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Wert von aus öffentlicher Verwahrung verschwundener Handtasche – Beweislast

Sorgfaltspflicht verletzt: Polizei verliert Edeltasche aus Verwahrung. Eigentümerin kann Echtheit nicht beweisen und erhält nur Mindestschadenersatz von 40 Euro. Langwieriger Rechtsstreit vor Oberlandesgericht Hamm offenbart Tücken der Beweislast bei wertvollen Gegenständen.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: I-11 U 71/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Es geht um den Verlust einer Damenhandtasche aus öffentlicher Verwahrung bei einem Polizeipräsidium.
  • Die Klägerin fordert Schadensersatz vom beklagten Land für die verlorene Handtasche.
  • Die Schwierigkeit liegt darin, ob es sich bei der verlorenen Tasche um ein Original oder ein Imitat handelt.
  • Das Gericht verurteilte das beklagte Land zur Zahlung eines geringen Schadensersatzes an die Klägerin.
  • Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass es sich um eine originale Hermés Birkin Bag handelte.
  • Die Beweislast für den Wert der Handtasche lag bei der Klägerin, die diesen Nachweis nicht erbringen konnte.
  • Das Gericht entschied, dass das beklagte Land seine Verwahrungspflichten verletzt hat, was einen Schadensersatzanspruch begründet.
  • Die Höhe des Schadensersatzes wurde aufgrund fehlender Beweise für den hohen Wert der Tasche auf einen geringen Betrag festgesetzt.
  • Das Gericht berücksichtigte auch, dass die Klägerin keine ausreichenden Beweise für die Echtheit der Tasche vorlegen konnte.
  • Diese Entscheidung verdeutlicht die Wichtigkeit der Beweisführung in Fällen von Verlust aus öffentlicher Verwahrung.

Beweislast für Wert von verschwundener Luxushandtasche aus Polizeiverwahrung

Wenn etwas aus öffentlicher Verwahrung verschwindet, wie etwa eine Handtasche, stellt sich oft die Frage, wer für den Verlust verantwortlich ist. Dabei geht es um die rechtliche Frage der Beweislast. Wer muss beweisen, dass er oder sie für den Verlust nicht verantwortlich ist? Diese Thematik ist komplex, da verschiedene Gesetze und Regelungen eine Rolle spielen.

Um die Problematik besser zu verstehen, lohnt es sich, einen genaueren Blick auf einen konkreten Gerichtsfall zu werfen. In der folgenden Zusammenfassung und Analyse eines relevanten Urteils werden die rechtlichen Grundlagen und die dazugehörigen Entscheidungsgründe näher beleuchtet. So können Betroffene künftig besser einschätzen, wie solche Fälle rechtlich zu bewerten sind.

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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm


Verwahrungspflicht bei sichergestellten Gegenständen

In einem aktuellen Urteilsfall hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden, unter welchen Voraussetzungen Behörden für den Verlust sichergestellter Gegenstände aus öffentlicher Verwahrung haften müssen.

Tasche verschwindet aus Polizeiverwahrung

Damenhandtasche
(Symbolfoto: Xhilmi /Shutterstock.com)

Am 4. Juni 2019 übergab eine Zeugin eine Damenhandtasche der Marke Hermés, Modell Birkin Bag 40, beim Polizeipräsidium B zur Verwahrung. Die Tasche wurde dort offiziell sichergestellt. Aus ungeklärten Gründen geriet die Tasche später bei der Polizeibehörde in Verlust.

Die ursprüngliche Eigentümerin der Tasche, die Klägerin, hatte die Handtasche zuvor an die Zeugin verkauft. Als Ersatz für den Verlust der kostbaren Tasche verlangte die Klägerin 2.405 Euro vom beklagten Land als zuständiger Dienstherrin der Polizei.

Sorgfaltspflicht bei Verwahrung verletzt

Das OLG Hamm bestätigte, dass die Polizei durch die Sicherstellung eine Verwahrungspflicht gegenüber der Tasche begründet hatte. Dazu gehört auch, die Sache vor Verlust, Beschädigung oder Gefährdung zu bewahren. An dieser Pflicht hat die Polizei im vorliegenden Fall schuldhaft verstoßen.

Zudem treffe diese Obhutspflicht auch die ursprüngliche Eigentümerin der Tasche, da sie als Dritte einen Anspruch auf Rückgewähr der Sache hatte. Somit war das Land verpflichtet, die Ansprüche der Klägerin auf den Erhalt der Tasche zu sichern.

Beweisprobleme zur Echtheit der Tasche

Allerdings konnte die Klägerin nicht beweisen, dass es sich bei der verlorenen Tasche um eine echte Hermés Birkin Bag und keine Nachahmung handelte. Sie scheiterte mit dem Versuch, eine Beweislastumkehr zu ihren Gunsten zu erreichen.

Dafür wäre nötig gewesen, dass die von ihr angegebenen 2.405 Euro Zeitwert als plausibel erscheinen. Die Klägerin konnte jedoch keine überzeugenden weiteren Umstände darlegen, welche die Echtheit und den hohen Wert glaubhaft gemacht hätten.

Mindestschaden von 40 Euro zugesprochen

Dennoch sprach das Gericht der Klägerin mindestens 40 Euro Schadensersatz plus Zinsen und Anwaltskosten zu. Selbst wenn nur ein täuschend echt aussehendes Imitat der Luxushandtasche in Verlust geraten sei, hätte dieses nach Schätzung des Gerichts noch einen Mindestwert von 40 Euro gehabt.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Dieses Urteil verdeutlicht, dass bei Schadensersatzansprüchen wegen verlorener hochwertiger Gegenstände stets die Beweislast für die Echtheit und den geltend gemachten Wert beim Anspruchsteller liegt. Nur wenn dieser substantiierte Umstände für die Plausibilität seiner Angaben darlegen kann, kann ihm eine Beweislastumkehr zu Gute kommen. Andernfalls müssen Gerichte den Schaden wertmäßig nach pflichtgemäßem Ermessen schätzen.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Beweislast bei Verlust aus öffentlicher Verwahrung wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Was ist die Bedeutung des Verwahrungsverhältnisses bei sichergestellten Gegenständen?

Die Sicherstellung einer Sache durch eine Behörde begründet ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis. Daraus erwächst für die Behörde die Pflicht, die sichergestellte Sache ordnungsgemäß aufzubewahren, vor Schäden zu schützen und deren Rückgabe an den Berechtigten sicherzustellen. Bei Pflichtverletzungen kann der Berechtigte Schadensersatzansprüche geltend machen.

Beweislast bei Verlust aus öffentlicher Verwahrung

Geht eine sichergestellte Sache aus der öffentlichen Verwahrung verloren, muss die Behörde beweisen, dass sie die Sache ordnungsgemäß verwahrt hat. Die Beweislast für die Erfüllung der Verwahrungspflichten liegt bei der Behörde. Kann sie diesen Beweis nicht erbringen, greift eine Beweislastumkehr zu Lasten der Behörde. Der Berechtigte muss dann lediglich den Wert der verlorenen Sache beweisen.

Beispiel: Geht eine sichergestellte Handtasche aus der Verwahrung der Polizei verloren, muss die Polizei beweisen, dass sie die Handtasche ordnungsgemäß verwahrt hat. Kann sie diesen Beweis nicht erbringen, greift eine Beweislastumkehr. Der Eigentümer muss dann nur noch den Wert der Handtasche nachweisen, um Schadensersatz zu erhalten.

Die Beweislastverteilung bei Verlust aus öffentlicher Verwahrung dient dem Interesse der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz der Bürger. Die Behörde muss die Erfüllung ihrer Verwahrungspflichten beweisen können, da sie die Sache ursprünglich der Verfügungsgewalt des Berechtigten entzogen hat.


Wer gilt als Berechtigter bei verlorenen Sachen aus öffentlicher Verwahrung?

Als Berechtigter bei verlorenen Sachen aus öffentlicher Verwahrung gilt nicht nur der ursprüngliche Eigentümer. Auch Dritte, die einen Anspruch auf Rückgabe der Sache haben, fallen darunter. Die Behörde muss die Ansprüche aller von der Verwahrung Betroffenen sichern.

Nehmen wir als Beispiel eine Handtasche, die in öffentlicher Verwahrung verloren ging. Der Eigentümer der Handtasche ist zweifellos berechtigt, ihre Herausgabe zu verlangen. Befanden sich aber Gegenstände darin, die Dritten gehören, müssen auch deren Ansprüche berücksichtigt werden. Etwa wenn sich eine Geldbörse mit Ausweispapieren des Ehemanns in der Handtasche befand, ist dieser ebenfalls Berechtigter hinsichtlich seiner Sachen.

Bezüglich der Beweislast gilt Folgendes: Grundsätzlich muss derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen. Das bedeutet, der Verlierer oder sonstige Berechtigte trägt die Beweislast dafür, dass die Sache tatsächlich in öffentliche Verwahrung gelangt ist und ihm gehört. Eine Beweislastumkehr, bei der die Behörde das Nichtvorliegen der Anspruchsvoraussetzungen beweisen müsste, ist hier nicht vorgesehen.

Wichtig ist jedoch, dass der Beweisantritt „unter Verwahrung gegen die Beweislast“ erfolgen kann. Damit gibt der Berechtigte lediglich zu erkennen, dass er sich nicht für beweisbelastet hält. Sollte er es doch sein, könnte er den Beweis führen. Das Gericht ist nicht daran gehindert, den Beweis zu erheben. Ein solcher Beweisantritt ist üblich, um das Gericht auf die richtige Fährte zu bringen.


Wie kann die Echtheit bei verlorenen Wertgegenständen nachgewiesen werden?

Bei hochwertigen Gegenständen wie Markenartikeln trägt der Anspruchsteller grundsätzlich die Beweislast für deren Echtheit und den geltend gemachten Wert. Er muss substantiierte Umstände für die Plausibilität seiner Behauptungen darlegen. Gelingt ihm dies nicht, kann eine Beweislastumkehr eintreten. Mangels ausreichender Beweise muss das Gericht den Schaden dann schätzen.

Dieser Fall liegt beispielsweise vor, wenn eine Handtasche aus öffentlicher Verwahrung verschwunden ist. Der Anspruchsteller muss hier zunächst die Existenz und den Wert der Tasche glaubhaft machen. Erst wenn ihm dies gelingt, geht die Beweislast auf den Beklagten über, der dann darlegen muss, dass die Tasche weniger wert war oder gar nicht existierte. Kann keine Seite den Beweis führen, greift die richterliche Schätzung.

Entscheidend ist stets, dass der Anspruchsteller zunächst einmal substantiierte Angaben zur Begründung seines Anspruchs macht. Nur dann kann im Zweifel die Beweislast auf den Beklagten übergehen. Andernfalls bleibt es bei der Grundregel, dass der Anspruchsteller die volle Beweislast für die von ihm behaupteten Tatsachen trägt.


Welche Rolle spielt die Schadensschätzung bei Wertsachen aus Verwahrung?

Bei Wertsachen aus öffentlicher Verwahrung, deren Echtheit und Wert der Anspruchsteller nicht ausreichend belegen kann, darf das Gericht den Schaden nicht vollständig abweisen. Stattdessen muss es nach pflichtgemäßem Ermessen zumindest einen Mindestschaden schätzen, sofern dafür überhaupt Anhaltspunkte vorliegen.

Diese Beweislastumkehr zugunsten des Anspruchstellers ergibt sich aus der Rechtsprechung. Dogmatisch lässt sich dies auf die freie Beweiswürdigung nach § 286 ZPO stützen. Zudem kann bei bestimmten Fallkonstellationen wie dem Verlust einer Wertsache aus öffentlicher Verwahrung eine Beweisvereitelung vorliegen, die eine Beweislastumkehr rechtfertigt.

Das Gericht muss den Schaden dann im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO ermitteln. Dabei ist die Art der Schätzgrundlage nicht vorgegeben. Das Gericht darf die Schadenshöhe aber nicht auf Grundlage falscher oder offensichtlich unsachlicher Erwägungen festsetzen. Wesentliche Umstände dürfen nicht außer Acht gelassen werden.

Zusammengefasst bedeutet dies: Selbst wenn der Anspruchsteller die Echtheit und den Wert einer aus öffentlicher Verwahrung verschwundenen Wertsache nicht zweifelsfrei beweisen kann, muss das Gericht zumindest einen Mindestschaden schätzen, sofern hierfür Anhaltspunkte bestehen. Eine vollständige Abweisung des Schadenersatzanspruchs ist in diesem Fall unzulässig.


Inwiefern ist eine Beweislastumkehr bei Wertgegenständen möglich?

Die Beweislastumkehr bei Wertgegenständen ist möglich, unterliegt jedoch bestimmten Voraussetzungen. Grundsätzlich trägt der Anspruchsteller die Beweislast für Bestand und Wert des Gegenstands. Allerdings kann sich die Beweislast zugunsten des Anspruchstellers umkehren, wenn er substantiierte Umstände vorträgt, die seine Angaben zu Echtheit und Wert als plausibel erscheinen lassen. In diesem Fall muss die Behörde beweisen, dass Bestand und Wert von den Angaben abweichen.

Ein Beispiel wäre der Fall, dass eine wertvolle Handtasche aus öffentlicher Verwahrung verschwunden ist. Hier kann der Anspruchsteller die Echtheit und den Wert der Handtasche glaubhaft darlegen, indem er Kaufbelege, Gutachten oder Fotos vorlegt. Bleiben die Angaben jedoch vage, verbleibt die Beweislast beim Anspruchsteller. Die Behörde muss dann nicht den Gegenbeweis antreten.

Entscheidend ist somit, ob der Anspruchsteller seine Angaben zu Wertgegenständen ausreichend substantiiert. Je höherwertiger der Gegenstand, desto höher sind die Anforderungen an die Substantiierung. Bei Luxusartikeln wie Schmuck oder Antiquitäten sind Gutachten oder Echtheitszertifikate erforderlich. Bei geringwertigen Gegenständen genügt möglicherweise eine detaillierte Beschreibung. Die Gerichte entscheiden im Einzelfall, ob die Angaben plausibel genug sind, um die Beweislast umzukehren.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 280 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Regelt den Anspruch auf Schadensersatz bei Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten. Im konkreten Fall ergibt sich der Anspruch der Klägerin daraus, dass das beklagte Land seine Verwahrungspflichten verletzt hat.
  • § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG (Amtshaftung): Bestimmt die Haftung des Staates für Schäden, die durch Amtspflichtverletzungen verursacht wurden. Hier wird das beklagte Land haftbar gemacht, weil die Polizeibediensteten ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung der Handtasche verletzt haben.
  • § 94 Abs. 1 StPO (Sicherstellung von Gegenständen): Erlaubt die Sicherstellung von Gegenständen, die als Beweismittel für ein Strafverfahren wichtig sein können. Die Handtasche wurde auf dieser Grundlage beim Polizeipräsidium in Verwahrung genommen.
  • § 111n StPO (Rückgabe sichergestellter Gegenstände): Regelt die Rückgabe von sichergestellten Gegenständen an Berechtigte. Die Klägerin hätte die Rückgabe der Tasche verlangen können, weil sie einen Anspruch auf Rückgabe hatte.
  • § 346 Abs. 1 BGB (Rückgewähr von Leistungen): Verpflichtet zur Rückgabe empfangener Leistungen nach Rücktritt vom Vertrag. Die Klägerin hatte aufgrund eines Rücktritts vom Kaufvertrag einen Anspruch auf Rückgabe der Handtasche gegen die Zeugin S.
  • § 241 Abs. 2 BGB (Nebenpflichten aus Schuldverhältnissen): Definiert die Pflichten zur Rücksichtnahme auf Rechte und Interessen des Vertragspartners. Das Land hatte die Pflicht, die Handtasche ordnungsgemäß zu verwahren und deren Verlust zu verhindern.
  • Beweislast: Grundsätzlich trägt der Anspruchsteller die Beweislast für Tatsachen, die seinen Anspruch begründen. Die Klägerin musste beweisen, dass die verlorene Tasche echt war und den behaupteten Wert hatte.
  • Beweislastumkehr: In bestimmten Fällen kann die Beweislast auf die andere Partei übergehen. Dies gilt hier jedoch nicht, da die Klägerin den Wert der Handtasche nicht plausibel darlegen konnte, was eine Beweislastumkehr verhindert hat.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Hamm

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Dieses Urteil verdeutlicht, dass bei Schadensersatzansprüchen wegen verlorener hochwertiger Gegenstände stets die Beweislast für die Echtheit und den geltend gemachten Wert beim Anspruchsteller liegt. Nur wenn dieser substantiierte Umstände für die Plausibilität seiner Angaben darlegen kann, kann ihm eine Beweislastumkehr zu Gute kommen. Andernfalls müssen Gerichte den Schaden wertmäßig nach pflichtgemäßem Ermessen schätzen.

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OLG Hamm – Az.: I-11 U 71/22 – Urteil vom 15.02.2023

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.04.2022 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 40,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.09.2021 sowie 93,42 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen zu 98 % die Klägerin und zu 2 % das beklagte Land.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

(ohne Tatbestand gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.

1.

Der Klägerin steht für ihre beim Polizeipräsidium B in Verlust geratene Damenhandtasche gegen das beklagte Land ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB in Verbindung mit einem öffentlichen-rechtlichen Verwahrungsverhältnis sowie aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu, der sich der Höhe nach aber nur auf den zuerkannten Betrag von 40,- EUR beläuft.

a)

Indem die streitgegenständliche Damenhandtasche am 04.06.2019 von der Zeugin S. beim Polizeipräsidium B abgegeben und dort in Empfang genommen wurde, ist diese vom beklagten Land gemäß § 94 Abs. 1 StPO durch Inverwahrungnahme sichergestellt worden. Aufgrund des durch die Sicherstellung begründeten öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses oblag dem beklagten Land bzw. den für das Land tätig gewordenen Polizeibediensteten die (Amts-)Pflicht, die Damenhandtasche ordnungsgemäß aufzubewahren und vor Verschlechterung, Untergang und sonstiger Gefährdung zu bewahren (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 65. Auflage 2022, § 94 Rn. 23) sowie ihre eventuelle spätere Rückgabe an den Berechtigten sicherzustellen (OLG Frankfurt, Urteil vom 02.04.2007, 1 U 181/06 – Rz. 23 juris; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.05.1999, 11 U 209/96 – Rz. 2 juris). Insoweit ist anerkannt, dass der Berechtigte bei einem schuldhaften Verstoß gegen diese Pflichten aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung Schadensersatz geltend machen kann (OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.05.1999, 11 U 209/96 – Rz. 2 juris m.w.Nw.). Aus dem gleichen Grunde kommt dann auch ein Anspruch des Berechtigten aus § 280 BGB in Verbindung mit dem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis in Betracht.

Dass das beklagte Land vorliegend seine vorgenannten (Amts-)Pflichten verletzt hat, ergibt sich schon daraus, dass die am 04.06.2019 in Verwahrung genommene Damenhandtasche aus nicht mehr aufklärbaren Gründen bei dem Polizeipräsidium B in Verlust geraten ist. Insoweit ist auch zumindest von einem fahrlässigen Handeln der für das beklagte Land tätig gewordenen Amtsträger auszugehen.

Dem beklagten Land oblagen die von ihm verletzten (Amts-)Pflichten auch gegenüber der Klägerin. Dass die Klägerin die Damenhandtasche vor ihrer Inverwahrungnahme in Erfüllung des mit der Zeugin S. geschlossenen Kaufvertrages an diese übereignet hatte und demgemäß nicht mehr Eigentümer derselben gewesen ist, steht dem nicht entgegen. Denn nach ihrem Sinn und Zweck obliegen die vorgenannten (Amts-)Pflichten den mit der Sicherstellung der Sache befassten Beamten gerade auch gegenüber den von der Sicherstellung betroffenen Personen (OLG Schleswig-Holstein, a.a.O. – Rz. 2 juris). Zu diesen gehört insbesondere die Person, an welche die sichergestellte Sache, wenn sie nicht mehr für Zwecke des Strafverfahrens benötigt wird, nach § 111n StPO herauszugeben ist. Vorliegend hätte zwar die Klägerin die Herausgabe der Tasche nicht nach § 111n Abs. 1 und 2 StPO an sich verlangen können, weil sie weder die letzte Gewahrsamsinhaberin der Damenhandtasche gewesen ist, noch ihr diese durch eine Straftat entzogen worden war. Die Klägerin hätte jedoch nach § 111n Abs. 3 StPO die Herausgabe der Tasche an sich verlangen können. Danach ist die sichergestellte Sache an einem Dritten herauszugeben, wenn bekannt ist, dass diesem ein Anspruch zusteht, der der Herausgabe der Sache nach § 111n Abs. 1 und 2 StPO entgegensteht. Vorliegend stand der Klägerin gegen die Zeugin S. ein schuldrechtlicher Anspruch aus § 346 Abs. 1 BGB auf Rückgewähr der Damenhandtasche zu, was dem beklagten Land auch aufgrund der E-Mail der Zeugin S. vom 21.02.2019, in der die Zeugin die zwischenzeitlich erfolgte Rückzahlung des Kaufpreises an sich bestätigt hatte, bekannt war. In Anerkennung dessen hatte auch die Staatsanwaltschaft J. mit Verfügung vom 30.08.2009 die Herausgabe der sichergestellten Damenhandtasche an die Klägerin angeordnet (Blatt 44 der beigezogenen Ermittlungsakte 90 Js 3731/10 StA J.).

b)

Der damit der Klägerin aus § 280 BGB in Verbindung mit dem öffentlichen-rechtlichen Verwahrungsverhältnis sowie aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG gegen das beklagte Land zustehende Schadensersatzanspruch beläuft sich aber der Höhe nach nur auf 40,- EUR. Denn die Klägerin hat nicht bewiesen, dass es sich bei der vom beklagten Land sichergestellten Damenhandtasche um eine originale Damenhandtasche der Marke Hermés, Modell Birkin Bag 40, und nicht nur um ein kostengünstiges Imitat bzw. Replikat einer solchen Tasche gehandelt hat. Auf eine Beweislastumkehr kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen, weil sie den von ihr behaupteten Zeitwert der Damenhandtasche von 2.405,- EUR nicht plausibel gemacht hat.

aa)

Als Anspruchsteller trägt die Klägerin grundsätzlich die Beweislast für den von ihr behaupteten Zeitwert der sichergestellten Damenhandtasche. Diesen Beweis hat die Klägerin nicht erbringen können. Soweit sie sich zum Beweis für den von ihr behaupteten Zeitwert von 2.405,-EUR auf die Vernehmung des Zeugen G. berufen hat, hat sie diesen – auch in der Berufungsinstanz – nicht mit ladungsfähiger Anschrift benennen können. Dem weiteren Beweisantritt der Klägerin auf Vernehmung der Zeugin S. war hingegen deshalb nicht nachzugehen, weil er zum Beweis der Echtheit der Tasche ungeeignet gewesen ist. Denn es ist weder von der Klägerin dargelegt worden, noch sonst ersichtlich, dass die Zeugin S. etwas zur Herkunft der Tasche sagen kann oder über die Sachkunde verfügt, verlässliche Angaben zu deren Echtheit machen zu können. Von daher ist lediglich ergänzend darauf hinzuweisen, ist es gerade die Zeugin S. gewesen ist, die mit dem Behaupten, dass es sich bei der Tasche um eine Fälschung gehandelt hat, die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft J. wegen Warenbetrugs angezeigt hatte. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch nicht im Grundsatz davon auszugehen, dass angebotene Waren auch tatsächlich echt sind. Einen dahingehenden allgemeinen Erfahrungssatz, der Grundlage eines Anscheinsbeweises sein könnte, gibt es nicht. Dies gilt jedenfalls für Luxusartikel namhafter Hersteller, zu denen auch die Damenhandtasche der Marke Hermés Modell Birkin Bag 40 zählt und hinsichtlich deren bekanntermaßen insbesondere im Internet ein reger Handel mit Plagiaten und Replikaten stattfindet.

bb)

Der Klägerin kommt hinsichtlich der streitigen Frage der Echtheit der Damenhandtasche auch keine Umkehr der Beweislast zugute. Allerdings scheitert eine entsprechende Beweislastumkehr entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht daran, dass der Klägerin mit dem Verlust der Tasche „nur“ die Möglichkeit der Beweisführung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens genommen wurde, sie den Beweis aber theoretisch noch mit anderen Beweismitteln wie dem Kaufbeleg oder die ladungsfähige Benennung des Zeugen G. führen könnte. Denn mit Urteil vom 14.07.2010 (VIII ZR 45/09) hat der Bundesgerichtshof für den im Wege verbotener Eigenmacht und unerlaubter Selbsthilfe „kalt räumenden Vermieter“ entschieden, dass zu Gunsten des Mieters, dessen Inventar bei der Räumung großteils entsorgt wurde, eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast dahin eintritt, dass der Vermieter zu beweisen hat, in welchem Umfang Bestand und Wert der der Schadensberechnung zugrunde gelegten Gegenstände von den Angaben abweichen, die der Mieter hierzu macht, soweit die von ihm angesetzten Werte plausibel sind (BGH a.a.O. – Rz. 17). Dabei hat der Bundesgerichtshof die Beweislastumkehr maßgeblich daran angeknüpft, dass dem Vermieter eine – bei Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung zumindest nachvertragliche – Obhutspflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB trifft, zu der auch gehört, schon bei Inbesitznahme der Gegenstände ein aussagekräftiges Zeugnis der verwahrten Gegenstände aufzustellen und deren Wert schätzen zu lassen, um dem Mieter eine Sicherung seiner Ansprüche zu ermöglichen (BGH a.a.O – Rz. 17). Mit Urteil vom 27.09.1951 (IV ZR 155/50) hatte der Bundesgerichtshof zuvor schon eine dahingehende Verpflichtung ausdrücklich auch für den Fall des Zustandekommens eines öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses angenommen (BGH a.a.O. – Rz. 19 und 25). Danach wäre vorliegend aber auch das beklagte Land aufgrund der ihm aus dem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis obliegenden Obhutspflicht zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin dazu verpflichtet gewesen wäre, den Wert der Damenhandtasche zu Beginn der Verwahrung feststellen zu lassen, was das beklagte Land aber ganz offensichtlich unterlassen hat, weil es die von der Klägerin gemachte Wertangabe lediglich mit Nichtwissen bestreitet.

Allerdings fehlt es vorliegend an der weiteren vom Bundesgerichthof für die Beweislastumkehr aufgestellten Voraussetzung, dass der vom Anspruchsteller angesetzte Wert plausibel ist. Die Klägerin hat nicht in hinreichender Weise Umstände vorgetragen werden, die den von ihr für die verlorengegangene Damenhandtasche angegebenen Zeitwert von 2.405,- EUR und damit ihre Echtheit plausibel erscheinen lassen. Die von ihr als Anlage K11 (Blatt 80 ff. LG-Akten) vorgelegten Online-Angebote lassen es allein als plausibel erscheinen, dass eine echte Damenhandtasche der Marke Hermés, Modell Birkin Bag 40 einen Neupreis zwischen 7.500,- EUR und 26.000,- EUR und speziell ein solche aus braunem Leder, aus der auch die sichergestellte Tasche gewesen sein soll, einen Neupreis zwischen 9.000,- EUR und 14.000,- EUR hat. Weiter erscheint es danach noch vorstellbar, dass eine echte Damenhandtasche Hermés Birkin Bag 40 aus braunem Leder selbst nach 3 Jahren und bei Vorliegen solcher Schäden, wie sie an der streitgegenständlichen Tasche vorhanden gewesen sein sollen, noch einen Zeitwert von 2.405,- EUR besitzt. Angesichts des allgemein bekannten Umstandes, dass gerade von derartigen Luxusartikeln im Ausland massenweise Plagiate und Replikate hergestellt, über das Internet vertrieben und auch in Deutschland angeboten und gerne gekauft werden, hätte es vorliegend aber darüber hinaus auch noch der Darlegung weiterer Umstände durch die Klägerin bedurft, welche es für den Senat als plausibel hätten erscheinen lassen, dass es sich bei der sichergestellten Tasche um kein Plagiat, sondern ein Original gehandelt hat. Zum Untermauerung der Echtheit der in Verlust geratenen Tasche hat die Klägerin aber allein weiter vorgetragen, dass ihr die Tasche im Jahr 2015 von ihrem damaligen Lebensgefährten G. geschenkt worden sei und dieser sie ordnungsgemäß in einem Fachgeschäft erworben habe. Dieser Vortrag ist nach Auffassung des Senats aber schon deshalb nicht dazu geeignet, die von der Klägerin behauptete Echtheit der Tasche und deren Wert plausibel erscheinen zu lassen, weil sich aus dem von der Klägerin selbst als Anlage BK1 zu den Akten gereichten Presseartikel (Blatt 445 ff. OLG-Akten) ergibt, dass eben dieser G. in dem Ruf stehen soll, sein Geld mit dem betrügerischen Verkauf von Schmuckimitaten aus China verdient zu haben. Das lässt es durchaus möglich erscheinen, dass es sich auch bei der der Klägerin geschenkten Tasche um ein Imitat gehandelt hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in dem gegen sie geführten Ermittlungsverfahren bei ihrer Beschuldigtenvernehmung am 23.01.2019 erklärt hat, noch eine weitere Hermés Tasche zu Hause zu haben, die sie in J. gekauft habe und die zu der von ihr über eBay verkauften Tasche komplett identisch aussehe. Dieser Umstand schränkt die Möglichkeit nicht ein, dass es sich bei einer der beiden Taschen lediglich um ein Plagiat bzw. Replikat gehandelt hat, auch wenn beide über eine Prägung mit Seriennummer verfügt haben sollen, wie die Klägerin am 23.01.2019 ebenfalls erklärt hat. Danach ist es denkbar, dass die Klägerin ein Plagiat bzw. Replikat besessen hat, das sie später an die Zeugin S. verkauft hat.

Vor diesem Hintergrund hätte es aber noch der Darlegung weitere Umstände durch die Klägerin bedurft, die es als plausibel hätten erscheinen lassen, dass sie vor dem Verkauf der einen Tasche an die Zeugin S. zwei echte, von ihrem Aussehen her völlig identische Damenhandtasche der Marke Hermés, Modell Birkin Bag 40 besessen hat. Der Senat hatte deshalb für den Senatstermin am 09.12.2022 das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet, um sie gemäß § 141 ZPO zu den näheren Umständen des Verkaufs der einen Tasche an die Zeugin S. sowie des Kaufs der vorgeblich noch in ihrem Besitz befindlichen weiteren Tasche ergänzend anzuhören. Die vom Senat beabsichtigte weitere Sachverhaltsaufklärung ist jedoch daran gescheitert, dass die Klägerin unentschuldigt nicht zu dem Senatstermin erscheinen ist. Sie hat ihr Ausbleiben auch nachträglich nicht in hinreichender Weise entschuldigt. Ihre mit Schriftsatz vom 21.12.2022 allein für den Senat zu den Akten gereichte undatierte schriftliche Erklärung (Blatt 137 OLG-Akten) ist dafür schon deshalb nicht ausreichend gewesen, weil sie vom Senat der Gegenseite nicht offengelegt werden sollte und die in ihr für das Ausbleiben vorgebrachten Entschuldigungsgründe entgegen dem Senatsbeschluss vom 07.12.2022 von der Klägerin nicht glaubhaft worden wurden. Die Erklärung wurde von der Klägerin auch nicht handschriftlich unterzeichnet.

cc)

Der Klägerin ist für die in Verlust geratene Damenhandtasche aber als Mindestschaden ein Betrag in Höhe von 40,- EUR zuzuerkennen. Denn steht – wie hier – der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung zur Höhe, darf die Klage nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht vollständig abgewiesen werden. Der Tatrichter muss in diesem Fall vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nicht nach § 287 ZPO wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist, wobei er nach freien Ermessen selbst nicht vorgetragene Tatsachen berücksichtigen darf. Er darf die Schätzung eines Mindestschadens erst dann gänzlich unterlassen, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre (BGH, Urteil vom 14.07.2010, VIII ZR 45/09 – Rz. 19 ff.).

Vorliegend kommt insofern die Schätzung eines Mindestschadens in Betracht, als die beim beklagten Land in Verlust geratene Damenhandtasche einer originalen Birkin Bag 40 von Hermés zumindest täuschend ähnlich gewesen ist. Derartige Replikate werden im Internet, etwa bei I01.de, als Neuware zum Preis ab 79,- EUR angeboten und dürften nach Schätzung des Senats auch noch nach rund 3 Jahren mit Beschädigungen, wie sie die streitgegenständliche Tasche aufgewiesen hat, noch einen Zeitwert von ca. 40,- EUR haben.

2.

Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch ist erst für die Zeit ab dem 23.09.2021 aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen gegen das beklagte Land zu, weil sie mit ihren vorprozessualen Aufforderungsschreiben eine viel zu hohe Schadensersatzforderung gegenüber dem beklagten Land angemahnt hat. In solchen Fällen ist zu prüfen, ob der Schuldner die Erklärung als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger auch zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist (BGH, Urteil vom 09.11.2000, VII ZR 82/99 – Rz. 43 juris). Hieran fehlt es vorliegend. Denn das beklagte Land musste die vorprozessualen Zahlungsaufforderungen der Klägerin nicht dahin verstehen, dass sich die Klägerin mit der Zahlung eines Schadensersatzbetrages von nur 40,- EUR zufriedengeben wird. Mangels wirksamer Mahnung steht der Klägerin damit nur ein Anspruch aus § 291 BGB auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen ab dem 23.09.2021 zu. Ausweislich der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde (Blatt 52 LG-Akten) wurde die Klage dem beklagten Land erst an diesem Tage zugestellt.

3.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus Ersatz der ihr vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten ist allein in Höhe von 93,42 EUR begründet.

Der Anspruch ergibt sich dem Grunde nach ebenfalls aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Die Ersatzpflicht des beklagten Landes erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruches verursachten Kosten. Es besteht insoweit als Teil des Schadensersatzanspruches ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch (Grüneberg, Kommentar zum BGB, 82. Auflage 2023, § 249 Rn. 56 mit weiteren Nachweisen).

Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch aber nur auf 93,42 EUR. Die Klägerin kann Ersatz ihrer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nur in der Höhe beanspruchen, wie sich diese nach einem Gegenstandswert von bis zu 500,- EUR berechnen würden, weil sich der von ihr vorprozessual geltend gemachte Schadensanspruch allein in Höhe von 40,- EUR als begründet erwiesen hat. Für den Gegenstandswert von bis zu 500,- EUR belief sich nach der hier maßgeblichen, bis zum 31.12.2020 gültigen Gebührentabelle zu § 13 Abs. 1 RVG eine volle Geschäftsgebühr auf 45,- EUR und damit die den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für ihre vorgerichtliche Tätigkeit zustehende 1,3-fache Mittelgebühr auf 58,50 EUR. Zuzüglich der nach Nr. 7002 VV zum RVG in Ansatz zu bringenden Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistung von 20,- EUR sowie der nach Nr. 7008 VV zum RVG zu berechnenden Mehrwertsteuer von 19 % errechnen sich danach erstattungsfähige vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten der Klägerin in Höhe von insgesamt 93,42 EUR.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10 S.1 und 2, 711, 713 ZPO.

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