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Geräuschentwicklung von Wertstoffsammelcontainern – Zumutbar?

Oberverwaltungsgericht NRW

Az.: 21 B 1889/00

Beschluss vom 26.10.2001

I. Instanz: VG Gelsenkirchen – Az.: 8 L 976/00 –


Leitsätze:

1. In Wohngebieten sind Wertstoffsammelcontainer (Altglas, Altpapier und sonstige Wertstoffe) und die mit ihrer Nutzung und Entleerung typischerweise verbundenen Geräusche grundsätzlich als sozialadäquat und zumutbar hinzunehmen.

2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde bei der Festlegung von Standorten für Wertstoffsammelcontainer im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums einen gepflegten, sozialer Kontrolle unterliegenden Standort einem Alternativstandort vor einem Brachgelände wegen befürchteter „Vermüllung“ vorzieht.

3. Zur Festlegung eines Standortes im Einzelfall (hier: Verschlechterung der Sichtverhältnisse bei der Grundstücksausfahrt, befürchtetes „Anschlagen“ des Wachhundes).


Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines im rückwärtigen Bereich mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Zur Straße hin ist das Grundstück mit hohen Tannen bepflanzt sowie mit einer 2 m hohen Mauer abgegrenzt. Auf dem Grundstück wird ein Wachhund gehalten. Unmittelbar vor dem Grundstück – auf einem unbefestigten, mit Bäumen bepflanzten Streifen zwischen Gehweg und Fahrbahn, der an dieser Stelle bislang zum Parken von Kraftfahrzeugen genutzt wird – soll neben der Grundstückszufahrt ein Wertstoff-Depotcontainerstellplatz eingerichtet werden. Der Standort gehört zu einem Gesamtkonzept der Antragsgegnerin, bei dessen Planung und Umsetzung verschiedene Alternativstandorte verworfen worden sind. Das VG lehnte den Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VWGO vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu untersagen,: Altglas- und Altpapier sowie sonstige Wertstoffcontainer vor ihrem Grundstück aufzustellen, ab. Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

Das Antragsvorbringen, das den Rahmen der gerichtlichen Prüfung absteckt, trägt nicht den allein (sinngemäß) geltend gemachten Zulassungsgrund nach,,§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Das Vorbringen der Antragstellerin weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses.

1. Die Vorinstanz hat zutreffend entschieden, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 1 VwG0 nicht glaubhaft gemacht hat. Denn ihr steht – auf der Grundlage der Erkenntnismöglichkeiten im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes- ein öffentlich-rechtlicher (Folgen-) Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegne

rin wegen zu besorgender, hoheitlich veranlasster unzumutbarer Immissionen, vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.1989 – 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197, 199 f., oder sonstiger Rechtsbeeinträchtigungen aufgrund der geplanten Anlage eines Wertstoff -Depotcontainerstellplatzes in Höhe ihres Grundstücks nicht zu.

Das VG ist bei der Berteilung der Zumutbarkeit am Maßstab der §§ 22 Abs. 1, 3 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 BImSchG in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen,

dass Wertstoffsammelbhälter für Altglas, Kunststoffverpackungen, Altpapier und sonstige Wertstoffe – hier: Depotcontainerstellplatz mit 2 Altpapierbehältern, 1 Weissglasbehälter und 1 Kombinationsbehälter für Braun- und Grünglas – trotz ihrer auch nachteiligen Auswirkungen in Wohngebieten und damit in der Nähe zu Wohnnutzungen, wie sie auch hier gegeben ist, grundsätzlich hinzunehmen sind. Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 18.12.1996 – 21 A 7534/95 – sowie Beschlüsse vom 7.2.1997 – 21 A 7195/95 – und vom 26.8.1999 – 21 A 2883/96 – m.w.N.

Dies bedeutet, dass selbst in einem reinen Wohngebiet die durch das Einwerfen von Altglas in einen Sammelbehälter entstehenden und je nach den Umständen des Einzelfalls nach der Höhe des Schallpegels und den spezifischen Eigenarten der einzelnen Schallereignisse – Splittern, Klirren, Dröhnen – auch überraschenden, impulsartig auftretenden und in ihrer Häufigkeit eutlich bemerkbaren bis sehr lästigen Geräusche von den Nachbarn grundsätzlich als sozialadäquat und zumutbar hinzunehmen sind; dasselbe gilt für die üblichen Begleitgeräusche bei der Anlieferung von Altglas und Altpapier mit Kraftfahrzeugen und die Geräusche der Entleerung des in den Behältern befindlichen Altglases und Altpapiers in Entsorgungsfahrzeuge. Vgl. auch zur Aufstellung von Wertstoffsammelbehältern in Wohngebieten und zum Abwehranspruch von Nachbarn BVerwG, Beschlüsse vom 3.5.1996 – 4 B 50.96 -, NVwZ 1996, S. 1001, und vom 13.10.1998 – 4 B 93.98 -, NVwZ 1999, S. 298; BayVGH, Urteil vom 27.11.1995 – 20 B 95.436 -, NVwZ 1996, S. 1031; HessVGH, Urteil vom 24.8.1999 – 2 UE 2287/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 668; VG Köln, Urteil vom 2.7.1992 – 4 K 2071/89 -, NVwZ 1993, S. 401; VG Schleswig, Urteil vom 17.2.2000 – 12 A 112/97 -, NVWZ-RR 2001, S. 22; VG Düsseldorf, Urteil vom 9.5.2000 – 3 K 4329/99 -, NVwZ-RR 2001, S. 23.

Diese allgemeinen Grundsätze werden von der Antragstellerin lediglich pauschal unter Hinweis auf die „zweifelhaften Ausführungen zur Ortsüblichkeit der Immissionen“ angegriffen und damit nicht im Ansatz den Anforderungen der §g 146 Abs. 4, Abs. 5 Satz 3, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwG0 entsprechend in Frage gestellt.

2. Ernstliche Zweifel in immissionsschutzrechtlicher oder sonstiger Hinsicht an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind auch darüber hinaus nicht dargelegt, soweit die Antragstellerin Umstände des Einzelfalls (Grundstückszufahrt, Hundehaltung auf dem Grundstück, Alternativstandorte für den Wertstoff-Depotcontainerstellplatz, „Vermüllung“) nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt und gewürdigt sieht.

a. Die Antragstellerin ist zunächst der Auffassung, dass sich bei Aufstellung der Wertstoff-Depotcontainer auf dem vorgesehenen Stellplatz eine erhebliche Gefahr für den Straßenverkehr auf der angrenzenden Straße und insbesondere auch für sie und ihre Familie bei der Benutzung der Grundstückszufahrt mit Kraftfahrzeugen ergibt, die geplante Anlage daher unzumutbar und der angefochtene Beschluss schon deshalb „krass fehlerhaft“ ist. In der Tat vermitteln bereits die in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin und in der Hauptsacheakte befindlichen Lichtbilder anschaulich, dass sich die Sichtverhältnisse bei der Ausfahrt vom Grundstück vor allem hinsichtlich des von links kommenden Verkehrs aller Voraussicht nach verschlechtern werden. Sie sind ohnehin schon beschränkt durch die Bäume entlang der Straße. Die Aufstellung der Container am geplanten Standort verhindert darüberhinaus aller Voraussicht nach den an dieser Stelle bislang möglichen „Durchblick“, soweit dieser dort selbst bei geparkten Kraftfahrzeugen noch mehr oder minder gewährleistet war. Auch ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die Antragstellerin den Sichtverhältnissen bei der Ausfahrt vom Grundstück Bedeutung beimisst, denn auf der Straße findet ungeachtet ihrer Ausweisung als Tempo-30-Zone erheblicher Fahrzeugverkehr statt; sie wird nach Angaben der Antragsgegnerin von ca. 1.000 Kraftfahrzeugen pro Tag und Fahrtrichtung befahren. Andererseits hat die für die Sicherheit des Verkehrs auf dieser Straße (mit-) verantwortliche Antragsgegnerin den geplanten Standort gerade in verkehrsrechtlicher Hinsicht mehrfach überprüft und teilt die Bedenken der Antragstellerin nicht. Dieser fachkundigen Einschätzung misst der Senat im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entscheidendes Gewicht bei. Allerdings erscheint es nicht ausgeschlossen, dass nach Aufstellung der Container aus Gründen der – der Antragsgegnerin obliegenden – Verkehrssicherungspflicht flankierende Maßnahmen, etwa die Anbringung eines Spiegels zur Verbesserung der Sichtverhältnisse bei der Grundstücksausfahrt, ergriffen werden müssen. Die abschließende Klärung bleibt insofern dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Jedenfalls steht außer Zweifel, dass die Grundstückszufahrt bei Beachtung der durch § 10 StVO gebotenen Vorsicht, die der Antragstellerin und ihren Familienmitgliedern bei der Grundstücksausfahrt mit Kraftfahrzeugen obliegt, uneingeschränkt nutzbar bleibt. Die Anlage des Containerstellplatzes greift damit ersichtlich nicht in den insoweit allein in Betracht zu ziehenden, durch Art. 14 Abs. 1 GG eigentumsrechtlich geschützten Kern des Anliegergebrauchs ein. Dieser reicht grundsätzlich nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert. Gewährleistet sind danach vor allem der Zugang zur Straße und die Zugänglichkeit des Grundstücks von der Straße her. Hierzu zählt unter heutigen Verhältnissen des Straßenverkehrs die ausreichende Möglichkeit, das Grundstück mit Kraftfahrzeugen zu erreichen. Insoweit garantiert Art. 14 Abs. 1 GG aber nur eine genügende Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Diese Gewährleistung der Zugänglichkeit umfasst keine Bestandsgarantie hinsichtlich der Ausgestaltung und des Umfangs der Grundstücksverbindung mit der Straße. Erst recht vermittelt sie keinen Anspruch auf die Beibehaltung vorteilhafter Verkehrsverbindungen sowie der Bequemlichkeit oder Leichtigkeit der Zu- und Abfahrt. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.9.1990 – 1 BvR 988/90 -, NVwZ 1991, S. 358; BVerwG, Urteil vom 11.11.1983 – 4 C 82.80 -, DÖV 1984, S. 426; OVG NRW, Urteile vom 15.9.1994 – 23 A 1064/92 -, UA S. 9, vom 26.4.1996 – 23 A 6239/95 -, UA S. 8, und vom 16.7.1997 – 23 A 3030/96 -, UA S. 6, jeweils m.w.N.

b. Weiterhin hat das VG der Hundehaltung auf dem Grundstück im vorliegenden Zusammenhang zu Recht keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Aus den Darlegungen der Antragstellerin folgen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses nach §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Antragstellerin prognostiziert, dass ihr 11-jähriger Rottweiler nach Aufstellung und Nutzung der Wertstoffcontainer als ausgebildeter Wachhund anschlagen wird, die Nachbarn stören wird, und er letztlich notfalls sogar „weggegeben“ werden müsste. Dieser Vortrag gibt bei allem Verständnis für die Sorgen einer Hundehalterin für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nichts her. Schon die Vorinstanz hat zutreffend die Verpflichtung der Antragstellerin und ihrer Familie hervorgehoben, dafür Sorge zu tragen, dass sich die Hundehaltung auf ihrem Grundstück auch dann noch in verträglichem Rahmen hält, wenn in der Nachbarschaft sozialadäquate Einrichtungen – die Wertstoffcontainer – benutzt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihre Nutzung nur zu bestimmten Zeiten außerhalb derjenigen eines besonderen Ruhebedürfnisses zugelassen sein wird. In diesen Zeiten ist auch das kurzfristige „Anschlagen“ eines Wachhundes durchaus sozialadäquat. Im Übrigen bleibt zunächst abzuwarten, ob und wie der Hund überhaupt auf die veränderte Situation reagieren wird. Darauf abgestimmt werden abgestufte Einwirkungsund Lösungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die sich ersichtlich nicht in der „Weggabe“ des Hundes erschöpfen oder zwangsläufig darauf hinauslaufen.

c. Die Antragstellerin hat schließlich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Beschlusses dargelegt, soweit sie geltend macht, dass sich ein anderer Standort unter Berücksichtigung der maßgeblichen Aspekte als greifbar besser geeignet anbietet. Die Standortentscheidung ist auf der Grundlage der bereits angeführten Senatsrechtsprechung nicht zu beanstanden. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass sich ein weniger belastender Standort aufdrängt. Vielmehr hat die Antragsgegnerin von dem ihr insoweit zustehenden weiten Gestaltungsspielraum sachgerecht Gebrauch gemacht, in dem sie unter den Gesichtspunkten der Erreichbarkeit, der Verkehrssituation und des städtebaulichen Erscheinungsbildes entschieden hat, dass die Wertstoffcontainer nicht an der B. Straße bzw. an der K. Straße in Höhe des unbebauten Flurstücks 693, sondern am geplanten Standort aufgestellt werden. Der Senat teilt dazu die bereits vom VG vorgenommene Einschätzung, dass beide Alternativstandorte nicht in gleicher Weise geeignet erscheinen. Hinsichtlich des Alternativstandortes an der K. Straße ist die Begründung des Beschlusses entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht widersprüchlich. Vielmehr ist ohne Weiteres nachvollziehbar und entspricht allgemeiner Erfahrung, dass ein gepflegter, sozialer Kontrolle unterliegender Standort weitaus weniger der Gefahr der „Vermüllung“ unterliegt als ein Standort vor einem Brachgelände.

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