LG Gießen, Az.: 3 O 476/13, Urteil vom 28.03.2014
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten als Gebäudeversicherung die restliche Regulierung eines Wasserschadens.
Der Kläger ist Eigentümer des bei der Beklagten versicherten Wohnhauses in der … . Die mit der Beklagten abgeschlossene Gebäudeversicherung umfasst unter anderem Versicherungsschutz für Wasserleitungsschäden.
Am 09.06.2013 befüllte der Kläger seine im Dachgeschoss des Hauses gelegene Heizungsanlage mit Wasser. Hierzu stellte der Kläger über einen Schlauch eine Verbindung zwischen einem Anschluss an der Heizungsanlage und einer Wasserzulaufleitung her. Beide Anschlüsse verfügten über ein Ventil, das jeweils durch eine 90°Drehung des Kugelhahns geöffnet bzw. verschlossen werden konnte. Als es während des Füllvorganges am frühen Nachmittag an der Haustüre klingelte, unterbrach der Kläger die Befüllung und schloss das Ventil an dem Boiler der Heizungsanlage, wohingegen das Ventil am Wasserzulauf geöffnet blieb und die Schlauchverbindung unter Druck stand. In der etwa 20 bis 30 minütigen Abwesenheit des Klägers löste sich der Schlauch an der Zapfstelle der Wasserzuleitung. Das austretende Wasser drang durch die Geschossdecken bis in das Erdgeschoss. Als der Kläger dies bemerkte, kehrte er auf das Dachgeschoss zurück und verschloss das Ventil des Wasserzulaufes.
Infolge des Wasseraustrittes entstand an dem Gebäude ein Wasserschaden in Höhe von 25.436,46 Euro. Mit Rechnung der … vom 22.07.2013 sowie mit Abschlussrechnung der … vom 10.03.2014 wurden dem Kläger weitere Beträge in Höhe von 366,90 Euro sowie in Höhe von 36,50 Euro in Rechnung gestellt. Die Beklagte erklärte sich bereit, den entstandenen Schaden zu 50 % regulieren zu wollen, wobei die konkrete Höhe der von der Beklagten bislang geleisteten Zahlungen zwischen den Parteien streitig ist. Eine darüber hinausgehende Regulierung lehnte die Beklagt ab.
Der Kläger behauptet, dass der Schlauch über eine Schlauchschelle gesichert gewesen sei. Darüber hinaus habe die Beklagte bislang lediglich einen Betrag in Höhe von 11.955,81 Euro gezahlt.
Seine im Hinblick auf die Schlussrechnung der … zunächst um 36,50 Euro erweiterte Klage hat der Kläger in Höhe von 18,25 Euro wieder zurückgenommen.
Vor diesem Hintergrund beantragt der Kläger nunmehr,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 12.324,71 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.10.2013 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 18,25 Euro zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Rechtsanwaltskosten für die Inanspruchnahme der Anwaltskanzlei … , in Höhe von 958,19 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, auch die Rechnung der … hälftig beglichen zu haben. Darüber hinaus vertritt die Beklagte unter Hinweis auf das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Sachverständigen … vom 18.07.2013 (Bl. 67 ff. d. A.) die Auffassung, zu einer Kürzung der Versicherungsleistung in Höhe von 50 % berechtigt zu sein.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Begleichung des durch das austretende Wasser entstandenen bislang nicht regulierten Gebäudeschadens.
Die Beklagte war gemäß § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, ihre Versicherungsleistung in Höhe von 50 % zu kürzen. Die Eintrittspflicht der Beklagten für das streitgegenständliche Schadensereignis über die bisher erbrachten Versicherungsleistungen hinaus ist wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles ausgeschlossen.
Von einer groben Fahrlässigkeit in diesem Sinne ist hierbei auszugehen, wenn und soweit der Versicherungsnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei ist erforderlich, dass der Versicherungsnehmer erkannt hat oder jedenfalls hätte erkennen müssen, dass sein Verhalten oder Unterlassen geeignet ist, den Eintritt eines Versicherungsfalls herbeizuführen, obwohl er über zumutbare Mittel und Möglichkeiten verfügt, das Schadensereignis zu verhindern (vgl. Prölss/Martin, VVG, § 81, Rn. 15 ff.).
Gemessen an diesen Maßstäben war das Verhalten des Klägers sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht grob pflichtwidrig.
Die erhebliche objektive Sorgfaltspflichtverletzung liegt darin begründet, dass der Kläger die von ihm hergestellte Schlauchverbindung zum Befüllen der Heizungsanlage nicht hätte unbeaufsichtigt lassen dürfen, ohne zumindest den Wasserzulauf abzusperren. Wie dem Gutachten des Sachverständigen … zu entnehmen ist, handelt es sich bei der Heizungsanlage des Klägers nicht um eine sog. selbstbefüllende Anlage, die technisch für eine dauerhafte Verbindung zu einer Wasserzuleitung ausgelegt ist. Insofern unterscheidet sich das streitgegenständliche Geschehen wesentlich von den seitens des Klägers in Bezug genommenen Fallgestaltungen, in denen Wasser bestimmungswidrig aus permanenten Anschlüssen von Wasch-oder Spülmaschinen austritt. Im Hinblick auf das versicherte Risiko handelt es sich bei der manuellen Befüllung von Heizungsanlagen und der hierzu erforderlichen Herstellung einer temporären Frischwasserverbindung vielmehr um einen grundsätzlich gefahrgeneigten Betriebsvorgang, den der Kläger hätte überwachen müssen. Insbesondere entspricht es allgemeiner Lebenserfahrung, dass eine unter Druck belassene (Schlauch-) Leitung bersten oder sich – wie hier – die jeweiligen (Quetsch-) Verbindungen lösen können. Dies gilt unabhängig von dem Umstand, dass der verwendete Schlauch möglicherweise zusätzlich durch eine Schelle gesichert war und von einem Heizungsfachmann erworben wurde. Das Zusperren der Wasserzuleitung zur Entlastung eines Schlauches stellt eine allgemeingültige ohne Weiteres auf der Hand liegende Sicherheitsvorkehrung dar, die der Kläger jedoch außer Acht gelassen hat. Hierbei kommt – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – nicht zuletzt auch zum Tragen, dass die zudem räumlich nicht weit voneinander entfernt liegenden Anschlüsse bereits durch eine Vierteldrehung des Kugelhahnes binnen weniger Sekunden vollständig hätten geschlossen werden können. Das von dem Kläger zu erwartende sorgfaltsgerechte Verhalten hätte ihm daher weder zeitlich noch technisch eine nennenswerte Mühe bereitet.
Der darin begründete objektive Sorgfaltspflichtverstoß ist dem Kläger auch subjektiv vorwerfbar. Der Kläger hätte wissen können und müssen, dass allein das Zudrehen des Ventils an der Heizungsanlage nicht ausreicht, um der durch den unter Druck stehenden Schlauch hervorgerufenen Gefahr eines ungewollten und unkontrollierten Wasseraustrittes zu begegnen.
Der die Beklagte zur Leistungskürzung berechtigende Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Augenblicksversagens. Eine solche, den Sorgfaltspflichtverstoß situativ entschuldbare Nachlässigkeit ist nur dann geeignet, die Schwere der Pflichtwidrigkeit auf ein Niveau unterhalb der Schwelle zur groben Fahrlässigkeit abzusenken, wenn weitere Umstände hinzutreten, welche die kurzfristige Nachlässigkeit bei wertender Betrachtung in einem milderen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH, U.v. 08.07.1992 – IV ZR 223/91). Diese Voraussetzungen liegen in der hier zu beurteilenden Situation indes nicht vor. Der Kläger war zu dem Zeitpunkt, zu welchem er die unter Druck stehende Schlauchverbindung unbeaufsichtigt ließ, keiner ungewöhnlichen Stresssituation ausgesetzt, die das unterlassene Absperren der Wasserzuleitung hätte rechtfertigen können. Insbesondere konnte der Kläger in diesem Moment nicht wissen, dass es sich bei der an der Haustüre läutenden Person um seine Tochter handelt. Gegen eine relevante Ablenkung spricht auch der Umstand, dass der Kläger immerhin die Geistesgegenwärtigkeit besessen hat, zumindest den Anschluss an der Heizungsanlage zu schließen. Es ist darüber hinaus auch weder ersichtlich noch überhaupt vorgetragen, weshalb es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, seine weinende, um Rat suchende Tochter zumindest für einen kurzen Augenblick zu verlassen, um das Wasserzulaufventil zu schließen.
Die seitens der Beklagten vorgenommene Kürzung um 50 % hält das Gericht vor dem Hintergrund der zum Schadensfall beitragenden Gesamtumstände – auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger nach dem Öffnen der Haustüre zu bewältigenden familiären Situation – für angemessen.
Soweit der Kläger im Rahmen der Klageschrift behauptet, die Beklagte habe nur Zahlungen in einer Gesamthöhe von 11.955,81 Euro erbracht, hält das Gericht das darin liegende Bestreiten, auf die Rechnung der … eine weitere Zahlung der Beklagten in Höhe von 184,45 Euro erhalten zu haben, für unbeachtlich. Der Kläger ist dem qualifizierten Vorbringen der Beklagten, auch diese Rechnung hälftig beglichen, die Zahlung in ihre Kostenübersicht eingestellt und den Kläger bzw. den Versicherungsmakler mit Schreiben vom 27.08.2013 über die Zahlung informiert zu haben, nicht näher entgegengetreten.
Aus den vorgenannten Gründen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 18,25 Euro auf die Schlussrechnung der –vom 10.03.2014. Soweit die Beklagte möglicherweise zu einer hälftigen Zahlung des sich aus der Schlussrechnung ergebenden Saldos verpflichtet war, war hierüber nicht zu befinden, da der Kläger seine Klage insoweit zurückgenommen hat.
Mangels eines berechtigten Zahlungsanspruches kann der Kläger von der Beklagten auch keinen Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und – soweit die Klage teilweise zurückgenommen wurde – auf § 269 ZPO (analog). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.