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Fristversäumung im arbeitsgerichtlichen Verfahren – Wiedereinsetzung

LANDESARBEITSGERICHT KÖLN

Az.: 11Ta 17/02

Beschluss vom 01.03.2002

Vorinstanz: ArbG Aachen – Az.: 3 Ca 4133/00


In dem Rechtsstreit hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln am 01.03.2002 -ohne mündliche Verhandlung – beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 30.11.2001 (3 Ca 4133/00 d), mit dem sein Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 29.06.2001 als unzulässig verworfen wurde, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 6.532,65 €.

GRÜNDE

I. Gegen den anwaltlich vertretenen Kläger erging am 29. 06. 2001 klageabweisendes Versäumnisurteil, weil sein im Termin anwesender Rechtsanwalt erklärt hatte, er trete nicht auf. Das Versäumnisurteil wurde dem Klägervertreter am 30. 07. 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Dieser legte mit gefaxtem Schriftsatz vom 13. 08. 2001 „gegen das Versäumnisurteil vom 29. 06. 2001, zugestellt am 30. 07. 2001“ Einspruch ein. Nach gerichtlichem Hinweis auf die Verspätung des Einspruchs beantragte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 23. 08. 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, die Versäumung der einwöchigen Einspruchsfrist beruhe auf einem Versehen der Angestellten E, die statt der einwöchigen eine zweiwöchige Einspruchsfrist notiert habe; die Gründe seien nicht mehr nachvollziehbar. Nach Wiedervorlage der Akten bei Ablauf der vermeintlichen Frist habe er Frau E „beauftragt, den Einspruch gegen das Versäumnisurteil fristgemäß einzulegen“. Das Arbeitsgericht hat den Einspruch unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde des Klägers.

II. Die gem. § 341 Abs.2 Satz 2 ZPO a.F. (§ 26 Nr.10 EGZPO) zulässige sofortige Beschwerde war mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist: Das Arbeitsgericht hat den Einspruch des Klägers zu Recht gem. § 341 Abs.l S.2 ZPO a.F. als unzulässig verworfen, weil er unstreitig nicht fristgemäß eingelegt worden ist. Die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren, weil die Voraussetzungen des § 233 ZPO nicht vorliegen: Die Versäumung der Einspruchsfrist war nicht unverschuldet. Gem. § 85 Abs. 2 ZPO muß sich der Kläger nämlich das Verschulden seines Rechtsanwalts anrechnen lassen. Von einem derartigen Verschulden muß hier ausgegangen werden:

Es ist schon fraglich, ob der Anwalt es in Arbeitsgerichtsprozessen seinem – wenn auch sorgfältig ausgewählten und überwachten – Personal überlassen darf, selbständig Beginn, Dauer und Ende einer Rechtsmittelfrist zu erkennen, zu ermitteln und zu errechnen (dagegen: BAG, Beschluß vom 30. 11. 1955 – l AZB 23/55 in AP Nr. 10 zu § 233 ZPO; BAG, Beschluß vom 15. 03. 1965 – l AZR 13/65 in AP Nr. 42 zu § 233 ZPO; Urteil vom 15. 10. 1968 – l AZR 311/68 in AP Nr. 49 zu § 233 ZPO; Beschluß vom 27. 11. 1974 – 2 AZR 408/74 in AP Nr. 68 zu § 233 ZPO; offengelassen in BAG, Urteil vom 09. 10. 1972 – 3 AZR 318/72 in AP Nr. 62 zu § 233 ZPO).

Die Frage kann offenbleiben; denn diese Delegation kann der Anwalt – jedenfalls in Arbeitsrechtssachen – nur mit Einschränkungen vornehmen – nämlich nur dann, wenn es sich bei der konkret in Rede stehenden Frist für den befaßten Angestellten um einen Routinefall handelt, mit dem dieser regelmäßig befaßt und der ihm geläufig ist (BAG v. 27. 11. 1974 a.a.O.). An einem solchen Vortrag, der zur Schlüssigkeit des Wiedereinsetzungsantrags gehört, fehlt es hier. Nach der Rechtsprechung des BAG (27. 11. 1974 a.a.O.) ist aber auf solchen Vortrag besonderes Gewicht zu legen, weil die Zahl der Arbeitsrechtsstreite nur einen Bruchteil der bei den ordentlichen Gerichten anfallenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ausmacht und das arbeitsgerichtliche Verfahren mehrere bedeutsame Unterschiede aufweist: etwa die Zustellung der Entscheidungen von Amts wegen, die nur einmal gegebene Möglichkeit zur Verlängerung der Rechtsmittel-Begründungsfrist, das Beschlußverfahren und die verkürzte Einspruchsfrist (§ 59 S.l ArbGG gegenüber § 339 Abs.l ZPO). Nach der Rechtsprechung des BAG machen diese Besonderheiten es erforderlich, daß in Arbeitssachen der Anwalt selbst die Fristberechnung durchführt oder im konkreten Einzelfall die nötige Anweisung für die Fristberechnung gibt (BAG v. 27. 11. 1974 a.a.O.).

Hinzukommt vorliegend, daß es zur Schlüssigkeit des Wiedereinsetzungsantrags gehört, die Zuverlässigkeit des Personals, dem die Berechnung von Rechtsmittelfristen überlassen ist, eingehend darzulegen. Hierzu enthält der Vortrag des Klägers nur die nicht ausreichende pauschale Behauptung, bei Frau E9% handele es sich um eine qualifizierte Kraft mit guten Zeugnissen und Berufserfahrung, mit der es in der Zusammenarbeit noch keine Schwierigkeiten gegeben habe. Hingegen fehlen Ausführungen darüber, wie, wann und von wem Frau EMfc mit den Besonderheiten des arbeitsgerichtliehen Verfahrens und den dort geltenden besonderen Fristen vertraut gemacht worden ist und wie oft in ihrer Tätigkeit die Einlegung von Einsprüchen gegen Versäumnisurteile der Arbeitsgerichte vorgekommen ist.

Dementsprechend ist davon auszugehen, daß die Einlegung von Einsprüchen gegen arbeitsgerichtliche Versäumnisurteile für die Angestellte des Klägervertreters kein Routinefall gewesen ist, mit dem diese regelmäßig befaßt und der ihr geläufig war und daß die dadurch erforderlich gemachte besondere Einweisung und Überwachung nicht stattgefunden hat. Davon ist nicht nur wegen fehlenden Vortrags auszugehen; es wird zudem nahegelegt durch die Tatsache, daß der Klägervertreter seine Angestellte beauftragt haben will, den Einspruch gegen das Versäumnis-Urteil fristgemäß einzulegen zu einer Zeit, als diese Frist längst abgelaufen war, wobei darüber hinweggesehen werden soll, daß der Rechtsbehelf gar nicht von der Angestellten eingelegt werden kann, sondern vom Anwalt eingelegt werden muß. Es wird ferner nahegelegt durch die Tatsache, daß in einem Schriftsatz vom 13. 08. 2001 „gregren das Versäumnisurteil vom 29. 06. 2001, zugestellt am 30. 07. 2001“ Einspruch eingelegt wird, ohne daß dem, der diesen Einspruch einlegt, die ins Auge springende Fristüberschreitung auffällt. Beides läßt sich kaum anders als dadurch erklären, daß dem Klägervertreter die von der ZPO abweichende Einspruchsfrist im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht geläufig war. Dann aber kann er seine Angestellte auch nicht in diese Besonderheiten eingewiesen haben. Bei dieser Sachlage kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 78 Abs. 2 ArbGG a.F. (§ 26 Nr.10 EGZPO).

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