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Windkraftanlage – Einbau eines gebrauchten generalüberholten Getriebes – Schadensersatz

OLG Schleswig-Holstein, Az.: 17 U 36/13, Urteil vom 09.05.2014

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. Mai 2013 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Flensburg – 6 O 61/12 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Jedoch kann die Klägerin die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

I.

Windkraftanlage - Einbau eines gebrauchten generalüberholten Getriebes - Schadensersatz
Symbolfoto: Von Wojciech Wrzesien /Shutterstock.com

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen eines aus ihrer Sicht mangelhaften Getriebeeinbaus in eine Windkraftanlage Tacke 600 a geltend.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit dem Austausch eines schadhaft gewordenen Getriebes einer von ihr betriebenen Windkraftanlage mit einem baugleichen generalüberholten Modell auf der Grundlage des von der Beklagten abgegebenen schriftlichen Angebots vom 17. Februar 2009 (B 4, Bl. 67 ff. d.A.). Darin enthalten war der Hinweis: „Ansonsten gelten die Baustellenspezifikation sowie die AGB der Beklagten.“

Mit Schreiben vom 25. März 2009 zeigte die Beklagte die Fertigstellung des Getriebewechsels zum 11. März 2009 an (Bl. 52 d.A.), wobei darauf hingewiesen wurde, dass die erbrachte Werkleistung mit Wiederinbetriebnahme der Windenergieanlage als abgenommen gelte. Nach Ziffer 7.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Bl. 50 d.A.) verjähren Ansprüche wegen Mängeln in 12 Monaten nach Abschluss der Tätigkeit.

Bei dem von der Beklagten eingebaute Getriebe wies ein Zahnrad der Zwischenwelle einen Abstand von 8 mm zum benachbarten Ritzel auf, während dieser Abstand laut Herstellerangaben 0 mm betragen sollte. Die Ursache für die Fehlstellung ist zwischen den Parteien streitig.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 08. März 2010 (Bl. 25 d.A. 6 OH 2/10) rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten, sie habe die beiden Räder im Stirnradteil des Getriebes fehlerhaft positioniert eingebaut und forderte sie zur Nachbesserung bis zum 31. März 2010 auf. Die Beklagte lehnte jede Form von Nachbesserungen ab und wies im Rahmen des zu 6 OH 2/10 LG Flensburg von der Klägerin angestrengten selbstständigen Beweisverfahrens darauf hin, dass es zu einem „Wandern“ der Zahnräder infolge zu großer und durch die Windkraftbegrenzung nur unzureichend begrenzter Kräfte gekommen sein müsse, so, wie es bereits bei dem ausgebauten Getriebe der Fall gewesen sei. Insoweit verwies sie auch auf ein Schreiben vom 2. September 2009 (B 2, Bl. 56 d.A. in 2 OH 2/10 LG Flensburg), laut dessen „Klemmnabe“ und „Schrumpfverbindung des IMS Zahnrades“ verstärkt worden seien, um ein Verrutschen des Zahnrades zu verhindern. Ein Verrutschen dieses Zahnrades könne nur durch „außergewöhnliche Belastungen entstanden sein (extreme Windverhältnisse bzw. massive Leistungsspitzen, die bei diesem Maschinentyp keine Seltenheit sind).“

In dem selbständigen Beweisverfahren ist durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. S1 Beweis erhoben worden insbesondere zu der Frage, ob die Beklagte die Räder im Stirnradteil des Getriebes fehlerhaft positioniert eingebaut habe. Auf die Inhalte des Gutachtens vom 01. Juni 2011 (Bl. 95 – 114 d.A. 6 OH 2/10), der gutachterlichen Stellungnahme vom 12. August 2011 (Bl. 172 – 177 d.A. 6 OH 2/10) und der – nach Zerlegung des Getriebes erstatteten – ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 15. Mai 2012 (Bl. 235 d.A. 6 OH 2/10) wird verwiesen.

Im Anschluss an die Vorlage des Ausgangsgutachtens des Prof. Dr.-Ing. S1 vom 1. Juni 2011 und weiterer parteigutachterlicher Einschätzungen wurde die Windkraftanlage für den Zeitraum vom 13. Juli 2011 bis 05. März 2012 stillgelegt.

Gemäß Auftrag der Klägerin vom 12. Januar 2012 demontierte die G1 GmbH das von der Beklagten installierte Getriebe und installierte ein weiterentwickeltes Getriebe neueren Typs 600A („Version RR1-New“), wofür sie der Klägerin mit Schreiben vom 23. März 2013 insgesamt 203.865,02 € in Rechnung stellte (Anlage K1, Bl. 9 d.A.).

Die Klägerin begehrt im Wesentlichen entsprechend des von ihr versicherten Risikos Schadensersatz für den Betriebsausfall in Höhe von 315,42 € pro Tag, insgesamt mithin 73.177,44 €, den Ersatz der oben genannten Aufwendungen in Höhe von 203.865,02 € und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden.

Die Klägerin hat geltend gemacht:

– Die Beklagte habe das im Stirnradteil befindliche Zahnrad entgegen den Herstellerangaben nicht plan bis zum Anschlag an das Ritzel der Antriebswelle montiert.

– Die Beklagte hätte die aufgrund der durch vorangegangene Schäden bekannte Problematik durch – wie es der Parteigutachter B1 empfohlen habe (K 3 in 2 OH 2/10 LG Flensburg, Bl. 272 ff. d.A.) – zusätzlich einzufügende Passfedern sowie Positionierungsschrauben verhindern müssen.

– Die Stilllegung der Anlage sei notwendig gewesen, weil ansonsten die komplette Anlage einschließlich Turm und Fundament zerstört worden wäre und deshalb auch die Versicherung die Stilllegung gefordert habe (Beweis: Zeugnis Fabian S2, Edgar S3, Andrea H1, Frau W1, Herr G2). Aufgrund der gewanderten bzw. nicht richtig positionierten Räder der Zwischenwelle und auch der Antriebswelle habe nämlich das Getriebe nicht weiter betrieben werden können.

Die Beklagte hat geltend gemacht:

– Sie habe das Zahnrad entsprechend den Herstellerangaben auf das Ritzel montiert. Ein Verzahnungsschaden habe (noch) nicht vorgelegen und damit erst recht kein Getriebeschaden.

– Die Fehlstellung des Zahnrades sei auf ein axiales Rutschen des Zahnrades auf der Welle in Folge einer Überlastung zurückzuführen und dieses sei ein Serienschaden bei dem fraglichen Getriebetyp.

– Die Stilllegung beruhe auf anderweitigen Schäden am Getriebe, die aufgrund von Überlastungen entstanden seien, jedenfalls nicht auf einen etwaig von ihr zu vertretenden Fehler beim Einbau des Zahnrades.

– Sie habe nur die Übereignung und Montage eines dem ausgebauten Getriebe entsprechenden kostengünstigen Getriebes, das konstruktiv nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprochen habe, geschuldet.

– Ein Einbau von Passfedern und Positionierungsschrauben im fraglichen empfindlichen Bereich sei nicht geschuldet gewesen, wäre vermutlich auch untauglich gewesen und hätte aufgrund der dort wirkenden Kräfte voraussichtlich zu einer Schwächung des Materials geführt und damit Schäden eher begünstigt.

Hilfsweise beruft sich die Beklagte auf Verjährung etwaiger Gewährleistungsansprüche gemäß Ziffer 7.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil vom 03. Mai 2013 nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat nach Beiziehung der Akte Akte 6 OH 2/10 zu Beweiszwecken und nochmaliger Erläuterung seiner bisherigen Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. S1 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass durch den Mangel der von der Beklagten erbrachten Leistung ein Schaden entstanden sei. Denn es habe kein Verzahnungsschaden an Zahnrad und Ritzel existiert. Die Anlage hätte nicht wegen des montagebedingten Versatzes von 6 mm zwischen Zahnrad und Ritzel stillgelegt werden müssen. Eine Nachbesserung sei von der Beklagten nicht geschuldet gewesen, da der Aufwand von deutlich über 100.000,00 € im Hinblick auf die mit einer Nachbesserung etwaig erzielbaren Vorteile – geringfügig längere Lebensdauer – unverhältnismäßig seien, wobei ungewiss sei, ob die Lebensdauer überhaupt verkürzt worden sei und damit überhaupt eine Wertminderung gegeben sei. Das eingebaute Austauschgetriebe sei nicht wegen seiner konstruktiven Schadensanfälligkeit mangelhaft, da das Getriebe bei Einbau dem damaligen Stand der Technik entsprochen habe und entsprechend den vorgegebenen Lasten des Windturbinenherstellers ausgelegt worden sei. Ein Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden sein nicht gegeben, da das Getriebe ausgebaut sei und künftige Schäden nicht zu besorgen seien.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese im Wesentlichen wie folgt rechtzeitig begründet:

– Die Beklagte habe den mangelfreien Einbau eines mangelfreien Getriebes geschuldet. Der Einbau sei aber mangelhaft gewesen, da das Zahnrad fehlerhaft eingebaut worden sei. Dies berechtige auch zum Schadensersatz, wenn sich der Schaden noch nicht realisiert habe, dieser aber gedroht habe.

– Dass die Pflichtverletzung unerheblich sei, sei eine Einrede, die die Beklagte nicht erhoben habe und die das Landgericht deshalb nicht hätte berücksichtigen dürfen; die Erhebung der Einrede sei entsprechend § 635 Abs. 3 BGB bzw. § 439 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen, weil die Nacherfüllungsfrist verstrichen sei, jedenfalls stünde der Klägerin der kleine Schadensersatzanspruch zu. Auch sei die Pflichtverletzung nicht unerheblich gewesen, weil ein nicht ausräumbarer Verdacht eines nicht ganz unerheblichen Mangels vorgelegen habe,

– Auch sei die Funktionsfähigkeit des Werkes insgesamt beeinträchtigt gewesen, weil das von der Beklagten eingebaute Getriebe zum Betrieb in der streitgegenständlichen Anlage nicht geeignet gewesen sei. Die Beklagte habe die Reparatur anhand des ihr vorgelegten Gutachtens D1 (Anl. K 3014, Bl. 261 – 265 d.A.) durchführen sollen. Sie – die Klägerin, der die Schadensanfälligkeit des Getriebes nicht bekannt gewesen sei – habe darauf vertraut, dass die Beklagte die in den Gutachten skizzierten technischen Probleme dauerhaft lösen werde.

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Die Klägerin beantragt:

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe von 277.042,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die infolge des fehlerhaften Getriebeeinbaus zukünftig entstehen können und bereits entstanden und noch nicht bekannt sind,

3.

die Beklagte zu verurteilen, die Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung in Höhe von 2.475,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie macht insbesondere geltend, sie habe die hier aufgetretenen Schäden am Getriebe erstmalig bei der Anlage der Klägerin und zwar anhand des dort vor ihr – der Beklagten – aufgrund des streitgegenständlichen Auftrags ausgebauten früheren Getriebes zur Kenntnis nehmen können. Sie habe zuvor keine Kenntnis darüber gehabt, dass dieser Gerätetyp in Verbindung mit dieser konkreten Anlage bzw. diesem Anlagetyp infolge von Problemen mit der Kraftbegrenzung häufiger schadensanfällig werde.

Der Senat hat den Geschäftsführer der Beklagten Klaus R1 persönlich angehört und den Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. Berthold S1 zur Erläuterung und Ergänzung seiner Begutachtung mündlich vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der persönlichen Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10. Januar 2014 (Bl. 231 ff. d.A.) und hinsichtlich des Ergebnisses der Vernehmung des Sachverständigen auf das Sitzungsprotokoll vom 25. April 2014 (Bl. 285 ff. d.A.) verwiesen.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die jeweils beigefügten Anlagen Bezug genommen.

II.

Der zulässigen Berufung bleibt der Erfolg versagt.

Wie es das Landgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung im Hinblick auf die Kosten des Austausches des Getriebes und die durch die Stilllegung der Anlage im Zeitraum vom 13. Juli 2011 bis zum 05. März 2012 entstandenen Nachteile gemäß §§ 634Nr. 4, 633,636,280,281 BGB zu. Die dafür notwendigen Voraussetzungen liegen nicht vor. Dies gilt sowohl für bisher geltend gemachte Schäden als auch das Feststellungsbegehren der Klägerin, das deshalb gleichermaßen erfolglos bleiben muss.

Zwar hält der Senat – ohne dass dies abschließend entschieden werden müsste – einen derartigen Anspruch nicht für verjährt. Denn die formularmäßige Abkürzung der Verjährungsfrist auf nur ein Jahr bei einer ortsfesten Anlage mit bauwerksähnlichen vergleichbaren Risiken dürfte jedenfalls einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht standhalten. Jedoch steht dem Auftraggeber eines Werkvertrages im Falle eines mangelhaft erbrachten Werkes nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Nachbesserungsfrist ein Anspruch auf Ersatz des hierdurch verursachten Schadens nur zu, soweit er die zugrundeliegende Pflichtverletzung zu vertreten hat und der Anspruch nicht wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen ist. So liegt es aber nicht. Der Vertrag ist zwar als Werkvertrag einzuordnen (1), auch war das Werk der Beklagten mangelhaft und die von der Klägerin gesetzte Frist zur Nachbesserung fruchtlos abgelaufen (2). Jedoch konnte die Klägerin keinen durch den Mangel verursachten Schaden nachweisen, der zu erstatten wäre (3). Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ersatz der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen nach §§ 634Nr. 2, 637 BGB (4). Auch steht ihr kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 BGB gegen die Beklagte wegen Verletzung einer Hinweis- bzw. Aufklärungspflicht zu (5).

1. Einordnung als Werkvertrag

Bei der getroffenen Vereinbarung handelt es sich zwar um einen Werkvertrag. Nach dem Inhalt der von den Parteien getroffenen Vereinbarung – Einbau eines generalüberholten Getriebes in eine bestehende Windkraftanlage – kam es der Klägerin erkennbar darauf an, mit dem eingebauten Getriebe in ihrer Anlage Windenergie zu erzeugen; die Leistung der Beklagten ergab für die Klägerin nur unter dieser Voraussetzung überhaupt Sinn. Deshalb schuldete die Beklagte die Herstellung dieses zu erbringenden Gesamterfolges, also ein Werk.

Dass der Vertragsinhalt entsprechend dem Angebot der Beklagten als Kaufvertrag des Getriebes mit Montageleistung gefasst war, steht dieser Einordnung nicht entgegen. Jedenfalls im Falle des Einbaus eines gebrauchten generalüberholten Getriebes in eine vorhandene Windkraftanlage hat der Betreiber ein erkennbares vorrangiges Interesse an der Funktionsfähigkeit der gesamten Anlage mit Getriebe, die die Einordnung als Werkvertrag nach sich zieht (für die Anwendung von Kaufrecht hat sich hingegen der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in seinem Urteil vom 07. September 2007 – 4 U 156/06 – OLGReport 2007, 837 f., zitiert nach juris – im hier nicht vorliegenden Fall des Erwerbs einer neuen vollständigen Windkraftanlage mit anschließender Montage ausgesprochen). Schließlich geht die Beklagte auch selbst zutreffend davon aus, dass sie insgesamt ein Werk schuldete. Dies belegen ihre Schreiben vom 25. März 2009 und 30. März 2009 (Bl. 52 und 51 d.A.), in welchen sie darauf hinwies, dass die Windkraftanlage nach Beendigung ihrer Arbeiten wieder in Betrieb genommen worden sei und die erbrachte Werkleistung mit Wiederinbetriebnahme der Windenergieanlage als abgenommen gelte.

2. Mangelhaftigkeit des Werks

Weiter war – wie es im Ergebnis auch das Landgericht bereits gesehen hat – das Werk der Beklagten mangelhaft. Ein Mangel im Sinne des § 633 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn das Werk nicht die vereinbarte Sollbeschaffenheit aufweist oder – soweit keine Vereinbarung darüber getroffen wurde – nicht die stillschweigend vorgesetzte oder übliche und nach der Art des Werkes vom Besteller zu erwartende Beschaffenheit hat.

Der Einbau des generalüberholten Getriebes wies nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf.

a) Versatz zwischen Zahnrad und Ritzel als Mangel

Vereinbart war nämlich der Einbau des Getriebes entsprechend der Originalausführung bzw. in mindestens entsprechender Qualität. Der Einbau wich jedoch von der vorgesehenen Originalausführung ab. Dafür hätte nämlich – so hat der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. S1 nachvollziehbar erläutert – das Zahnrad plan an dem Ritzel angebracht werden müssen. Zahnrad und Ritzel wiesen jedoch einen montagebedingten Versatz von 6 mm auf. Dazu hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dieser Versatz sei auf Fehler bei der Montage zurückzuführen. Der Versatz zwischen Zahnrad und Ritzel habe 8 mm betragen, wobei nur maximal 1 bis 2 mm darauf zurückzuführen sein könne, dass das Zahnrad axial auf der Zwischenwelle verrutscht sei. Ein weitergehendes Verrutschen sei auszuschließen, da keine ausgeprägten Fressermarkierungen auf der Oberfläche der Zwischenwelle feststellbar gewesen seien. Der Senat ist von der Richtigkeit dieser Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S1 überzeugt. Denn seine Ausführungen waren sowohl inhaltlich als auch aufgrund der abgelichteten Einzelteile nachvollziehbar.

b) Konstruktionsschwäche als Mangel

Demgegenüber stellt die Schadensanfälligkeit der Windenergieanlage im Zusammenspiel mit dem in Rede stehenden Getriebe und des dadurch verursachten Fresserschadens in dem als Hohlwelle ausgeführten Planetenträger keinen Mangel des Werkes der Beklagten dar.

Zwar trug die Windenergieanlage insoweit bereits konstruktionsbedingt eine Schadensanfälligkeit in sich, die sich auch schon partiell verwirklicht hatte. Denn nach dem Gutachten von Prof. Dr.–Ing. S1 wies das am 12. Januar 2012 ausgebaute Getriebe einen ausgeprägten Fresserschaden in dem als Hohlwelle ausgeführten Planetenträger (Gutachten vom 15. Mai 2012, Bl. 246 d.A. 6 OH 2/10) auf, der auf ein Wandern der Rotorwelle in dieser Verbindung zum Planetenträger hinweist. Dieses Wandern ist nach den nachvollziehbaren Erläuterungen des Sachverständigen auf eine konstruktiv nicht ausreichende Windkraftbegrenzung der Anlage zurückzuführen. Dadurch war die Anlage mit dem in Rede stehenden Getriebe von vornherein schadensanfällig, was auch dazu führte, dass insbesondere die in diesem Anlagentyp verbaute Turbine und das darin verbaute Getriebe bereits zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht mehr produziert wurden, sondern durch weiterentwickelte Nachfolgemodelle abgelöst worden waren. Die Schadensanfälligkeit der Anlage im Zusammenspiel mit dem in Rede stehenden Getriebe war nach den Ausführungen von Prof. Dr.-Ing. S1 damals in Fachkreisen auch bereits bekannt. Dies gilt – entgegen den Bekundungen des Geschäftsführers R1 der Beklagten vor dem Senat – auch für die Beklagte, wie nicht zuletzt deren eigenes Schreiben über durchgeführte Verstärkungen vom 2. September 2009 (B 2 in 6 OK 2/10 LG Flensburg, Bl. 56 d.A.) zeigt. Dies gilt allerdings unter Zugrundelegung der Erläuterungen des Sachverständigen zumindest grundsätzlich auch für die technisch professionell über die I1 GmbH und dort Herrn K1 betreute Klägerin, welcher auch Adressat des erwähnten Schreibens war.

Gleichwohl haben die Parteien weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart, dass die Beklagte im Rahmen des – im Vergleich zu einem Getriebeneuerwerb selbstverständlich preiswerteren – Austausches des Getriebes die Anlage, insbesondere die Turbine und/oder das Getriebe, konstruktiv grundlegend verbessern sollte, noch konnte eine solche Verbesserung der Beschaffenheit der Anlage von der Beklagten erwartet werden.

Zwar macht die Klägerin geltend, sie sei davon ausgegangen, die Beklagte werde die vorhandenen technischen Probleme der Anlage, die deren Schadensanfälligkeit begründen, im Zuge des ihr erteilten Auftrages lösen. Diese Erwartung findet jedoch weder Niederschlag in der vertraglichen Regelung, wonach das vorhandene Getriebe lediglich durch ein generalüberholtes ausgetauscht werden sollte, noch war sie gegenüber der Beklagten als bloßem Getriebeinstandsetzungsbetrieb berechtigt. Von einem solchen Unternehmen konnte nämlich – wie der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. S1 mehrfach betont hat – die Klägerin keine weitergehenden erfolgversprechenden Eingriffe in die Konstruktion der Anlage bzw. des Getriebes und der Turbine sowie namentlich keine Lösung des Problems der Leistungsbegrenzung erwarten. Denn einem solchen Unternehmen fehlt bereits die dafür notwendige spezifische Kenntnis der vorhandenen Detailkonstruktion der gesamten Anlage. Auch vermag – wie der Geschäftsführer R1 der Beklagten vor dem Senat insoweit nachvollziehbar dargelegt hat – ein Reparaturunternehmen konstruktive Veränderungen ohne Einwilligung des Urhebers der Anlage bzw. des Getriebes nicht durchzuführen. Vielmehr ist bei einem beauftragten Austausch eines Getriebes einer solchen technischen Anlage grundsätzlich nur die Wiederherstellung des zuvor existenten funktionstauglichen Zustandes zu erwarten. Darüber hinaus können von dem Getriebeinstandsetzungsunternehmen allenfalls kleinere Verbesserungen des Getriebes erwartet werden, die die grundsätzliche Konstruktion der Anlage einschließlich des Getriebes nicht berühren. Um derartige kleinere Verbesserungen geht es vorliegend jedoch nicht. Eine technisch-konstruktive Lösung der Problembereiche dieser Anlage – der effizienten Windkraftbeschränkung der Turbine und der Wellenbewegung bzw. des Wanderns der Zahnräder des Getriebes, etwa durch die vom Parteigutachter B1 (K 3 in 6 OH 2/10 LG Flensburg, Bl. 272 ff. d.a.) vorgeschlagenen zusätzlichen Passfedern und Positionierungsschrauben – konnte demgegenüber nach den Ausführungen des Sachverständigen von einem Reparaturbetrieb wie der Beklagten nicht geleistet und auch nicht erwartet werden.

Schließlich hatten die Parteien den konkreten Auftragsumfang auch in Ansehung der ihnen beiden bekannten gutachterlichen Stellungnahme des Dipl.-Ing. D1 (K 3014, Bl. 249 ff. d.A.) zum Vorschaden bestimmt, welcher zufolge die seinerzeit festgestellten Oberflächenschäden auf ein Durchrutschen der Verbindung vermutlich infolge Überlast schließen ließen und deshalb der Versicherungsnehmerin – also der Klägerin – dringend geraten wurde, die Einstellung des Blattwinkels sowie die Blattverstellgeschwindigkeiten überprüfen zu lassen. Mit letzterem wurde die Beklagte indes nicht beauftragt. Hinzu kommt, dass auch die Stellungnahme D1 damit schließt, dass sich die Instandsetzung des Getriebes auf den Tausch sämtlicher Wälzlager, einem Nachschleifen diverser Verzahnungsteile sowie der Instandsetzung der Verbindung Rotorwelle/Planetenträger beschränken möge, während das Auftragsschweißen des Lagersitzes der Rotorwelle für die Aufnahme des Rotorlagers als konstruktiv optimierte Maßnahme zu betrachten sei und daher nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Ursache des Schadens stehe. Wenn sich die Klägerin auf dieser Grundlage entschloss, lediglich den Austausch des Getriebes mit einem generalüberholten Getriebe zu beauftragen, durfte sie eine konstruktive Verbesserung des Getriebes oder gar anderer Teile der Anlage nicht erwarten. Sie kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei insoweit lediglich dem Vorschlag ihrer Versicherung gefolgt. Denn die Beklagte ist nicht von der Versicherung der Klägerin, sondern von der Klägerin beauftragt worden.

Auch der insbesondere im Bauvertragsrecht entwickelte funktionale Mangelbegriff begründet keine andere Wertung. Nicht nur war das eingebaute Getriebe ursprünglich durchaus in der Lage, die Windkraftanlage zu betreiben und so die vereinbarte Funktion zu erfüllen, lief doch die Anlage mit dem Getriebe tatsächlich über 2 Jahre beanstandungsfrei. Vielmehr war eine dauerhafte Funktionalität der Anlage mit dem Getriebe über eine Laufzeit von 20 bis 25 Jahren in der Qualität einer technisch-konzeptionellen Neuanlage nicht geschuldet.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des OLG München (Urteil vom 24. Januar 2012 – 9 U 3012/11, NJW-RR 2012, 826 ff .- zitiert nach juris Rd. 36), der zufolge der zufolge der Unternehmer auch bei bloßen Reparaturarbeiten und trotz Fehlens der nur dem Hersteller zugänglichen Konstruktionszeichnungen deshalb ein dauerhaft funktionstaugliches Getriebe schulde, weil er insoweit den Hersteller in Anspruch nehmen und auf diesen „einwirken“ könne. Unabhängig davon, ob und inwieweit vorliegend die Beklagte auf den Getriebehersteller überhaupt hätte „einwirken“ können, übersieht eine derartige Sicht, dass die berechtigte Leistungserwartung gerade durch den konkreten Vertragsinhalt einschließlich der diesen prägenden erkennbaren Umstände des konkreten Vertragsschlusses definiert wird. Wer aus Gründen der Kostenersparnis an Stelle des Erwerbs eines Neugetriebes bei einem Reparaturbetrieb ein generalüberholtes Austauschgetriebe bestellt, kann nicht von diesem ohne Weiteres dessen Fortentwicklung auf das Niveau des Neugetriebes der aktuellen Generation erwarten. Hinzu kommt, dass letztlich technische Anlagen naturgemäß dem Verschleiß unterliegen und damit erwartungsgemäß nicht dauerhaft funktionstauglich sein können.

Damit schuldete die Beklagte als Reparaturunternehmerin nur die Funktionstauglichkeit im gewöhnlichen Umfang der Anlage mit diesem Getriebetyp – also einschließlich der vorhandenen Schadensanfälligkeit. Diesbezüglich war das Werk der Beklagten daher nicht mangelhaft.

c) Fruchtloser Ablauf der Nachbesserungsfrist

Weiter war die der Beklagten von der Klägerin gesetzte Frist zur Nachbesserung des Versatzes zwischen Zahnrad und Ritzel bis zum 31. März 2010 fruchtlos abgelaufen, nachdem die Beklagte die Nachbesserung insgesamt abgelehnt hatte.

3. Schaden

Im Hinblick auf den der Beklagten zurechenbaren Mangel des Versatzes zwischen Zahnrad und Ritzel ist der Klägerin jedoch wiederum kein nachweisbarer Schaden entstanden, der zu erstatten wäre.

a) Ausschluss des großen Schadensersatzanspruchs

Der von der Klägerin nach § 634 Nr. 4, 636, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB geltend gemachte große Schaden – der Ersatz der Kosten für den Einbau eines neuen Getriebes – ist vorliegend nach § 281 Abs. 1 S. 3 BGB ausgeschlossen. Danach kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. Die gesetzliche Vorschrift ist entgegen der Auffassung des Berufungsklägers nicht als Einrede ausgestaltet und damit – wie es auch das Landgericht zutreffend gesehen hat – von Amts wegen zu prüfen.

Die Pflichtverletzung der Beklagten war unerheblich, da allein der hierdurch verursachte Versatz nach den vor dem Senat nochmals wiederholten und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. S1 allenfalls zu einer geringfügigen Verkürzung der Laufzeit des Getriebes hätte führen können. Dass die Beklagte auf das Nacherfüllungserfüllungsbegehren der Klägerin nicht einging, schließt die Anwendung des § 281 Abs. 1 S. 3 BGB nicht aus. Denn die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung im Rahmen des § 281 BGB ist – wie erwähnt – gerade nicht als Einrede ausgestaltet und deshalb amtswegig auch nach der von der Klägerin gesetzten Nacherfüllungsfrist zu beachten.

b) Kleiner Schadensersatzanspruch

Der Klägerin steht im Ergebnis auch kein Anspruch auf Ersatz des sog. kleinen Schadens gegen die Beklagte zu. Danach sie kann zwar verlangen, so gestellt zu werden, als ob gehörig erfüllt worden wäre (Grüneberg in Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 281 Rd. 45 m.w.N.). Sie hat jedoch nicht bewiesen, dass sie dann besser stünde.

Als Schaden ist insoweit grundsätzlich der Wertunterschied zwischen mangelhafter und mangelfreier Sache zu ersetzen (Grüneberg in Palandt, 73. Aufl. 2014, § 281 BGB Rd. 45). Ein solcher Wertunterschied ist aber vorliegend nicht bewiesen. Denn nach den schon erwähnten Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. S1 kann sich durch die Fehlstellung die Lebensdauer des Getriebes allenfalls im unteren einstelligen Prozentbereich verkürzen, sie muss es aber nicht. Deshalb ist letztlich auch keine merkliche Wertminderung eingetreten.

Weiter zu ersetzen wären auch Nachteile, die dem Besteller nach abgelehnter Mängelbeseitigung durch den Werkunternehmer aufgrund des Mangels zur Verhinderung von berechtigterweise befürchteten Folgeschäden oder zur Feststellung des durch den Mangel verursachten Schadens, soweit dieser erheblich sein könnte, entstanden sind. Denn der Schadensersatzanspruch erstreckt sich auch auf alle mittelbaren Nachteile des schädigenden Verhaltens (OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 729). Weist das Werk einen Mangel auf, dessen Beseitigung von dem Werkunternehmer abgelehnt wird, ist der Besteller bereits unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Mitverschuldens veranlasst, notwendig erscheinende Maßnahmen zur Verhinderung einer drohenden Schadensvertiefung zu ergreifen. Weiter darf der Besteller auch notwendig erscheinende Maßnahmen zur Ermittlung eines möglicherweise durch den Mangel verursachten erheblichen Schadens ergreifen. Die ihm dadurch entstehenden Nachteile sind auch dann zu ersetzen, wenn sich die Maßnahmen im Nachhinein als doch nicht erforderlich herausstellen. Die ergriffenen Maßnahmen müssen jedoch zuvor aus Sicht eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Bestellers objektiv angezeigt gewesen sein (BGH NJW-RR 1989, 86, 88). Die dafür notwendigen Voraussetzungen vermochte die Klägerin indes im Hinblick auf die geltend gemachten Kosten der Stilllegung der Anlage nicht zu beweisen.

Sie macht zwar geltend, die Anlage sei stillgelegt worden, da ansonsten die komplette Anlage einschließlich Turm und Fundament zerstört worden wäre und deshalb auch die Versicherung die Stilllegung gefordert habe. Denn die gewanderten bzw. nicht richtig positionierten Räder der Zwischenwelle und auch der Antriebswelle hätten bereits nahezu das Getriebegehäuse berührt. Sie führt dazu weiter aus, sie habe nicht zuletzt aufgrund des vorläufigen Gutachtens von Prof. Dr.-Ing. S1 keine andere Wahl gehabt, als die Anlage stillzulegen.

Auch der Senat geht davon aus, dass die Klägerin Folgeschäden befürchtete und dass insbesondere ihre Versicherung die Stilllegung der Anlage forderte; hierauf deutet auch deren Mail vom 20. Dezember 2011 (Bl. 200 d.A. in 6 O 2/10 LG Flensburg) hin. Jedoch bestand für diese Befürchtung jedenfalls im Hinblick auf den von der Beklagten herrührenden Mangel des Versatzes von 6 mm zwischen Zahnrad und Ritzel auch aus damaliger Perspektive objektiv kein ausreichender Anlass.

Denn der Gutachter Prof. Dr.-Ing. S1 hatte in seinem vor der Abschaltung der Windenergieanlage am 13. Juli 2011 erstatteten ersten Gutachten vom 01. Juni 2011 lediglich festgestellt, der festgestellte Versatz der Zahnräder führe zu einer ungünstigen Lastenverteilung mit örtlich höheren Spannungen, die wiederum zu einem vorzeitigen Ausfall der Verzahnung und damit auch zu einer kürzeren Lebensdauer der betreffenden Stufe führe. Weitere konkretere Ausführungen dazu sowie zu etwaigen darüber hinausgehenden Folgeschäden hatte er seinerzeit gerade nicht getroffen.

Der Sachverständige hat in der Sitzung vor dem Landgericht am 12. April 2013 erläutert, der montagebedingte Versatz von 6 mm habe es jedenfalls nicht erforderlich gemacht, die Anlage stillzulegen. Vor dem Senat nochmals hierzu befragt, hat er dargelegt, es sei etwas schwierig zu beantworten, ob die Anlage damals aufgrund seines Gutachtens und der ergänzenden Begutachtung des Parteigutachters G2 stillzulegen gewesen sei. Er hätte dieses vielleicht befürwortet. Er hat dabei jedoch deutlich gemacht, vor der – erst später vorgenommenen – Zerlegung habe man namentlich nicht ergründen können, ob es tatsächlich zu einem „Durchrutschen“ gekommen sei. Dieses befürchtete „Durchrutschen“ ist jedoch – wie auch der von der Klägerin eingeschaltete Privatgutachter Dipl-Ing. G2 in seinem Gutachten vom 10. November 2011 (Bl. 38 ff. d.A.) erläutert hat – zumindest wahrscheinlich auf die erwähnte konstruktive Schwäche der Anlage zurückzuführen und nicht auf einen von der Beklagten verursachten Mangel bei der Montage des Getriebes. Weiter hat der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. S1 erklärt, er hätte zunächst geprüft, ob es noch einen Kraftschluss in der Anlage gebe. Dazu hätte man beispielsweise die Anlage anderweitig blockieren können. Dass eine solche Prüfung – für die es nicht einer längeren Stilllegung der Anlage bedurft hätte – vorgenommen worden wäre, hat die Klägerin aber nicht vorgetragen.

Insgesamt ist die Klägerin insoweit deshalb beweisfällig dafür geblieben, dass die Stilllegung zur Verhinderung einer auf den montagebedingten Versatz zwischen Zahnrad und Ritzel zurückzuführenden Schadensvertiefung erfolgte. Soweit sie die Anlage stilllegte, um die mit einem etwaigen Durchrutschen verbundenen Folgeschäden zu verhindern, ist dieser Nachteil nicht auf den der Beklagten zurechenbaren Mangel zurückzuführen. Was den durch den Versatz begründeten Mangel betrifft, bestand aber im Zeitpunkt der Stilllegung der Anlage auch objektiv kein Anlass anzunehmen, der hierdurch denkbare Schaden sei erheblich, weshalb die Anlage unverzüglich still gelegt werden müsse. Denn dass ausweislich des seinerzeitigen Fazit des Gutachtens des Prof. Dr.-Ing. S1 vom 1. Juni 2011 der Versatz zu einer „kürzeren Lebensdauer der betreffenden Stufe“ führen würde, berechtigte gerade nicht zur sofortigen Stilllegung.

4. Ersatz der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen nach §§ 634Nr. 2, 637 BGB

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ersatz der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen nach §§ 634Nr. 2, 637 BGB.

Zunächst kann die Klägerin – nachdem diese sich ausdrücklich für „Schadensersatz statt Leistung“ gemäß §§ 634Nr. 4, 281 BGB entschieden hat – nicht mehr Aufwendungsersatz gemäß §§ 634Nr. 2, 637 BGB begehren. Die zuvor bestehende elektive Konkurrenz ist durch die ausgeübte Wahl im Sinne einer Gestaltungswirkung beendet (Müko-Busche, 6. Aufl., Rn. 72 zu § 634 BGB; MüKo-Ernst, 6. Aufl., Rn. 93 zu § 281 BGB.

Ungeachtet dessen wäre selbst im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs ein Anspruch auf Ersatz der Herstellungskosten für eine mangelfreie Anlage analog § 251 Abs. 2 S. 1 BGB wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwandes dafür im Verhältnis zu dem damit verbundenen Mehrwert der Anlage ausgeschlossen (MüKo-Busche a.a.O., Rn. 51). Auch insoweit würde nämlich gelten, dass der Wert der Anlage durch die mögliche Verkürzung der Laufzeit des Getriebes im unteren einstelligen Prozentbereich im Ergebnis nicht messbar beeinträchtigt war, während die Kosten für die Herstellung eines mangelfreien Getriebes aut Sachverständigenangaben bei 100.000,00 € gelegen hätten.

5. Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung

Der Klägerin steht schließlich auch kein Anspruch gegen die Beklagten auf Schadensersatz nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. c.i.c. wegen fehlerhafter Aufklärung bei den Vertragsverhandlungen zu. Derartige Ansprüche scheitern bereits daran, dass sowohl das kaufvertragliche als auch das werkvertragliche Gewährleistungsrecht hinsichtlich späterer Mängel abschließende Sondervorschriften darstellen (zum Kaufrecht BGH, Urteil vom 27. März 2009 – V ZR 30/08 -, bei juris Rn. 19 ff.).

Ungeachtet dessen bestand auch bei der Beklagten kein eine Aufklärungspflicht begründender Wissensvorsprung. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. S1 ein Problemhorizont bezüglich der konstruktiven Schwäche seinerzeit bei Reparaturbetrieben wie auch bei professionellen Betreibergesellschaften seinerzeit gleichermaßen auf Fachveranstaltungen erworben werden konnte. Die Klägerin muss sich in diesem Zusammenhang die Erkenntnismöglichkeiten der von ihr zum Betrieb der Anlage eingeschalteten Firma I1-GmbH, die etwa 100 Windenergieanlagen betreut, und des für diese tätigen Herrn K1 zurechnen lassen.

6. Nebenentscheidungen

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97Abs. 1, 708 Nr. 10,711 ZPO. Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

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