Ein Verbraucher widerrief den Werkvertrag für seinen maßgefertigten Treppenlift, woraufhin das Unternehmen Wertersatz für die fertige Produktion forderte. Trotz fertiggestelltem Produkt musste das Gericht entscheiden, ob die Leistung ohne physischen Einbau überhaupt Kosten für den Auftraggeber rechtfertigt.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Muss ich Wertersatz für eine Maßanfertigung zahlen, wenn sie noch nicht eingebaut wurde?
- Verliere ich mein Widerrufsrecht, wenn ich einen Treppenlift oder eine Maßküche bestelle?
- Was zählt als ‚erbrachte Leistung‘ beim Werkvertrag, um Wertersatz zu vermeiden?
- Was tun, wenn die Firma nach dem Widerruf eine Rechnung für die Materialkosten schickt?
- Ist meine Unterschrift auf der Wertersatz-Vereinbarung nach Widerruf bindend?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 22 U 194/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
- Datum: 05.09.2025
- Aktenzeichen: 22 U 194/24
- Verfahren: Berufungsverfahren (Urteil)
- Rechtsbereiche: Verbrauchervertragsrecht, Werkvertragsrecht, Widerrufsrecht
- Das Problem: Ein Verbraucher widerrief den Vertrag über die Anfertigung und den Einbau eines individuell angepassten Treppenlifts. Das Unternehmen forderte daraufhin 9.540,00 EUR Wertersatz für Planungs- und Produktionskosten, die vor dem Widerruf entstanden waren.
- Die Rechtsfrage: Muss ein Kunde, der einen maßgefertigten Treppenlift widerruft, die Kosten für Planungen und die Herstellung von Bauteilen bezahlen, wenn diese Leistungen noch nicht eingebaut wurden?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Forderung des Unternehmens ab. Kosten für Planung oder bereits produzierte, aber noch nicht in das Werk eingefügte Teile, gelten nicht als erbrachte Dienstleistungen im Sinne des Wertersatzes.
- Die Bedeutung: Bei Widerruf eines Werkvertrags muss der Verbraucher nur für Arbeiten zahlen, die sich bereits im fertigen Werk verkörpert haben. Vertragliche Regelungen, die diese Ansprüche zum Nachteil des Verbrauchers erweitern, sind unwirksam.
Der Fall vor Gericht
Was kostet ein Widerruf, bevor die Ware überhaupt da ist?
Ein Mann unterschrieb einen Vertrag, der unkompliziert schien. Er bestellte einen maßgefertigten Treppenlift für 15.900 Euro. Gleichzeitig erklärte er sich einverstanden, dass die Firma sofort mit der Arbeit beginnen dürfe – noch innerhalb der gesetzlichen Widerrufsfrist.

Ihm war klar, dass er bei einem späteren Rücktritt eine Entschädigung für bereits geleistete Arbeit zahlen müsste. Wenige Tage später machte er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch. Daraufhin erhielt er eine Rechnung über 9.540 Euro. Der Lift war weder geliefert noch eingebaut. Der Fall landete vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Richter mussten eine präzise Antwort auf eine entscheidende Frage finden: Was genau zählt als „erbrachte Dienstleistung“, für die ein Verbraucher nach einem Widerruf zahlen muss?
Warum forderte das Unternehmen fast 10.000 Euro?
Das Unternehmen argumentierte, man habe auf Wunsch des Kunden unverzüglich gehandelt. Die Rechnung über 9.540 Euro setzte sich aus verschiedenen Posten zusammen: Kosten für die Akquise, das digitale Aufmaß vor Ort, technische Zeichnungen, interne Prüfungen und Sachbearbeitung. Der Löwenanteil – über 8.400 Euro – entfiel auf den bereits produzierten Lift selbst. Die Firma legte eine Rechnung ihres Herstellers vor, um zu belegen, dass der maßgeschneiderte Lift zum Zeitpunkt des Widerrufs schon fertig war.
Die Logik der Firma stützte sich auf den Wertersatzanspruch für erbrachte Dienstleistungen, der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist (§ 357a Abs. 2 BGB). Ihre Position war klar: Die Beauftragung des Herstellers und all die Planungsschritte waren Dienstleistungen, die für den Kunden erbracht wurden. Da der Lift eine Maßanfertigung und damit für niemanden sonst brauchbar war, müsse der Kunde den entstandenen Wertverlust ersetzen. Das Landgericht Mönchengladbach folgte dieser Sichtweise in erster Instanz und verurteilte den Mann zur Zahlung.
Wie bewertete das Oberlandesgericht die Planungs- und Produktionskosten?
Das Oberlandesgericht Düsseldorf kippte das erste Urteil. Es stellte klar, dass die Forderung des Unternehmens auf einem Missverständnis des Gesetzes beruhte. Der Anspruch auf Wertersatz für Dienstleistungen greift nur für Leistungen, die der Verbraucher tatsächlich erhalten hat und die sich nicht mehr in Natur zurückgeben lassen.
Der entscheidende Punkt war die Definition einer „erbrachten“ Werkleistung. Die Richter griffen auf eine gefestigte Rechtsprechung zurück: Bei einem Werkvertrag – wie dem Einbau eines Treppenlifts – gelten nur solche Arbeiten als erbracht, die bereits fest in das Werk eingeflossen sind. Im Klartext bedeutet das: Nur was schon auf der Baustelle, also im Haus des Kunden, verbaut wurde, zählt.
Alle von der Firma aufgelisteten Posten – die Zeichnungen, die Verwaltung, das Aufmaß und selbst der fertig produzierte, aber noch im Werk lagernde Lift – waren reine Vorbereitungshandlungen. Sie hatten sich noch nicht im Eigentum des Kunden verkörpert. Sie waren noch kein Teil seines Hauses geworden. Aus Sicht des Gesetzes hatte der Kunde bis zum Widerruf noch keine einzige Leistung erhalten, die einen Wertersatz rechtfertigen würde.
Spielt es keine Rolle, dass der Lift eine Maßanfertigung war?
Das Unternehmen und das erste Gericht sahen in der individuellen Anfertigung einen Schlüsselgrund für den Wertersatz. Ein Lift, der nur für eine Treppe passt, ist nach einem Widerruf praktisch wertlos. Das Oberlandesgericht widersprach dieser Argumentation mit einem Verweis auf die Systematik des Verbraucherrechts.
Das Gesetz kennt durchaus eine Ausnahme vom Widerrufsrecht für maßgefertigte Waren (§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB). Der Bundesgerichtshof hat aber bereits entschieden, dass diese Ausnahme nicht für Werkverträge gilt, die – wie hier – die Lieferung und den Einbau umfassen. Das unternehmerische Risiko, auf einer Spezialanfertigung sitzen zu bleiben, ist vom Gesetzgeber in diesem Fall bewusst nicht auf den Verbraucher abgewälzt worden. Erfolgt der Widerruf, bevor der Einbau beginnt, geht der Hersteller leer aus. Das ist die gesetzliche Konsequenz des starken Verbraucherschutzes beim Widerrufsrecht.
Machte die Zusatzvereinbarung des Kunden keinen Unterschied?
Der Kunde hatte schriftlich zugestimmt, dass die Firma vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Arbeit beginnen dürfe. Er hatte sich in diesem Formular auch zur Zahlung von Wertersatz verpflichtet. Diesen Punkt pulverisierte das Gericht mit einem Verweis auf die Zwingende Natur des Verbraucherschutzrechts.
Das Gesetz legt unmissverständlich fest, dass von den Regeln des Widerrufsrechts nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf (§ 361 Abs. 2 BGB). Eine vertragliche Vereinbarung, die dem Verbraucher weitergehende Zahlungspflichten auferlegt, als das Gesetz sie vorsieht, ist unwirksam. Die zusätzliche Unterschrift des Mannes war rechtlich ohne Belang. Sie konnte keinen Anspruch auf Wertersatz für vorbereitende Maßnahmen begründen, den das Gesetz selbst nicht gewährt. Die Klage des Unternehmens wurde vollständig abgewiesen. Der Mann musste nichts bezahlen.
Die Urteilslogik
Das Gesetz begrenzt die finanzielle Verantwortung des Verbrauchers nach einem Widerruf strikt auf den tatsächlichen Wert, den er bis dahin erhalten hat.
- Werksleistung muss sich verkörpern: Ein Verbraucher schuldet Wertersatz bei einem Werkvertrag nur für Leistungen, die physisch in sein Eigentum eingeflossen sind und sich nicht mehr in Natur zurückgeben lassen. Reine Vorbereitungshandlungen, Planungen oder die Fertigung von Bauteilen im Werk begründen keinen Wertersatzanspruch.
- Maßanfertigung schließt Widerruf nicht aus: Die gesetzliche Ausnahme vom Widerrufsrecht für individuell angefertigte Waren greift nicht bei Werkverträgen, die zugleich die Lieferung und Montage beim Kunden umfassen. Der Unternehmer trägt in diesem Fall das Risiko, auf der Spezialanfertigung sitzen zu bleiben, solange der Einbau nicht begonnen hat.
- Zwingender Verbraucherschutz: Vertragsklauseln, die die Wertersatzpflicht des Verbrauchers über die gesetzlich festgelegten Schwellen hinaus erweitern oder ihm Zahlungspflichten für nicht erbrachte Leistungen auferlegen, sind unwirksam.
Bevor die Arbeit physisch beim Kunden beginnt, schützt das Widerrufsrecht den Verbraucher vollständig vor der Übernahme von Planungs- oder Produktionskosten.
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Experten Kommentar
Wenn ein maßgefertigter Treppenlift im Werk fertig ist, aber der Kunde widerruft, fühlt sich die Forderung nach Wertersatz intuitiv richtig an. Dieses Urteil zieht hier aber eine knallharte Grenze: Die Kosten für Planung, Aufmaß und Produktion bleiben reines unternehmerisches Risiko, solange die Leistung nicht fest im Haus des Kunden verbaut wurde. Bei einem Werkvertrag zählt das Gesetz nur, was sich beim Kunden „verkörpert“ hat, was vor allem bei maßgeschneiderten Waren eine existenzielle Unterscheidung ist. Die Ausnahme für Maßanfertigungen gilt hier nicht, weil Lieferung und Einbau zusammenhängen. Das ist eine klare Ansage an alle Handwerker, die vor dem Einbau bereits hohe Produktionskosten haben.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ich Wertersatz für eine Maßanfertigung zahlen, wenn sie noch nicht eingebaut wurde?
Die klare Antwort lautet: Nein, Sie müssen keinen Wertersatz für eine unverbaute Maßanfertigung leisten. Der Gesetzgeber stellt klar, dass interne Produktionskosten und Lagerung keine erbrachte Dienstleistung darstellen. Juristisch gesehen zählt die Herstellung des maßgefertigten Artikels, wie etwa eines Treppenlifts, lediglich als Vorbereitungshandlung des Unternehmens.
Bei einem Werkvertrag greift die Forderung auf Wertersatz nur dann, wenn die Leistung physisch in Ihr Eigentum eingeflossen ist. Ein Anspruch auf Zahlung entsteht erst, wenn die Ware auf Ihrer Baustelle montiert oder fest installiert wurde. Alle Posten, die vor dem eigentlichen Einbau entstehen – wie technische Zeichnungen, das Aufmaß oder die reine Fertigung – sind für den Verbraucher nicht erstattungspflichtig.
Das gilt auch, wenn die Maßanfertigung für den Hersteller nach dem Widerruf wertlos ist. Das unternehmerische Risiko, auf einer Spezialanfertigung sitzen zu bleiben, liegt beim Auftragnehmer und wurde bewusst nicht auf den Verbraucher abgewälzt. Unternehmen versuchen zwar oft, hohe Materialkosten, die beispielsweise 8.400 Euro betragen können, in Rechnung zu stellen. Da der maßgefertigte Artikel aber noch im Werk lagert, müssen Sie diesen Betrag nicht begleichen.
Prüfen Sie das Datum Ihres Widerrufs und lehnen Sie die Forderung ab, solange vor diesem Zeitpunkt keine tatsächlichen Bau- oder Installationsarbeiten vor Ort stattgefunden haben.
Verliere ich mein Widerrufsrecht, wenn ich einen Treppenlift oder eine Maßküche bestelle?
Nein, Sie behalten Ihr Widerrufsrecht in der Regel vollständig, auch wenn es sich um einen individuell angepassten Artikel handelt. Viele Anbieter versuchen, sich auf die gesetzliche Ausnahme für maßgefertigte Waren zu berufen, um den Widerruf auszuschließen. Diese Strategie scheitert jedoch, wenn der Vertrag nicht nur die Lieferung, sondern auch den Einbau der Komponenten umfasst.
Ein Vertrag über die Lieferung und Montage eines Treppenlifts oder einer Einbauküche wird juristisch als Werkvertrag eingestuft. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass die Ausnahme des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB, welche den Widerruf bei Maßwaren ausschließt, primär reine Kaufverträge betrifft. Da bei Bauleistungen der Einbau und die erfolgreiche Montage die Hauptleistung darstellt, gilt das volle 14-tägige Widerrufsrecht.
Selbst wenn das beauftragte Unternehmen die Produktion der speziellen Teile sofort startet, bleibt das Recht auf Widerruf bestehen. Dieses Recht erlischt nicht durch die reine Anfertigung im Werk des Herstellers. Es erlischt erst, wenn die tatsächliche Installation beim Kunden vor Ort beginnt oder die Widerrufsfrist abgelaufen ist. Das Risiko, auf der Spezialanfertigung sitzen zu bleiben, liegt in diesem Fall beim Unternehmen.
Suchen Sie in Ihrem Dokument nach der Bezeichnung „Werkvertrag über Lieferung und Montage“. Senden Sie den Widerruf bei Bedarf sofort per nachweisbarem Weg ab.
Was zählt als ‚erbrachte Leistung‘ beim Werkvertrag, um Wertersatz zu vermeiden?
Die Regel ist klar: Beim Werkvertrag zählt nur die tatsächliche Inkorporation der Arbeit in Ihr Eigentum als erbrachte Leistung. Nur was physisch verbaut, montiert oder fest installiert wurde, rechtfertigt nach einem Widerruf einen Wertersatzanspruch. Die entscheidende juristische Grenze zieht das Gesetz konsequent an der Baustelle.
Interne Prozesse wie technische Zeichnungen, Verwaltung, Akquise oder die betriebsinterne Sachbearbeitung sind reine Vorbereitungshandlungen. Diese Kosten fallen vollständig in das unternehmerische Risiko der Firma. Der Kunde muss sie nicht bezahlen, da diese Tätigkeiten sich noch nicht in seinem Haus oder Eigentum verkörpert haben. Wertersatz ist nur für erfolgreich beim Kunden eingetretene Fertigstellung von Arbeitsschritten geschuldet, nicht für die Fertigung des Materials selbst.
Konkret: Auch die Anfertigung eines digitalen Aufmaßes vor Ort oder die Produktion einer Maßanfertigung im Werk des Herstellers sind nicht erstattungsfähig. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte in einem vergleichbaren Fall fest, dass selbst die Kosten für einen fertig produzierten, aber noch unverbaute Lift unzulässig waren. Alle Forderungen, die vor dem ersten Hammerschlag oder der ersten Schraube bei Ihnen zu Hause entstanden, können Sie abwehren.
Markieren Sie auf der Ihnen zugestellten Rechnung alle Posten, die nicht direkt den Einbau in Ihrem Haus betreffen, und halten Sie diese Liste als Beweis für die unzulässige Forderung bereit.
Was tun, wenn die Firma nach dem Widerruf eine Rechnung für die Materialkosten schickt?
Rechnungen für Materialkosten, die nach einem Widerruf eingehen, sind in der Regel unzulässig. Sie müssen dieser Forderung sofort widersprechen. Setzen Sie umgehend ein formelles Schreiben auf und versenden Sie es nachweisbar per Einschreiben. Eine Zahlungspflicht besteht für Verbraucher nur, wenn die Hauptleistung, etwa die Montage oder der Einbau, tatsächlich bei Ihnen zu Hause erbracht wurde.
Der Anspruch auf Wertersatz ist klar begrenzt: Er gilt ausschließlich für Dienstleistungen, die sich physisch im Eigentum des Kunden verkörpert haben. Interne Kosten für Akquise, technische Zeichnungen oder Sachbearbeitung zählen rechtlich als reine Vorbereitungshandlungen. Diese Handlungen fallen in den Verantwortungsbereich des Unternehmens und sind Teil seines allgemeinen unternehmerischen Risikos. Die Kosten können daher nicht nachträglich auf den Verbraucher abgewälzt werden.
Lassen Sie sich nicht von einer detaillierten Aufschlüsselung der Material- und Produktionskosten beirren. Die Produktion einer Spezialanfertigung, wie ein fertiger, aber noch unverkaufter Treppenlift, rechtfertigt keinen Wertersatz. Die Kosten des unverbaute Gegenstands sind für Sie irrelevant, da die Ware nicht physisch in Ihr Haus eingeflossen ist. Weisen Sie explizit darauf hin, dass die Forderung unbegründet ist, weil vor dem Widerruf keine Leistung auf Ihrer Baustelle erbracht wurde.
Verweigern Sie die Zahlung der Rechnung formal und kündigen Sie an, die juristische Überprüfung der gesamten Forderung einzuleiten, um weitere Eskalationen wie Mahnungen oder Inkasso zu verhindern.
Diese allgemeinen Informationen ersetzen keine individuelle Rechtsberatung.
Ist meine Unterschrift auf der Wertersatz-Vereinbarung nach Widerruf bindend?
Nein, Ihre Unterschrift auf einer Wertersatz-Vereinbarung ist in diesem Kontext juristisch nicht bindend. Viele Unternehmen versuchen, sich durch solche Zusatzklauseln abzusichern, besonders wenn der Arbeitsbeginn sofort erfolgen soll. Das deutsche Verbraucherschutzrecht ist jedoch zwingend und schützt Sie vor vertraglichen Regelungen, die Ihre gesetzlichen Rechte einschränken. Sie müssen keine Angst vor der eigenen Unterschrift haben, wenn diese Klausel das Gesetz unterläuft.
Der Gesetzgeber hat das Widerrufsrecht als unabdingbar festgelegt. Dies ist in Paragraf 361 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verankert. Das bedeutet, keine vertragliche Klausel darf Sie als Verbraucher schlechter stellen, als es die gesetzlichen Bestimmungen vorsehen. Eine Firma kann Ihnen daher keine Zahlungspflichten für Leistungen auferlegen, die das Gesetz – etwa für unverbaute Materialien oder reine Vorbereitungshandlungen – explizit nicht vorsieht. Das Gesetz schiebt derartige Versuche, das unternehmerische Risiko abzuwälzen, einen Riegel vor.
Nehmen wir an, Sie stimmten dem sofortigen Beginn der Arbeiten zu, was die Firma als Grundlage für die Wertersatzforderung nutzt. Diese Zustimmung mag den sofortigen Start erlauben, erweitert aber nicht die Definition der erbrachten Leistung. Die Rechtsprechung stellt klar, dass interne Planungen oder die Produktion eines maßgefertigten Gegenstandes reine Vorbereitungshandlungen sind. Diese sind nicht erstattungsfähig, auch wenn Sie die entsprechende Klausel unterzeichnet haben. Die Zusatzvereinbarung zur Zahlung von Wertersatz ist wegen Abweichung zum Nachteil des Verbrauchers schlicht unwirksam.
Lokalisieren Sie in Ihrem Vertrag die Klausel über den sofortigen Beginn und weisen Sie die Firma unter Berufung auf § 361 Abs. 2 BGB auf die Unwirksamkeit hin.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Erbrachte Werkleistung
Eine erbrachte Werkleistung meint beim Bau- oder Montagevertrag nur die Arbeiten, die bereits physisch in das Eigentum des Kunden eingeflossen sind, sprich: fest verbaut oder installiert wurden. Das Gesetz schützt den Verbraucher davor, interne Produktions- und Planungskosten tragen zu müssen, solange die Leistung noch nicht auf seiner Baustelle vollendet wurde.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte fest, dass die Kosten für den fertig produzierten, aber noch im Werk lagernden Treppenlift keine erbrachte Werkleistung darstellten und somit nicht erstattungsfähig waren.
Vorbereitungshandlungen
Als Vorbereitungshandlungen gelten alle internen Prozesse und administrativen Schritte eines Unternehmens, wie Akquise, Aufmaß oder technische Zeichnungen, die der eigentlichen Ausführung des Werkes vorausgehen. Diese Handlungen fallen grundsätzlich in das unternehmerische Risiko des Auftragnehmers und können nach einem Widerruf nicht als erstattungspflichtige Dienstleistung beim Kunden geltend gemacht werden.
Beispiel: Obwohl das Unternehmen das digitale Aufmaß vor Ort genommen hatte, zählten diese Tätigkeiten juristisch nur als reine Vorbereitungshandlungen und begründeten keinen Anspruch auf Zahlung von 9.540 Euro.
Wertersatzanspruch
Der Wertersatzanspruch ist die gesetzliche Forderung des Unternehmers auf finanzielle Entschädigung, wenn der Verbraucher nach einem Widerruf eine bereits erbrachte Dienstleistung zurückgeben müsste, dies aber wegen der Natur der Sache nicht mehr möglich ist. Dieser Anspruch soll verhindern, dass der Verbraucher einen geldwerten Vorteil aus einer Dienstleistung zieht, für die er nach dem Widerruf sonst nicht zahlen müsste, und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 357a BGB) geregelt.
Beispiel: Der Wertersatzanspruch des Treppenlift-Unternehmens scheiterte, weil die Richter feststellten, dass vor dem Widerruf keine einzige Leistung im Sinne des Gesetzes beim Kunden erbracht worden war.
Werkvertrag
Juristen klassifizieren einen Werkvertrag als einen Vertragstyp, bei dem sich der Auftragnehmer zur Herstellung eines bestimmten Werkes – wie der Lieferung und Montage eines Treppenlifts oder einer Maßküche – verpflichtet und dafür den Erfolg der Leistung schuldet. Im Gegensatz zum reinen Kaufvertrag umfasst der Werkvertrag typischerweise auch die Montage und Installation, was für die Beurteilung des Widerrufsrechts entscheidende Unterschiede macht.
Beispiel: Da der Vertrag nicht nur die Lieferung, sondern auch den Einbau des maßgefertigten Treppenlifts umfasste, wurde er juristisch korrekt als Werkvertrag eingestuft, wodurch die spezielle Ausnahme für Maßanfertigungen entfiel.
Zwingende Natur des Verbraucherschutzrechts
Die zwingende Natur des Verbraucherschutzrechts bedeutet, dass gesetzliche Schutzvorschriften, wie das Widerrufsrecht, nicht durch individuelle Verträge zum Nachteil des Verbrauchers abbedungen oder eingeschränkt werden dürfen (§ 361 Abs. 2 BGB). Das Gesetz stellt sicher, dass Unternehmen ihre stärkere Verhandlungsposition nicht nutzen können, um Konsumenten vertraglich Rechte zu entziehen oder ihnen höhere Zahlungspflichten aufzuerlegen.
Beispiel: Die zusätzliche Unterschrift des Kunden, in der er sich zur Zahlung von Wertersatz verpflichtete, war wegen der zwingenden Natur des Verbraucherschutzrechts unwirksam und konnte keinen Anspruch begründen.
Das vorliegende Urteil
OLG Düsseldorf – Az.: 22 U 194/24 – Urteil vom 05.09.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





