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Wildunfall – Zusammenstoß mit Wildschwein

Landgericht Stuttgart

Az.: 5 S 244/06

Urteil vom 07.02.2007


1.) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 13.07.2006 – 8 C 651/06 – wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.) Die Revision wird zugelassen.

Berufungsstreitwert: 970,35 EUR

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Einstandspflicht der Beklagten aus einem Teilkaskoversicherungsvertrag nach einem Zusammenstoß mit einem Wildschwein.

Der Kläger befuhr mit seinem Pkw Ford Focus mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … am 21.05.2005 die Autobahn A3 im Bereich der Gemarkung Elz in Richtung Köln. Gegen 02:30 Uhr bei Kilometer 103 lag auf der Fahrbahn ein Wildschwein, das sich nicht mehr bewegte. Auf Grund des Fahrverhaltens des Klägers – streitig ist, ob es zu einer Kollision kam – löste der seitliche Fahrerairbag aus, der wie das Airbagmodul erneuert werden musste, wofür 970,35 EUR anfielen.

Der Kläger behauptet, er habe eine Kollision mit dem Wildschwein nicht verhindern können, ebenso wenig wie die Fahrzeuge hinter ihm. Auf Grund der Kollision mit dem Wildschwein habe der Airbag ausgelöst.

Der Vorfall sei von § 12 AKB erfasst, so dass die Beklagte einstandspflichtig sei. Denn nach dessen Wortlaut komme es nicht darauf an, dass sich das Tier noch bewege oder noch lebendig sein müsse.

Die Beklagte bestreitet, dass es zu einer Kollision mit dem Wildschwein kam. Da sich das Wildschwein nicht bewegt und schon länger dort gelegen habe, sei es wie jedes andere Hindernis zu bewerten, die spezifische Tiergefahr habe sich nicht verwirklicht und eine Einstandspflicht der Beklagten gemäß § 12 AKB scheide aus.

Das Amtsgericht hat den klägerischen Anspruch bejaht. Nach Zeugenvernehmung sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens hat es festgestellt, dass der Airbag durch das Überfahren des am Boden liegenden Wildschweins ausgelöst wurde. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 I d AKB setze nicht voraus, dass das Tier sich bewegen müsse. Es könne keinen Unterschied machen, ob das Tier auf Grund Erschreckens oder vorausgegangener Tötung bewegungslos sei, in beiden Fällen verwirkliche sich die Tiergefahr.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag,

das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und die Klage zurückzuweisen, sowie die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Weder beruht das angegriffene Urteil auf einem Rechtsfehler noch rechtfertigen gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legende Feststellungen eine andere Entscheidung.

Das Amtsgericht hat zu Recht die Einstandspflicht der Beklagten gemäß § 12 Abs. 1 I d AKB bejaht.

Legt man den Wortlaut dieser Vorschrift („durch einen Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs mit Haarwild im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesjagdgesetztes“) zu Grunde, so ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass nur der Zusammenstoß mit einem in Bewegung befindlichen Wild, dass sich aus eigener Kraft auf der Fahrbahn bewegt und dass dadurch für einen Überraschungsmoment sorgt, erfasst sein soll. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind gemäß den §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der sie aufmerksam liest und verständig würdigt, verstehen muss (BGHZ 123, 83, 85; Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage, Vorbem. III, Rdnr. 2 m.w.N.). Für solch einen Versicherungsnehmer ist die von der Beklagten vertretene Einschränkung der Auslegung des § 12 Abs. 1 I d AKB nicht erkennbar, so dass bereits aus diesem Grund die von der Beklagten vorgenommene Auslegung nicht zutreffend sein kann.

Hinzu kommt, dass sich auch bei einem bereits überfahrenen, bewegungslos auf der Fahrbahn liegenden Tier die Tiergefahr verwirklicht hat. Die spezifische Tiergefahr besteht grade darin, dass Tiere unkontrolliert in eine Fahrbahn hineinrennen und den Verkehr behindern – diese Gefahr hat sich auch dann verwirklicht, wenn in der Folge davon das Wild bereits überfahren wurde und leblos auf der Fahrbahn liegt.

Das OLG Nürnberg (NJW-RR 1994, 538) weist zutreffend darauf hin, dass das plötzliche Auftauchen eines sich aus eigener Kraft bewegenden Tieres nicht als die versicherte Tiergefahr angesehen werden kann, da in diesem Fall ein auf der Fahrbahn reglos stehendes, da geblendetes Tier oder ein krankes, sich auf der Fahrbahn dahinschleppendes Wild nicht erfasst wäre und diese Meinung wiederum niemand vertrete.

Die hier vorgenommene Auslegung wird sowohl in der Kommentierung bei Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage, § 12 AKB Rdnr. 44 sowie bei Stiefel/Hofmann, AKB, 17. Auflage, § 12 AKB Rdnr. 61 als auch vom OLG Nürnberg in der oben zitierten Entscheidung vertreten. Abweichend davon meint das OLG München (VersR 1986, 863) dass das Liegen von Wild auf der Fahrbahn nicht zur typischen Wildgefahr gehört.

Da das amtsgerichtliche Urteil zutreffend ergangen ist, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Da zu der Frage der Auslegung des § 12 Abs. 1 I d AKB zwei unterschiedliche OLG-Entscheidungen vorliegen und die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, war die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen.

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