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Wirksamkeit eines Vertrages bei Vorliegen einer chronisch-rezidivierenden schizophrenen Psychose

LG Münster – Az.: 12 O 304/09 – Urteil vom 31.10.2011

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2008 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 20 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten die Rückzahlung aus diversen Darlehenverträgen in Höhe von insgesamt 40.000,00 EUR geltend, die der Kläger dem Beklagten von März 2005 bis September 2006 gewährt haben will.

Seit Ende des Jahres 2004 war der Beklagte Mieter im Hause des Klägers in der A.-Straße 17, in C. Der Kläger erfuhr schnell, dass der Beklagte finanzielle Probleme hatte. Aufgrund der Behauptung des Beklagten, er erhalte kurzfristig nach dem Tod seiner Stiefmutter neben vier weiteren Erben insgesamt 190.000,00 EUR und damit 38.000,00 EUR, übergab der Kläger dem Beklagten mehrfach Geld in kleineren Tranchen, welches der Beklagte zinsfrei zurückzahlen sollte. Unstreitig gewährte der Kläger dem Beklagten zumindest Darlehen in Höhe von 1.400,00 bis 1.600,00 EUR.

Der Kläger hob ab März 2005 häufig Bargeld im drei- bis vierstelligen Bereich von seinen Konten ab. Wegen der einzelnen Abhebungen und der angeblichen Verwendung der Gelder wird auf die Kontoauszüge des Klägers und seine Aufzeichnungen der Geldverwendung, Anlagen K 14, Bl. 193 ff. d.A., und K 2, Bl. 211 ff. d.A., Bezug genommen. Unter anderem mit Schreiben vom 04.12.2006 forderte der Kläger den Beklagten auf, die zinslos überlassenen Geldbeträge zurückzuzahlen.

Wirksamkeit eines Vertrages bei Vorliegen einer chronisch-rezidivierenden schizophrenen Psychose
Symbolfoto: Von jiris/Shutterstock.com

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe von ihm neben den unstreitigen 1.400,00 EUR bis 1.600,00 EUR insgesamt Zahlungen in Höhe von noch weiteren 40.000,00 EUR erhalten. Die einzelnen Zahlungen habe er in einen Taschenkalender eingetragen, aus dem man Beträge und Daten entnehmen könne. Wegen der konkreten Beträge und Daten wird auf den Taschenkalender bzw. die Ablichtungen aus diesem Kalender, Anlage K 15, Bl. 215 d.A., Bezug genommen. Der Kläger behauptet weiter, zur Bestätigung der Darlehensgabe und der zwischen ihnen vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung habe der Beklagte mehrfach Schuldanerkenntnisse unterzeichnet. Zuletzt habe er ein Schuldanerkenntnis in Höhe von 41.600,00 EUR unterzeichnet. Wegen des konkreten Inhalts und Aussehens der insgesamt vier Erklärungen wird auf die Anlagen K 1, Bl. 17 d.A., sowie K 3 – K 5, Bl. 54 ff. d.A., Bezug genommen.

Auf den Antrag des Klägers wurde am 03.06.2008 ein Mahnbescheid in Höhe von 41.600,00 EUR zu seinen Gunsten erlassen. Mit Datum vom 01.08.2008 ging ein Teilwiderspruch des Beklagten beim Amtsgericht ein. Der Widerspruch richtete sich lediglich gegen einen Teil der Hauptforderung in Höhe von 40.000,00 EUR.

Der Kläger beantragt nunmehr, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.07.2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bestreitet, Geld in der von dem Kläger behaupteten Höhe von diesem erhalten zu haben. Er ist der Ansicht, mit dem Kläger keine Darlehensverträge geschlossen zu haben. Zudem behauptet er, er habe Schuldanerkenntnisse bzw. Bestätigungen der Zahlungen niemals unterschrieben. Diese Unterschriften auf den entsprechenden Formularen stammten nicht von ihm. Darüber hinaus ist der Beklagte der Ansicht, er sei zum Zeitpunkt des Abschlusses möglicher Darlehensverträge geschäftsunfähig gewesen. Daher habe er keine wirksamen Darlehensverträge abschließen können. Dazu behauptet er, dass er seit seinem 15. Lebensjahr unter einer schizophrenen Psychose leide.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitend gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines grafologischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. S., welches dieser unter dem 31.05.2010 und 25.06.2010 in schriftlicher Form erstattet hat. Zudem hat das Gericht ein psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. eingeholt, welches dieser am 01.03.2011 in schriftlicher Form erstattet hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Sachverständigengutachten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch gemäß den §§ 488 Abs. 1 u. 3, 781 BGB zu.

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten sind Darlehensverträge im Sinne von § 488 Abs. 1 BGB mit einer Gesamtdarlehnssumme in Höhe von 41.600,00 EUR zustande gekommen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte die Verträge mit dem Kläger abgeschlossen und zur Bestätigung seiner Rückzahlungsverpflichtung ein Schuldanerkenntnis unterzeichnet hat. Der Beklagte konnte den ihm gem. § 781 BGB obliegenden Beweis des Gegenteils nicht erbringen.

Nach dem Ergebnis des grafologischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. vom 31.05.2010 und 25.06.2010 steht nach freier Überzeugung des Gerichts im Sinne des § 286 ZPO fest, dass der Beklagte die Erklärung aus August oder September 2006 unterzeichnet hat, in welcher er bestätigt, dem Kläger noch 41.600,00 EUR zu schulden. Zeitgleich hat er seine Rückzahlungsverpflichtung bestätigt. Der Sachverständige hat sein Gutachten auf der Grundlage zahlreichen Schriftmaterials, teilweise im Original, teilweise als Kopie, erstattet. Dabei hat er gut nachvollziehbar, widerspruchsfrei und überzeugend dargelegt, dass der Beklagte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Urheber der streitigen Unterschrift ist. Der Sachverständige hat sich sehr kritisch mit den Vergleichsschriften auseinandergesetzt. Er hielt im Gutachten vom 31.05.2010 auch die vorgelegten 10 Schriftproben für nicht hinreichend, um die Urheberschaft tatsächlich festzustellen. Erst nach Vorlage zusätzlichen Untersuchungsmaterials konnte der Sachverständige die bis dahin verbliebenen Beleglücken bei der Majuskel „M“ sowie dem abschließenden Fadenzug schließen und feststellen, dass der Beklagte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Urheber der streitigen Unterschrift unter der Erklärung, wie Anlage K 1 zur Klageschrift, ist. Diese Aussage des Sachverständigen wird nach der freien Überzeugung des Gerichts auch dadurch gestützt, dass sich der Beklagte unstreitig in finanziellen Schwierigkeiten befand und ebenfalls unstreitig behauptet hat, dass davon auszugehen ist, dass er nach dem Tod seiner Stiefmutter einen Betrag in Höhe von 38.000,00 EUR erben wird. Ein weiteres Indiz für die Darlehensgaben und die daraufhin erfolgte Unterzeichnung eines Schuldanerkenntnisses ist die unstreitige Tatsache, dass der Kläger zunächst aufgrund zweier Erbschaften über ausreichende Barmittel verfügte; zu einem späteren Zeitpunkt – als seine zur Verfügung stehenden Mittel zur Neige gingen – jedoch auf eine Sicherheit für seine Darlehensgaben drängte.

Es kann vorliegend dahinstehen, ob das deklaratorische Schuldanerkenntnis das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Teilen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen wollte und damit potentiell konstitutive Wirkung hat (vgl. BGHZ 66, 250) oder ob das Anerkenntnis lediglich als Beweiserleichterung dient (vgl. Palandt, BGB, 70. Aufl., 2011, § 781 Rn. 6). Denn der Beklagte hat vorliegend über die Einholung eines grafologischen Sachverständigengutachtens hinaus keinerlei Beweis dafür angeboten, dass die streitgegenständliche Unterschrift und damit das Schuldanerkenntnis nicht von ihm stammen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht aber genau dieses fest.

Sowohl die Darlehnsverträge als auch das Schuldanerkenntnis sind nicht gemäß §§ 105, 104 BGB nichtig. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des gut nachvollziehbaren und eindeutigen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M. fest. Dieser ist in seinem Gutachten vom 01.03.2011 auf der Grundlage des Akteninhalts und der psychiatrischen Gutachten der E. vom 26.04.2008 und C1. vom 19.12.2008 zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Beklagten im fraglichen Zeitraum von März 2005 bis September 2006 eine chronisch-rezidivierende schizophrene Psychose vorlag. Eine aufgrund einer schweren schizophrenen Residualsymptomatik bestehende durchgehende Aufhebung der freien Willensbildung des Beklagten war danach jedoch nicht anzunehmen, weil eine solche für die Erkrankungssymptomatik für diesem Zeitraum – jedenfalls auf der Grundlage der beiden vorliegenden Gutachten – nicht anzunehmen ist. Konkrete Hinweise dafür, dass der Beklagte im fraglichen Zeitraum durch akut-psychotische Phänomene (z.B. Wahn- und Sinnestäuschungen) in seiner freien Willensbildung beeinträchtigt war, konnte der Sachverständige nicht feststellen. Dementsprechend hat er auch eine krankheitsbedingte Aufhebung der freien Willensbestimmung des Beklagten im fraglichen Zeitraum verneint. Dem folgend, geht auch das Gericht davon aus, dass ein die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit im fraglichen Zeitraum beim Beklagten nicht vorlag. Anhaltspunkte dafür, die der Sachverständige nicht in seine Beurteilung hätte einbeziehen können, liegen nicht vor.

Die Darlehensforderung des Klägers ist schließlich auch fällig im Sinne des § 488 Abs. 3 BGB, denn der Kläger hat den Beklagten mehrfach, unter anderem mit Schreiben vom 04.12.2006 aufgefordert, die überlassenen Geldbeträge zurückzuerstatten. Diese Aufforderungen stellen eine konkludente Kündigung der Darlehensverträge dar.

Nach alledem war der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Der Anspruch des Klägers auf Verzinsung der Hauptforderung resultiert aus den §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen resultieren aus den §§ 91, 709 ZPO.

 

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