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WhatsApp-Chat / Audio-Datei muss vom Gericht nicht wörtlich protokolliert werden

OLG Dresden – Az.: 4 W 893/20 – Beschluss vom 14.12.2020

I. Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers gegen den Beschluss des Landgerichts Zwickau vom 20.10.2020 wird zurückgewiesen.

II. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 3500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Verfügungskläger (Kl.) ist Rechtsanwalt mit Zulassung in B. Er begehrt die Unterlassung einer vom Verfügungsbeklagten (Bekl.) gegenüber einem Dritten im Rahmen eines Whats-App Chats aufgestellten Äußerung. Im Zusammenhang mit einer vom Kläger gegen die Lebensgefährtin des Beklagten erhobenen Strafanzeige wegen Betruges hatte sich dieser ausweislich der Antragsschrift

„sinngemäß dahingehend geäußert, dass der Kläger mit Herrn Staatsanwalt R. gegen Frau W. zusammenarbeite und diese wegen Reichsbürgerschaft angezeigt“

habe.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte sich im Vergleichswege verpflichtet, diese Äußerung zu unterlassen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht dem Kläger auferlegt. Die Äußerung bestehe aus zwei wahren Tatsachenbehauptungen, die der Kläger hinzunehmen habe. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde. Er ist der Auffassung, der angefochtene Beschluss sei schon deswegen aufzuheben, weil das Landgericht davon abgesehen habe, den Inhalt der in der mündlichen Verhandlung angehörten Audio-Datei im Protokoll wiederzugeben. Zum Nachteil des Klägers habe es überdies nicht berücksichtigt, dass dieser der „b. anwaltlichen Deontologie“ unterliege. Diese untersage jegliche Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft, weshalb eine hierauf abzielende Unterstellung ihn in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtige. Der weitere Vorwurf, er habe eine Anzeige wegen „Reichsbürgerschaft“ erstattet, sei überdies ehrenrührig, weil ihm hiermit unterstellt werde, nichtexistente Straftatbestände zur Anzeige zu bringen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers, über die gem. § 568 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, ist statthaft, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 91a Abs. 2 S. 1 ZPO und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben (§ 569 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ZPO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend die nach § 91a ZPO zu verteilenden Kosten allein dem Kläger auferlegt.

Erklären beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, ist regelmäßig diejenige Partei mit den Kosten zu belasten, die sie – nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage – voraussichtlich auch ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung und ohne ein eventuell vorhandenes erledigendes Ereignis zu tragen gehabt hätte (allg. Auffassung vgl. nur BGHZ 67, 343; Senat, Beschluss vom 05. August 2011 – 4 W 624/11 -; Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl., § 91a Rn. 24, m.w.N.). Im Streitfall wäre aller Wahrscheinlichkeit nach der Kläger unterlegene Partei gewesen, wenn über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hätte streitig entschieden werden müssen. Ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog bestand nämlich nicht.

1. Für das Beschwerdeverfahren ist dabei vom Wortlaut der Äußerung auszugehen, den der mit der Glaubhaftmachung im Verfügungsverfahren (§ 920 Abs. 3 ZPO) belastete Kläger mit der Antragsschrift behauptet hat. Eine Aufhebung und Zurückverweisung wegen eines hierüber hinausgehenden, indes nicht protokollierten Wortlauts der Audio-Datei kommt entgegen der Auffassung des Klägers nicht in Betracht. Ist ein Kostenbeschluss aufgrund fehlender Darstellungen rechtlich nicht überprüfbar, soll allerdings nach einer Auffassung in der Rechtsprechung die Beschwerdeinstanz von einer eigenen Billigkeitsentscheidung absehen und die Sache an das Ausgangsgericht zurückverweisen können (vgl. die Nachweise bei Zöller/Althammer, aaO. Rn 28). Wird das Ergebnis eines Augenscheins entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO nicht protokolliert, liegt hierin ein von Amts wegen zu beachtenden Mangel, der eine solche Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigen kann (BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 21/12 -, Rn. 31). Vorliegend ist allerdings im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 20.10.2020 ein Augenscheinsergebnis gem. § 163 Nr. 5 ZPO vermerkt und insofern festgehalten, dass sich aus der „nunmehr erfolgten Anhörung der Audio-Datei keine anderweitige Einschätzung der für den Verfügungskläger nachteiligen Sach- und Rechtslage“ ergeben habe. Damit ist den formellen Vorgaben gem. § 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO Genüge getan, eine wörtliche Wiedergabe der Audio-Datei ist hiernach nicht geboten.

Zwar erstreckt sich die Beweiskraft des Protokolls gem. § 165 ZPO nur auf die Einholung des Augenscheins als solcher, nicht aber auf den Inhalt der in der Audio-Datei enthaltenen Aussage. Der hierfür beweisbelastete Kläger hat jedoch einen von seiner eigenen Antragsschrift abweichenden Wortlaut, der seine Auffassung rechtfertigen könnte, der Beklagte habe dort dem Kläger unterstellen wollen, „Frau W. zielgerichtet gemeinsam fertig zu machen“ im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt, die Datei selbst wurde im Beschwerdeverfahren gleichfalls nicht vorgelegt.

2. Die in der Antragsschrift und im angefochtenen Beschluss wiedergegebene Äußerung hat das Landgericht vertretbar als Tatsachenbehauptung eingestuft, was der Kläger als ihm günstig auch nicht beanstandet. Ausgehend vom Wortlaut des Schreibens des Klägers an die Staatsanwaltschaft Zwickau vom 8.7.2020 (K 1) ist es unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts der streitbefangenen Äußerung, des Kontextes und der Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Strafanzeige bereits für sich genommen für eine „Zusammenarbeit“ hat ausreichen lassen und ausgehend hiervon von einer wahren Tatsachenbehauptung ausgegangen ist.

WhatsApp-Chat / Audio-Datei muss vom Gericht nicht wörtlich protokolliert werden
(Symbolfoto: Von Alex Ruhl/Shutterstock.com)

Geht es um Tatsachenbehauptungen, die, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst sind, hängt die Abwägung maßgeblich von ihrem Wahrheitsgehalt ab. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2015, VI ZR 340/14; BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.12.2011, 1 BvR 2678/10, jeweils m.w.N. zur Rspr., OLG Hamm, Urteil vom 25. August 2020 – 4 U 54/20 -; Senat, Beschluss vom 25. Juli 2019 – 4 U 1087/19 -; Beschluss vom 16. Januar 2018 – 4 W 1066/17 -). Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Tatsachenbehauptung die Intim- oder Privatsphäre betrifft. Äußerungen zu wahren Tatsachen aus der Sozialsphäre dürfen hingegen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 259/05, Rn. 13 m.w.N. OLG Köln, Urteil vom 28. Mai 2019 – 15 U 196/18 -). Dass der Kläger belgischem Standesrecht unterliegt, das eine Zusammenarbeit eines Rechtsanwalts mit der Staatsanwaltschaft in jedem Fall ausschließt, kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, betrifft jedoch allein seine Sozialsphäre. Dass er durch die in einem Whats-App Chat aufgestellte Behauptung des Beklagten eine Stigmatisierung oder Ausgrenzung zu befürchten hätte, erscheint von vornherein abwegig; hierauf beruft sich auch der Kläger nicht.

3. Sein Beschwerdevorbringen hat auch insoweit keinen Erfolg, als es sich gegen die Annahme des Landgerichts wendet, die Äußerung, der Kläger habe Frau W.“wegen Reichsbürgerschaft angezeigt“ stelle eine wahre Tatsachenbehauptung dar, die er ebenfalls hinnehmen müsse. Das Landgericht hat hierzu spätestens in Ziff. 4 des Nichtabhilfebeschlusses vom 2.12.2020 das Gebotene ausgeführt, zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat hierauf Bezug.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes folgt dem Kosteninteresse.

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