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Arbeitszeugnis (wohlwollendes) mit Abschlussformel

Landesarbeitsgericht Hamm – Az: 8 Sa 509/11 –  Urteil vom 08.09.2011

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 10.02.2011 – 3 Ca 678/10 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zuge des Berufungsverfahrens zuletzt noch um die Frage, ob in das von der Klägerin beanspruchte Arbeitszeugnis eine sog. Abschlussformel i. S. „guter Wünsche für die Zukunft“ aufzunehmen ist.

Im vorausgegangenen Verfahren ArbG Minden 3 Ca 1289/09 haben die Parteien unter dem 27.08.2009 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, in welchem sich die Beklagten verpflichtet haben, der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, welches ihrem weiteren beruflichen Werdegang förderlich ist und als Bewertung die Gesamtnote „gut“ enthält.

Durch Urteil vom 10.02.2011 (Bl. 158 ff.) auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Fassung des Klageantrags Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagten zur Erteilung eines neu gefassten Arbeitszeugnisses einschließlich der von der Klägerin verlangten Abschlussklausel mit dem Inhalt „Für die weitere berufliche und private Zukunft wünschen wir Frau S1 alles Gute“ verurteilt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, aus dem gerichtlichen Vergleich vom 27.08.2009 und hierin gewählten Formulierung ergebe sich für die Beklagten die Verpflichtung zur Erteilung eines über den durchschnittlichen Bereich hinaus gehenden, gerade wohlwollend mit guter Bewertung zu erteilenden Zeugnisses. Diese sich auf das gesamte Zeugnis erstreckende Verpflichtung beinhalte auch die Aufnahme der von der Klägerin begehrten Abschlussformulierung. Ohne eine entsprechende Abschlussformulierung bestehe die Gefahr, dass ansonsten der Eindruck einer negativen Bewertung verbunden sei. Im Übrigen beschränke sich die von der Klägerin begehrte Abschlussformel – im Gegensatz zu sog. „Bedauernsformeln“ und „Dankesbekundungen“ – auf eine übliche Höflichkeitsbekundung.

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wenden sich die Beklagten gegen ihre Verurteilung, in das Arbeitszeugnis eine entsprechende „Wünscheformel“ aufzunehmen und verweisen insoweit auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.02.2001 (9 AZR 44/00, NZA 2001,843), nach welcher der Arbeitgeber zur Aufnahme derartiger persönlicher Empfindungen in das Arbeitszeugnis nicht verpflichtet sei. Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils handele es sich bei der begehrten Abschlussformulierung nicht um eine bloße Höflichkeitsfloskel. Allein aus deren Fehlen könne danach eine Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Arbeitszeugnisses nicht hergeleitet werden.

Die Beklagten beantragen, das Urteil des ArbG Minden vom 10.02.2011 – 3 Ca 678/10 – wird abgeändert, soweit es die Beklagten verurteilt hat, dem Zeugnis der Klägerin folgende Schlussformel hinzuzufügen: „Für ihre weitere berufliche und private Zukunft wünschen wir Frau S1 alles Gute“

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Siehe auch: Arbeitszeugnis anfechten.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

I. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die Beklagten verpflichtet sind, die von der Klägerin begehrte „Wünscheformel“ in das zu beanspruchende Arbeitszeugnis aufzunehmen.

Wohlwollendes Arbeitszeugnis
Anspruch auf wohlwollendes Arbeitszeugnis mit gewünschter Abschlussformel (Symbolfoto: Orathai Mayoeh/Shutterstock.com)

1. Die Frage, ob das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erteilende qualifizierte Arbeitszeugnis eine sog. Schlussformel zu enthalten hat, welche in der Praxis in verschiedenen Formen – als „Bedauernsformel“, „Dankesformel“ und/oder „Wünscheformel“ anzutreffen ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt (vgl. zuletzt Düwell/Dahl, NZA 2011, 958 mit Überblick über aktuelle Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte). Nach dem Standpunkt des Bundesarbeitsgerichts umfasst der gesetzliche Zeugnisanspruch derartige Schlusssätze nicht, vielmehr handle es sich, sofern der Arbeitgeber tatsächlich derartige Erklärungen in das Arbeitszeugnis aufnehme, um die Äußerung persönlicher Empfindungen, auf welche der Arbeitnehmer keinen Anspruch habe. Demgegenüber umfasst nach der Rechtsprechung des LAG Düsseldorf (Urteil vom 03.11.2010, 12 Sa 974/10, NZA-RR 2011, 123 ff. der Anspruch auf Zeugniserteilung ohne Weiteres auch die Aufnahme einer freundlichen Schlussfloskel zur Wahrung der Höflichkeit; eine solche Höflichkeit sei „Rheinkultur“.

2. Die Entscheidung, inwiefern derartige Schlussformeln im Arbeitsleben als üblicher und damit zu beanspruchender Bestandteil eines qualifizierten Arbeitszeugnisses anzusehen sind oder eine persönliche Gefühlsbekundung des Arbeitgebers darstellen, auf welche kein Rechtsanspruch besteht, stellt keine durch Gesetzesauslegung zu beantwortende abstrakte Fragestellung dar, vielmehr knüpft die Rechtsanwendung an die tatsächliche Feststellung eines diesbezüglichen Sprachgebrauchs und das hiermit verbundene Verständnis im Rechtsverkehr an (zutr. Düwell/Dahl, a.a.O.). Besteht nach dem Vortrag der Parteien hierüber Streit, so ist das Vorliegen eines entsprechenden „allgemeinen Sprachgebrauchs“, sofern dieser nicht allgemeinkundig ist, vom Gericht festzustellen (Zöller/Greger, 23. Aufl., § 286 ZPO Rn 11; vgl. LAG Hamm, Urt. v. 18.04.2002, 8 Sa 1164/01 zur Feststellung des Bedeutungsgehalts der Bezeichnung „Weihnachtsgeld“). Maßgeblich ist danach nicht, ob der Arbeitgeber, welcher sich zur Aufnahme einer Schlussformel in das Arbeitszeugnis entschließt, hiermit seine persönlichen Gefühle zum Ausdruck bringen will, vielmehr kommt es entscheidend darauf an, wie der Rechtsverkehr unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens derartige Äußerungen – und auch deren Fehlen – aufnimmt.

3. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits bedarf es indessen einer solchen Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht nicht. Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses mit der begehrten Schlussformel hier nicht allein auf die gesetzliche Vorschrift des § 630 BGB gestützt ist, vielmehr haben sich die Beklagten durch den gerichtlichen Vergleich vom 27.08.2009 mit der Formulierung, das zu erteilende Arbeitszeugnis solle dem weiteren und beruflichen Werdegang der Klägerin „förderlich sein“, zu einer Form der Zeugniserteilung verpflichtet, welche über den gesetzlichen Anspruch auf Zeugniserteilung hinausgeht.

a) Auch wenn die gesetzliche Regelung keine Angaben zum Inhalt des Arbeitszeugnisses enthält, entspricht es allgemeiner Auffassung, dass das gesetzlich zu beanspruchende Arbeitszeugnis wahrheitsgemäß und wohlwollend abgefasst werden muss. Soweit sich ein gerichtlicher Vergleich auf die Formulierung beschränkt, der Arbeitgeber verpflichte sich zur Erteilung eines qualifizierten und wohlwollenden Arbeitszeugnisses, umschreibt dies allein den gesetzlichen Zeugnisanspruch. Demgegenüber werden in der arbeitsgerichtlichen Praxis – zumeist im Zuge eines Kündigungsrechtsstreits – bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nicht selten zusätzliche Formulierungen über die Abfassung des Arbeitszeugnisses aufgenommen, welche nicht allein einen Streit um die Leistungsbewertung ausschließen, sondern gerade auch das mitunter schwierige Verhältnis von „Zeugniswahrheit“ und „Wohlwollen“ konkretisieren sollen. Hat der Arbeitgeber etwa die Kündigung auf den Vorwurf schwerwiegender Vertragsverletzungen gestützt und einigen sich die Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ohne dass die Berechtigung der erhobenen Vorwürfe ausgeräumt ist, so wird der Arbeitnehmer, um künftigem Streit um die Abfassung des Arbeitszeugnisses vorzubeugen, u. U. Wert auf die Klarstellung legen, dass die erhobenen Vorwürfe nicht nur „unerwähnt“, sondern „unberücksichtigt“ bleiben. Betrifft der Kündigungsrechtstreit das Arbeitsverhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers, so werden – wie die Praxis zeigt – allein mit der vergleichsweise vereinbarten Verpflichtung zur Erteilung eines „wohlwollenden“ Arbeitszeugnisses weitere Auseinandersetzungen über den Inhalt des Arbeitszeugnisses nicht immer vermieden. Wird aus diesem Grunde in den gerichtlichen Vergleich die zusätzliche Formulierung aufgenommen, dass das zu erteilende Arbeitszeugnis dem weiteren beruflichen Werdegang „förderlich“ ist, so kommt hierin das Anliegen zum Ausdruck, das Zeugnis so zu formulieren, dass bei dessen Vorlage im Zuge einer Bewerbung dem Zeugnisleser ein zweifelsfrei positiver Eindruck vermittelt wird.

b) Auch wenn man also der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darin folgen will, dass der gesetzliche Zeugnisanspruch die Aufnahme einer derartigen „Abschlussformel“ nicht umfasst, weil es sich nach dem subjektiven Verständnis des Arbeitgebers oder auch den Anschauungen des Rechtsverkehrs um persönliche Gefühlsbekundungen handle, ist nicht zweifelhaft, dass sich der Arbeitgeber vertraglich zur Aufnahme derartiger persönlicher Empfindungen in das zu erteilende Arbeitszeugnis wirksam verpflichten kann. Hat sich der Arbeitgeber also zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, welches das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmer fördern soll, gehören zum Zeugnisinhalt jedenfalls solche im Arbeitsleben verbreitete Formulierungen, deren Fehlen im Rechtsverkehr als auffällig angesehen wird.

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze mag zweifelhaft erscheinen, ob der Arbeitnehmer aus der im gerichtlichen Vergleich enthaltenen Formulierung einen Anspruch darauf herleiten kann, dass der Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedauert und dem Arbeitnehmer persönlichen Dank ausspricht. Demgegenüber geht es mit der hier begehrten „Wünscheformel“ allein darum, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht grußlos aus dem Arbeitsverhältnis entlässt. So wie sich Kaufmann und Kunde im Einzelhandelsgeschäft, gleich ob es zum Kauf gekommen ist, mit einer üblichen Grußformel verabschieden, und selbst der Polizist dem Kraftfahrer trotz Erteilung eines Strafmandats aus Gründen der Höflichkeit weiterhin „gute Fahrt“ wünscht, gilt das Fehlen jedweden Abschiedsgrußes im zwischenmenschlichen Umgang zumindest als Nachlässigkeit oder gar Unhöflichkeit. Auch wenn die Erteilung eines Arbeitszeugnisses – erst recht im Anschluss an eine gerichtliche Auseinandersetzung – sich nicht unmittelbar dem zwischenmenschlichen Umgang zuordnen lässt und aus diesem Grunde Bedenken gegen die Annahme bestehen, der Arbeitgeber sei kraft Gesetzes verpflichtet, das Ausscheiden des Arbeitnehmers ausdrücklich zu bedauern, bleibt doch zu beachten, dass die Klägerin hier allein eine Abschlussformel mit guten Wünschen für die Zukunft begehrt. Selbst wenn der gesetzliche Zeugnisanspruch nicht einmal eine solche Höflichkeitsbekundung umfassen sollte, haben sich die Beklagten jedenfalls durch den Abschluss des gerichtlichen Vergleichs hierzu verpflichtet. Ein Zeugnis ohne Abschlussformel mit Wünschen für die Zukunft mag als vollständig, wahrheitsgemäß und womöglich auch noch als wohlwollend angesehen werden; dem Anspruch, dem beruflichen Werdegang förderlich zu sein, kann hingegen ein Zeugnis nicht genügen, welches dem Leser Anlass zum Nachdenken gibt, aus welchem Grunde der Arbeitnehmer mit dem erteilten Zeugnis gleichsam grußlos aus dem Arbeitsverhältnis verabschiedet wird.

II. Die Kosten der erfolglosen Berufung haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

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