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Wildschadensersatz gegenüber Jagdpächter und Jagdgesellschaft

AG Kenzingen, Az.: 1 C 74/17, Urteil vom 25.08.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht von den Beklagten als Gesamtschuldner Ersatz von Wildschaden.

Die Beklagten zu 3, eine Jagdgesellschaft bestehend aus den Beklagten zu 1 und 2, hat mit Jagdpachtvertrag vom 11.03.2010 von der Jagdgenossenschaft … einen auf der Gemarkung der Gemeinde … gelegenen gemeinschaftlichen Jagdbezirk angepachtet. Im Jagdpachtvertrag (§ 8 des Pachtvertrages) haben sich die Pächter entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, für den innerhalb des Jagdbezirks entstehenden Wildschaden Ersatz zu leisten. Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf den bei den Akten befindlichen Jagdpachtvertrag vom 11.03.2010 (AS 285 ff.) verwiesen.

Die Parteien streiten nunmehr über die Leistung von Schadensersatz für Wildschadensfälle, die sich im September 2016 im Maisanbaugebiet der Eigentümerin, …, durch Wildschweine ereignet haben. Die Eigentümerin, …, hat auf ihren auf der Gemarkung an der Gemeindegrenze zu … hin gelegenen Grundstücken, die eine Größe von etwa 29 ha aufweisen, Hybridmais zur Saatmaisproduktion angebaut, wobei diese Ackerflächen im verpachteten Jagdbezirk der Beklagten zu 3 liegen. Beim Anbau von Saatmais werden zwei Inzuchtlinien miteinander gekreuzt, wobei dieses Zuchtverfahren äußerst zeit- und kostenintensiv ist. Das hieraus gewonnene Hybrid-Mais-Saatgut weist jedoch einen erheblich höheren Ertrag auf, was sich daher im Marktpreis niederschlägt. Im Jahre 2016 war pro Hektar ein Marktpreis von etwa 4200,00 € zu erzielen, was einem Vielfachen des Preises für normalen Körner- und Silomais entspricht.

Wildschadensersatz gegenüber Jagdpächter und Jagdgesellschaft
Symbolfoto: nikoche/Bigstock
** Note: Slight graininess, best at smaller sizes

Am 01.09.2016 hat die Eigentümerin an ihren Maisfeldern einen Schaden durch Wildschweine entdeckt, den sie am 05.09.2017 bei der Gemeinde … zur Anzeige brachte. In der Folgezeit wurde der Wildschaden durch einen amtlich bestellten Wildschadenschätzer begutachtet, wobei der Sachverständige den Wildschaden an den Maisfeldern mit 4239,62 € eingeschätzt hat. Zur Abwehr eines möglichen Wildschadens hatte die Eigentümerin entlang der zum Wald hin gelegenen Seite der Maisfelder einen dreilitzigen Elektrozaun angebracht, während die übrigen Seiten der Maisfelder uneingezäunt blieben. Auf das Gutachten des Sachverständigen Diplom-Forstwirt … vom 22.09.2016 wird insoweit Bezug genommen (AS 19 ff.).

Die Klägerin, die den Landwirten das Ausgangssaatgut beschafft und die Ernte auch zu festen vertraglichen Bedingungen abnimmt, begehrt nunmehr Ersatz des Gesamtwildschadens i. H. v. 7058,39 € aus abgetretenem Recht der Grundstückseigentümerin, …. Auf die Abtretungserklärungen vom 09.05.2016 (AS 53) wird verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 11.07.2017 (AS. 147 ff.) hat die Klägerin der Jagdgenossenschaft … den Streit verkündet.

Die Klägerin ist der Auffassung, bei dem angebauten Hybridmais würde es sich nicht um ein „hochwertiges Handelsgewächs“ im Sinne von § 55 JWMG handeln. Eine Schutzvorrichtung in Form einer vollständigen Umzäunung der Maisfelder sei daher nicht erforderlich gewesen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 7058,39 € zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, mögliche Schadensersatzansprüche scheiden bereits deshalb aus, da es die Grundstückseigentümerin unterlassen habe, übliche Schutzvorrichtungen gegen Wildschäden zu errichten. Der nur entlang der Waldseite angebrachte Elektrozaun würde nicht den jagdrechtlichen Vorgaben für Schutzvorrichtungen zur Abwendung von Wildschäden entsprechen. Ferner habe die Grundstückseigentümerin nur ausschließlich einen Wildschaden für die Grundstücke Flurstück Nr. … bei der Gemeinde … geltend gemacht. Aufgrund der fehlenden Anmeldung eines Wildschadens an den übrigen Grundstücken würden Schadensersatzanspruch alleine deshalb bereits ausscheiden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst den diesen beigefügten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts ergibt sich aus § 23 Nr. 2 d GVG, wonach die Amtsgerichte für Rechtsstreitigkeiten wegen Wildschadens streitwertunabhängig zuständig sind.

Die Klägerin ist zwar grundsätzlich berechtigt, den hier streitgegenständlichen Wildschaden geltend zu machen. Ihre Aktivlegitimation besteht zumindest aufgrund stillschweigender Abtretung möglicher Ansprüche auf Ersatz von Wildschaden gemäß § 398 BGB. Die vorgelegten Erklärungen der Parteien vom 09.05.2016 lassen keine andere Deutung und Auslegung zu (§§ 133, 157 BGB), als dass die Klägerin in vollem Umfange in die Rechtsstellung der Grundstückseigentümerin wegen eines möglichen Wildschadensausgleichs einrücken sollte. Hierin ist ein wirksamer Abtretungsvertrag nach § 398 BGB zu sehen.

Die Beklagte zu 3 als pachtende Jagdgesellschaft bzw. die Beklagten zu 1 und 2 aufgrund ihrer akzessorischen Haftung als Gesellschafter analog § 128 HGB haften grundsätzlich gemäß § 53 Abs. 2 S. 2 JWMG i. V. m. des Jagdpachtvertrages vom 11.03.2010 auf Ersatz des Wildschadens. Die Ersatzpflicht für Wildschäden trifft zwar grundsätzlich die Jagdgenossenschaft. Diese hat jedoch vertraglich die Haftung teilweise auf die Jagdpächter mittels Jagdpachtvertrag vom 11.03.2010 übertragen und daher vermittelt § 53 Abs. 2 S. 2 JWMG der geschädigten Grundstückseigentümerin insoweit auch einen unmittelbaren Direktanspruch gegen die Beklagte zu 3 als Jagdpächterin bzw. gegen die Beklagten zu 1 und 2 als deren Gesellschafter (analog § 128 HGB).

Der Anspruch auf Ersatz des Wildschadens ist jedoch vorliegend aufgrund von § 55 Abs. 2 JWMG ausgeschlossen. § 55 Abs. 2 JWMG beinhaltet einen Ausschluss der Ersatzverpflichtung für Wildschaden, wenn der Eigentümer seiner Verpflichtung zur Herstellung von ausreichenden Schutzvorrichtungen nicht nachgekommen ist. Gemäß § 55 Abs. 2 JWMG wird derjenigen Wildschaden nicht ersetzt, der an „Freilandpflanzungen von hochwertigen Handelsgewächsen“ entsteht, wenn die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben ist, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens ausreichen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 JWMG sind vorliegend gegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der von der Grundstückseigentümerin angebaute Hybridmais als höherwertiges Handelsgewächs im Sinne von § 55 JWMG einzuordnen. Das hierfür regelmäßig geforderte Kriterium, nämlich dass die Markterlöse für derartige Produkte weit über dem üblichen Rahmen herkömmlicher landwirtschaftlicher Produkte liegen, ist vorliegend gegeben. Das aus dem Anbau gewonnene Hybrid-Mais-Saatgut weist einen erheblich höheren Ertrag aus und ist daher auch um ein Vielfaches teurer wie normaler Körner- oder Silomais.

Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 2 JWMG. Der Gesetzgeber ist insoweit davon ausgegangen, dass bestimmte Gewächse einer erhöhten Wildschadensgefahr ausgesetzt sind und daher gerade bei wertvollen Gewächsen der grundsätzlich ersatzpflichtige Jagdausübungsberechtigte ein erhöhtes Risiko treffen würde, gerade angesichts der verschuldensunabhängigen Kausalitätshaftung für Wildschaden. Deshalb will § 55 Abs. 2 JWMG den ersatzpflichtigen Jagdausübungsberechtigten vor dem für ihn nicht überschaubaren Risiko schützen, für Schäden haften zu müssen, welche dadurch entstehen, dass der Eigentümer besonders gefährdete Gewächse schutzlos dem Wild preisgibt. Der Gesetzgeber hat daher bei diesen Freilandpflanzungen von hochwertigen Handelsgewächsen bewusst den Wildschadensersatzanspruch von dem Vorhandensein besonderer Schutzvorrichtung abhängig gemacht, da nach allgemeinen Rechtsgrundsatz grundsätzlich ein Eigentümer für den Schutz seines Eigentums selbst erforderliche Vorrichtungen zu treffen und zu sorgen hat. Dies ist auch der Überlegung geschuldet, dass die Schutzfunktion des Jagdrechtes auch bei ordnungsgemäßer Ausübung Wildschäden nie ganz ausschließen kann.

Diese Auffassung setzt sich auch nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des BGH (Urteil vom 22.07.2004, III ZR 359/03). Im Gegenteil, der BGH hat in der vorgenannten Entscheidung bestätigt, dass hochwertige Pflanzen, die nicht für den direkten Endverbraucher bestimmt sind, hochwertige Handelsgewächse darstellen. Dies trifft gerade für den Hybridmais zu, der in einem aufwändigen Prozess zu Saatgut hergestellt wird und für den direkten Endverbraucher nicht geeignet ist, jedoch den Rohstoff abgibt für wertvolle Waren, die durch Be- oder Verarbeitung handelsfähig sind. Im Gegensatz hierzu hat der BGH in seiner Entscheidung ausgeführt, dass Spargel – trotz seines hohen Preises – nicht als hochwertiges Handelsgewerbe anzusehen sei, denn er wird gerade nicht zur wertvollen Handelswaren verarbeitet, sondern er ist nur zum direkten Verbrauch bestimmt.

Es hätte daher der Grundstückseigentümerin oblegen, die üblichen Schutzvorrichtungen gegen Wildschaden zu errichten. Was als übliche Schutzvorrichtung im Sinne des § 55 Abs. 2 S. 2 JWMG anzusehen ist, ergibt sich aus § 11 DVO JWMG. Als übliche Schutzvorrichtung zum Schutze gegen Schwarzwild werden Elektrozäune zwar als ausreichend angesehen, dies allerdings nur dann, wenn sie den wilddichten Zäunen in deren Wirksamkeit gleichstehen. Die Begrifflichkeit „wilddicht“ ist dahin zu verstehen, dass eine voll umfassende Einzäunung der Anbaufläche vorliegen muss, um ein Betreten durch Schwarzwild auszuschließen. Dies war vorliegend unstreitig nicht der Fall, da lediglich die Waldkante des betroffenen Anbaugebietes eingezäunt war, während die übrigen Seiten der Anbauflächen offen standen. Damit ist nicht von einer „Wilddichtigkeit“ – wie in § 11 DVO JWMG gefordert – auszugehen.

Ein Anspruch auf Wildschadensersatz scheidet bereits aus diesem Grunde aus und die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 und 709 S. 2 ZPO.

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