eine unangemessen kurze Nachfrist setzen.

Die Beklagte erwidert, die Prämisse, die Beklagte habe sich im Gläubigerverzug befunden, treffe nicht zu. Notwendig hierfür sei ein Angebot der Klägerin gewesen, das Annahmeverzug zu begründen vermöge, dass die Leistung also so angeboten werde, dass der Gläubiger nur noch zuzugreifen brauche. Daran habe es hinsichtlich der Leistungszeit (§ 271 BGB) gefehlt. Der Zeuge F. möge zwar am 10. Oktober 1998 auf dem Betriebsgelände der Beklagten erschienen sein, der Termin sei aber nicht konkret abgesprochen gewesen. Vor der Weihnachtsruhe habe sich die Beklagte in nicht vorwerfbarer Weise zu einer Terminsabsprache nicht in der Lage gesehen.

III. 1. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Beklagte in Gläubigerverzug geraten ist. Für das Revisionsverfahren ist daher davon auszugehen, dass Gläubigerverzug vorgelegen haben kann. Das kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn die Leistung noch im Jahr 1998 so, wie sie zu bewirken war (§ 294 BGB), angeboten worden war. Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, dass geschuldete Funktionen fehlten. Das bezieht sich zwar auf den späteren Zeitpunkt im Januar 1999, jedoch ergibt sich daraus zugleich, dass diese Funktionen auch im August 1998 fehlten. Damit scheidet Gläubigerverzug bereits im August 1998 aus.

Dagegen kommt Gläubigerverzug für den nach der Behauptung der Klägerin für die Mängelbeseitigung vorgesehenen Termin am 10. Oktober 1998 jedenfalls dann in Betracht, wenn dieser Termin, wie nach der bestrittenen Behauptung der Klägerin, mit der Beklagten abgesprochen war oder sich die Beklagte sonst auf ihn einzulassen hatte. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsrechtszug dem diesbezüglichen Beweisangebot der Klägerin (Zeuge F. ) nachzugehen haben. Sollte sich danach ergeben, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befand, ließ dieser, worauf die Revisionsklägerin zutreffend hingewiesen hat, die Wirkungen eines etwaigen Verzugs der Klägerin als Schuldnerin zunächst entfallen (vgl. RGRK/Alff, BGB 12. Aufl., § 284 Rdn. 30). Die Neubegründung des Verzugs der Klägerin setzte dann nach §§ 285, 286 BGB a.F. Verschulden voraus.

2. Dass das Werk der Klägerin mangelhaft war, hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung festgestellt. Damit konnte die Beklagte nach Setzung einer ausreichenden Frist und Ablehnungsandrohung (§ 634 Abs. 1 BGB) die Wandelung erklären.

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bieten die bisher getroffenen Feststellungen aber keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung dahin, dass die von der Klägerin der Beklagten im Januar 2000 gesetzte Frist angemessen war. Zwar ist die in tatrichterlicher Würdigung getroffene Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin die erforderlichen Arbeiten ohne weiteres innerhalb der gesetzten Frist hätte ausführen können, im Revisionsverfahren hinzunehmen. Der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt als Rechtsfrage jedoch auf Grund der getroffenen Feststellungen und des erfolgreich als übergangen gerügten Vortrags der Klägerin die Bewertung der gesetzten Frist als angemessen. Die Länge der Frist kann dann, wenn sich die Beklagte zuvor im Annahmeverzug befunden hatte, nicht – wie regelmäßig (vgl. etwa Staudinger/Löwisch, BGB, Neubearbeitung 2004, § 293 Rdn. 25) – allein von der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Zeit abhängen, sondern geräumiger zu bemessen sein, denn der Klägerin war es nicht zuzumuten, sich dauernd zur Erbringung der noch ausstehenden restlichen Werkleistung bereit zu halten, und sie konnte hierfür die Einräumung eines angemessenen Zeitraums beanspruchen (RG Recht 1924, 212 Nr. 624). Dass die Frist auch auf dieser Grundlage noch ausreichend bemessen war, ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht. Nachdem die Beklagte die Tätigkeit der Klägerin knapp eine Stunde nach Fristablauf abgebrochen hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte das Werk innerhalb angemessener Frist in abnahmefähiger Weise vollendet hätte. Das Wandelungsrecht der Beklagten wäre in diesem Fall nicht entstanden. Der Klägerin kann damit ein Vergütungsanspruch nach § 631 BGB zustehen (vgl. z.B. BGHZ 50, 175).

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