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Wiederaufnahme Beschulung im Präsenzunterricht ohne Mund-Nasen-Schutz

VG Berlin – Az.: 3 L 51/21 – Beschluss vom 10.03.2021

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die uneingeschränkte Wiederaufnahme ihrer Beschulung im Präsenzunterricht, wobei sie nicht verpflichtet sein will, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

Sie ist Schülerin einer ersten Klasse der G in Berlin (nachfolgend: Schule). Seit dem 16. Dezember 2020 findet an dieser Schule – wie an allen anderen Berliner Schulen – aufgrund der SARS-CoV2-Pandemie kein regulärer Präsenzunterricht mehr statt. Die Antragstellerin erhielt zunächst bis zum 22. Februar 2021 eine Notbetreuung von 8:30 Uhr bis 11:30 Uhr, die von wechselnden Lehrkräften geleistet wurde. In dieser Zeit bearbeiteten die Kinder unter Aufsicht eigenständig dieselben Aufgaben wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler im Distanzunterricht. Zu einem späteren Zeitpunkt erteilte die Klassenlehrerin den anwesenden Kindern an zwei Tagen der Wochen für insgesamt drei Schulstunden pro Woche Unterricht in einer Kleingruppe. Seit dem 22. Februar 2021 fand in der Schule für die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 3 Unterricht im sogenannten Wechselmodell statt. Seit dem 9. März 2021 wird den Jahrgangsstufen 1 bis 6 ein Unterricht in festen Lerngruppen mit in der Regel halbierter Gruppenfrequenz angeboten, wobei grundsätzlich ein Präsenzunterricht von mindestens drei Stunden täglich nach näherer Maßgabe sicherzustellen ist.

Die Antragstellerin hat am 25. Februar 2021 gemeinsam mit sechs weiteren Schülerinnen und Schülern wegen des eingangs genannten Begehrens um vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht ersucht. Das Gericht hat die Verfahren der weiteren Antragsteller mit Beschluss vom 26. Februar 2021 abgetrennt.

Wiederaufnahme Beschulung im Präsenzunterricht ohne Mund-Nasen-Schutz
(Symbolfoto: Von World Day/Shutterstock.com)

Die Antragstellerin trägt vor, nach Meinung der Lehrkräfte und Erzieher sei Projektarbeit in Gruppen wichtig für ihre psychosoziale Entwicklung. Insbesondere Vorträge und Vorstellungen ihrer Arbeit seien Meilensteine, auf die sie weiterhin verzichten müsse. Als schüchternes Kind sei sie besonders auf einen festen Klassenverband angewiesen. In rechtlicher Hinsicht sei ihr Grundrecht auf Bildung in der Berliner Verfassung verbrieft. Deren Bestimmungen könnten ebenso wie das Schulgesetz nicht durch sich ständig verändernde Verordnungen außer Kraft gesetzt werden. Der vorgesehene (Ganztags-)unterricht in Präsenz diene dazu, die Bildungschancen sozial schwacher Schülerinnen und Schüler zu erhalten und Müttern eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Insofern könne das Distanzlernen nicht als gleichwertig angesehen werden. Die Öffnungszeiten von Grundschulen seien gesetzlich geregelt und betrügen in der Regel jeweils sechs Zeitstunden an fünf Unterrichtstagen. Die Einschränkung des Schulbetriebs sei unverhältnismäßig. Die Inzidenz von SARS-CoV2-Neuinfektionen falle ebenso wie die Zahl belegter Betten auf den Intensivstationen. Die Verbreitung von Mutationen des Virus rechtfertige nach Auffassung namhafter Wissenschaftler keine andere Bewertung. Kinder spielten bei der Infektion eine gegenüber Erwachsenen untergeordnete Rolle. Der Regierende Bürgermeister und die Bildungssenatorin hätten immer wieder betont, dass angesichts der hohen Kosten von Schulschließungen die Öffnung von Schulen und Kitas oberste Priorität haben müsse. Es sei nicht ersichtlich, dass Wechselunterricht zur Kontaktreduktion beitrage.

Einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, könne ihr nicht zugemutet werden. Sie spreche sehr leise und sei damit nicht zu verstehen. Zudem sei sie in besonderer Art und Weise auf die Kommunikation mit Mimik angewiesen. Ein Mund-Nasen-Schutz sei bei Einhaltung des Mindestabstands nicht erforderlich. Die Pflicht zum Tragen sei unverhältnismäßig, denn sogar medizinisches Personal habe die Möglichkeit, in Pausen frei zu atmen. Zudem verstoße diese Pflicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, denn in Büros sei ein solcher Schutz nicht zwingend vorgeschrieben, wenn der Mindestabstand eingehalten werde. Die Pädiatrische Gesellschaft für Infektiologie empfehle das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung am Platz für Grundschulkinder nicht.

Die Antragstellerin beantragt (wörtlich), im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass der Antragsgegner sie nicht nur betreuen, sondern beschulen muss und dabei nicht verlangen kann, dass sie im Unterricht durchgängig eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen muss.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Antrag sei bereits unzulässig. Die Antragstellerin befinde sich im Wechselunterricht, d.h. alle zwei Tage erhalte sie Präsenzunterricht in der Schule, an den anderen Tage bearbeite sie zuhause Aufgaben zum Festigen und Vertiefen des Stoffes. Der Zugang zum schulischen Unterricht werde nicht verweigert, sondern nur modifiziert. Die grundsätzliche Schließung der Schulen – und daran anknüpfend die nur teilweise Wiederöffnung zunächst für die Jahrgangsstufen 1 bis 3 im beschriebenen Modell – sei aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie sachlich gerechtfertigt. Die Einschränkung des Präsenzbetriebes diene dem Schutz der Bevölkerung vor der weiteren Ausbreitung des Virus. Zwar seien nach den Feststellungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) die Schülerinnen und Schüler eher kein „Motor“ des Infektionsgeschehens, jedoch stehe die Häufigkeit von Infektionen in einer engen Beziehung zur Inzidenz in der Gesamtbevölkerung. Dabei sei das Risiko eines Ausbruchs bei den Sechs- bis Zehnjährigen am geringsten. Die derzeit stark zunehmende Verbreitung der Virus-Variante B.1.1.7 sei auf dessen leichtere Übertragbarkeit zurückzuführen, so dass prognostisch auch die Schulen eine größere Rolle beim Infektionsgeschehen spielen könnten. Auch das RKI weise darauf hin, dass der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zur epidemiologischen Lage nicht starr sei, sondern komplexe Fragestellungen betroffen seien, die von vielen Einzelmeinungen verschieden beantwortet würden. Die Handlungsweise des Antragsgegners richte sich nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 8. Februar 2021. Diese habe eine schrittweise Wiederaufnahme des Schulbetriebes ab dem 15. Februar 2021 beschlossen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist als Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft, weil kein Fall des § 123 Abs. 5 VwGO vorliegt.

Der Antragstellerin fehlt es nicht an der auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Behauptung, in einem subjektiven Recht verletzt zu sein. Sie macht in der Sache geltend, durch das grundsätzliche Verbot des Präsenzunterrichts in seinem Teilhaberecht aus Art. 20 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 VvB und § 2 Abs. 2 SchulG sowie das Recht auf Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit von Kindern (Art. 13 Abs. 1 VvB) und das Elternrecht (Art. 12 Abs. 3 VvB) verletzt zu sein. Dabei handelt es sich um subjektive Rechte, auf die er sich individuell berufen kann (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 7. Mai 2020 – VG 3 L 167/20 – juris Rn. 15-17 und 24 ff.).

Der Antrag ist unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung sind dabei die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) in gleicher Weise glaubhaft zu machen wie die Gründe, welche die Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung bedingen (Anordnungsgrund).

Dem Wesen und Zweck des Verfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO entsprechend, kann das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem jeweiligen Antragsteller nicht schon das gewähren, was Ziel eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens wäre. Begehrt ein Antragsteller

– wie hier – die Vorwegnahme der Hauptsache, kommt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur dann in Betracht, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Rechtsschutzsuchenden anderenfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 17. Oktober 2017 – OVG 3 S 84.17 / 3 M 105.17 –, juris Rn. 2 und vom 28. April 2017 – OVG 3 S 23.17 u.a. –, juris Rn. 1).

Nach diesen Maßstäben ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einem Obsiegen der Antragstellerin in einem Hauptsacheverfahren auszugehen, und zwar weder mit dem geltend gemachten Anspruch auf uneingeschränkte Präsenzbeschulung (nachfolgend I.) noch soweit sich die Antragstellerin gegen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wendet (nachfolgend II.).

I. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf uneingeschränkte Präsenzbeschulung ist Art. 20 Abs. 1 VvB. Diese Vorschrift gewährt jedem Menschen das Recht auf Zugang zu den bestehenden öffentlichen Bildungseinrichtungen im Land Berlin nach Maßgabe der den Zugang regelnden Gesetze. Nach der einfachgesetzlichen Ausprägung dieses Anspruches in § 2 Abs. 2 Satz 2 des Schulgesetzes für das Land Berlin vom 26. Januar 2004 (GVBl. 2004, 26) – SchulG –, zuletzt geändert durch Art. 35 des Gesetzes zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen in Gesetzen an die Verordnung (EU) 2016/679 (GVBl. 2020 S. 807), hat jeder junge Mensch entsprechend seinen Fähigkeiten und Begabungen grundsätzlich ein Recht auf gleichen Zugang zu allen öffentlichen Schulen (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 7. Mai 2020 – VG 3 L 167/20 –, juris Rn. 15). Der Antragsgegner hat im Rahmen der ihm nach Art. 7 Abs. 1 GG obliegenden Planung, Organisation, Leitung und inhaltlich-didaktischen Ausgestaltung des öffentlichen Schulwesens (vgl. OVG Weimar, Beschluss vom 2. Februar 2021 – 4 EO 56/21 –, juris Rn. 13) im Regelfall die Beschulung im Präsenzunterricht vorgesehen. Dieses nicht ausdrücklich normierte Leitbild wird vom Schulgesetz an zahlreichen Stellen vorausgesetzt (vgl. etwa § 42 Abs. 4 SchulG: Erfüllung der Schulpflicht durch den „Besuch“ einer Schule; § 45 Abs. 1 SchulG: Durchsetzung der Schulpflicht durch „Zuführung“ im Wege des unmittelbaren Zwangs; § 46 Abs. 2 SchulG: Pflicht zur regelmäßigen Teilnahme am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen der Schule). Es ergibt sich im Umkehrschluss auch daraus, dass der Antragsgegner (gesetzliche) Regelungen zum sog. schulisch angeleiteten Lernen zu Hause (saLzH) bislang lediglich insoweit getroffen hat, als er in § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Anforderungen an ein Schutz- und Hygienekonzept an Schulen sowie über die Auflagen für den Schulbetrieb während der Covid-19-Pandemie – SchulhygCoV-19-VO – in der seit dem 7. März 2021 geltenden Fassung gemäß Art. 1 der Sechsten Verordnung zur Änderung der SchulHygCoV-19-VO vom 5. März 2021 (GVBl. S 211) bestimmt hat, dass die Schülerinnen und Schüler anstelle des Präsenzunterrichts am saLzH teilnehmen und in den §§ 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 12 Abs. 1 der Verordnung zur Anpassung von Regelungen für die Primarstufe und die Sekundarstufe I und II zur Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Schuljahr 2020/2021 vom 14. Dezember 2020 (GVBl. S. 1459) – SchulstufCOV-19-VO 2020/2021 – die Teilnahme am saLzH als Unterrichtsteilnahme fingiert.

Dabei liegen dem Unterricht Rahmenlehrpläne und Stundentafeln zugrunde, mit denen die Schule nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SchulG ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag nachkommt. Mit seinem Antrag begehrt die Antragstellerin demnach, auf eine Weise beschult zu werden, die der Antragsgegner grundsätzlich organisatorisch vorsieht und auf den er im Rahmen des durch die Aufnahme in die Schule begründeten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses (vgl. § 46 Abs. 1 SchulG) einen Anspruch hat.

Der Antragsgegner kann diesem Anspruch aber im Ergebnis mit Erfolg die Regelungen über die Einschränkungen des Präsenzbetriebes nach § 13 Abs. 4 der Zweiten Verordnung über erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 4. März 2021 (2. InfSchMV, GVBl. S. 198) in Verbindung mit § 4 Abs. 2 der SchulHygCoV-19-VO entgegenhalten.

Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 der 2. InfSchMV darf an öffentlichen Schulen und Schulen in freier Trägerschaft einschließlich der Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges und der Angebote der außerunterrichtlichen und ergänzenden Förderung und Betreuung vorbehaltlich der Absätze 6 (Durchführung von Prüfungen und Leistungsüberprüfungen) und Abs. 7 (Notbetreuung) kein Lehr- und Betreuungsbetrieb in Präsenz stattfinden. Nach Satz 2 bestimmt die für Bildung zuständige Senatsverwaltung durch Rechtsverordnung nach § 25 Abs. 1 und Abs. 2 über Abweichungen zum Zwecke einer an das Infektionsgeschehen angepassten Wiederaufnahme des Lehr- und Betreuungsbetriebs in Präsenz. Nach der auf dieser Grundlage erlassenen Bestimmung des § 4 Abs. 2 SchulHygCoV-19-VO wird in den Jahrgangsstufen 1 bis 6 der Primarstufe ein Unterricht in festen Lerngruppen mit in der Regel halbierter Gruppenfrequenz im Umfang von mindestens drei Stunden täglich angeboten.

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§ 13 Abs. 4 InfSchMV findet seine Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 28a Abs. 1 Nr. 16 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 4a des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3136) geändert worden ist.

Nach § 32 Satz 1 und 2 werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 und in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach § 28a Abs. 1 IfSG kann eine notwendige Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag insbesondere die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 IfSG sein.

Nach § 28a Abs. 3 IfSG sind Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach § 28a Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1, nach § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 und den §§ 29 bis 32 IfSG insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten. Die nachfolgenden Sätze der Vorschrift enthalten Maßgaben, nach denen die Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens in Abhängigkeit von Schwellenwerten der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen getroffen werden sollen.

Nach § 28a Abs. 5 sind Rechtsverordnungen, die nach § 32 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 erlassen werden, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich zu befristen. Die Geltungsdauer beträgt grundsätzlich vier Wochen; sie kann verlängert werden.

Die angegriffenen Regelungen sind nach diesem Maßstab rechtmäßig.

§ 13 Abs. 4 der 2. InfSchMV begegnet keinen formellen Bedenken.

Die Vorschrift ist voraussichtlich nicht wegen eines Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt nichtig (vgl. zuletzt OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. März 2021 – OVG 11 S 22/21 –, juris Rn. 35 m.w.N.).

Die Verordnung ist bis zum 28. März 2021 befristet (vgl. § 28 Abs. 2 InfSchMV).

Die Vorgaben des Berliner COVID-19-Parlamentsbeteiligungsgesetzes (BInCOVParlBtlgG) vom 1. Februar 2021 (GVBl. S. 102) sind eingehalten. Dieses Gesetz regelt insbesondere die Parlamentsbeteiligung bei – wie hier – notwendigen Maßnahmen des Senats zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie auf der Grundlage der §§ 28 bis 31 in Verbindung mit § 32 Satz 1 und 2 des IfSG im Land Berlin (vgl. § 1 BInCOVParlBtlgG; AbgDrs. 18/3276). Hiernach hat der Verordnungsgeber die betreffende Verordnung dem Abgeordnetenhaus am 4. März 2021 und mithin unverzüglich übersendet (vgl. § 3 BInCOVParlBtlgG, siehe AbgDrs. 18/3478). Ein Zustimmungsvorbehalt war indes nicht gegeben, weil es sich vorliegend nicht um eine Maßnahme nach § 28 Abs. 2 IfSG handelt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 BInCOVParlBtlgG). Die Vorschrift genügt auch den Anforderungen an die Begründungspflicht des § 28a Abs. 5 IfSG. Diese dient nach der Vorstellung des Gesetzgebers dazu, die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen. Innerhalb der Begründung sei zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienten. Eine empirische und umfassende Erläuterung sei nicht geschuldet (vgl. BT-Drs. 19/24334, S. 74). Diesen Anforderungen dürfte bereits die allgemeine, mit der Verordnung auf der Internetseite des Senats (https://www.berlin.de/corona/massnahmen/verordnung/begruendung-1023130.php) öffentlich zugänglich gemachte Begründung entsprechen; jedenfalls genügt die mit der IfSchMV dem Abgeordnetenhaus zugeleitete Begründung, dass öffentliche Schulen einschließlich der Schulen in freier Trägerschaft in Hinblick auf das durch die Zusammenkunft einer großen Anzahl von Menschen verursachte Infektionsrisiko ihren Lehr- bzw. Betreuungsbetrieb einstellen müssen. Die Schließung der Einrichtungen verringere oder verzögere zumindest das Risiko von Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (vgl. AbgDrs. 18/3478, S. 56). Diese Begründung lässt in noch ausreichender Weise erkennen, dass der Verordnungsgeber den Präsenzunterricht im Grundsatz untersagt, weil sich hierdurch seines Erachtens das Risiko von weiteren Neuinfektionen verringere. Sie lässt zumindest im Grundsatz erkennen, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen sollen, nämlich der Verringerung oder Verzögerung von Neuinfektionen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in Verbindung mit § 28a Abs. 1 und 3 IfSG sind erfüllt.

Auch auf dem Gebiet des Landes Berlin werden fortwährend Kranke, Krankheitsverdächtige, Ausscheider und Ansteckungsverdächtige (vgl. § 2 Nr. 4 bis 7 IfSG) des Coronavirus festgestellt (vgl. RKI, Lagebericht vom 9. März 2021, S. 4).

In einem solchen Falle sind die zuständigen Behörden verpflichtet, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, um die grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu erfüllen vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 –, juris Rn. 8; vom 12. Mai 2020 – 1 BvR 1027/20 –, juris Rn. 6, und vom 1. Mai 2020 – 1 BvR 1003/20 –, juris Rn. 7), wobei sie auch Nichtstörer in Anspruch nehmen können (vgl. BT-Drs. 19/18111, S. 25; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. April 2020 – OVG 11 S 14/20 –, juris Rn. 9).

Bei der Wahl der notwendigen Schutzmaßnahmen haben der Gesetzgeber und auch die von ihm zum Verordnungserlass ermächtigte Exekutive nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Spielraum für den Ausgleich der dabei widerstreitenden Grundrechte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2020

– 1 BvR 1021/20 –, juris Rn. 10). Dieser Einschätzungsspielraum besteht mit Blick auf die Coronavirus-Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des nach wie vor anhaltenden Diskurses im fachwissenschaftlichen Bereich weiterhin auch in tatsächlicher Hinsicht. Gleichwohl kann dieser Spielraum mit der Zeit – etwa wegen besonders schwerer Grundrechtsbelastungen und wegen der Möglichkeit zunehmender Erkenntnis – geringer werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 –, juris Rn. 10). Die gerichtliche Kontrolle der Maßnahmen hat sich darauf zu beschränken, ob sich der Staat (noch) innerhalb dieses Spielraums hält. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen können sich dabei unterschiedliche Grenzen für den Normgeber ergeben, die über eine Evidenz- bzw. Willkürkontrolle hinaus – insbesondere bei einem hier nicht in Rede stehenden Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot – bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 7. Mai 2020 – VG 3 L 167/20 –, juris Rn. 16 m.w.N.). Der behördliche Einschätzungsspielraum wird jedenfalls durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. November 2020 – OVG 11 S 94/20 –, juris Rn. 28) und seit Novellierung des Infektionsschutzgesetzes insbesondere durch die Vorgaben des § 28a Abs. 1 und Abs. 3 IfSG konkretisiert und begrenzt.

Nach diesem Maßstab begegnet die grundsätzliche Untersagung des Regelunterrichts und Beschulung der Primarstufe im sogenannten Wechselmodell derzeit keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Der Anwendungsbereich des § 28a Abs. 1 und 3 IfSG ist eröffnet, denn der Bundestag hat am 17. November 2021 wegen der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 eine Epidemie von nationaler Tragweite festgestellt (vgl. http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP19/2700/270040.html, Abruf am 6. März 2021) und die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen zählt zu den in § 28 Abs. 1 Nr. 16 genannten Regelbeispielen.

Die grundsätzliche Untersagung des Regelunterrichts im Präsenzbetrieb dient dem in § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG genannten legitimen Zweck, durch eine weitgehende Eindämmung der Virusausbreitung eine Verlangsamung des Infektionsgeschehens zu erreichen und damit die Belastung für das Gesundheitswesen insgesamt zu reduzieren. Belastungsspitzen sollen vermieden und die bestmögliche medizinische Versorgung für die gesamte Bevölkerung sichergestellt werden.

Die Maßnahme ist offensichtlich geeignet, diesen Zweck zu erreichen, denn die damit verbundenen Kontakte potenziell infektiöser Personen auf engem Raum (vgl. BT-Drs. 19/23944, S. 32) werden verringert.

Die Maßnahme ist auch erforderlich. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass entgegen des fachlichen Einschätzungsspielraums des Antragsgegners derzeit mildere Mittel zur Verlangsamung des Infektionsgeschehens als eine Beschulung im „Wechselmodell“ gegeben oder erreichbar sind. Dabei hat der Staat in Bezug auf die gegenwärtige Pandemie alle Handlungsalternativen auszuschöpfen, um die mit den Maßnahmen verbundenen Eingriffe möglichst gering zu halten. Indes muss der Antragsgegner im Rahmen seiner konkreten Rechtsgüterabwägung nach §§ 28 ff. IfSG bei der Beurteilung der notwendigen Schutzmaßnahmen die gegenwärtige Situation als „Ist-Zustand“ zugrunde legen, und zwar auch dann, wenn dieser Zustand durch etwaige Versäumnisse der Vergangenheit, etwa bei der Impfstoffbeschaffung, der Organisation von Impfterminen oder der sachlich-räumlichen sowie personellen Ausstattung der Schulen, geprägt sein sollte. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bisher weder der überwiegende Teil der Lehrkräfte noch der Schülerschaft geimpft ist, so dass der Antragsgegner nachvollziehbar davon ausgeht, besondere Vorkehrungen treffen zu müssen, um die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung mit dem hoch ansteckenden Virus (zumal in seinen neuen Varianten wie B.1.1.7) in den Schulen zu senken. Die derzeitige Teilung von Klassen im Wechselmodell entspricht den Empfehlungen des RKI, denen aufgrund seiner Rolle als der nationalen Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (§ 4 Abs. 1 IfSG) eine besondere Bedeutung – wenngleich keine rechtliche Bindungswirkung – zukommt (vgl. BeckOK InfSchR/Winkelmüller, 1. Ed. 1. Juli 2020, IfSG § 4 Rn. 3; VG Berlin, Beschluss vom 6. November 2020 – VG 3 L 623/20 –, juris Rn. 35). Nach diesen Empfehlungen (vgl. „Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie“ vom 12. Oktober 2020, S. 10) wird ab einem Schwellenwert von über 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche die „Verkleinerung der Klassen (durch Teilung oder Wechselunterricht), so dass Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden kann“ ebenso empfohlen wie „die Notwendigkeit für kurzzeitige, lokale Schulschließung mit Distanzunterricht [zu] prüfen“. Die von der Antragstellerin zitierten öffentlichen Äußerungen des Präsidenten des RKI rechtfertigen keine andere Bewertung. Im Gesamtkontext seiner Äußerungen zeigt sich ein anderes Bild als es die anwaltlich vertretene Antragstellerin in ihrer Antragsschrift zeichnen will. So äußerte sich der Präsident des RKI in dem von ihm zitierten Bericht vom 19. November 2020 wie folgt:

„Trotz der anhaltend hohen Zahl an Ansteckungen riet Wieler davon ab, die Maßnahmen durch die Schließung von Schulen und Kitas noch auszuweiten. Das Infektionsgeschehen an den Schulen lasse sich kontrollieren. Die Inzidenzen bei Kindern unter zwölf Jahren seien niedriger als in anderen Altersgruppen. Kinder liefen dem Infektionsgeschehen eher hinterher. Allerdings sollten die ‚schlauen Konzepte‘, die Schulen und Kitas zum Schutz entwickelt hätten, auch umgesetzt werden“ (www.tagesschau.de/inland/rki-neuinfektionen-127.html, Hervorhebung nur hier).

Der RKI-Präsident nahm in dem hier hervorgehobenen (von der Antragstellerin indes nicht zitierten) Satz insbesondere auf die Schutzkonzepte Bezug, die sein Haus empfiehlt. Dass diese gemeint waren, ergibt sich auch im Kontext seiner weiteren öffentlichen Verlautbarungen. So heißt es etwa in einem Bericht der Tagesschau vom 23. Oktober 2020 (www.tagesschau.de/investigativ/kmk-schule-wieler-101.html):

„RKI-Chef Lothar Wieler betonte am Donnerstag die Bedeutung der Empfehlungen des Instituts für die Schulen. Diese würden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, sagte Wieler auf die Frage von tagesschau.de. Er bedauere, dass kein Bundesland die Empfehlungen vollständig umsetze. (…) RKI-Chef Wieler sagte, man habe bereits mehrere hundert Ausbrüche in Schulen gesehen. Zwar seien die Schulen bislang kein ‚Treiber‘ der Corona-Pandemie, so wie sie es beispielsweise bei Influenza-Wellen eindeutig der Fall sei. Aber es sei klar, so Wieler, dass bei mehr Infektionen insgesamt auch mehr Fälle in den Schulen auftreten würden. Daher sei es aus Sicht des RKI sehr wichtig, die Empfehlungen einzuhalten.“

Die Antragstellerin hat gegenüber den vom Antragsgegner herangezogenen fachwissenschaftlichen Einschätzungen des RKI nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Ansteckungsrisiko von Kindern so gering ist, dass die Beschulung im empfohlenen Wechselmodell nicht erforderlich sein könnte. Hierzu verhält sich die als Anlage 15 vorgelegte Stellungnahme einer Arbeitsgruppe um den Virologen Klaus Stöhr nicht. Vielmehr äußert diese Arbeitsgruppe am 6. Februar 2021 – also während des vollständig untersagten Präsenzunterrichts – es bestehe „kein Grund, die SARS-CoV-2 Bekämpfungsstrategie oder spezielle Schutzkonzepte wegen der anteilmäßigen Zunahme der B.1.1.7 Variante oder anderer Varianten jetzt zu verändern“. Inwiefern die Antragstellerin daraus die Forderung zur Rückkehr zum Regelunterricht herleiten will, ist nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig vermag die Stellungnahme von Prof. Dr. Detlev Krüger die Notwendigkeit der verfügten Beschulung im Wechselmodell zu erschüttern. Nach seiner eidesstattlichen Versicherung wurde in einem Artikel in der Zeitschrift „Nature“ vom 28. Januar 2021 „die grundsätzliche Erkenntnis bekräftigt, dass Schulen keine Hotspots der Verbreitung“ seien, jedoch mit der Kautele „unter Einhaltung allgemeiner Hygieneregeln“. Welche Hygieneregeln dies sind und ob Kinder in der Primarstufe in der Lage sind, diese ohne Weiteres zu befolgen, trägt die Antragstellerin indes nicht vor. Die von Prof. Krüger zitierten, in englischer Sprache frei im Internet abrufbaren Artikel der Zeitschrift „Nature“ (vgl. Ausgabe 589, 503 und 587, 17,www.nature.com/articles/d41586-021-00139-3 und www.nature.com/articles/ d41586-020-02973-3, Abruf am 4. März 2021) weisen im Übrigen an mehreren Stellen darauf hin, dass gerade keine gesicherte einheitliche wissenschaftliche Erkenntnislage zur Epidemiesituation bei Kindern bestehe, sondern dies weiterhin Gegenstand der Forschung sei. Nicht einmal die von der Antragstellerin selbst zitierten Stellungnahmen deuten demnach darauf hin, dass es eine überwiegende oder gar allein richtige wissenschaftliche Meinung gebe, die den vom RKI und dem Antragsgegner zugrunde gelegten Erkenntnissen zwingend entgegenstünde.

Die Beschränkung des Präsenzunterrichts auf das „Wechselmodell“ ist auch angemessen.

Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist nach § 28a Abs. 3 Satz 3 IfSG insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen. Dabei sind bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung lag die Zahl dieser Neuinfektionen in Berlin bei über 70 je 100.000 Einwohner pro Woche, entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin nicht mit fallender, sondern steigender Tendenz (vgl. RKI, Lagebericht vom 5. März 2021, S. 5, abrufbar unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus /Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-04-de.pdf?__blob=publicationFile und Lagebericht vom 9. März 2021, www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_ Coronavirus/ Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-08-de.pdf?__blob=publicationFile). Damit befindet sich das Pandemiegeschehen auf der höchsten vom Gesetzgeber gegenwärtig definierten Stufe. An diesem Punkt ist eine Nachverfolgung und Absonderung einzelner Infizierter nicht mehr möglich (vgl. BT-Drs. 19/23944, S. 32), sodass ohne eine drastische Reduzierung der Zahl der persönlichen Kontakte ein ungehindertes, exponentielles Wachstum der Infektionszahlen zu erwarten ist. Zwar sollen die notwendigen Maßnahmen nach § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG „insbesondere“ an der Inzidenz ausgerichtet werden, sodass bei ihrer Bestimmung auch andere Parameter zu berücksichtigen sein könnten. Die Antragstellerin hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass und ggf. welche Parameter der Antragsgegner in unvertretbarer Weise außer Acht gelassen hätte.

Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft machen können, dass der Antragsgegner seinen Bildungsauftrag für die Primarstufe im Rahmen der Schutzmaßnahmen rechtsfehlerhaft gegen seinen Schutzauftrag nach § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG abgewogen hat. Mit Neufassung der SchulHygCoV-19-VO in der Fassung vom 17. Februar 2021 (GVBl. S. 142) hatte der Antragsgegner – abgestimmt mit den anderen Bundesländern – seit dem 22. Februar 2021 für die Primarstufe, welche die Antragstellerin besucht, Präsenzunterricht ohne Teilnahmepflicht im sogenannten Wechselmodell für die Jahrgangsstufen 1 bis 3 der Primarstufe in festen Lerngruppen und einem zeitlichen Umfang von mindestens drei Stunden täglich angeboten. Mit erneuter Neufassung der Verordnung vom 5. März 2021 gilt dies nunmehr auch für die Jahrgangsstufen 4 bis 6. Die Unterrichtsorganisation nähert sich mit dem Präsenzunterricht im Wechselbetrieb wieder dem gesetzlich vorgegebenen Leitbild an, sodass die Eingriffsintensität gegenüber der Zeit vom 16. Dezember 2020 bis zum 21. Februar 2021 deutlich verringert ist. Damit ist der Vortrag der Antragstellerin, die sich argumentativ fast ausschließlich gegen das sogenannte „schulisch angeleitete Lernen zuhause“ bzw. ihren Verbleib in der „Notbetreuung“ gewendet hat, überwiegend obsolet und bedarf keiner näheren Ausführungen. Sie hat mit ihrem weiteren Vorbringen nicht glaubhaft gemacht, dass die Beschränkungen des Schulbetriebes durch das Wechselmodell so gravierend sind, dass die Belange des Gesundheitsschutzes gegenüber ihrem Anspruch auf eine Regelbeschulung im Präsenzunterricht zwingend zurücktreten müssten. Es obliegt insoweit nach dem anzulegenden Maßstab nicht dem Gericht, anstelle des Verordnungsgebers Zweckmäßigkeitserwägungen zur Unterrichtsorganisation anzustellen.

II. Erfolglos bleibt der Antrag auch, soweit die Antragstellerin sich dagegen wendet, bei ihrer Beschulung im Präsenzunterricht eine Mund-Nasen-Bedeckung („Maske“) tragen zu müssen.

Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an Schulen findet ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 3 Satz 1 und Anlage 2 SchulHygCoV-19-VO in Verbindung mit §§ 25 Abs. 2, 4 Abs. 1 Nr. 15 der 2. InfSchMV und §§ 32 Satz 2, 28 Abs. 1 Satz 2; 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG und § 2 BInCOVParlBtlgG. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 15 der 2. InfSchMV ist eine Maske zu tragen in geschlossenen Räumen, soweit dies in einem bereichsspezifischen Hygienerahmenkonzept nach § 6 Abs. 3 oder einer aufgrund von § 25 erlassenen Rechtsverordnung bestimmt ist. Nach § 25 Abs. 2 der 2. InfSchMV wird die für Bildung zuständige Senatsverwaltung ermächtigt, im Einvernehmen mit der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung durch Rechtsverordnung nach Maßgabe des § 2 Satz 1 des Berliner COVID-19-Parlamentsbeteiligungsgesetzes und des § 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske oder einer Mund-Nasen-Bedeckung zu regeln, wobei auch Bereiche außerhalb von geschlossenen Räumen erfasst sein können.

Die Vorschrift dürfte formell rechtmäßig sein. Die aktuelle Fassung der Verordnung – die Sechste Änderungsverordnung vom 5. März 2021 – wurde gemäß § 3 BInCOVParlBtlgG unverzüglich dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnis übermittelt (vgl. AbgDrs. 18/3476).

§ 4 Abs. 3 SchulHygCoV-19-VO genügt auch dem verfassungsrechtlichen Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. Danach ist die Rechtsgrundlage einer Verordnung in dieser anzugeben, wobei es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer spezifischen Angabe der unmittelbaren Ermächtigungsgrundlage bedarf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 –, juris Rn. 16). Diesen Anforderungen entspricht die SchulHygCoV-19-VO, weil sie in ihrer Präambel die im – maßgeblichen – Erlasszeitpunkt bestehenden Rechtsgrundlagen zitiert. Dass diese mittlerweile außer Kraft getreten sind, ist insoweit unschädlich, weil weiterhin eine hinreichende Rechtsgrundlage gegeben ist (vgl. Maunz/Dürig/Remmert, 92. EL August 2020, Art. 80 Rn. 122). Die zur SchulHygCoV-19-VO ergangenen Änderungsverordnungen insbesondere vom 14. Dezember 2020 (GVBl. 1463), 18. Dezember 2020 (GVBl. S. 1516), 10. Januar 2021 (GVBl. S. 20), 14. Februar 2021 (GVBl. S. 136), 17. Februar 2021 (GVBl. S. 142) und vom 5. März 2021 (GVBl. S. 211) zitieren jeweils die aktuell gültige Rechtsgrundlage. Ob es im Übrigen aus Gründen der Klarheit geboten wäre, mit den Änderungsverordnungen auch die in der Präambel der SchulHygCoV-19-VO selbst zitierten Rechtsgrundlagen zu aktualisieren, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn selbst im Falle eines – unterstellten – Verstoßes gegen das Zitiergebot wären jedenfalls die Grundsätze heranzuziehen, die das Bundesverfassungsgericht für Fallgestaltungen entwickelt hat, die trotz erkannter Verfassungswidrigkeit die weitere Anwendung der Rechtsnormen für eine Übergangszeit erfordern (vgl. OVG Münster, Urteil vom 22. September 2000 – 8 A 2429/99 –, juris Rn. 83, bestätigt von BVerwG, Beschluss vom 11. April 2001 – BVerwG 3 B 198/00 –, Rn. 11, juris und BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 21. März 2002 – 1 BvR 61/01 –, juris). Danach könnte die ohnehin befristete Vorschrift übergangsweise bis zu ihrem Außerkrafttreten am 4. April 2021 weiter Anwendung finden, weil sich die Funktionsfähigkeit der Berliner Schulen derzeit nur unter besonderen Hygieneregelungen aufrechterhalten lässt.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 SchulHygCoV-19-VO sind, soweit ein Präsenzbetrieb stattfindet, die Schutz- und Hygieneregeln der Anlagen 1 und 2 anzuwenden. Nach Anlage 2, Teil A II. 1. gilt für die Primarstufe bei „Stufe rot“ in der Schule die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in geschlossenen Räumen und unter überdachten oder überschatteten Plätzen, auch im Unterricht und bei der Durchführung der außerunterrichtlichen und ergänzenden Förderung und Betreuung.

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Nach den insoweit unwidersprochen gebliebenen Angaben des Schulleiters gilt für die Schülerinnen und Schüler die Maskenpflicht, so dass das Gericht von einer entsprechenden derzeitigen Zuordnung der „Stufe rot“ für die Schule durch das zuständige bezirkliche Gesundheitsamt (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 4 SchulHygCoV-19-VO) von Berlin-P ausgeht; das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin würde allerdings auch bei einer anderen Zuordnung nicht entfallen, weil angesichts des dynamischen Infektionsgeschehens jederzeit Änderungen der Zuordnung möglich sind.

Die Maskenpflicht ist auch verhältnismäßig (vgl. zur bayerischen Parallelvorschrift ausführlich VGH München, Beschluss vom 10. November 2020 – 20 NE 20.2349 –, juris). Sie dient dem oben bereits ausführlich erörterten legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus unter der Schülerschaft und den Lehrkräften angesichts wieder steigender Fallzahlen einzudämmen und die Gefahr einer unkontrollierten Infektionsausbreitung mit der Erkrankung einer Vielzahl von Menschen mit teilweise schwerwiegenden und tödlichen Krankheitsverläufen sowie eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Zu diesem Zweck ist die Anordnung einer Maskenpflicht auf dem Schulgelände geeignet, erforderlich und auch unter Berücksichtigung der gegenstreitenden Interessen, nämlich der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und dem sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie des gesundheitlichen Wohls nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der betroffenen Schülerinnen und Schüler angemessen und verhältnismäßig. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass die Tragezeiten durch die derzeitige Form der Beschulung im Wechselunterricht begrenzt werden. Soweit die Antragstellerin im Einzelfall geltend macht, sie werde hier besonders nachteilig betroffen, hat sie dies nicht hinreichend glaubhaft gemacht. So gibt die Klassenlehrerin Frau K entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin in ihrer Stellungnahme an, es gelinge ihr, die schüchterne Antragstellerin zum lauteren Sprechen zu animieren. Eine Gleichbehandlung zu den Hygienevorschriften für Beschäftigte in Büro- und Verwaltungsgebäuden, ist entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin schon deshalb nicht geboten, weil es sich bei Arbeitnehmern in einem Büro um eine andere Vergleichsgruppe handelt, der es im Grundsatz leichter fällt, die erforderlichen Hygienemaßnahmen umzusetzen als Schülern und Schülerinnen der Primarstufe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

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