Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Rente ist sicher? Was passiert, wenn der Ex-Partner seine Pensionsansprüche verliert?
- Ein jahrelanger Streit um die Altersvorsorge einer geschiedenen Frau
- Zwei Gerichte, zwei völlig unterschiedliche Entscheidungen
- Der Gang vor das höchste bayerische Gericht: Eine Frage der Willkür
- Warum die Beschwerde scheitern musste: Die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit
- Die Hürde der „Willkürrüge“: Mehr als nur Unzufriedenheit
- Ein nachvollziehbares Urteil ist nicht willkürlich
- Kein Urteil über die Gerechtigkeit des Gesetzes
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet der juristische Vorwurf der Willkür bei einem Gerichtsverfahren?
- Wann kann ein rechtskräftiger Versorgungsausgleich nachträglich geändert werden?
- Was ist der Unterschied zwischen einer Entscheidung eines Fachgerichts und einer Verfassungsbeschwerde?
- Welche Fristen sind für die Einreichung einer Verfassungsbeschwerde entscheidend und welche Folgen hat deren Missachtung?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: Vf. 70-VI-23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Verfassungsgerichtshof München
- Datum: 24. September 2024
- Aktenzeichen: Vf. 70-VI-23
- Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
- Rechtsbereiche: Familienrecht, Sozialrecht (Versorgungsausgleich), Verfassungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine geschiedene Ehefrau, deren ursprünglich im Rahmen des Versorgungsausgleichs zugesprochene Rentenanwartschaften nach einer Änderung der Versorgung ihres Ex-Mannes erheblich reduziert wurden. Sie legte Verfassungsbeschwerde gegen diese Abänderungsentscheidung ein.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Nach der Scheidung und dem Versorgungsausgleich im Jahr 2011 verlor der Ehemann der Beschwerdeführerin seinen Beamtenstatus und wurde in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Dies führte dazu, dass die ursprünglich der Beschwerdeführerin zustehenden Rentenanwartschaften drastisch gekürzt wurden. Die Deutsche Rentenversicherung beantragte daraufhin die Abänderung des Versorgungsausgleichs.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerde einer geschiedenen Ehefrau gegen eine familiengerichtliche Entscheidung. Diese hatte ihren ursprünglichen Anspruch aus dem Versorgungsausgleich erheblich reduziert, nachdem sich die Versorgung ihres früheren Ehemannes geändert hatte. Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung ihrer Grundrechte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Verfassungsbeschwerde wurde abgewiesen. Der Beschwerdeführerin wurde eine Gebühr von 750 € auferlegt.
- Begründung: Der Verfassungsgerichtshof erklärte die Beschwerde für unzulässig, da die Beschwerdeführerin die erforderliche Rüge der Willkür nicht ausreichend und fristgerecht begründet hatte. Eine Überprüfung der angegriffenen Gerichtsentscheidung am Maßstab der Bayerischen Verfassung war ohne eine zulässige Willkürrüge nicht möglich, da die Entscheidung auf Bundesrecht basierte. Der Verfassungsgerichtshof ist zudem nicht befugt, Bundesrecht zu überprüfen.
- Folgen: Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München, die zur erheblichen Reduzierung der Rentenanwartschaften der Beschwerdeführerin führt, bleibt bestehen. Die Beschwerdeführerin muss die vom Verfassungsgerichtshof auferlegte Gebühr zahlen.
Der Fall vor Gericht
Die Rente ist sicher? Was passiert, wenn der Ex-Partner seine Pensionsansprüche verliert?
Viele Menschen verlassen sich nach einer Scheidung auf den sogenannten Versorgungsausgleich. Was ist das? Stellen Sie sich die während einer Ehe erworbenen Rentenansprüche beider Partner wie ein gemeinsames Sparkonto für den Ruhestand vor. Bei einer Scheidung wird dieses Konto fair aufgeteilt, damit derjenige, der vielleicht weniger für die eigene Rente tun konnte – oft wegen Kindererziehung oder der Unterstützung der Karriere des Partners –, nicht im Alter benachteiligt ist. Doch was passiert, wenn ein Teil dieses sicher geglaubten Anteils Jahre nach der Scheidung plötzlich dramatisch schrumpft, weil der Ex-Partner seinen Job und damit seine ursprünglichen Pensionsansprüche verliert? Genau mit dieser existenziellen Frage musste sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof befassen.
Ein jahrelanger Streit um die Altersvorsorge einer geschiedenen Frau
Im Mittelpunkt des Falles stand Frau W., die fast 30 Jahre lang verheiratet war. Als ihre Ehe im Jahr 2011 geschieden wurde, regelte das zuständige Familiengericht auch den Versorgungsausgleich. Das ist das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren, bei dem alle während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf eine Alters- oder Invaliditätsversorgung zwischen den geschiedenen Eheleuten geteilt werden. Das Gericht rechnete damals genau aus, was Frau W. und ihr Ex-Mann, Herr M., jeweils an Rentenpunkten und Ansprüchen angesammelt hatten, und teilte diese hälftig. Frau W. erhielt unter anderem einen erheblichen Teil der zukünftigen Pension ihres Mannes, der damals Beamter war. Diese Regelung wurde rechtskräftig, also endgültig und für alle Beteiligten bindend. Frau W. konnte fest mit diesem Geld für ihren Ruhestand planen.

Einige Jahre später kam es jedoch zu einer unerwarteten Wendung. Herr M. wurde wegen einer Straftat verurteilt und verlor dadurch seinen Status als Beamter und seine damit verbundenen, sehr sicheren Pensionsansprüche. Was bedeutete das konkret? Seine bisherigen Anwartschaften auf eine Pension wurden in das allgemeine gesetzliche Rentensystem überführt. Dieser Vorgang wird als „Nachversicherung“ bezeichnet. Das Problem dabei: Die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung fielen deutlich geringer aus als die ursprünglichen Pensionsansprüche eines Beamten.
Für Frau W. hatte dies katastrophale Folgen. Der Wert des Anteils, den sie aus der Versorgung ihres Ex-Mannes erhalten sollte, schmolz dahin. Anstatt eines ursprünglich berechneten Betrags von rund 1.834 Euro aus diesem Teil ihrer Altersvorsorge, standen ihr plötzlich nur noch etwa 406 Euro zu. Daraufhin beantragte die Deutsche Rentenversicherung (im Folgenden die Rentenversicherung), die die Renten verwaltet, eine offizielle Abänderung des ursprünglichen Scheidungsurteils, um diese neuen, niedrigeren Werte festzuschreiben.
Zwei Gerichte, zwei völlig unterschiedliche Entscheidungen
Der Fall landete erneut vor Gericht. Zunächst entschied das Amtsgericht Starnberg und wies den Antrag der Rentenversicherung zurück. Die Richter dort sahen die massive Kürzung als „grob unbillig“ an. Das ist ein juristischer Begriff, der eine extreme, nicht hinnehmbare Härte beschreibt. Das Gericht argumentierte, dass Frau W. durch die Kürzung in finanzielle Not geraten würde. Sie hatte während der Ehe auf ihre eigene Karriere verzichtet und durfte darauf vertrauen, dass ihre im Scheidungsurteil festgelegte Altersvorsorge sicher war. Die Richter wollten sie nicht für ein Verhalten ihres Ex-Mannes bestrafen, das Jahre nach der Scheidung stattfand.
Doch die Rentenversicherung legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Nun musste die nächste Instanz, das Oberlandesgericht München, den Fall prüfen. Und dieses Gericht kam zu einem komplett entgegengesetzten Ergebnis. Es hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und stimmte der Abänderung zu. Aber warum? Die Richter des Oberlandesgerichts argumentierten rein juristisch und formal. Sie stellten fest, dass das Gesetz eine Abänderung des Versorgungsausgleichs ausdrücklich vorsieht, wenn sich der Wert eines Rentenanspruchs nachträglich wesentlich ändert – und das war hier der Fall.
Die Regelung zur „groben Unbilligkeit“, auf die sich das erste Gericht berufen hatte, könne zwar in bestimmten Einzelfällen verhindern, dass ein einzelner Rentenanspruch ausgeglichen wird. Sie könne aber nicht das gesamte, gesetzlich vorgesehene Abänderungsverfahren blockieren, wenn die Voraussetzungen dafür einmal erfüllt sind. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts folgte also streng dem Wortlaut des Gesetzes, auch wenn das Ergebnis für Frau W. eine erhebliche finanzielle Belastung bedeutete.
Der Gang vor das höchste bayerische Gericht: Eine Frage der Willkür
Für Frau W. war die Entscheidung des Oberlandesgerichts ein Schock. Sie sah ihre Existenzgrundlage im Alter bedroht und fühlte sich für das Fehlverhalten ihres Ex-Mannes bestraft. Als letzte Möglichkeit reichte sie eine Verfassungsbeschwerde beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein. Das ist ein Rechtsmittel, mit dem Bürgerinnen und Bürger geltend machen können, dass eine gerichtliche Entscheidung ihre in der Bayerischen Verfassung verankerten Grundrechte verletzt.
Frau W. argumentierte, die Entscheidung verletze ihr Eigentumsrecht und das Gebot der Gleichberechtigung. Sie sei eine „Sippenhaft“ für die Taten ihres Ex-Mannes. Die Kürzung treffe sie völlig unvorhersehbar und würdige ihre Lebensleistung herab. In späteren Schreiben an das Gericht warf sie der Entscheidung des Oberlandesgerichts vor, „eindeutig unangemessen und unhaltbar“ und damit willkürlich zu sein. Damit stand eine zentrale Frage im Raum: War die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht nur hart, sondern objektiv so falsch, dass sie als willkürlich bezeichnet werden musste?
Warum die Beschwerde scheitern musste: Die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit
Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde von Frau W. jedoch ab. Um das zu verstehen, muss man die Rolle dieses Gerichts kennen. Der Verfassungsgerichtshof ist keine Super-Revisionsinstanz. Das bedeutet, er prüft nicht noch einmal, ob ein anderes Gericht ein einfaches Gesetz, wie hier das Familienrecht, in jeder Hinsicht „richtig“ angewendet hat. Seine Aufgabe ist es ausschließlich zu kontrollieren, ob durch eine Entscheidung die Bayerische Verfassung verletzt wurde.
In Fällen wie diesem, in denen es um die Anwendung von Bundesgesetzen geht (also Gesetze, die für ganz Deutschland gelten), sind die Prüfungsmaßstäbe besonders streng. Hier kann der Verfassungsgerichtshof nur einschreiten, wenn die Entscheidung eines Fachgerichts willkürlich war. Aber was bedeutet „willkürlich“? Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn man ein Urteil für falsch oder ungerecht hält. Eine Entscheidung ist nur dann willkürlich, wenn sie unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist, also offensichtlich sachfremd, unhaltbar und schlechterdings nicht nachvollziehbar. Man könnte es mit einem Fußballschiedsrichter vergleichen: Ein Fehlpfiff ist noch keine Willkür. Willkürlich wäre es, wenn der Schiedsrichter absichtlich für eine Mannschaft pfeift oder die Regeln des Spiels komplett ignoriert.
Die Hürde der „Willkürrüge“: Mehr als nur Unzufriedenheit
Genau an dieser hohen Hürde scheiterte die Beschwerde von Frau W. Das Gericht stellte fest, dass sie in ihrer fristgerecht eingereichten Beschwerde nicht ausreichend dargelegt hatte, warum die Entscheidung des Oberlandesgerichts willkürlich sein sollte. Eine sogenannte „Willkürrüge“ erfordert mehr, als nur die eigene Betroffenheit und die empfundene Ungerechtigkeit des Ergebnisses zu schildern. Man muss konkret aufzeigen, warum die juristische Argumentation des Gerichts völlig unhaltbar ist oder auf sachfremden Überlegungen beruht.
Frau W. hatte sich vor allem auf die schlimmen finanziellen Folgen und die mangelnde Wertschätzung ihrer Lebensleistung konzentriert. Das ist menschlich absolut verständlich, reicht aber für eine erfolgreiche Willkürrüge nicht aus. Ihre späteren Briefe, in denen sie den Vorwurf der Willkür ausdrücklich erhob, kamen zu spät. Die strenge Zweimonatsfrist für eine Verfassungsbeschwerde war bereits abgelaufen, und fehlende Argumente können nicht einfach nachgereicht werden.
Ein nachvollziehbares Urteil ist nicht willkürlich
Der Verfassungsgerichtshof erklärte, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts alles andere als willkürlich war. Im Gegenteil: Die Richter dort hatten ihre Entscheidung ausführlich und sorgfältig begründet. Sie hatten sich intensiv mit den einschlägigen Bundesgesetzen auseinandergesetzt und ihre Auslegung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des höchsten deutschen Zivilgerichts, sowie auf anerkannte juristische Kommentare gestützt.
Die Entscheidung war also juristisch fundiert und nachvollziehbar, auch wenn das Ergebnis für Frau W. hart ist. Ein Gericht handelt aber nicht willkürlich, wenn es einer vertretbaren juristischen Linie folgt.
Kein Urteil über die Gerechtigkeit des Gesetzes
Da der Vorwurf der Willkür nicht erfolgreich war, prüfte der Verfassungsgerichtshof die anderen von Frau W. genannten Grundrechte, wie das Eigentum oder die Gleichberechtigung, gar nicht mehr. Die Prüfung dieser Rechte wäre nur möglich gewesen, wenn die Entscheidung als willkürlich eingestuft worden wäre.
Soweit Frau W. die Bundesgesetze selbst als ungerecht kritisierte, konnte ihr der Bayerische Verfassungsgerichtshof ebenfalls nicht helfen. Ein Landesverfassungsgericht hat nicht die Kompetenz, Bundesgesetze zu überprüfen oder für verfassungswidrig zu erklären. Bundesrecht steht im Rang über dem Landesrecht. Die Beschwerde wurde daher als unzulässig abgewiesen und Frau W. musste eine Gerichtsgebühr von 750 Euro tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass einmal getroffene Regelungen zum Versorgungsausgleich bei Scheidungen nicht in Stein gemeißelt sind – verliert der Ex-Partner durch eigenes Fehlverhalten seinen Beamtenstatus und damit seine Pensionsansprüche, können sich die zugeteilten Rentenanteile des anderen Partners drastisch verringern. Verfassungsgerichte greifen nur bei willkürlichen Entscheidungen ein, nicht aber wenn das Ergebnis schlicht als ungerecht empfunden wird – die juristische Korrektheit der Anwendung von Gesetzen steht dabei im Vordergrund. Für Geschiedene bedeutet dies ein erhebliches Risiko: Sie können Jahre nach der Scheidung ihre kalkulierte Altersvorsorge verlieren, ohne dass ihnen rechtlich geholfen werden kann. Das Urteil verdeutlicht die Grenzen des Rechtsschutzes bei bestehenden Gesetzen und macht deutlich, dass der Versorgungsausgleich weniger sicher ist als oft angenommen.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet der juristische Vorwurf der Willkür bei einem Gerichtsverfahren?
Der juristische Vorwurf der Willkür bei einem Gerichtsverfahren bedeutet, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht mehr nachvollziehbar ist und unter keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt mehr haltbar erscheint. Es ist ein sehr ernster und zugleich äußerst seltener Vorwurf, der hohe Hürden hat.
Willkür ist mehr als nur „falsch“ oder „ungerecht“
Viele Menschen empfinden eine ihnen nachteilige Gerichtsentscheidung als ungerecht oder sogar als falsch. Doch ein Urteil ist nicht allein deshalb willkürlich, weil es aus Ihrer Sicht inhaltlich unrichtig ist, Ihnen nicht gefällt oder Sie eine andere Entscheidung erwartet hätten. Gerichte sind menschliche Institutionen, und auch richterliche Entscheidungen können Fehler enthalten oder zu einem Ergebnis führen, das von Dritten anders beurteilt würde. Solche „einfachen“ Fehler oder Meinungsverschiedenheiten stellen jedoch keine Willkür dar.
Wann liegt juristisch Willkür vor?
Juristische Willkür liegt vor, wenn eine Entscheidung
- völlig unbegründet ist und keinerlei logische oder rechtliche Argumentation erkennen lässt.
- eindeutig sachfremde Erwägungen zugrunde liegen, die mit dem Fall nichts zu tun haben. Stellen Sie sich vor, ein Gericht würde eine Entscheidung treffen, die offensichtlich auf einer persönlichen Laune oder Vorurteilen des Richters basiert und nicht auf den Gesetzen oder den Fakten des Falles.
- die grundlegenden Rechtsprinzipien oder Verfahrensregeln in krasser Weise missachtet, ohne dass dafür eine nachvollziehbare Erklärung existiert.
Ein Beispiel aus dem Alltag könnte sein: Wenn Sie ein Geschäft betreiben und ein Gericht Sie dazu verurteilt, einen Vertrag zu erfüllen, obwohl dieser Vertrag nie existiert hat und keine Beweise dafür vorliegen. Oder wenn ein Gericht bewusst wichtige Fakten ignoriert, die das Gegenteil beweisen würden, und stattdessen eine Behauptung als Tatsache annimmt, die eindeutig widerlegt ist.
Bedeutung des Willkürvorwurfs
Dieser strenge Maßstab soll sicherstellen, dass die Gerichte unabhängig agieren können und ihre Entscheidungen nur in extremen Ausnahmefällen infrage gestellt werden können, wenn die Grenze zu einer nicht mehr vertretbaren Rechtsanwendung überschritten wurde. Für Sie als juristischen Laien bedeutet das, dass der Vorwurf der Willkür nicht leichtfertig erhoben werden kann. Es geht nicht darum, ob ein Urteil unglücklich für Sie ausfällt, sondern darum, ob es unerträglich und nicht mehr rational begründbar ist.
Wann kann ein rechtskräftiger Versorgungsausgleich nachträglich geändert werden?
Ein einmal gerichtlicher beschlossener und damit rechtskräftiger Versorgungsausgleich ist grundsätzlich endgültig und bindend. Er sorgt für einen gerechten Ausgleich der während der Ehe erworbenen Renten- und Pensionsansprüche beider Ehepartner. Dennoch gibt es unter sehr engen gesetzlichen Voraussetzungen die Möglichkeit, diese Regelung nachträglich ändern zu lassen.
Grundsatz: Rechtskraft mit Ausnahmen
Normalerweise bedeutet die Rechtskraft eines Scheidungsurteils, dass die darin enthaltenen Entscheidungen, auch zum Versorgungsausgleich, nicht mehr angetastet werden können. Dies schafft Rechtssicherheit für beide Ex-Partner. Die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz und soll extremen Ungerechtigkeiten begegnen, die erst lange nach der Scheidung offensichtlich werden. Für Sie bedeutet das, dass eine solche Abänderung nicht leichtfertig möglich ist, sondern an strenge Bedingungen geknüpft ist.
Die wesentliche Wertänderung als Hauptgrund
Der wichtigste Grund für eine mögliche Abänderung ist eine wesentliche Wertänderung der Rentenansprüche, die im Versorgungsausgleich berücksichtigt wurden. Dies ist der Fall, wenn sich der Wert der ausgeglichenen Anrechte eines Ehepartners nach der Scheidung so stark verändert, dass das ursprüngliche Gleichgewicht grob gestört wird.
Stellen Sie sich vor, bei der Scheidung wurde der Wert der Rentenansprüche fair aufgeteilt. Wenn nun, lange nach der Scheidung, der Wert der übertragenen Anrechte des einen Partners unerwartet und drastisch steigt oder fällt – beispielsweise weil sich die berufliche Situation des anderen Partners extrem positiv oder negativ entwickelt hat und dies die ursprünglich ausgeglichenen Anrechte beeinflusst – dann kann dies eine Anpassung rechtfertigen. Dabei muss die Wertänderung erheblich sein. Oft wird hier eine Schwelle angesetzt, die deutlich macht, dass es sich nicht um geringfügige Schwankungen handeln darf. Es geht also nicht um kleine Veränderungen, sondern um eine massive Verschiebung des ursprünglichen Ausgleichs.
Weitere wichtige Voraussetzungen
Neben der wesentlichen Wertänderung müssen zusätzliche Bedingungen erfüllt sein:
- Unvorhersehbarkeit: Die Gründe für die Wertänderung dürfen zum Zeitpunkt der Scheidung nicht vorhersehbar gewesen sein. Wenn beispielsweise schon bei der Scheidung abzusehen war, dass sich die Rentenansprüche noch stark entwickeln würden, ist eine spätere Abänderung ausgeschlossen.
- Grobe Unbilligkeit: Die Beibehaltung des ursprünglichen Versorgungsausgleichs muss nach der Wertänderung als grob unbillig empfunden werden. Das bedeutet, es muss eine erhebliche Ungerechtigkeit entstanden sein.
- Zeitpunkt des Antrags: Ein Antrag auf Abänderung kann in der Regel erst gestellt werden, wenn die betroffene Person bereits Rente bezieht oder der Rentenbeginn unmittelbar bevorsteht. Das Gesetz sieht dies vor, da erst zu diesem Zeitpunkt die tatsächlichen Auswirkungen der Wertänderung konkret beziffert werden können.
Die Entscheidung über eine solche Abänderung trifft das Familiengericht nach einer sorgfältigen Prüfung aller Umstände. Es ist ein komplexes Verfahren, das darauf abzielt, in Ausnahmefällen eine faire Verteilung der Altersvorsorgeansprüche wiederherzustellen.
Was ist der Unterschied zwischen einer Entscheidung eines Fachgerichts und einer Verfassungsbeschwerde?
Der Unterschied liegt im Wesentlichen in der Art der Prüfung und der Zuständigkeit des Gerichts.
Fachgerichte: Die Anwendung alltäglicher Gesetze
Fachgerichte sind die Gerichte, mit denen die meisten Menschen in Kontakt kommen. Dazu gehören beispielsweise das Amtsgericht, das Landgericht oder das Oberlandesgericht. Es gibt auch spezielle Fachgerichte für bestimmte Rechtsgebiete, wie Arbeitsgerichte, Verwaltungsgerichte oder Sozialgerichte.
Was Fachgerichte prüfen:
Die Aufgabe eines Fachgerichts ist es, Streitigkeiten oder Straftaten zu beurteilen, indem es die gültigen Gesetze des alltäglichen Lebens anwendet. Das sind beispielsweise das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bei Kaufverträgen oder Mietstreitigkeiten, das Strafgesetzbuch (StGB) bei Diebstahl oder Körperverletzung, oder Gesetze aus dem Arbeitsrecht bei Kündigungsschutzklagen. Ein Fachgericht prüft also, ob die Fakten des Falles zu einem bestimmten Paragrafen eines Gesetzes passen und wie dieser Paragraf dann rechtlich umgesetzt werden muss.
Ihr Ziel ist die korrekte Anwendung dieser „gewöhnlichen“ Gesetze. Wenn Sie mit einer Entscheidung eines Fachgerichts nicht einverstanden sind, gibt es in der Regel Möglichkeiten, diese in einer höheren Instanz desselben Gerichtszweigs überprüfen zu lassen (z.B. Berufung, Revision). Dabei wird die Entscheidung erneut auf ihre Richtigkeit nach den jeweiligen Fachgesetzen hin überprüft.
Verfassungsbeschwerde: Der Schutz der Grundrechte
Eine Verfassungsbeschwerde ist ein ganz besonderes Rechtsmittel, das in Deutschland vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe oder den jeweiligen Landesverfassungsgerichten erhoben werden kann.
Was eine Verfassungsbeschwerde prüft:
Im Gegensatz zu Fachgerichten überprüft das Bundesverfassungsgericht bei einer Verfassungsbeschwerde nicht, ob ein Fachgericht die „alltäglichen“ Gesetze (wie das Mietrecht oder Strafrecht) in Ihrem Fall richtig angewendet hat. Es ist keine „Super-Revisionsinstanz“, die einen Fall neu aufrollt, um Fehler in der Beweiswürdigung oder der juristischen Auslegung von einfachen Gesetzen zu korrigieren.
Stattdessen prüft das Verfassungsgericht ausschließlich, ob eine Entscheidung oder ein Akt der öffentlichen Gewalt (z.B. ein Urteil eines Fachgerichts, ein Gesetz oder eine Behördenentscheidung) Ihre Grundrechte oder grundrechtsähnlichen Rechte verletzt hat. Grundrechte sind die in der Verfassung (dem Grundgesetz) verankerten fundamentalen Rechte, wie die Menschenwürde, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Meinungsfreiheit oder das Recht auf ein faires Verfahren.
Ein häufiger Prüfmaßstab dabei ist, ob eine Entscheidung willkürlich ergangen ist. Das bedeutet, dass eine Verletzung von Grundrechten vorliegen kann, wenn eine Gerichtsentscheidung sachlich schlechthin unvertretbar, also offensichtlich und klar unsinnig, unbegründet oder ohne jeglichen Bezug zu den Akten oder der Rechtslage getroffen wurde. Es geht also darum, ob eine Entscheidung die Grenze zur Grundrechtsverletzung überschreitet, nicht darum, ob sie fachlich zu 100 % korrekt war.
Welche Fristen sind für die Einreichung einer Verfassungsbeschwerde entscheidend und welche Folgen hat deren Missachtung?
Die Hauptfrist für die Verfassungsbeschwerde
Für die Einreichung einer Verfassungsbeschwerde ist in Deutschland eine sehr kurze und strenge Frist gesetzlich festgelegt: Sie beträgt in den meisten Fällen zwei Monate. Diese Frist ist eine sogenannte „Ausschlussfrist“. Das bedeutet, dass sie unbedingt eingehalten werden muss, da eine spätere Einreichung der Beschwerde in der Regel nicht mehr möglich ist. Stellen Sie sich das wie ein Ticket für eine Veranstaltung vor: Wenn Sie es nicht bis zu einem bestimmten Datum kaufen, können Sie nicht mehr teilnehmen, egal wie gut Ihre Begründung ist.
Beginn der Frist: Der entscheidende Zeitpunkt
Die zweimonatige Frist beginnt zu laufen, sobald Ihnen die vollständige schriftliche Ausfertigung der letzten gerichtlichen Entscheidung zugestellt wurde, gegen die sich die Verfassungsbeschwerde richtet. Das ist in der Regel das Urteil oder der Beschluss des Gerichts, das über Ihren Fall abschließend entschieden hat. Es ist also wichtig, genau zu wissen, wann Sie dieses Dokument erhalten haben, denn dieser Tag ist der Startpunkt für die Fristberechnung.
Die weitreichenden Folgen einer Fristversäumnis
Die strikte Einhaltung dieser Frist ist von entscheidender Bedeutung. Wird die Frist von zwei Monaten auch nur um einen Tag überschritten, hat dies drastische Konsequenzen:
- Unzulässigkeit der Beschwerde: Die Verfassungsbeschwerde wird vom Bundesverfassungsgericht als „unzulässig“ zurückgewiesen. Das bedeutet, das Gericht prüft Ihren Fall inhaltlich überhaupt nicht, sondern lehnt ihn von vornherein ab. Es ist, als ob Ihr Antrag nicht angekommen wäre oder die Regeln dafür nicht eingehalten wurden.
- Verlust der Rechte: Sie verlieren die Möglichkeit, die gerügte Verletzung Ihrer Grundrechte vor dem Bundesverfassungsgericht geltend zu machen. Argumente oder weitere Unterlagen nachzureichen, die Frist nachträglich zu verlängern oder die Beschwerde später erneut einzureichen, ist dann in aller Regel nicht mehr möglich.
- Endgültigkeit der Vorlageentscheidung: Die Entscheidung des vorherigen Gerichts wird endgültig und kann nicht mehr durch eine Verfassungsbeschwerde angegriffen werden.
Die Fristen im Rechtssystem sind somit wie feste Tore. Wer sie nicht rechtzeitig durchschreitet, kann sein Anliegen vor Gericht nicht mehr vorbringen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, sich bei jedem rechtlichen Anliegen frühzeitig über die maßgeblichen Fristen zu informieren.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Versorgungsausgleich
Der Versorgungsausgleich ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren, bei dem während der Ehe erworbene Renten- und Pensionsansprüche der Ehepartner bei einer Scheidung gerecht aufgeteilt werden. Ziel ist es, finanzielle Nachteile auszugleichen, die ein Partner beispielsweise durch Kindererziehung oder Unterbrechung der Berufstätigkeit erlitten hat. Die Aufteilung erfolgt meist hälftig und soll sicherstellen, dass beide Partner im Alter möglichst gleichwertige Ansprüche haben. Rechtsgrundlage ist § 1587 BGB.
Beispiel: Wenn ein Ehepartner wegen der Familie weniger gearbeitet hat, erhält er durch den Versorgungsausgleich einen Anteil an den Rentenansprüchen des anderen Partners, damit seine Altersvorsorge nicht zu niedrig ausfällt.
Wesentliche Wertänderung beim Versorgungsausgleich
Eine wesentliche Wertänderung liegt vor, wenn sich der Wert der im Versorgungsausgleich geteilten Renten- oder Pensionsansprüche nach der Scheidung so stark verändert, dass das ursprünglich gerechte Gleichgewicht erheblich gestört wird. Dies kann etwa durch den Verlust von Beamten-Pensionsansprüchen oder eine plötzliche erhebliche Wertminderung eintreten. Erst dann darf unter engen Voraussetzungen eine nachträgliche Änderung des rechtskräftigen Versorgungsausgleichs beantragt werden (§ 1588 BGB). Die Änderung ist nur möglich, wenn die Wertänderung zum Zeitpunkt der Scheidung unvorhersehbar war und die Weitergeltung der alten Regelung grob unbillig wäre.
Beispiel: Wenn ein Ex-Partner nach der Scheidung seine Beamtenlaufbahn verliert und die Pensionsansprüche viel geringer werden, kann dies eine wesentliche Wertänderung darstellen, die den Versorgungsausgleich nachträglich ändert.
Grobe Unbilligkeit
Grobe Unbilligkeit bezeichnet im Recht eine außergewöhnliche Härte oder Ungerechtigkeit, die so gravierend ist, dass sie eine Abweichung von der normalen Rechtslage rechtfertigen kann. Im Kontext des Versorgungsausgleichs bedeutet grobe Unbilligkeit, dass die Beibehaltung der ursprünglichen Entscheidung eine unzumutbare Belastung für einen der Ex-Partner darstellen würde. Sie ist eine Voraussetzung, um eine Abänderung des Versorgungsausgleichs zu beantragen (§ 1588 BGB). Allerdings darf grobe Unbilligkeit nicht dazu führen, dass die gesetzlichen Regelungen systematisch umgangen werden.
Beispiel: Wenn ein Ex-Partner auf seine Altersvorsorge angewiesen ist und die Kürzung der Anrechte ihn in existenzielle Not bringt, könnte dies grobe Unbilligkeit darstellen.
Willkür
Willkür liegt vor, wenn eine gerichtliche Entscheidung so offensichtlich unbegründet ist, dass sie unter keinem vernünftigen rechtlichen Gesichtspunkt noch vertretbar ist. Das bedeutet: Die Entscheidung entspricht weder den Fakten noch dem geltenden Recht und beruht möglicherweise auf sachfremden Erwägungen oder ist willkürlich und willentlich unsachlich getroffen. Willkür ist eine besonders schwere Verletzung der Rechtsstaatlichkeit und kann als Grund für eine Verfassungsbeschwerde gelten. Ein Gerichtsurteil ist jedoch nicht allein deshalb willkürlich, weil es falsch oder ungerecht erscheint.
Beispiel: Wenn ein Richter einen Vertrag für gültig erklärt, obwohl dieser eindeutig gefälscht und nichtig ist, wäre das eine willkürliche Entscheidung.
Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde ist ein besonderes Rechtsmittel vor einem Verfassungsgericht, mit dem eine Person geltend machen kann, dass ihre durch die Verfassung garantierten Grundrechte verletzt wurden. Im Gegensatz zu Fachgerichten prüft das Verfassungsgericht nicht die korrekte Anwendung einfacher Gesetze, sondern kontrolliert, ob ein Urteil oder eine staatliche Maßnahme verfassungswidrig ist. Die Beschwerde muss innerhalb von zwei Monaten nach der letzten Gerichtsentscheidung eingereicht werden, und die Hürden für eine erfolgreiche Beschwerde, beispielsweise wegen Willkür, sind sehr hoch. Die Verfassungsbeschwerde dient dem Schutz der Grundrechte und ist keine erneute rechtliche Überprüfung des gesamten Falles.
Beispiel: Wer sich durch eine Gerichtsentscheidung in seinem Eigentumsrecht oder Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt sieht, kann Verfassungsbeschwerde erheben, wenn keine andere Rechtsmöglichkeit mehr besteht.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG): Das Versorgungsausgleichsgesetz regelt, wie im Falle einer Scheidung die während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche und Anwartschaften auf Altersversorgung zwischen den Ehepartnern gerecht aufgeteilt werden. Es soll sicherstellen, dass beide Ehegatten im Alter angemessen versorgt sind, auch wenn einer von ihnen während der Ehe aufgrund von Kindererziehung oder Haushaltsführung weniger eigene Rentenpunkte sammeln konnte. Grundsätzlich werden die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte hälftig geteilt, um eine gleichmäßige Teilhabe an der gemeinsamen Lebensleistung zu ermöglichen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieses Gesetz bildet die grundlegende rechtliche Basis für die ursprüngliche Aufteilung der Pensionsansprüche von Herrn M. und Frau W. im Scheidungsverfahren. Es ist der Ausgangspunkt des gesamten Falles, da es die Grundlage für Frau W.s Erwartung an ihre Altersvorsorge schuf. - § 51 Gesetz über den Versorgungsausgleich (VersAusglG): Dieser spezifische Paragraph ermöglicht eine nachträgliche Abänderung eines bereits rechtskräftig geregelten Versorgungsausgleichs. Eine solche Abänderung ist zulässig, wenn sich der Wert eines ausgeglichenen Anrechts nach dem Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung wesentlich ändert und die ursprüngliche Entscheidung ohne Berücksichtigung dieser Änderung als unbillig erscheinen würde. Dies dient der Anpassung an unvorhergesehene Entwicklungen, die die ursprüngliche Berechnung und Verteilung der Versorgungsansprüche gravierend verzerren könnten.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Deutsche Rentenversicherung beantragte die Abänderung des Versorgungsausgleichs genau auf dieser Grundlage, nachdem die Pensionsansprüche von Herrn M. drastisch gesunken waren. Das Oberlandesgericht München stimmte der Abänderung aufgrund der Voraussetzungen dieses Paragraphen zu. - Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG): Das Sozialgesetzbuch Sechstes Buch regelt die gesetzliche Rentenversicherung, die die Standardform der Alterssicherung für Arbeitnehmer in Deutschland darstellt. Das Beamtenversorgungsgesetz hingegen regelt die Altersversorgung von Beamtinnen und Beamten, die auf einem anderen System, nämlich dem Dienst- und Treueverhältnis zum Staat, beruht und in der Regel höhere Leistungen verspricht. Beide Gesetze definieren die jeweiligen Voraussetzungen für den Erwerb von Ansprüchen und deren Berechnung, unterscheiden sich jedoch grundlegend in Art und Höhe der Leistungen. Die sogenannte „Nachversicherung“ überführt im Falle des Verlusts des Beamtenstatus erworbene Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der dramatische Wertverlust der für Frau W. vorgesehenen Altersvorsorge resultierte aus der Umwandlung von Ansprüchen aus dem Beamtenversorgungsgesetz in das System der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) infolge der Straftat des Ex-Mannes. Diese unterschiedlichen Systeme und die Konsequenz der Nachversicherung sind der Kern des finanziellen Problems. - Willkürverbot (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz) und Artikel 101 Absatz 1 Bayerische Verfassung: Das Willkürverbot ist ein zentraler Pfeiler des Rechtsstaatsprinzips und ein Aspekt des Gleichheitssatzes. Es besagt, dass staatliche Organe, insbesondere Gerichte, ihre Entscheidungen nicht sachfremd, unhaltbar oder offensichtlich willkürlich treffen dürfen. Eine Entscheidung ist willkürlich, wenn sie aus keinem vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkt mehr haltbar ist und auf einer objektiv fehlerhaften Rechtsanwendung beruht, die nicht mehr nachvollziehbar ist. Es schützt Bürger davor, ohne rechtlich nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt zu werden oder von staatlicher Macht willkürlich getroffen zu werden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau W. begründete ihre Verfassungsbeschwerde beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof maßgeblich mit dem Vorwurf, die Entscheidung des Oberlandesgerichts sei willkürlich. Der Verfassungsgerichtshof prüfte ausschließlich, ob diese hohe Hürde der Willkür überschritten war. - Eigentumsgarantie (Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz) und Artikel 103 Absatz 1 Bayerische Verfassung: Die Eigentumsgarantie schützt das Recht des Einzelnen, über sein Vermögen und seine Güter frei zu verfügen und diese vor staatlichen Eingriffen zu sichern. Sie umfasst nicht nur physische Dinge, sondern auch vermögenswerte Rechtspositionen wie Rentenansprüche, die durch eigene Arbeitsleistung erworben wurden. Eingriffe in das Eigentum sind nur dann zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismäßig sind. Das Recht soll dem Bürger eine materielle Lebensgrundlage und eine eigenverantwortliche Gestaltung seiner Existenz ermöglichen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau W. machte geltend, dass ihr Anteil am Versorgungsausgleich einen geschützten Vermögenswert darstelle und die Kürzung durch die Abänderung eine unzulässige Verletzung ihrer Eigentumsrechte bedeute. Ihre Beschwerde zielte darauf ab, diesen verfassungsrechtlichen Schutz für ihre Altersvorsorge geltend zu machen.
Das vorliegende Urteil
VerfGH München – Az.: Vf. 70-VI-23 – Entscheidung vom 24.09.2024
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz