LG Koblenz – Az.: 14 S 98/11 – Urteil vom 14.06.2012
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Cochem vom 20.05.2011 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Vorbescheid der Verbandsgemeindeverwaltung zu Recht und mit zutreffender Begründung aufgehoben.
Der Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch gemäß § 29 Abs. 1 BJagdG auf Ersatz des geltend gemachten Wildschadens.
Zwischen den Parteien ist mittlerweile unstreitig, dass auf den streitgegenständlichen Grundstücken nach der Schadensanmeldung am 21.03.2010 und dem Besichtigungstermin am 30.03.2010 weitere Schäden eingetreten sind, die der Beklagte nicht bei der zuständigen Behörde angemeldet hat. Auch der von der Kreisverwaltung bestellte amtliche Wildschadensschätzer, der Zeuge … hat in seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht bestätigt, dass es zwischen März und Juli 2010 einen Mehrschaden gegeben hat. Ein etwaiger Ersatzanspruch des Beklagten bezüglich dieser späteren, nicht angemeldeten Schäden ist nach § 34 Satz 1 BJagdG erloschen. Soweit der im Vorbescheid ermittelte Schaden auch Schäden umfasst, die der Beklagte am 21.03.2010 angemeldet hat, ist jedenfalls eine Bezifferung nicht möglich. Mangels jeglicher objektiver Anknüpfungspunkte hinsichtlich des Umfangs der etwaig rechtzeitig angemeldeten Wildschäden ist insoweit auch eine Schätzung nach § 287 ZPO unzulässig. Dies bedeutet indes für den Beklagten, dass er des Ersatzanspruchs in vollem Umfang verlustig geht (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 1106, 1108).
Nach § 34 Satz 1 BJagdG erlischt der Anspruch auf Ersatz von Wildschäden an landwirtschaftlich genutzten Flächen, wenn der Berechtigte den Schadensfall nicht binnen einer Woche, nachdem er von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei Beobachtung gehöriger Sorgfalt erhalten hätte, bei der zuständigen Behörde anmeldet. Die Wochenfrist ist eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist, bei deren Versäumen der Schadensfall zum Nachteil des Geschädigten abgeschlossen ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Frist trifft den Geschädigten (BGH, NJW-RR 2010, 1398, 1399). Schadensfall im Sinne des § 34 Satz 1 BJagdG ist der durch das Eindringen von Schadwild in die landwirtschaftlich genutzten Flächen konkret entstandene Schaden. Ein zeitlich späterer Schaden ist nicht Gegenstand der Anmeldung, zumal es diesbezüglich zunächst ebenfalls der zeitnahen und zuverlässigen Ermittlung ihres Verursachers bedarf. Deshalb sind neue Schäden grundsätzlich zusätzlich zu melden (BGH, NJW-RR 2011, 1106, 1107). Die erneute Schadensmeldung ist ferner auch deshalb sinnvoll, um den Ersatzpflichtigen rechtzeitig auf die Gefahr eines sich vergrößernden Schadens aufmerksam zu machen und ihm gegebenenfalls Gelegenheit zu entsprechenden Vorkehrungen gegen Wildschäden zu geben (BGH, a.a.O.). Der ihm hiernach gemäß § 34 Satz 1 BJagdG obliegenden Pflicht zur Nachmeldung der nach dem 21.03.2010 eingetretenen weiteren Schäden auf den betroffenen Flächen ist der Beklagte nicht nachgekommen.
Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite liegt auch keine Ausnahmesituation vor, in der eine Nachmeldung entbehrlich gewesen wäre. Der vorliegende Sachverhalt ist mit der Fallkonstellation, über die der Bundesgerichtshof in der vom Beklagten zitierten Entscheidung (Urteil vom 15.04.2010 – III ZR 216/09 -, NJW-RR 2010, 1398 ff.) zu befinden hatte, nicht vergleichbar. In jenem Fall hatte der Geschädigte am 23.08. Wildschäden auf seinen Maisfeldern angemeldet, woraufhin seitens der Behörde ein voraussichtlicher Besichtigungstermin für den Zeitraum 17.-23.09. angekündigt worden war; zwischenzeitlich hatte das Schadwild die betroffenen Flächen erneut aufgesucht und weitere Maispflanzen gefressen. Dies stellte – so der Bundesgerichtshof – eine innerhalb einer zeitlich absehbaren und begrenzten Phase zu erwartende Vertiefung des eingetretenen Schadens dar, denn Wildschweine gingen typischerweise nach der Milchwachsreife bis zur Erntezeit in regelmäßigen Abständen erneut in die ihnen bekannten Maisschläge zur Nahrungsaufnahme (BGH, a.a.O., 1400). Da in der gegebenen Situation eine Nachmeldung ersichtlich auch keine zeitlich frühere behördliche Feststellung des Schadensumfangs und seiner Ursachen bewirkt hätte, sei in diesem Einzelfall eine Nachmeldung nicht erforderlich gewesen (vgl. BGH, a.a.O.).
Eine vergleichbare Konstellation war hier schon deshalb nicht gegeben, weil zwischen der Schadensanmeldung im März und der Ernte im August mehrere Monate lagen. Hierbei handelte es sich – mögen auch die selben Flächen betroffen gewesen sein – jedenfalls um keinen zeitlich überschaubaren Zeitraum mehr, in dem lediglich mit einer Vertiefung und keinem erheblichen Mehrschaden mehr zu rechnen war. Dies gilt auch deshalb, weil es sich bei dem am 30.03.2010 besichtigten Schaden nach den Bekundungen aller Zeugen nur um einen solchen geringen Ausmaßes gehandelt hat. Dem jagdrechtlich Verantwortlichen kann in dieser Situation das von § 34 Satz 1 BJagd geschützte Interesse an einer zeitnahen Prüfung etwaig weiterer Schäden, die vorliegend tatsächlich in erheblichem Umfang eingetreten sind, bis zur Ernte nicht abgesprochen werden. Darüber hinaus konnte der Beklagte schon in Anbetracht des erheblichen Zeitfensters bis zur Ernte auch nicht davon ausgehen, dass die Behörde im Falle der Nachmeldung von Schäden keinen neuen Besichtigungstermin anberaumen würde. Der Bundesgerichtshof hat denn auch in der klägerseits zitierten nachfolgenden Entscheidung (Urteil vom 05.05.2011 – III ZR 91/10 -, NJW-RR 2011, 1106 ff.) klargestellt, dass eine Abweichung von dem Grundsatz, wonach bei sich wiederholenden Schadensfällen bzw. sich fortlaufend vertiefenden Schäden eine Nachmeldung nötig ist, angesichts der gesetzlichen Regelung in § 34 Satz 1 BJagdG nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht kommt. Für die Annahme eines solchen Ausnahmefalles reicht insbesondere der von dem Beklagten angeführte Umstand nicht aus, dass sich der Schaden auf keine andere Fläche verlagert hat (BGH, a.a.O., 1108).
Eine Nachmeldung war schließlich nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Beteiligten im Besichtigungstermin am 30.03.2010 geeinigt hatten, dass die Höhe des Schadens erst bei der Ernte festgestellt werden soll. Ungeachtet der Frage, ob die Parteien überhaupt wirksam auf das Meldeerfordernis nach § 34 Satz 1 BJagdG verzichten können, ist der vorgenannten Abrede ein solcher Erklärungsinhalt schon nicht zu entnehmen. Die in § 61 Abs. 2 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung zur Durchführung des Landesjagdgesetzes (LJGDVO) ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der späteren Schadensfestsetzung trägt dem Umstand Rechnung, dass der endgültige Schaden häufig erst im Zeitpunkt der Ernte zu ermitteln ist. So bestand vorliegend die Hoffnung, dass sich der besichtigte – eher geringe – Schaden bis zur Ernte noch auswachsen würde. Die Einigung der hinausgeschobenen Schadensermittlung bezog sich dabei jedoch allein auf den konkret besichtigten Schaden. Ein darüber hinausgehender Erklärungswert, dass die Nachmeldung etwaiger künftiger, zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht absehbarer Schäden nicht mehr erforderlich sein sollte, lässt sich ihr hingegen nicht – weder ausdrücklich noch konkludent – entnehmen. Einen solch weitgehenden Verzicht zu erklären, hatte insbesondere der Kläger keine Veranlassung. Die zeitlich enge Anmeldefrist von Wildschäden nach § 34 Satz 1 BJagdG trägt dem Umstand Rechnung, dass Feststellungen über die Ursache eines Schadens schnell getroffen werden müssen, weil sich in vielen Fällen nur unmittelbar nach seiner Entstehung beurteilen lässt, ob überhaupt ein Wildschaden vorliegt. Kommt es erst später zur Prüfung, ist es häufig unmöglich festzustellen, ob und inwieweit der Schaden nicht auf Witterungseinflüsse, Bestellungs- und Düngungsfehler, Schädlinge aus Fauna und Flora oder andere menschliche oder nicht unter § 29 Abs. 1 Satz 1 BJagdG fallende tierische Einwirkungen zurückzuführen ist (BGH; NJW-RR 2010, 1398; 2011, 1106, 1107). Dass sich der Kläger mit seinem Einverständnis, den Umfang des besichtigten – sich vielleicht sogar noch auswachsenden – Schadens erst im Erntezeitpunkt zu ermitteln, zugleich seiner mit dem Meldeerfordernis verbundenen Prüfungsmöglichkeiten hinsichtlich etwaiger weiterer Schäden an den betroffenen Flächen begeben wollte, konnte der Beklagte redlicherweise nicht annehmen. In Anbetracht der betroffenen Interessen des jagdrechtlich Verantwortlichen hätte es hierfür einer eindeutigen Erklärung des Klägers bedurft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.