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Wildschäden: Darlegungs- und Beweislast für die Schadensverursachung durch Wildscheine

LG Baden-Baden, Az.: 4 S 14/15, Urteil vom 05.02.2016

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichtes Baden-Baden vom 24.04.2015 – 1 C 199/13 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darüber, ob der fast vollständige Verlust der Beeren in einem Weinberg der Klägerin durch Wildschweine verursacht wurde und der Beklagte als Jagdpächter der Klägerin den durch den Verlust der Beeren entstandenen finanziellen Schaden zu ersetzen hat.

Die Riesling-Ertragslage auf Flurstück xxx war im Oktober 2012 nach einer Vorlese, bei der angefaulte und unerwünschte Beeren aus der Anlage geschnitten worden waren, zum Schutz vor Vogelfraß engmaschig eingenetzt worden. Durch Einklammern des Netzbodens im Abstand von 15 cm sollte das Netz zusätzlich das Herunterfallen der Beeren auf den Boden verhindern.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, der Sachverständige xxx habe bei dem Besichtigungstermin am 11.01.2013 festgestellt, dass die Trauben im Netz wie auch an den Rebstöcken von Wildschweinen restlos gefressen worden seien. Dicht auftretende Trittspuren und Losungen seien direkt unter den Rebzeilen gefunden worden. Bei dem Referenzgrundstück xxx hätten 70 % der Beeren am eingeklammerten Netzboden gelegen. Das Flurstück xxx habe 52 Zeilen mit einer jeweiligen Länge von 100 m und je 100 Rebstöcken. Die Gesamtfläche betrage 0,11 ha. Der Zielertrag seien je nach Sorte 7.000 ltr./ha und 10.000 ltr./ha. Es seien 500 kg Trauben gewesen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.417,84 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab 15.06.2013 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vorprozessual entstandene Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 302,10 EUR zu erstatten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, bei einem ersten Besichtigungstermin am 26.12.2012 habe sich gezeigt, dass die Netze lediglich an zwei bis drei Stellen aufgerissen gewesen seien. Es habe sich dort lediglich eine einzelne, bereits total verwaschene und über 14 Tage alte Fährte eines Wildschweines befunden. Frische Fährten seien nicht ersichtlich gewesen. Die Netze seien leer geräumt gewesen. Es hätte sich darin noch maximal 10 kg verfaultes Traubengut befunden. Am Boden hätten sich keinerlei Trauben, Traubenkämme oder -stiele befunden. Traubenkämme und -stiele seien aber noch an den Rebstöcken gewesen. Das verfaulte Traubengut habe sich nicht für die Herstellung einer Beerenauslese geeignet. Auf dem Referenzgrundstück habe sich nur ca. 30 kg Traubenmasse befunden, die ebenfalls eine starke Fäulnis und erheblichen Laubanteil gehabt habe.

Wildschäden: Darlegungs- und Beweislast für die Schadensverursachung durch Wildscheine
Symbolfoto: Grisha Bruev/Bigstock

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat unter anderem ausgeführt, es habe sich nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht die erforderliche Gewissheit darüber verschaffen können, dass es sich um einen Wildschaden im Sinne der Vorschriften des BJagdG, LJagdG B-W und LJagdGDVO handele. Nach den Angaben des Sachverständigen xxx, dem sich das Gericht anschließe, sei es im Hinblick auf die Nahrungsaufnahme von Wildschweinen ausgeschlossen, dass der Traubenverlust von 385 kg vom 18.12.2012 auf den 19.12.2012 entstanden sei. Zweifel bestünden auch im Hinblick darauf, dass die zum Schutz der Beeren angebrachten Netze nur an einzelnen Stellen geöffnet gewesen seien. Der Auffassung, dass Wildschweine lediglich an den Netzen gerüttelt, hierdurch die Beeren abgefallen, in den Netzen aufgrund der Abschüssigkeit des Geländes nach unten gerollt und aus diesen gefallen seien, könne sich das Gericht nicht anschließen. Soweit die Klägerin nunmehr vortrage, der Schaden sei über einen längeren Zeitraum und nicht nur vom 18.12.2012 auf den 19.12.2012 eingetreten, werde von der Klägerin lediglich aufgrund der im Weinberg vorhandenen Trittspuren und Losungen darauf geschlossen, dass Wildschweine den Schaden verursacht hätten. Dies sei jedoch nicht zwingend. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass Wildschweine Beeren gefressen hätten, jedoch sei ausgeschlossen, dass der behauptete Schaden alleine durch Wildschweine verursacht worden sei. Ein bestimmter Umfang lasse sich nicht sicher feststellen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens und der Feststellungen des Amtsgerichts wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz Nr. 1 ZPO.

Die Klägerin trägt in der Berufung vor, es könne durchaus sein, dass sich bereits einige Nächte vor dem 18.12.2012 Wildschweine an den Beeren gütlich getan hätten. Auch könne es sein, dass Wildschweine mehrmals nachts gekommen seien. Die Klägerin meint, der Sachverständige xxx habe keine Ahnung davon gehabt, welche Mengen Wildschweine fressen können und sei nicht objektiv gewesen. Zudem habe der Sachverständige nur mitgeteilt, es sei ausgeschlossen, dass der Schaden nur durch Wildschweine verursacht worden sei. Zu berücksichtigen sei zudem, dass Wildschweine die Beeren lutschten und nicht zwangsläufig die Netze beschädigten. Auch sei auf den vorgelegten Fotos ersichtlich, dass Klammern vom Schwarzwild abgerissen worden seien.

Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, es seien andere Schadensursachen möglich. Es fehle auch nur an einigen Stellen die Verklammerung an den Netzen.

Für das weitere Berufungsvorbringen wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2016 verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Sie war deshalb in vollem Umfange zurückzuweisen.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 29 ff. BJagdG, 31, 32 LJagdG B-W, 17 ff. LJagdGDVO in Verbindung mit § 8 des Jagdpachtvertrages zu. Die Kammer schließt sich dem Ergebnis des amtsgerichtlichen Urteils an.

Die Klägerin hat bereits nicht den von ihr behaupteten Schadensumfang in ausreichendem Maße dargelegt und keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Ursächlichkeit des Verhaltens von Wildschweinen zum Schadensumfang ermöglichten.

Die Klägerin trägt vor, bei dem Besichtigungstermin am 11.01.2013 seien dicht auftretende Trittspuren und Losungen direkt unter den Rebzeilen gefunden worden. Der Beklagte hatte allerdings vorgetragen, bei einem ersten Besichtigungstermin am 26.12.2012 seien frische Fährten nicht ersichtlich gewesen. Es habe sich dort lediglich eine einzelne, bereits total verwaschene und über 14 Tage alte Fährte eines Wildschweines befunden. Ein konkreter Vortrag der Klägerin zu dem unmittelbar nach dem Schadensereignis vorgefundenen Zustand des Grundstückes und des Erntegutes sowie aller Spuren liegt nicht vor. Die Anzahl und der Umfang frischer Fährten, Losungen, zertretener Beeren oder sonstiger Wildschweinspuren wird nicht mitgeteilt. Die Klägerin hat lediglich Fotos vorgelegt, aus denen sich jedoch der Umfang und insbesondere die Anzahl von Trittspuren nicht ergibt. Die Aufnahmen sind größtenteils doppelt.

Auch zu dem konkreten Vortrag des Beklagten, bei einem ersten Besichtigungstermin am 26.12.2012 habe sich gezeigt, dass die Netze lediglich an zwei bis drei Stellen aufgerissen gewesen seien, hat die Klägerin konkretes nicht mitgeteilt. Es wäre aber erforderlich gewesen, dass die Klägerin zu den nach ihren eigenen Angaben auf dem Flurstück xxx befindlichen 52 Zeilen mit einer jeweiligen Länge von 100 m und je 100 Rebstöcken konkret mitteilt, wo und in welchem Umfange oder Ausmaß sich welche Spuren, Beschädigungen oder Reste von Trauben oder Beeren befanden.

Zwischen den Parteien unstreitig, war durch Einklammern des Netzbodens im Abstand von 15 cm zusätzlich das Herunterfallen der Beeren auf den Boden verhindert worden. Wenn man der Klägerin folgt und annimmt, dass 500 kg Trauben fehlten, so müsste es eine Vielzahl von Spuren und Beschädigungen gegeben haben, und zwar in jeder Reihe. Im Übrigen kann nur davon ausgegangen werden, dass diese Traubenmenge gar nicht vorhanden war.

Auch hat die Klägerin den Zustand des Grundstückes vor dem Schadensereignis nicht ausreichend dargelegt. Dabei kann dahinstehen, dass sie letztlich nicht einmal vorgetragen hat, zu welchem letzten Zeitpunkt, man ein unversehrtes Grundstück vorgefunden hatte. Auch hat sie den konkreten Zustand der Trauben und Beeren nicht beschrieben. Wieviele Trauben hingen in etwa an jedem Rebstock? Waren die Beeren überwiegend bereits in den Netzboden hinunter gefallen? Wie war der Zustand der Beeren?

Schließlich hatte der Beklagte vorgetragen, es hätten sich nach dem Schadensereignis darin noch maximal 10 kg verfaultes Traubengut befunden. Das verfaulte Traubengut habe sich nicht für die Herstellung einer Beerenauslese geeignet.

Auch zu dem Referenzgrundstück teilte die Klägerin nur mit, es hätten 70 % der Beeren am eingeklammerten Netzboden gelegen. Nicht mitgeteilt wird die Größe, der Umfang der eingenetzten Reihen und die konkrete Vergleichbarkeit mit dem streitgegenständlichen Grundstück.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Klägerin, hätte sie gewusst, dass von Beklagtenseite der Gutachter xxx wie auch eine Haftung für einen Schwarzwildschaden abgelehnt würde, eine konkrete zeitnahe Bestandsaufnahme gemacht und ihr dadurch konkreter Vortrag möglich gewesen wäre. Dieser Umstand kann jedoch im Verfahren nicht berücksichtigt werden.

Auch eine Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO war nicht möglich. Zwar kann das Gericht, wenn unter den Parteien streitig ist, ob oder in welchem Umfange ein Schaden entstanden ist, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheiden. Bei besonderen Schwierigkeiten des Schadensnachweises ist ein Mindestumfang zu schätzen. Bei der freien Schätzung wird sogar in Kauf genommen, dass die richterliche Schätzung mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (BGH, Urteil vom 16.12.1963 – III ZR 47/63 – zitiert nach juris Rn 19). Die Schätzung darf allerdings nicht völlig aus der Luft gegriffen sein. Denn wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen ist und das richterliche Ermessen vollends in der Luft hängen würde, wenn also eine Schätzung nicht möglich ist, bleibt es bei der Regel, dass den Kläger die Beweislast für die klagebegründenden Tatsachen trifft und deren Nichterweislichkeit ihm schadet (BGH, a.a.O. Rn 19).

Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Darlegung ausreichender Tatsachen für einen Mindestschaden, da nicht feststeht, dass ein durch Wildschweine verursachter Schaden in einem der Höhe nach zwar nicht bestimmbaren, aber jedenfalls erheblichen Ausmaße entstanden ist. Es fehlt daher bereits eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung eines gewissen (Mindest-)Schadens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, §§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO.

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