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Alkoholfahrt (wiederholte) – Anordnung einer MPU

VG Bayreuth 1. Kammer

Az: B 1 K 11.431

Urteil vom 31.01.2012


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg übersandte mit Schreiben vom 11.10.2010 einen Auszug aus dem Verkehrszentralregister mit den vom Kläger begangenen Verkehrszuwiderhandlungen. Diesem war Folgendes zu entnehmen:

Bußgeldbescheid der ZBS Viechtach vom 17.09.2007: Der Kläger überschritt als Führer des Pkws die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h.

– Bußgeldbescheid der ZBS Viechtach vom 08.01.2008, rechtskräftig seit 19.03.2008: Der Kläger führte am 18.12.2007 ein Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,38 mg/l.

– Entscheidung des Amtsgerichts Offenburg vom 02.09.2010: Der Kläger führte am 18.02.2010 ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,88 Promille.

Nachdem der Kläger wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hatte, wurde er mit Schreiben des Landratsamtes Bayreuth vom 10.11.2010 aufgefordert, bis zum 11.01.2010 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Die Untersuchung sollte folgende Fragestellung umfassen: „Ist zu erwarten, dass der Kläger auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Klasse B, BE, M, L, S, T, C1, C1E, C und CE der Gruppe 1 und 2 in Frage stellen?“

Mit Schreiben vom 24.11.2010 zeigte sich der Bevollmächtigte des Klägers an und trug vor, dass der Kläger am 18.02.2010 seinen Lkw auf dem Rastplatz nur wenige Meter hin und her bewegt habe, da er teilweise die Zufahrt zum Containerstellplatz versperrt habe. Der Kläger habe zum betreffenden Zeitpunkt noch rund 14 Stunden Pause gehabt und hätte erst um 2.00 Uhr am Morgen des folgenden Tages weiterfahren müssen. Er habe Bier getrunken, um einschlafen zu können. Dieser Sachverhalt biete keine Grundlage, Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers bzw. am Trennungsvermögen zwischen Alkoholkonsum und dem Steuern eines Kraftfahrzeuges im Verkehr zu begründen. Weiterhin wurde gebeten, die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nochmals zu überdenken und falls doch darauf bestanden werden sollte, die Frist zur Vorlage des Gutachtens bis Ende Januar 2011 zu verlängern.

Mit Schriftsatz vom 01.12.2010 wurde dem Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass die Anordnung zur Überprüfung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen des Klägers weiterhin aufrechterhalten werde. Es sei nicht von Belang, dass der Lkw am 18.02.2010 nur wenige Meter bewegt worden sei.

Die Frist zur Vorlage des Gutachtens wurde bis zum 31.01.2011 verlängert. Die Begutachtungsstelle für Fahreignung des TÜV SÜD Life Service GmbH Bayreuth, welche vom Kläger zur Erstellung des Gutachtens beauftragt wurde, sandte dem Landratsamt Bayreuth die zur Verfügung gestellten Fahrerlaubnisunterlagen mit Schreiben vom 17.02.2011 zurück. Das angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten legte der Kläger nicht vor.

Nach Anhörung entzog der Beklagte mit Bescheid vom 15.04.2011 dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, M, L, S, T, C1, C1E, C und CE (Ziffer 1 des Bescheides), forderte ihn unter Fristsetzung zur Abgabe des Führerscheins auf (Ziffer 2) und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR an (Ziffer 3). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es sei ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzufordern gewesen, weil der Kläger wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen habe. Da der Kläger ein die bestehenden Eignungszweifel ausräumendes Gutachten in der gesetzten Frist nicht vorgelegt habe, dürfe gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung geschlossen werden. Dem Kläger müsse daher die Fahrerlaubnis entzogen werden.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 21.04.2011 legte der Kläger gegen den dem Kläger am 20.04.2011 zugestellten Bescheid Widerspruch ein.

Weiter beantragte er mit Schriftsatz vom selben Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die Verfügung des Beklagten vom 30.03.2011 (richtig: 15.04.2011) wiederherzustellen (vgl. B 1 S 11.281). Mit Beschluss vom 16.05.2011 wurde der Antrag abgelehnt. Die hiergegen vom Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (vgl. BayVGH vom 27.07.2011 Az. 11 Cs 11.1317). Auf beide Beschlüsse wird jeweils Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2011 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Hierauf wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 26.06.2011, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 29.06.2011, erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigten Klage und beantragte:

Der Bescheid des Beklagten vom 15.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2011 wird aufgehoben.

Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom 10.10.2011 Folgendes ausgeführt:

Im vorliegenden Fall sei der Entzug der Fahrerlaubnis, insbesondere auch unter Abwägung der Interessen des Klägers mit der Entscheidung des Landratsamts, nicht gerecht, sogar im Höchstmaß ungerecht. Auch der die Polizei informierende „Zeuge“ habe nie behauptet, dass der Kläger den Lkw verkehrswidrig abgestellt hätte. Offensichtlich aus Bequemlichkeit dieses „Zeugen“ sei das vorliegende Verfahren überhaupt erst ausgelöst worden. Es sei die besondere Rücksichtnahme und Freundlichkeit des Klägers gewesen, die dazu geführt habe, dass er auf besonderen Wunsch des „Zeugen“ den Lkw drei bis vier Meter im Parkbereich, d.h. im ruhenden Verkehr, bewegt habe. Dabei sei dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er, angesichts der vor ihm liegenden Ruhepause von 14 Stunden Bier getrunken habe, weil für ihn sicher gewesen sei, dass der Alkohol bis zu seinem nächsten Einsatz restlos abgebaut sei. Dass er, um über Tag schlafen zu können, Bier getrunken habe, beweise dabei seine Alkoholempfindlichkeit und widerlege die Behauptung, er sei etwa so Alkohol gewöhnt, dass ihm die Einnahme alkoholischer Getränke nichts ausmache.

Im Verwaltungs- und einstweiligem Rechtsschutzverfahren hätte das Gericht berücksichtigen müssen, dass beim Kläger gerade kein falscher und unreflektierter Umgang mit Alkohol verantwortlich gewesen sei, sondern ein durchaus vertretbares Verhalten, weil er, als Nachtfahrer von seinem Arbeitgeber eingesetzt, dem habe vorbeugen wollen, dass er, weil unausgeschlafen, sich nachts ans Steuer hätte setzen müssen.

Weiter machte der Bevollmächtigte des Klägers insbesondere Ausführungen dazu, dass nach seiner Meinung die Fahrerlaubnisbehörde bei der Entscheidung, wegen Nichtvorlage des geforderten Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätte treffen müssen.

Der Beklagte übermittelte mit Schreiben vom 06.05.2011 die Fahrerlaubnisakte und beantragte mit Schriftsatz vom 09.11.2011, die Klage abzuweisen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die Gründe des Bescheides, des Widerspruchsbescheides und der in dieser Angelegenheit ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren verwiesen. Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten in seiner Klageschrift enthielten kaum rechtlich maßgebliche Aspekte. Die Ausführungen zu „gerecht“ oder „ungerecht“ sollten hier nicht kommentiert werden. Maßgeblich für einen rechtmäßigen Bescheid seien die rechtlichen Grundlagen, mithin die Gesetze und die hierzu ergangene Rechtsprechung. Soweit der Klägerbevollmächtigte erneut die Heranziehung der Tat vom 18.02.2010 zur Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rüge, werde darauf hingewiesen, dass es auf die einzelnen Modalitäten der Tat nicht ankomme; insbesondere nicht, ob der Kläger die Ordnungswidrigkeit aufgrund der Bitte eines Dritten begangen habe. Es liege hier eine rechtskräftige Entscheidung vom 02.09.2010 vor. Dass der Kläger Bier trinke, um einschlafen zu können, spreche ferner gerade nicht für ihn, sondern für eine Alkoholproblematik. Nach eigenen Angaben des Klägers habe er von ca. 10.30 Uhr bis zur Mittagszeit so viel Alkohol konsumiert, dass 0,88 Promille festgestellt worden sei.

Die Ausführungen des Bevollmächtigten zu § 3 Abs. 1 StVG und § 11 Abs. 8 FeV begründeten keine andere Sichtweise. Es sei gerichtlich geklärt, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 11 Abs. 8 FeV auf die fehlende Fahreignung geschlossen werden dürfe, wenn das maßgebliche Gutachten nicht vorgelegt werde. Die Aufforderung zur Beibringung des geforderten Gutachtens vom 10.11.2010 sei auch zu Recht erfolgt, weil der Kläger zweimal, am 18.12.2007 und am 18.02.2010, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter unzulässig hohem Alkoholeinfluss geführt habe. Dass es sich bei der Fahrt vom 18.02.2010 nicht um eine Straftat gehandelt habe, wie der Bevollmächtigte vortrage, sei unerheblich. § 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV verlange nicht das Vorliegen einer Straftat.

Soweit der Klägerbevollmächtigte weiter von der Stabilität seines Mandanten hinsichtlich des Umganges mit Alkohol und dem angeblich belegten Sonderkurs vortrage, sei anzumerken, dass es dem Kläger unbenommen bleibe, einen Neuerteilungsantrag einzureichen und durch die Vorlage einer positiven MPU seinen Wandel nachzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 24.11.2011 machte der Klägerbevollmächtigte nochmals geltend, der Gesetzgeber habe der Fahrerlaubnisbehörde einen Ermessensspielraum eingeräumt, der ausgefüllt und begründet werden müsse. Dabei seien die Interessen der Allgemeinheit mit denen des Betroffenen, dessen Lebenswerk und Berufserwartung durch die Entscheidung in Frage gestellt, wenn nicht sogar zerstört werde, abzuwägen. Außerdem stehe auch die Fahrerlaubnisbehörde unter dem allgemeinen, verfassungsrechtlich verankerten, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Stellungnahme des Landratsamts lasse weder ein Abwägen noch eine Auseinandersetzung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erkennen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (auch im Verfahren B 1 S 11.281) und die beigezogenen Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31.01.2012 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

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Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 15.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Gericht insofern Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Bescheid, denen es folgt, auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid (§ 117 Abs. 5 VwGO), auf seine eigenen Ausführungen in dem ablehnenden Beschluss vom 16.05.2011 Az. B 1 S 11.281 sowie auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 27.07.2011 Az. 11 CS 11.1317, mit dem die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen wurde. Zur Sache und zum Klagevorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen:

Im vorliegenden Fall hegte die Fahrerlaubnisbehörde zu Recht Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen (§ 11 Abs. 1 FeV). Die Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (die gemäß der Verweisung des § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV anwendbar ist) enthält eine Aufstellung häufig vorkommender Erkrankungen und Mängel, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. In dieser Aufstellung wird bewertet, ob bei den aufgeführten Erkrankungen und Mängeln in der Regel von einer Fahreignung auszugehen ist oder nicht. Unter Ziffer 8.1 der Anlage 4 ist Alkoholmissbrauch als Mangel aufgeführt, bei dessen Vorliegen die Fahreignung generell für alle Klassen fehlt. Nach Beendigung des Missbrauchs liegt die Fahreignung erst dann wieder vor, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Ziffer 8.2 der Anlage 4). Missbrauch liegt dann vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Gleichartige Aussagen werden in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, Ziffer 3.11.1, getroffen. Mit § 13 FeV hat der Gesetzgeber eine spezialgesetzliche Regelung für die Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Alkoholproblematik geschaffen, gemäß der die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnet, dass ein Gutachten beizubringen ist. Die Fahrerlaubnisbehörde war hier daher nach Eingang der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 11.10.2010 nach § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV nicht nur berechtigt, sondern vielmehr sogar verpflichtet, vom Kläger die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens zu verlangen. Ein solches ist u. a. nach § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV immer dann anzuordnen, wenn wiederholt ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt wurde. Ein Ermessensspielraum irgendeiner Art steht der Fahrerlaubnisbehörde insoweit nicht zu.

Der Kläger hat diesen Tatbestand erfüllt, da er am 18.12.2007 und am 18.02.2010 jeweils ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter unzulässig hohem Alkoholeinfluss geführt hat. Dieser Sachverhalt steht nach dem rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 08.01.2008 bzw. dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Offenburg vom 02.09.2010 fest und kann deshalb sowohl von der Fahrerlaubnisbehörde als auch dem Gericht bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt werden. Entgegen der Darstellung in der Klageschrift war somit nicht allein der Vorfall am 18.02.2010 Anlass für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gewesen. Vielmehr wurde das Fahreignungsgutachten angefordert, weil der Kläger zweimal, am 18.12.2007 und am 18.02.2010, ein Kraftfahrzeug mit einer straßenverkehrsrechtlich unzulässigen Atem- bzw. Blutalkoholkonzentration geführt hatte. Die Alkoholfahrt am 18.12.2007 war auch noch verwertbar, da der diesbezügliche Bußgeldbescheid vom 08.01.2008 erst am 19.03.2008 rechtskräftig wurde und gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG die zweijährige Tilgungsfrist bis zur Tat vom 18.02.2010 somit noch nicht abgelaufen war. Maßgebend für die Tilgungshemmung (§ 29 Abs. 6 Satz 1 StVG) und Verwertbarkeit von Eintragungen im Verkehrszentralregister ist nach inzwischen einhelliger Rechtsprechung der Tattag der nächsten Verkehrszuwiderhandlung (Tattagprinzip, vgl. insbesondere BVerwG vom 25.9.2008 Az. 3 C 21.04 in NJW 2009, 612 und Az. 3 C 21.07 in NJW 2009, 610; BayVGH vom 19.12.2011 Az. 11 B 11.1848). Dass das wegen des Vorfalls am 18.02.2011 eingeleitete Strafverfahren eingestellt worden ist, spielt dabei keine Rolle. Auch dass der Kläger den Lkw nur wenige Meter auf dem Parkplatz bewegt hat, ist unerheblich.

Unabhängig von der dargestellten zwingenden Folge einer Gutachtensanordnung aufgrund der zwei verwertbaren Verkehrszuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss ist darauf hinzuweisen, dass durchaus auch der Vorfall vom 18.02.2010 Anlass zu Bedenken hinsichtlich des Trennvermögens des Klägers gibt. Schon der Umstand, dass der Kläger nach seinen Angaben vom Abstellen des Lkw um ca. 10.30 Uhr bis zur Mittagszeit eine Alkoholmenge konsumiert hat, die zu einer Blutalkoholkonzentration von 0,88 Promille führte, lässt auf eine mögliche Alkoholproblematik schließen, die gerade bei einem Berufskraftfahrer fahreignungsrelevant erscheint. Nach herrschender Rechtsprechung vermag sogar eine außerhalb des Straßenverkehrs aufgetretene Alkoholauffälligkeit die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen, wenn sie zu der begründeten Annahme Anlass gibt, dass bei dem Betreffenden die Gefahr besteht, er werde voraussichtlich nach dem Genuss von Alkohol ein Kraftfahrzeug führen. Anlass zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung kann demgemäß auch dann bestehen, wenn deutliche Indizien für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung des Betreffenden vorliegen und zusätzliche Umstände feststellbar sind, die in der Gesamtschau mit der zu vermutenden Alkoholproblematik die Annahme von Alkoholmissbrauch rechtfertigen (vgl. u.a. BayVGH vom 22.9.2008 Az. 11 C 08.2341, vom 22.10.2007 Az. 11 C 07.2311, vom 4.1.2006 Az. 11 CS 05.1878 und vom 5.4.2004 Az. 11 CE 03.2137; OVG Rheinland-Pfalz vom 11.9.2006 in ZfSch 2006, 713; Niedersächsisches OVG vom 24.11.2004 Az. 12 ME 418/04; VGH Baden-Württemberg vom 29.7.2002 in NZV 2002, 582). So wird in der Rechtsprechung der Anlass zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung insbesondere dann bejaht, wenn deutliche Indizien für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung des Betroffenen vorliegen und dieser als Berufskraftfahrer am Straßenverkehr teilnimmt bzw. teilnehmen will. Hier liegt es nahe, dass der Betroffene häufig und fortlaufend dem Konflikt ausgesetzt ist, entweder seinen beruflichen Pflichten nachzukommen oder aber in – aufgrund vorhergehenden Alkoholkonsums – noch fahruntüchtigem Zustand am Straßenverkehr teilzunehmen (vgl. hierzu BayVGH a.a.O. sowie auch vom 20.3.2009 in Blutalkohol 46, 299 und vom 4.4.2006 in DAR 2006, 413; Niedersächsisches OVG vom 29.1.2007 in Blutalkohol 2007, 114; VGH Baden-Württemberg vom 29.07.2002 a.a.O.). Die vom Kläger am 18.02.2010 nach seinen Angaben in kurzer Zeit konsumierte Alkoholmenge lässt im Hinblick darauf, dass der Konsum auch letztlich im Zusammenhang mit einer Verkehrsteilnahme erfolgte, durchaus Eignungszweifel entstehen.

Nachdem der Kläger in der ihm gesetzten, ausreichend bemessenen und sogar noch einmal verlängerten, Frist kein die begründeten Eignungszweifel beseitigendes Gutachten vorgelegt hat, konnte die Fahrerlaubnisbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (seit dem Urteil vom 2.12.1960 BVerwGE 11, 274) und der inzwischen normierten Regelung des § 11 Abs. 8 FeV, die gemäß § 46 Abs. 3 FeV Anwendung findet, auf die fehlende Fahreignung des Klägers schließen. Vergleichbare Fälle der Nichtbeibringung eines angeforderten Gutachtens nach zwei Verkehrszuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss sind sowohl von der Kammer als auch oberverwaltungsgerichtlich schon häufig entschieden worden (vgl. u.a. BayVGH vom 9.6.2010 in Blutalkohol 47, 368, vom 19.4.2010 Az. 11 ZB 09.2982, vom 2.4.2010 Az. 11 ZB 09.1282, vom 24.9.2009 Az. 11 C 08.1563, vom 28.7.2009 Az. 11 CS 09.1219, vom 16.2.2009 Az. 11 CS 09.20, vom 13.2.2009 Az. 11 CS 08.2664, vom 25.6.2008 Az. 11 ZB 08.1123, vom 23.6.2008 Az. 11 ZB 08.1011, vom 6.5.2008 Az. 11 CS 08.551, vom 27.3.2008 Az. 11 ZB 07.2654, vom 21.11.2007 Az. 11 CS 07.1435, vom 12.11.2007 Az. 11 CS 07.1181 zu VG Bayreuth vom 18.4.2007 Az. B 1 S 07.158, vom 5.10.2006 Az. 11 CS 06.836, vom 11.1.2006 Az. 11 CS 05.2391 und vom 13.1.2005 Az. 11 CS 04.2968; VGH Baden-Württemberg vom 10.12.2010 in Blutalkohol 48, 50; Sächsisches OVG vom 13.10.2009 in Blutalkohol 47, 48 und vom 24.7.2008 Az. 3 B 18/08, Ls. in VRR 2008, 403; OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.7.2009 in NZV 2009, 522 = DAR 2009, 598; OVG Berlin-Brandenburg vom 7.8.2008 Az. 1 S 100.08 und vom 6.6.2007 Az. 1 S 55.07). Irgendwelche Gesichtspunkte, welche die Gutachtensanforderung als fehlerhaft erscheinen lassen könnten (wie z.B. fehlende Mittel für die Gutachtenserstellung, unzureichende Fristbemessung, unpassende Fragestellung oder dergleichen) wurden seitens des Klägers nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

Soweit der Bevollmächtigte des Klägers mit der Klagebegründung sowie im Schriftsatz vom 24.11.2011 und in der mündlichen Verhandlung insbesondere geltend gemacht hat, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei der Entscheidung nach § 11 Abs. 8 FeV, auf das Fehlen der Fahreignung des Klägers zu schließen, eine Abwägung hätte treffen müssen, bei der auch die Umstände des Sachverhalts und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hätten berücksichtigt werden müssen, weil aus § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG abzuleiten sei, dass eine Fahrerlaubnis nur entzogen werden dürfe, wenn das Fehlen der Fahreignung erwiesen sei und die Fahrerlaubnisbehörde daher bei der Entscheidung über die Entziehung eine Abwägung vorzunehmen habe, kann dieser Meinung nicht gefolgt werden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers verkennt insoweit, dass es bei dem Schluss der Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung wegen Nichtvorlage eines berechtigt geforderten Fahreignungsgutachtens nach § 11 Abs. 8 FeV nicht um den Erlass eines Verwaltungsaktes geht, sondern um die Wertung des Verhaltens des Betroffenen. Die Formulierung „darf“ in § 11 Abs. 8 FeV lässt nicht die Folgerung zu, dass der Behörde im Rahmen der Frage, ob aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden kann, ein Ermessen zukomme. Vielmehr bringt die Formulierung zum Ausdruck, dass aus der Weigerung, sich einer Begutachtung zu unterziehen oder ihr Ergebnis der Behörde vorzulegen, nur dann hergeleitet werden darf, dass der Betroffene einen Eignungsmangel verbergen will, wenn die Begutachtung zu Recht angeordnet worden war. Die Behörde muss also vor dem Schluss auf die Nichteignung nur prüfen, ob die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 FeV vorliegen; ist dies der Fall, ist dem Betroffenen die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV kein Ermessen vorsehen (vgl. insbesondere BayVGH vom 22.7.2011 Az. 11 ZB 11.162, vom 15.11.2010 Az. 11 C 10.2329 und vom 28.10.2010 Az. 11 CS 10.1930; dazu, dass für den Schluss auf die Nichteignung – nur – die Berechtigung der Gutachtensanforderung maßgebend ist auch BVerwG vom 9.6.2005 in BayVBl 2006, 121 = NJW 2005, 3081).

Nach allem ist die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis richten sich nach § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht ist nicht möglich. Das Verwaltungsgericht lässt gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Danach ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Nachdem die hier maßgebliche Rechtsfrage zur Genüge entschieden ist, ist insofern die grundsätzliche Bedeutung der Sache zu verneinen. Auch eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 163 Abs. 2, 53 Abs. 2 und 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffern 46.4 und 46.8 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 17. Auflage 2011, RdNr. 14, Anh. 164). Die Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Sofortverfahren, dass der Streitwert im Sofortverfahren mit 7500,00 EUR festzusetzen sei, teilt das Gericht für das Hauptsacheverfahren nicht. Fahrerlaubnisse der Klassen C und C1 berechtigen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FeV ausdrücklich dazu, Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von „mehr als 3500 kg“ zu führen, während die Klasse B die Befugnis zum Führen von Kraftfahrzeugen mit einer zulässigen Gesamtmasse „von nicht mehr als 3500 kg“ verschafft. Die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen mit einer zulässigen Gesamtmasse von „mehr als 3500 kg“ schließt aus Sicht der Kammer naturgemäß auch die zum Führen von Kraftfahrzeugen mit einer geringeren zulässigen Gesamtmasse ein. Weiter ist in § 6 Abs. 3 Nr. 5 FeV ausdrücklich geregelt, dass Fahrerlaubnisse der Klasse CE u.a. zum Führen von Fahrzeugen der Klasse BE berechtigen. Daraus zieht das Gericht den Schluss – entgegen der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs -, dass bei der Bemessung des Streitwerts hier die Klasse B nicht zusätzlich zu berücksichtigen ist, weil in der dem Kläger entzogenen Fahrerlaubnis der Klasse CE die Berechtigung für die Klasse BE und damit auch B bereits enthalten ist.

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