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Widerrufsbelehrung – Anforderungen

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: VII ZR 122/06

Urteil vom 12.04.2007

Vorinstanzen:

LG Mannheim, Az.: 5 O 209/05, Entscheidung vom 30.12.2005

OLG Karlsruhe, Az.: 8 U 12/06, Entscheidung vom 09.05.2006


Leitsätze:

Eine Widerrufsbelehrung, die lediglich über die Pflichten des Verbrauchers im Falle des Widerrufs, nicht jedoch über dessen wesentliche Rechte informiert, entspricht nicht den Anforderungen des Gesetzes.


In dem Rechtsstreit hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2007 für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt eine pauschalierte Vergütung für nicht erbrachte Werkleistungen. Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe den Werkvertrag rechtzeitig widerrufen.

Ein Handelsvertreter der Klägerin suchte die Beklagte am 29. März 2005 in deren Wohnung auf und bot ihr Fassadenanstrich- und Fassadenputzarbeiten zu einem Festpreis an. Die Beklagte unterzeichnete am selben Tag ein Bestellformular der Klägerin. Auf der Rückseite des der Beklagten ausgehändigten Bestellformulars befindet sich eine abgesetzte und schwarz umrandete Erklärung mit folgendem Wortlaut:

„Widerrufsbelehrung: Sie können Ihre Bestellung innerhalb von zwei Wochen ab Aushändigung dieser Belehrung ohne Begründung in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der bestellten Gegenstände gegenüber der Fa. D. – es folgt die Adresse – widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

Im Falle des Widerrufs müssen Sie die erhaltene Sache zurück- und gezogene Nutzungen herausgeben. Ferner haben Sie Wertersatz zu leisten, soweit die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, Sie den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet haben oder die erhaltene Sache sich verschlechtert hat oder untergegangen ist. Die durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung bleibt außer Betracht.“

Unter dieser Erklärung befindet sich in der für den Kunden vorgesehenen Zeile der Namenszug der Beklagten.

Mit Schreiben vom 8. April 2005, das der Beklagten am 9. April 2005 zugegangen ist, bestätigte die Klägerin die Bestellung der Beklagten. Mit Schreiben vom 13. April 2005 widerrief die Beklagte ihre Bestellung.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten auf der Grundlage ihrer Vertragsbedingungen 36 % der vereinbarten Vergütung, das sind 6.362,07 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe das ihr nach §§ 312, 355 BGB zustehende Widerrufsrecht wirksam ausgeübt. Die Widerrufsfrist habe nicht mit ihrem Angebot, sondern erst mit dem Vertragsschluss begonnen.

Nach § 312 BGB stehe dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, wenn er zum Abschluss eines Vertrages, der ein Haustürgeschäft zum Inhalt habe, bestimmt worden sei. Damit räume ihm das Gesetz das Recht ein, einen bereits zustande gekommenen Vertrag zu widerrufen. Folglich müsse dem Verbraucher die volle Widerrufsfrist nach Abschluss des Vertrages zur Verfügung stehen.

Würde die Frist vorher laufen, könnte das dazu führen, dass die Widerrufsfrist abgelaufen sei, bevor der Unternehmer die Annahme erkläre und der Vertrag damit zustande komme. Das Gesetz gehe auch davon aus, dass der Widerruf zur Rückabwicklung eines bereits abgeschlossenen Vertrages führe.

Dem entsprächen Artikel 5 und 7 der Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. Dezember 1985. Artikel 4 der Richtlinie stehe dem nicht entgegen. Auch der Zweck des Widerrufsrechts erfordere, dass die Widerrufsfrist erst mit Vertragsschluss laufe. Die dem Verbraucher eingeräumte Bedenkfrist könne erst dann ihren Sinn erfüllen, wenn der Verbraucher wisse, ob der

Unternehmer dem Vertragsschluss zustimme.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

1.

Der Beklagten steht nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts ein Widerrufsrecht gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 355 BGB zu. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 1 BGB zwei Wochen und beginnt in dem Zeitpunkt, in dem dem Verbraucher eine den Anforderungen des Gesetzes entsprechende Widerrufsbelehrung mitgeteilt worden ist.

2.

Im Streit steht, ob die Frist nicht beginnen kann, bevor ein Vertrag zustande gekommen ist, der Unternehmer also ein in der Haustürsituation abgegebenes Angebot des Verbrauchers angenommen hat. Die Revision hält die entsprechende Auffassung des Berufungsgerichts für unzutreffend. Sie verweist auf die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. Nr. L 372 S. 31). Darin ist geregelt, dass dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots auszuhändigen ist, Artikel 4, und der Verbraucher innerhalb von sieben Tagen nach diesem Zeitpunkt von der eingegangenen Verpflichtung zurücktreten darf, Artikel 5. Der Senat hat nicht zu entscheiden, inwieweit die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der §§ 312, 355 BGB mit der Richtlinie zu vereinbaren ist und eine von der Richtlinie abweichende Regelung gemäß Artikel 8 zulässig wäre. Auch muss er nicht eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Klärung der Frage in Erwägung ziehen, ob das Verständnis des Berufungsgerichts zu Artikel 5 der Richtlinie zutreffend ist. Denn auf die Frage, wann die Frist von zwei Wochen beginnt, kommt es nicht an.

3.

Der Widerruf der Beklagten war schon deshalb rechtzeitig, weil die Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen des Gesetzes entspricht. Die Klägerin hat lediglich auf die Pflichten, nicht jedoch auf wesentliche Rechte des Verbrauchers hingewiesen. Eine derartige Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen des § 312 Abs. 2 BGB, wonach die Widerrufsbelehrung auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB hinweisen muss. Die Widerrufsbelehrung ist deshalb unwirksam, so dass eine Widerrufsfrist nicht laufen konnte.

a) Die Klägerin hat kein Formular verwendet, das dem Muster gemäß § 14 Abs. 1 Anlage 2 BGB-InfoV entspricht. Sie kann schon deshalb keine ihr günstigen Rechtswirkungen aus der BGB-InfoV herleiten.

b) Der Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 55/00, ZIP 2002, 1730, 1731). Eine diesen Anforderungen genügende Information über die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB kann sich nicht darauf beschränken, allein die Pflichten des Verbrauchers wiederzugeben, denn zu den in § 357 Abs. 1 BGB geregelten Rechtsfolgen gehören ebenso Rechte des Verbrauchers. Auch § 355 Abs. 1 BGB fordert, dass der Verbraucher über seine Rechte informiert wird.

c) Eine Beschränkung der Anforderungen an den Inhalt einer Widerrufsbelehrung derart, dass abweichend vom Wortlaut des Gesetzes lediglich über die Pflichten des Verbrauchers zu belehren ist, ergibt sich nicht aus der Gesetzesbegründung zu § 312 Abs. 2 BGB.

Nach der Gesetzesbegründung wurde zwar unter Hinweis auf § 312 d Abs. 3 BGB besonderer Wert auf die allein die Pflicht des Verbrauchers betreffende Information gelegt, dass eine bereits vor dem Widerruf empfangene Dienstleistung mit der vereinbarten Vergütung als Wertersatz zu bezahlen ist.

Denn der Verbraucher solle wissen, was auf ihn zukomme (BT-Drucksache 14/7052 S. 190). Aus dieser besonderen Hervorhebung lässt sich jedoch nicht herleiten, dass lediglich über die dem Verbraucher nachteiligen Rechtsfolgen aufzuklären ist. Eine solche Einschränkung findet sich im Gesetzestext nicht.

Auch in der Gesetzesbegründung wird abschließend ausgeführt, dass der Unternehmer den Verbraucher über diese Rechtsfolgen „sowie über die sonstigen Rechtsfolgen des Widerrufs“ zu belehren hat und zudem darauf hingewiesen, dass ein Gleichlauf zwischen den Belehrungspflichten über die Rechtsfolgen des Widerrufs bei Fernabsatzverträgen und Haustürgeschäften erreicht werden soll (BT-Drucksache 14/7052 S. 190). Nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB muss der Unternehmer u.a. die Informationen zur Verfügung stellen, für die dies in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV muss der Verbraucher über die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe, einschließlich der Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im Falle des Widerrufs oder der Rückgabe gemäß § 357 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat, informiert werden.

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d) Der Senat muss nicht entscheiden, in welchem Umfang der Verbraucher im Einzelnen über seine sich aus § 357 Abs. 1 und Abs. 3 BGB ergebenden Rechte zu informieren ist. Der Schutzzweck der Regelung erfordert jedenfalls eine Belehrung über die wesentlichen Rechte, die sich aus den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt ergeben. Dazu gehört, dass auch der Unternehmer die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen herauszugeben hat. Dementsprechend sieht auch das Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV den Text vor: „Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggfls. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben.“ Die Widerrufsbelehrung der Klägerin informiert demgegenüber lediglich darüber, dass der Verbraucher die Pflicht zur Rückgewähr und zur Herausgabe gezogener Nutzungen hat. Das ist eine einseitige Darstellung, die geeignet ist, Unsicherheit beim Verbraucher darüber hervorzurufen, inwieweit der Unternehmer in gleicher Weise verpflichtet ist. Sie wird dem Ziel, den Verbraucher möglichst unmissverständlich zu belehren, nicht gerecht. Diesem drängt sich die unbeantwortete Frage auf, wieso nur seine Verpflichtung zur Rückgabe und nicht die des Unternehmers zur Rückzahlung erwähnt wird. Insbesondere wird ihm die Information vorenthalten, dass auch der Unternehmer die gezogenen Nutzungen, z.B. Zinsen, herauszugeben hat.

Da mangels einer ordnungsgemäßen Belehrung eine Widerrufsfrist nicht lief, ist der Widerruf der Beklagten wirksam.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

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