Widerruf verspätet – Gericht weist Tesla-Käufer ab
Der Widerruf eines Fahrzeugkaufvertrages ist ein wichtiges Thema für Verbraucher. Als Käufer hat man in bestimmten Fällen das Recht, einen geschlossenen Vertrag innerhalb einer gesetzlichen Frist zu widerrufen. Dies gilt insbesondere bei Fernabsatzverträgen, also wenn der Kauf beispielsweise online oder am Telefon erfolgte. Der Widerruf muss dann innerhalb von 14 Tagen erklärt werden.
Allerdings gibt es zahlreiche Fallstricke und rechtliche Aspekte, die beachtet werden müssen. So ist etwa die Widerrufsfrist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, und Händler müssen ihre Kunden korrekt über das Widerrufsrecht belehren. Wird gegen diese Pflichten verstoßen, kann sich die Frist deutlich verlängern. Um sich nicht der Gefahr auszusetzen, dass ein Widerruf als verfristet gilt, ist es daher ratsam, sich vorab kundig zu machen.
Im Folgenden wird nun ein konkreter Fall rund um den Widerruf eines Fahrzeugkaufvertrages vorgestellt und analysiert.
Übersicht:
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Der Widerruf des Fahrzeugkaufvertrags durch den Kläger war verspätet, da die 14-tägige Widerrufsfrist bereits mit Übergabe des Fahrzeugs am 26.08.2022 zu laufen begann.
- Die Widerrufsbelehrung der Beklagten war ordnungsgemäß, da sie nicht verpflichtet war, ihre Telefonnummer anzugeben.
- Die Bezeichnung der Anzahlung als „nicht rückerstattbare Bestellgebühr“ war nicht irreführend, da durch den Sternchen-Hinweis klargestellt wurde, dass dies nicht für den Widerruf gilt.
- Der Kläger kann den Kaufpreis auch nicht wegen behaupteter Mängel zurückfordern, da er der Beklagten keine Gelegenheit zur Mängelbeseitigung gab.
- Die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises wurde daher vollumfänglich abgewiesen.
- Der Kläger muss sämtliche Kosten des Rechtsstreits tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung.
➜ Der Fall im Detail
Streitgegenstand: Widerruf eines Fahrzeugkaufvertrages
Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob der Kläger den mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über einen Tesla wirksam widerrufen hat. Der Kläger erwarb am 19. Januar 2022 von der Beklagten einen neuen Tesla zum Preis von 59.170 EUR. Den Kaufvertrag schloss er online über die Website der Beklagten ab.
Im Bestellprozess bezeichnete die Beklagte die vom Kläger geleistete Anzahlung von 250 EUR als „nicht rückerstattbare Bestellgebühr“, stellte jedoch in einem Sternchen-Hinweis klar, dass ein Rücktrittsrecht hiervon unberührt bleibt. Zudem übersandte sie dem Kläger nach Vertragsschluss eine Widerrufsbelehrung per E-Mail, in der jedoch keine Telefonnummer der Beklagten enthalten war.
Entscheidung und Begründung des Gerichts
Mit E-Mail vom 5. Mai 2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Die Beklagte lehnte die Rückabwicklung mit der Begründung ab, der Widerruf sei zu spät erfolgt. Das Gericht wies die Klage ab und entschied, dass der Widerruf verspätet war:
- Die 14-tägige Widerrufsfrist gemäß §§ 355, 356 BGB begann mit Warenübergabe am 26. August 2022 zu laufen und war beim Widerruf im Mai 2023 bereits abgelaufen.
- Die Widerrufsbelehrung war entgegen der Auffassung des Klägers ordnungsgemäß. Zwar fehlte die Telefonnummer der Beklagten, dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Aus den Vorschriften des BGB und der zugrundeliegenden EU-Richtlinie ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen an die Angaben zur Ausübung des Widerrufsrechts.
- Auch die Bezeichnung der Anzahlung als „nicht rückerstattbare Bestellgebühr“ im Bestellprozess führte nicht zu einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung, da die Beklagte in dem Sternchen-Hinweis klarstellte, dass dies für das Widerrufsrecht nicht gilt.
Kernaussage
Das Gericht stellte fest, dass der vom Kläger erklärte Widerruf unwirksam war, da die Widerrufsfrist bereits abgelaufen war. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten war entgegen der Rügen des Klägers ordnungsgemäß.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Wann beginnt die Widerrufsfrist beim Fahrzeugkauf?
Die Widerrufsfrist beim Fahrzeugkauf beträgt grundsätzlich 14 Tage. Der genaue Fristbeginn hängt davon ab, ob der Käufer ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde und wann er die Ware (das Fahrzeug) erhalten hat.
Wurde der Käufer vor Vertragsschluss korrekt über sein Widerrufsrecht informiert, beginnt die 14-tägige Frist ab dem Tag, an dem der Käufer oder ein von ihm benannter Dritter (der nicht der Beförderer ist) das Fahrzeug in Besitz genommen hat.
Erfolgte keine oder keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung, beginnt die Frist nicht zu laufen. In diesem Fall erlischt das Widerrufsrecht spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Übergabe des Fahrzeugs.
Entscheidend für den Fristbeginn ist also der Zeitpunkt des Erhalts der Ware in Verbindung mit einer korrekten Widerrufsbelehrung. Die Widerrufsfrist beginnt nicht schon mit Vertragsschluss, sondern erst mit Besitzerlangung des Fahrzeugs durch den Käufer, sofern er zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht aufgeklärt wurde.
Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollte der Verkäufer den Käufer nachweisbar über die Modalitäten des Widerrufsrechts informieren. Andernfalls kann der Käufer ggf. auch noch Monate nach Fahrzeugübergabe vom Vertrag zurücktreten.
Was muss in einer Widerrufsbelehrung enthalten sein?
Eine Widerrufsbelehrung muss bestimmte Mindestinhalte aufweisen, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen und die 14-tägige Widerrufsfrist in Gang zu setzen. Folgende Punkte müssen enthalten sein:
- Hinweis auf das Bestehen eines Widerrufsrechts
- Bezeichnung der Person/Firma, gegenüber der der Widerruf zu erklären ist, mit ladungsfähiger Anschrift
- Belehrung über Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts
- Erläuterung, dass der Widerruf durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer erfolgt
- Hinweis, dass kein Grund für den Widerruf angegeben werden muss
- Beginn der Widerrufsfrist, in der Regel mit Erhalt der Ware
- Erklärung der Rechtsfolgen des Widerrufs (Rückgewährpflichten)
- Hinweis auf das Erlöschen des Widerrufsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung
- Gestaltung der Belehrung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise
Formal muss die Widerrufsbelehrung klar und verständlich sein. Sie sollte in Textform erfolgen und dem Verbraucher in einer dem Fernabsatzgeschäft angepassten Weise übermittelt werden. Zusätzliche Erklärungen dürfen nicht enthalten sein, wenn sie nicht der Verdeutlichung dienen.
Verwendet der Unternehmer für die Widerrufsbelehrung das gesetzliche Muster exakt und vollständig, kann er sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Dann wird unwiderleglich vermutet, dass er seiner Informationspflicht nachgekommen ist.
Fehlt die Widerrufsbelehrung oder ist sie nicht ordnungsgemäß, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Der Verbraucher kann dann ggf. noch nach Monaten vom Vertrag zurücktreten.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 355 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Widerrufsfrist: Die gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen für Fernabsatzverträge wie den vorliegenden Fahrzeugkaufvertrag. Der Fristbeginn und die Voraussetzungen für den Anlauf der Frist sind entscheidend.
- § 356 BGB – Beginn der Widerrufsfrist: Regelt den Beginn der 14-tägigen Widerrufsfrist, insbesondere die Voraussetzung der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nach Art. 246a EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch). Zentral für die Beurteilung der Fristversäumung.
- Art. 246a EGBGB – Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen: Legt die Anforderungen an die Widerrufsbelehrung fest. Streitpunkt war hier, ob die fehlende Telefonnummer eine mangelhafte Widerrufsbelehrung darstellt.
- Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie): Die der Regelung in §§ 355, 356 BGB und Art. 246a EGBGB zugrundeliegende EU-Richtlinie. Das Gericht legt sie für die Auslegung der Informationsanforderungen an die Widerrufsbelehrung aus.
- § 437 BGB (Sachmangel), §§ 323, 346 BGB (Rücktritt): Besondere Rückabwicklungsvorschriften für Kaufverträge bei Sachmängeln. Relevant für den hilfsweisen Rückzahlungsanspruch des Klägers wegen angeblicher Mängel am Fahrzeug.
Das vorliegende Urteil
LG Berlin II – Az.: 89 O 15/23 – Urteil vom 05.02.2024
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger erwarb auf Grundlage eines Kaufvertrags vom 19. Januar 2022 von der Beklagten einen neuen Pkw Tesla Model … zu einem Gesamtpreis von 59.170.000 EUR. Der Kaufpreis wurde gezahlt und der Pkw am 26. August 2022 übergeben.
Den Kaufvertrag hatte der Kläger auf der Website der Beklagten abgeschlossen. Dabei war im Bestellprozess eine zu leistende Anzahlung in Höhe von 250,00 EUR von der Beklagten als „nicht rückerstattbare Bestellgebühr“ bezeichnet worden. Die Formulierung war mit einem Sternchen-Hinweis versehen, in dem es u.a. hieß: „Ein Rückerstattungsanspruch besteht auch beim Vorliegen von gesetzlichen Widerrufs- und Rücktrittsrechten.“ Wegen der konkreten Ausgestaltung des Sternchen-Hinweises wird auf die in die Klageschrift eingefügte Abbildung (Bl. 7 d.A.) Bezug genommen.
Ebenfalls im Bestellprozess hatte die Beklagte dem Kläger eine Widerrufsbelehrung angeboten, die ihm nach Vertragsschluss per E-Mail übersandt worden war. Eine Telefonnummer der Beklagten war in dieser Widerrufsbelehrung nicht enthalten, obwohl die Beklagte ausweislich ihrer Kontaktangaben auf der Website über eine solche verfügte. Wegen der inhaltlichen Einzelheiten der Widerrufsbelehrung wird auf die Anlage K1.5 zur Klageschrift verwiesen.
Per E-Mail vom 5. Mai 2023 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf des Kaufvertrags. Außerdem bot er ihr die Rückgabe des Pkw an einem ihrer Rückgabestandorte vor Ort an. Die Beklagte lehnte die Rückabwicklung des Kaufvertrags unter Verweis darauf, dass der Widerruf zu spät erfolgt sei, ab.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 22. Mai 2023 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 29. Mai 2023 nochmals zur Kaufpreisrückerstattung auf. Für diese Tätigkeit wurden ihm von seinen Prozessbevollmächtigten 2.120,00 EUR in Rechnung gestellt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass sein Widerruf trotz des Zeitablaufs nicht verfristet sei, weil die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Widerrufsbelehrung sei nicht ordnungsgemäß gewesen. Zum einen habe die Beklagte im Bestellprozess den Eindruck erweckt, als würde sie die Anzahlung auch im Falle eines Widerrufs behalten. Zum anderen sei die Widerrufsbelehrung wegen der fehlenden Telefonnummer unzureichend gewesen.
Darüber hinaus behauptet der Kläger, dass der Pkw diverse Mängel aufweise.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 59.170,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Mai 2023 zu zahlen;
2. hilfsweise,
a. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 59.170,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Mai 2023 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der FIN … zu zahlen,
b. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug in Bezug auf die Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs mit der FIN … befindet;
3. höchst hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 59.170,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Mai 2023 nach erfolgter Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der FIN … zu zahlen,
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.120,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit [27. Juli 2023] zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der durch den Kläger erklärte Widerruf jedenfalls verspätet sei. Gegebenenfalls schulde der Kläger Ersatz für den zwischenzeitlich eingetretenen Wertverlust des Pkw in Höhe von 22.570,00 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2024 (Bl. 165 f. d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Der Kaufvertrag besteht vielmehr wirksam fort.
I.
Ein Rückzahlungsanspruch ergibt sich nicht infolge Widerrufs eines Fernabsatzvertrags gemäß § 357 Abs. 1 BGB (in der zum maßgeblichen Zeitpunkt gültigen Fassung; auch im Folgenden ist jeweils diese Fassung der Vorschriften gemeint).
Der Kläger kann den von ihm mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag bereits deswegen nicht wirksam widerrufen haben, weil zum Zeitpunkt des am 5. Mai 2023 erklärten Widerrufs die Widerrufsfrist längst abgelaufen war. Gemäß § 356 Abs. 1 Nr. 1a) BGB beginnt die Widerrufsfrist grundsätzlich zu laufen, sobald der Verbraucher die Waren erhalten hat. Dies war hier mit Übergabe des Pkw am 26. August 2022 der Fall. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB 14 Tage.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die kurze Widerrufsfrist ausnahmsweise deswegen nicht angelaufen ist, weil er nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.
§ 356 Abs. 3 S. 1 BGB sieht vor, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Art. 246b § 2 Absatz 1 EGBGB unterrichtet hat. Vorliegend hat die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt. Die von dem Kläger vorgebrachten Beanstandungen treffen nicht zu:
1.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte zunächst im Bestellprozess nicht etwa den Eindruck erweckt, als würde sie die von dem Kläger geleistete Anzahlung in Höhe von 250,00 EUR in jedem Fall, also auch bei Ausübung des gesetzlichen Widerrufsrechts, behalten. Sie hat diese Anzahlung zwar als „nicht rückerstattbare Bestellgebühr“ bezeichnet, zugleich aber direkt darunter über den deutlich lesbaren Sternchen-Hinweis klargestellt, dass dies für das gesetzliche Widerrufsrecht nicht gelte.
2.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte in ihrer Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer angegeben hat. Ein solches war nicht erforderlich.
a.
Dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften des nationalen Rechts ist eine Verpflichtung der Beklagten, in der Widerrufsbelehrung selbst konkrete Kontaktdaten und insbesondere die Telefonnummer aufzuführen, nicht zu entnehmen.
aa.
In Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EGBGB heißt es lediglich, dass der Unternehmer verpflichtet ist, den Verbraucher über „die Bedingungen, die Frist und das Verfahren“ für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Konkretere Angaben, insbesondere Kontaktinformationen, hat der Gesetzgeber dort nicht vorgegeben. Dies ist anders als in Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB, wonach der Unternehmer dem Verbraucher grundsätzlich seine Telefonnummer zur Verfügung stellen muss. Auf die letztgenannte Vorschrift kommt es hier aber nicht an, weil das Gesetz an einen Verstoß dagegen keine Rechtsfolgen in Bezug auf den Anlauf der Widerrufsfrist knüpft. § 356 Abs. 3 S. 1 BGB verweist nur auf Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EGBGB.
bb.
Auch daraus, dass es in Ziff. 2.) der Gestaltunghinweise zu dem in der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB enthaltenen Muster für eine Widerrufsbelehrung heißt „Fügen Sie …, soweit verfügbar, Ihre Telefonnummer .. ein.“ lässt sich kein Rückschluss ziehen. Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB kann der Unternehmer seine Informationspflichten dadurch erfüllen, dass er das Muster verwendet. Dies hat für ihn neben der Arbeitserleichterung auch den Vorteil der sog. „Gesetzlichkeitsfiktion“ (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 28/22 -, Rn. 27). Die Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung ist indessen nicht verpflichtend (BGH a.a.O. Rn. 28). Dementsprechend können sich aus dem Muster auch keine weitergehenden Anforderungen an die in der Widerrufsbelehrung zu machenden Angaben ergeben als aus Artikel 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EGBGB selbst.
b.
Die grundsätzlich gebotene richtlinienkonforme Auslegung bzw. Fortbildung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26. November 2008 – VIII ZR 200/05, Rn. 21 in juris) der nationalen Vorschriften führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.
aa.
Den oben behandelten Vorschriften des BGB und des EGBGB liegt die Richtlinie 2011/83/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (im Folgenden: „Richtlinie“) zugrunde. Deren Wortlaut lassen sich aber keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der europäische Gesetzgeber den Anlauf der kurzen Widerrufsfrist an weitergehende inhaltliche Anforderungen an die Widerrufsbelehrung knüpfen wollte, als sie in deutsches Recht umgesetzt worden sind.
Nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie läuft eine längere Widerrufsfrist als 14 Tage, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe h, also über „die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung“ seines Widerrufsrecht belehrt hat; von einer Angabe der Telefonnummer ist hier nicht die Rede. Lediglich in Art. 6 Abs. Buchstabe c der Richtlinie heißt es u.a., dass der Unternehmer den Verbraucher gegebenenfalls über seine Telefonnummer zu informieren habe. Dies ist aber die generelle Informationspflicht, wie sie mit Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB umgesetzt worden ist, und betrifft nicht die inhaltlichen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung.
Soweit sodann in der in Anhang I Teil A eine Muster-Widerrufsbelehrung enthalten ist, in deren Gestaltungshinweisen es unter anderem heißt, man solle, soweit verfügbar, seine Telefonnummer einfügen, erschöpft sich die Funktion dieses Musters in der bereits oben angesprochenen Gesetzlichkeitsfiktion (vgl. Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie).
Dass im Übrigen in der Richtlinie dem Widerruf durch Telefonanruf bewusst keine große Bedeutung beigemessen werden sollte, ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass diese Möglichkeit in der Muster-Widerrufsbelehrung ausgelassen wird („mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter, Brief, Telefax oder E-Mail)“). Dies ist zudem auch dem Erwägungsgrund 44 der Richtlinie zu entnehmen, wo es ausdrücklich heißt, dass es im Interesse des Verbrauchers sei, zu Beweiszwecken für die Mitteilung des Widerrufs an den Unternehmer einen „dauerhaften Datenträger“ zu verwenden.
c.
Zu einem anderen Verständnis führt schließlich auch nicht die von dem Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „….de“. Dort ging es nicht um das Verhältnis zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer, sondern um etwas grundsätzlich anderes:
In jenem Verfahren hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob sich ein Wettbewerber wegen der Gestaltung seiner Widerrufsbelehrung unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG verhält. Es hatte sich ein Unternehmer der Muster-Widerrufsbelehrung bedient – und sich damit auch den Vorteil der Gesetzlichkeitsfiktion zu verschaffen gesucht -, keine Telefonnummer in dieser angegeben. Der mögliche Wettbewerbsverstoß ergab sich hier für den Bundesgerichtshof bereits aus der Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung unter Nichtbefolgen des Gestaltungshinweises. Entsprechend richtete er in seinem Vorabentscheidungsersuchen (Beschluss des BGH vom 7. März 2019 – I ZR 169/17 –, in juris) an den Europäischen Gerichtshof allein Fragen, die sich darauf bezogen, wann eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie „verfügbar“ ist. Soweit er in seinem Einleitungssatz auch Art. 6 Abs. Buchstabe h der Richtlinie genannt hat, erfolgte dies ersichtlich nur, um die in diesem Zusammenhang relevanten Vorschriften vollständig zu zitieren. Um eine isolierte Auslegung des Art. 6 Abs. Buchstabe h der Richtlinie konnte es dem Bundesgerichtshof nicht gehen. Die Frage, ob die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung – unabhängig von der Verwendung des Musters – inhaltlich im Sinne des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EGBGB bzw. des Art. 6 Abs. Buchstabe h der Richtlinie ausreichend gewesen wäre, um im Verhältnis zu einem Verbraucher die kurze Widerrufsfrist in Gang zu setzen, stellt sich ihm von vornherein nicht.
Dies gilt gleichermaßen für das auf dieses Vorabentscheidungsersuchen hin ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshof (Urteil des EuGH vom 14. Mai 2020 – C-266/29 – in juris). Der Europäische Gerichtshof beantwortet ihm konkret gestellte und nach Darstellung des nationalen Gerichts für das Ausgangsverfahren entscheidungserhebliche Fragen, hier also die Fragen zum Verständnis der Gestaltungshinweise zur Muster-Widerrufsbelehrung. Veranlassung dazu, sich darüber hinaus gehend auch dazu zu äußern, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Angabe einer Telefonnummer zu den erforderlichen Informationen über das Widerrufsverfahren im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie zählt, hatte er nicht. Dass er in seiner Antwort auch Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie aufgeführt und von dessen Auslegung gesprochen hat, ist spiegelbildlich zum Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs zu verstehen und kann keine eigenständige Bedeutung haben. Letztlich kann der Europäische Gerichtshof auch nicht ernsthaft den Anlauf der Widerrufsfrist bei Fehlen einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung im Einzelfall davon abhängig machen wollen, in welcher Weise der Unternehmer diese Telefonnummer ansonsten auf seiner Website verwendet hat. Dies würde zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, und zwar nicht zuletzt zu Lasten des Verbrauchers, führen.
II.
Der Kläger kann den Kaufpreis auch nicht unter Gewährleistungsgesichtspunkten nach §§ 437, 440, 323, 346 Abs. 1 BGB zurückfordern.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger wegen der von ihm geltend gemachten Mängel des Pkw mit seiner E-Mail vom 5. Mai 2023 auch einen Rücktritt vom Kaufvertrag erklären wollte. Unabhängig davon, dass der Sachvortrag zu den Mängeln auch unzureichend ist, kann dem Kläger in diesem Zusammenhang schon deswegen (noch) kein Rücktrittsrecht zugestanden haben, weil er der Beklagten nicht zuvor im Sinne des § 323 Abs. 1 BGB die Gelegenheit gegeben hat, etwaige Mängel zu beseitigen.
B.
Ebenfalls unbegründet sind die beiden Hilfsanträge, da sie ebenfalls einen wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag voraussetzen. Mangels Hauptanspruchs kann der Kläger schließlich auch weder Zinsen noch die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.