BUNDESGERICHTSHOF
Az.: VIII ZR 219/04
Urteil vom 22.02.2006
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Blankenese, Az.: 518 C 285/03, Urteil vom 02.02.04
LG Hamburg, Az.: 307 S 52/04, Urteil vom 01.07.2004
Leitsätze:
Entsprach es bei Abschluss des Mietvertrages der übereinstimmenden Vorstellung der Vertragsparteien, dass in der mit einer bestimmten Quadratmeterzahl angegebenen Wohnfläche die Dachterrasse der vermieteten Penthousewohnung zu einem nicht näher bestimmten, nicht unerheblichen Anteil enthalten ist, so kann der Mieter nicht im Nachhinein geltend machen, die vereinbarte Wohnfläche sei um mehr als 10 % unterschritten, weil die Terrassenfläche nach gesetzlichen Bestimmungen nur mit einem Bruchteil von weniger als der Hälfte – des gesetzlichen Maximalwerts – als Wohnfläche anzurechnen sei.
In dem Rechtsstreit hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2006 für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Hamburg vom 1. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger sind Vermieter, der Beklagte ist Mieter einer Wohnung in H. . Die monatliche Miete beträgt 1.835,54 € einschließlich Vorauszahlungen auf die Betriebskosten. In § 1 Nr. 1 des Mietvertrages vom 23./28. Juni 2001 heißt es:
„Die Wohnfläche beträgt ca. 149 m2. Wie besehen“.
Die Wohnung befindet sich im obersten Stockwerk eines Mehrfamilienhauses und besteht aus drei Räumen, die einschließlich der Nebenräume eine Fläche von 110,58 m2 aufweisen. Zu der Wohnung gehört ferner eine Dachterrasse mit einer reinen Grundfläche von 64,81 m2. Ein Grundriss, aus dem die Größe der drei Zimmer sowie der Küche mit insgesamt 85 m2 ersichtlich ist, und ein entsprechendes Exposé wurden dem Beklagten vor Abschluss des Mietvertrages zur Verfügung gestellt. Der Beklagte entrichtete für die Monate Juli und August 2003 keine Miete. Zur Begründung gab er an, die Terrassenfläche könne höchstens mit einem Viertel auf die Wohnfläche angerechnet werden, so dass sich eine tatsächliche Größe der Wohnung von allenfalls 126,78 m2 ergäbe.
Damit ständen ihm Rückforderungsansprüche jedenfalls in Höhe der einbehaltenen Mieten zu, mit denen er die Aufrechnung erkläre. Mit Schreiben vom 18. August 2003 kündigten die Kläger das Mietverhältnis fristlos wegen der ihrer Ansicht nach eingetretenen Zahlungsrückstände. Der Beklagte zahlte auch für den Monat September 2003 keine Miete.
Mit der Klage haben die Kläger Räumung und Herausgabe der von dem Beklagten gemieteten Wohnung verlangt. Ferner haben sie Zahlung der Miete für die Zeit von Juli bis September 2003 begehrt sowie eine sich aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2001 ergebende Nachforderung in Höhe von 437,59 €, mithin insgesamt einen Betrag von 5.944,21 € nebst Zinsen (rechnerisch richtig: 5.944,18 €).
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie zur Zahlung der rückständigen Miete in Höhe von insgesamt 5.506,59 € und Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landgericht unter Gewährung einer weiteren Räumungsfrist zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:
Die Kläger hätten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Ihnen stehe auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch auf rückständige Mieten zu. Der Beklagte könne nicht mit Gegenforderungen wegen überzahlter Mieten aufrechnen, denn die von ihm geltend gemachte Flächenabweichung der Wohnung stelle keinen Fehler im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB
dar. Die tatsächliche Wohnungsgröße bleibe nicht hinter der im Mietvertrag getroffenen Vereinbarung zurück. Die Parteien hätten eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, nach der die drei Wohnräume sowie die Küche der Wohnung eine Gesamtfläche von 85 m2 hätten. Auszugehen sei dabei von dem Grundriss der Wohnung im Exposé, welches Grundlage für den Abschluss des Mietvertrages durch den Beklagten gewesen sei. Dort seien die drei Zimmer der Wohnung sowie die Küche zutreffend mit ihrer jeweiligen Größe ausgewiesen. Für diese vier Räume, die den Schwerpunkt der eigentlichen Wohnung, nämlich der umbauten angemieteten Wohnfläche, ausmachten, ergebe sich eine Gesamtfläche von 85 m2. Das decke sich mit der tatsächlichen Fläche dieses „Kernbereichs“ von 85,36 m2. Die vom Beklagten geltend gemachte Abweichung beruhe lediglich auf einer normativen Bewertung der Terrassengröße, deren tatsächliche Grundfläche zusammen mit der Fläche des umbauten Wohnraumes den Angaben im Mietvertrag entspreche. Es könne offen bleiben, ob in entsprechender Anwendung von § 44 Abs. 2 der II. BerechnungsVO die Fläche der Dachterrasse mit deren Hälfte anzusetzen sei und damit die Wesentlichkeitsgrenze von 10 %, die zur Minderung berechtige, nicht überschritten werde.
Zwar sei dies mehr als nahe liegend aufgrund der guten Wohnlage in einem sehr bevorzugten Stadtteil und des großzügigen Zuschnitts der von drei Räumen aus zugänglichen Terrasse mit Südwestausrichtung. Letztlich könne diese Bewertung aber dahinstehen, da sie – anders als bei tatsächlichen Flächenabweichungen – keinen Fehler im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB begründen könne.
Denn eine Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit, die sich allein aus einer unterschiedlichen normativen Bewertung ergebe, könne nicht mit einer tatsächlichen Flächendifferenz gleichgesetzt werden. Schließlich habe sich der Beklagte auch im Zahlungsverzug befunden; die Voraussetzungen für ein ausnahmsweise fehlendes Verschulden habe der Beklagte nicht dargetan.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Kläger auf Zahlung von Mietrückständen in Höhe von 5.506,59 € nebst Zinsen bejaht sowie die deshalb erklärte fristlose Kündigung des Mietverhältnisses für berechtigt angesehen. Die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Rückforderungsansprüche wegen angeblich zuviel gezahlter Miete bestehen nicht.
1.
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Miete nicht wegen einer zu geringen Fläche der angemieteten Wohnung gemindert. Ein zur Minderung der Miete berechtigender Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn die gemietete Wohnung eine Wohnfläche aufweist, die mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt (Senat, Urteile vom 24. März 2004 – VIII ZR 295/03, NJW 2004, 1947; VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230; VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268). Dies ist hier nicht der Fall.
2.
Zur Größe der Wohnung ist in § 1 Nr. 1 des Mietvertrages vereinbart:
„Die Wohnfläche beträgt ca. 149 m2. Wie besehen“. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Begriff der „Wohnfläche“ auslegungsbedürftig ist (vgl. Senat, Urteil vom 24. März 2004 – VIII ZR 44/03, aaO unter II 1 b). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte die tatsächliche Größe aller Zimmer und der Küche vor der Anmietung kannte und zudem einen Grundriss der gesamten Wohnung besaß, hat das Berufungsgericht ein bestimmtes Verständnis der Parteien hinsichtlich des Begriffes der Wohnfläche angenommen. Danach entspricht die vereinbarte Fläche im Ergebnis der tatsächlichen Wohnungsgröße. Der Beklagte wusste nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vor Abschluss des Mietvertrages, dass die Grundfläche aller drei Zimmer und der Küche zusammen 85 m2 ausmacht.
Zwar war ihm die genaue Größe der Nebenräume wie Bäder, Diele und Flur nicht bekannt. Angesichts des Grundrisses, der die Größenverhältnisse der einzelnen Räume zutreffend wiedergibt, ist die Fläche dieser Nebenräume – wie allgemein üblich – aber eher gering. Die Parteien sind damit ersichtlich davon ausgegangen, dass die vereinbarte Wohnungsgröße von 149 m2 nicht allein den umbauten Raum von 85 m2 (sämtliche Zimmer und Küche) sowie die Nebenräume betrifft. Vielmehr umfasst die vereinbarte Größe von vornherein einen gewissen, nicht unerheblichen Anteil der maßstabsgetreu dargestellten Grundfläche der sehr großen Terrasse, da sonst die Größe von 149 m2 – für beide Parteien erkennbar – nicht annähernd hätte erreicht werden können. Dass die Parteien im Mietvertrag weder die genaue Größe der Terrasse angegeben noch einen Bruchteil festgelegt haben, zu dem die Terrassenfläche als Wohnfläche anzurechnen sein soll, ist unerheblich. Sie sind, wie den Ausführungen des Berufungsgerichts zu entnehmen ist, von einer Berücksichtigung der Terrassengröße bei der Bestimmung der Wohnfläche zu einem solchen Anteil ausgegangen, dass zusammen mit dem umbauten Raum eine Wohnungsgröße von 149 m2 erreicht werden sollte. Damit entspricht die vereinbarte Wohnungsgröße der tatsächlichen Wohnfläche.
3.
Diese Auslegung im angefochtenen Urteil ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat weder gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt, noch wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2004 – XI ZR 366/03, WM 2005, 339 = NJW-RR 2005, 581 unter II 2 a bb (2) m.w.Nachw.). Soweit die Revision meint, die tatsächliche Größe der Dachterrasse könne nach den Vorschriften der §§ 42-44 der II. BerechnungsVO nur mit weniger als der Hälfte ihrer Fläche angerechnet werden, so dass die Wohnfläche insgesamt deutlich kleiner als 149 m2 sei, hat sie hiermit keinen Erfolg. Die Parteien haben – wie ausgeführt – eine andere Berechnungsweise zur Ermittlung der Wohnfläche gewählt, so dass die Bestimmung des § 44 Abs. 2 der II. BerechnungsVO, nach der die Grundflächen von Dachgärten oder gedeckten Terrassen, die ausschließlich zu dem Wohnraum gehören, zur Ermittlung der Wohnfläche bis zur Hälfte angerechnet werden können, hier nicht maßgeblich ist.
4.
Auf die vom Berufungsgericht als grundsätzlich klärungsbedürftig im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO angesehene Frage, welche Bedeutung eine „normative Abweichung“ der Wohnfläche für den Mangelbegriff des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB hat, kommt es nach alledem nicht mehr an.