Oberlandesgericht Hamburg
Az.: 3 U 103/06
Urteil vom 24.08.2006
Vorinstanz: Landgericht Hamburg, Az.: 407 O 301/05
In dem Rechtsstreit hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, nach der am 17. August 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen vom 15. November 2005 wird, soweit der Antragsteller nicht seinen Verfügungsantrag zu lit. a) zurückgenommen hat, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 12. September 2005 zu lit. a) mit der Maßgabe bestätigt wird.
dass der Antragsgegnerin unter Androhung der bestimmten Ordnungsmittel verboten wird,
bei der Tätigkeit im Fernabsatz über den Online-Marktplatz e-Bay – soweit die Vorschriften über Fernabsatzverträge Anwendung finden – Verbrauchern Kosmetika anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne den Informationspflichten nach § 312 c Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 240 EGBGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV zu genügen,
wenn dies wie aus der Anlage ASt 2 zur Beschlussverfügung ersichtlich geschieht (fehlerhafte Informationen zu den Bedingungen des Widerrufs bzw. der Rückgabe).
Von den Kosten erster Instanz (des Erlass- und des Widerspruchsverfahrens) tragen der Antragsteller 1/6 und die Antragsgegnerin 5/6.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Antragsteller 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3.
und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren zunächst auf 15.000 € festgesetzt. Durch die teilweise Zurücknahme des Verfügungsantrages zu lit. a) ermäßigt sich der Streitwert auf 10.000 €.
Gründe:
A.
Die Parteien vertreiben den Internet-Versandhandel mit Kosmetikartikeln und stehen miteinander im Wettbewerb.
Die Antragsgegnerin vertreibt Kosmetikartikel über den Online-Marktplatz „eBay“ unter Einbeziehung ihrer AGB, die auf der sog. MICH-Seite der Antragsgegnerin bei „eBay“ festgelegt sind (Anlage ASt 2).
Der Antragsteller beanstandet die AGB der Antragsgegnerin als wettbewerbswidrig, und zwar als Verstoß gegen § 312 c Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 BGB-InfoV und nimmt diese deswegen im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.
In den AGB der Antragsgegnerin auf deren „MICH“-Seite bei „eBay“ ist u. a. folgende Regelung aufgeführt:
„§ 2 Widerrufsrecht. Der Besteller kann seine Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, eMail) oder durch Rücksendung der Ware widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung und dem Erhalt der Ware. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder des Kaufgegenstandes. Der Widerruf ist zu richten an: Fa. B…….-O…… * Angela D…….. * “ (Anlage ASt 2).
Durch die Beschlussverfügung des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 12. September 2005 ist der Antragsgegnerin (wegen der Fassung des Verfügungsantrages aus der Antragsschrift vgl. Bl. 2) unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten worden,
a) bei der Tätigkeit im Fernabsatz – soweit die Vorschriften über Fernabsatzverträge Anwendung finden – Verbrauchern Waren anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne den Informationspflichten nach § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 240 EGBGB i. V. m. § 1 Abs. 1 BGB-InfoV zu genügen, insbesondere, wenn dies wie aus der Anlage ASt 2 ersichtlich geschieht (fehlerhafte Informationen zu den Bedingungen des Widerrufs bzw. der Rückgabe);
b) im Zusammenhang mit Wettbewerbshandlungen innerhalb von Geschäftsbedingungen mit Verbrauchern eine Untersuchungs- und/ oder Rügepflicht zu vereinbaren, wenn im Fall des Unterlassens einer Rüge der Untergang bzw. der Ausschluss der Rechte des Käufers wegen Mängeln der Sache vorgesehen ist, insbesondere durch Verwendung der Klausel „Offensichtliche Mängel sind vom Käufer innerhalb von 14 Tagen ab Lieferung des Vertragsgegenstandes schriftlich uns gegenüber anzuzeigen“,
wie geschehen auf der eBay-Website unter dem Mitgliedsnamen „b…“ (es folgt die Kopie der
Anlage ASt 2: 6 Seiten).
Durch Beschluss vom 30. September 2005 hat sich die Zivilkammer 15 für funktionell unzuständig erklärt und antragsgemäß den Rechtsstreit an die zuständige Kammer für Handelssachen verwiesen (Bl. 18).
Durch Urteil vom 15. November 2005 hat das Landgericht Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, die Beschlussverfügung der Zivilkammer bestätigt.
Gegen dieses Urteil – und zwar im Umfang der Beschlussverfügung zu lit. a) – wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.
Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung zu lit. a) aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt (zur zunächst angekündigten Antragsfassung vgl. Bl. 83),
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beschlussverfügung zu lit. a) so gefasst wird, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der bestimmten Ordnungsmittel verboten wird,
bei der Tätigkeit im Fernabsatz über den Online-Marktplatz e-Bay – soweit die Vorschriften über Fernabsatzverträge Anwendung finden – Verbrauchern Kosmetika anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne den Informationspflichten nach § 312 c Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 240 EGBGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV zu genügen, wenn dies wie aus der Anlage ASt 2 ersichtlich geschieht (fehlerhafte Informationen zu den Bedingungen des Widerrufs bzw. der Rückgabe).
B.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist, soweit der Antragsteller seinen Verfügungsantrag zu lit. a) nicht zurückgenommen hat, nicht begründet. Sie ist demgemäß mit der aus dem Urteilsausspruch des Senats ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.
I.
Der Gegenstand des Berufungsverfahrens betraf von Anfang an nur das Urteil des Landgerichts, soweit es die Beschlussverfügung zu lit. a) bestätigt hat. Soweit die Beschlussverfügung zu lit. b) bestätigt worden ist, hat die Antragsgegnerin gegen das landgerichtliche Urteil keine Berufung eingelegt.
In der Berufungsverhandlung hat der Antragsteller nach Erörterung der Fassung des Unterlassungsantrages die Beschlussverfügung zu lit. a) nur noch in dem oben dargestellten Umfang verteidigt und demgemäß im Übrigen den Verfügungsantrag zu lit. a) zurückgenommen.
II.
Der Unterlassungsantrag zu lit. a) in der Fassung gemäß dem Ausspruch im Senatsurteil ist auch nach Auffassung des Senats begründet (§§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG, § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV).
1.)
Der Gegenstand dieses vom Antragsteller nur noch verteidigten Unterlassungsantrages ist das Anbieten und/oder Verkaufen von Kosmetika im Fernabsatz über den Online-Marktplatz „eBay“ an Verbraucher, ohne den aufgeführten Informationspflichten zu genügen, wenn dies wie aus der Anlage ASt 2 zur Beschlussverfügung ersichtlich geschieht, und zwar im Hinblick auf die fehlerhaften Informationen zu den Bedingungen des Widerrufs bzw. der Rückgabe.
Die Anlage ASt 2 zur Beschlussverfügung ist eine Kopie der Anlage, die – wie ausgeführt – ein Ausdruck der MICH-Seite der Antragsgegnerin bei „eBay“ ist. Durch den Klammerzusatz im Verbotausspruch („fehlerhafte Informationen zu den Bedingungen des Widerrufs bzw. der Rückgabe“) ist klargestellt, dass sich das Verbot auf § 2 der auf der MICH-Seite (Anlage Ast 2) eingestellten AGB der Antragsgegnerin bezieht. Zum Streitgegenstand gehört auch der Umstand, dass weitere Informationen zu den Bedingungen des Widerrufs bzw. der Rückgabe nicht vorhanden sind.
Die Textstelle im Verbotsausspruch: „ohne den Informationspflichten nach § 312 c Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 240 EGBGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV zu genügen“ ist nur ein Begründungselement.
2.)
Der Unternehmer ist gemäß § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung Informationen zur Verfügung zu stellen; hierzu gehören die in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV aufgeführten Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung.
3.)
Die Antragsgegnerin genügt den Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV selbstverständlich nicht schon dadurch, dass sie bei „e-Bay“ auf ihrer MICH-Seite ihre AGB-Regelung zu diesem Punkt veröffentlicht, die – wie ausgeführt – so lautet:
„§ 2 Widerrufsrecht. Der Besteller kann seine Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, eMail) oder durch Rücksendung der Ware widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung und dem Erhalt der Ware. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder des Kaufgegenstandes. Der Widerruf ist zu richten an: Fa. B…….-O…… * Angela D…….. * “ (Anlage ASt 2).
Mit der „Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung/“ sind vielmehr die Angaben zur tatsächlichen Rechtslage gemeint; hierauf beziehen sich die Informationspflichten.
4.)
§ 2 der AGB der Antragsgegnerin widerspricht der tatsächlichen Rechtslage zum Widerrufsrecht der Verbraucher beim Kauf bei der Antragsgegnerin über „eBay“. Das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin verstößt demgemäß gegen § 312 c Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV.
Gemäß § 312 d Abs. 1 Satz 1 BGB steht dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. Der Widerruf bei Verbraucherverträgen hat gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB „innerhalb von zwei Wochen“ zu erfolgen, gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit dem Erhalt der Widerrufsbelehrung in „Textform“.
Erfolgt die erforderliche Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss, so beträgt die Widerrufsfrist einen Monat (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB). Über dieses Widerrufsrecht belehrt die Antragsgegnerin die Verbraucher auf der streitgegenständlichen „MICH“-Internetseite (Anlage St 2) nicht, diese Belehrung hat aber gemäß § 312 c Abs. 1 BGB bereits rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu erfolgen.
(a) Der Hinweis auf die einmonatige Widerrufsfrist (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB) ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin gerade im Hinblick auf die Besonderheiten des Verkaufs bei „eBay“ erforderlich und nicht etwa entbehrlich.
Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt, wie ausgeführt, die Widerrufsfrist mit dem Erhalt der Widerrufsbelehrung in „Textform“. Die Textform ist in § 126 b BGB bestimmt, demnach muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneter Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin genügt dieser Anforderung nicht der Umstand, dass die Internetplattform „eBay“ die AGB dauerhaft speichert. Denn es ist unstreitig technisch möglich, diese Speicherung wieder aufzuheben. Zudem müsste die Erklärung „mitgeteilt“ worden sein, auch daran fehlt es, wenn man nur auf die Speicherung und damit nur auf die Abrufbarkeit bei „eBay“ abstellte.
Vielmehr passen für die in Rede stehende „Textform“ nur Verkörperungen auf Papier, Diskette, CD-Rom, die mit deren Übergabe an den Empfänger gelangen und so die Erklärung „mitteilen“. Entsprechendes gilt für gesendete eMail oder Computerfax, da auch diese Verkörperungen an den Empfänger gelangen. Bei Texten, die – wie vorliegend bei der Antragsgegnerin mit ihrem Versandangebot über „eBay“ – auf einer Homepage ins Internet gestellt, aber dem Empfänger nicht übermittelt worden sind, wäre § 126 b BGB nur in dem speziellen Einzelfall gewahrt, bei dem es tatsächlich zu einem Download kommt (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Auflage, § 126 b BGB Anm. 3 m. w. Nw.).
(b) Da die Antragsgegnerin ihre AGB mit der Regelung des Widerrufsrechts lediglich auf ihrer „MICH“-Seite ins Internet gestellt hat und damit – mangels Belehrung in Textform (§ 126 B BGB) – keine Widerrufsbelehrung bei Vertragsschluss erteilt, kann die erforderliche Widerrufsbelehrung nur nach Vertragsschluss erfolgen. Über die demgemäß geltende Widerrufsfrist von einem Monat (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB) belehrt die Antragsgegnerin die Verbraucher aber nicht (Anlage St 2).
5.)
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Argument der Antragsgegnerin, sie teile die Widerrufsbelehrung nicht nur in ihren AGB auf der „MICH“-Seite mit, sondern auch „direkt im Angebot“ mit.
Damit verwischt die Antragsgegnerin die Begrifflichkeiten. Denn der in Bezug genommene Ausdruck der Internetseite (Anlage AG 1) belegt nur, dass die AGB dort standen, nicht aber, dass der betreffende Verbraucher einen Download vorgenommen hat. Deswegen stellt der Streitgegenstand auf so eine Besonderheit zutreffend nicht ab. Im Übrigen setzt eine wirksame Widerrufsbelehrung voraus, dass der Verbraucher seine auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt, die vorher erteilte Belehrung ist unwirksam (Palandt/Grüneberg, a. a. O. § 355 BGB Rz. 19 m. w. Nw.).
6.)
Auch die übrigen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben. Mit der Zuwiderhandlung gegen § 312 c Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV verstößt die Antragsgegnerin gegen Bestimmungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, denn diese Rechtsnormen sind dazu bestimmt, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln.
Die Antragsgegnerin handelt unlauter im Sinne des § 3 UWG, es handelt sich nicht um einen Bagatellfall.
Mit der Bezugnahme auf die Regelung des § 2 AGB der Antragsgegnerin auf deren MICHSeite von „eBay“ (Anlage ASt 2) beschreibt der Unterlassungsantrag die konkrete Verletzungsform.
III.
Nach alledem war die Berufung der Antragsgegnerin, soweit der Antragsteller seinen Verfügungsantrag zu lit. a) nicht zurückgenommen hat, als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.