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Wohngebäudeversicherung – Nachweis des Eintrittszeitpunkts eines Leitungswasserschadens

LG Flensburg – Az.: 4 O 103/14 – Urteil vom 16.06.2014

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Zahlungen aus einer Wohngebäudeversicherung.

Der Kläger unterhält bei dem Beklagten eine verbundene Wohngebäudeversicherungsversicherung mit Versicherungsbeginn 02.01.2013. Zu den versicherten Gefahren zählen Leitungswasserschäden. Einbezogen in den Versicherungsvertrag waren die VGB 2008. In § 3 Nr. 3 VGB 2008 ist geregelt, dass der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen leistet, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen.

Am 21. August 2013 platzte im 2. Obergeschoss des versicherten Mehrfamilienhauses ein zu einem Heizkessel führendes Wasserrohr, wodurch Leitungswasser in die darunter liegenden Räumlichkeiten drang. Ursache war, dass das Rohr des Vorlaufs der Heizungsanlage leckte und auf die Anschlussstelle des Rohres zum Heizkessel tropfte, wodurch dieses korrodierte und letztlich platzte. Der Kläger meldete dem Beklagten den Schadensfall am 22.08.2013. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 20.09.2013 eine Schadensregulierung ab, weil das schadensverursachende Ereignis, nämlich die Leckage in der Vorlaufleitung der Heiztherme, schon vor Beginn des Versicherungsverhältnisses eingetreten sei.

Der Kläger wandte sich daraufhin an seinen Vorversicherer, die P. , die jedoch gleichfalls eine Entschädigung ablehnte.

Wohngebäudeversicherung - Nachweis des Eintrittszeitpunkts eines Leitungswasserschadens
Symbolfoto: Von Monkey Business Images /Shutterstock.com

Der Kläger trägt vor, dass für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht mehr die „Theorie des ersten Tropfens“ gelte, sondern maßgebend sei, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis von dem Leitungswasserschaden erlangt habe. Den Schadenseintritt habe der Kläger aber erst am 21.08.2013 bemerkt, als bereits der Versicherungsschutz bei dem Beklagten begründet gewesen sei. Durch den Wasseraustritt sei ein Zeitwertschaden am Fußboden, am Deckenputz, an Türzargen entsprechend der Schadensberechnung des Bezirkstaxators W. der P. AG in Höhe von netto 10.650,00 € entstanden.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.650,00 € nebst 4 Prozentpunkten Zinsen seit dem 22.08.2013 sowie zu Händen des Rechtsanwalts H. S., R.-Straße …, … H., 958,19 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass der Versicherungsfall schon vor Beginn des Versicherungsverhältnisses eingetreten sei und es auf die Kenntnis des Klägers vom Schadensfall nicht ankomme.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts nicht bewiesen, dass der Versicherungsfall nach Beginn des Versicherungsverhältnisses am 02.01.2013 eingetreten ist.

In § 3 Nr. 3 VGB 2008 ist der Versicherungsfall für Leitungswasserschäden dahingehend definiert, dass die versicherte Sache durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt worden sein muss. Versichert sind also Schäden durch ausgetretenes Wasser, das sich außerhalb der Wasserrohre befunden hat, wobei zwischen dem so ausgetretenen Wasser und dem letztlich eingetretenen Schaden eine versicherungsrelevante Kausalität im Sinne eines adäquaten Kausalzusammenhangs festzustellen sein muss (Halm/Engelbrecht/Krahe-Wälder Versicherungsrecht Rn. 620).

Das Gericht wertet es als unstreitig, dass eine Leckage in der Vorlaufleitung der Heizungsanlage zu einem Wasseraustritt auf den oberen Anschluss des Warmwasserspeichers geführt hat, wodurch dieses Rohr korrodierte und letztlich platzte. Der bestimmungswidrige Austritt von Leitungswasser liegt somit in dem Wasseraustritt aus der Vorlaufleitung der Heizungsanlage. Dieses ist nach § 3 Nr. 3 VGB 2008 das versicherte Ereignis, sodass der Kläger auch für dieses versicherte Ereignis nachzuweisen hat, dass dieser Wasseraustritt erst nach Versicherungsbeginn mit dem 02.01.2013 eingetreten ist. Insoweit ist der Kläger beweisfällig geblieben. Einen entsprechenden Zeugenbeweis hat der Kläger nicht angetreten. Soweit der Kläger auf Seite 2 seines Schriftsatzes vom 15.04.2014 den Sachverständigenbeweis angetreten hat, bezieht sich dieser Beweisantritt auf die Behauptung, dass erst durch das korrosionsbedingte Platzen des Wasserrohres in erheblichem Umfang Wasser aus dem Leitungswassersystem ausgetreten ist und dadurch den Schaden am Gebäude verursacht hat. Das ist aber nicht die maßgebende Beweisfrage, sodass dieser Beweisantritt ungeeignet ist. Soweit sich der KIäger in seinem weiteren Schriftsatz vom 19. Mai 2014 auf das Zeugnis des Schornsteinfegermeisters A. und die Einholung eines Sachverständigengutachtens für die Behauptung beruft, dass der Leitungswasserschaden erst im August 2013 eingetreten ist und er diesen nicht bereits im Januar 2013 erkennen konnte, ist auch dieser Beweisantritt ungeeignet.  Maßgebend ist nicht die Kenntnis des Klägers von dem Wasseraustritt, sondern allein das objektive Ereignis, dass Wasser bestimmungswidrig ausgetreten ist. Mangels eines weiteren geeigneten Beweisantritts ist der Kläger somit beweisfällig geblieben.

Die Definition des Versicherungsfalles in § 3 Nr. 3 VGB 2008 stellt keine unangemessene Klausel im Sinne des § 307 BGB dar. Der Versicherungsfall ist ein Ereignis, dessen Eintritt notwendige Bedingung der Leistungspflicht des Versicherers ist. Dieses Ereignis kann, muss aber nicht mit dem Eintritt der negativen Folgen zusammenfallen, die letztlich den Bedarf nach der Versicherungsleistung auslösen. Der Versicherungsfall muss deshalb nicht deckungsgleich mit dem Eintritt eines Schadens sein, vielmehr kann es sich um ein vorausgehendes Ereignis handeln, das wegen seiner Nähe zur Entstehung eines Bedarfs als Beginn der Gefahrverwirklichung begriffen werden kann. Der Versicherer kann somit als Versicherungsfall ein Ereignis definieren, das dem Beginn des Eintritts eines Vermögensnachteils vorausgeht. Das Versicherungsvertragsgesetz setzt den Versicherungsfall nicht mit dem Eintritt des Schadens gleich, sodass nicht jede Vorverlagerung des Versicherungsfalles eine Abweichung von dispositiven Vorschriften im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB bedeutet (Prölls/Martin § 1 VVG Rn. 103, 108). Von diesen Gestaltungsmöglichkeiten hat der Beklagte Gebrauch gemacht und den Versicherungsfall als Beschädigung der versicherten Sache durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser definiert. Von diesem Ansatz geht auch der Kläger aus, wenn er auf Seite 4 unten der Klageschrift darlegt, dass für den Eintritt des Versicherungsfalles der Beginn der Einwirkung auf eine versicherte Sache maßgebend ist und er auf Seite 5 oben der Klageschrift feststellt, dass unmaßgeblich ist, wann die Korrosion des Rohres begann, es vielmehr entscheidend darauf ankommt, wann Leitungswasser ausgetreten ist. Der Austritt des Leitungswassers war aber mit der Leckage in der Vorlaufleitung der Heizung gegeben, da dort bereits Wasser aus dem Wasserrohr bestimmungswidrig ausgetreten ist. Dass diese Leckage noch zu keinem gravierenden Schaden geführt hat, sondern erst die Korrosion der weiteren Leitung aufgrund des austretenden Wassers aus der Vorlaufleitung zum Platzen dieses weiteren Rohres geführt hat, ist dann eine kausale Folge, die dann den vom Kläger festgestellten Schadenseintritt bewirkt hat.

Die Beweisschwierigkeiten des Klägers hinsichtlich des Zeitpunktes des ausgetretenen Wassers aus der Vorlaufleitung der Heizung vermögen nach Auffassung der Kammer weder eine Unangemessenheit der Klausel in § 3 Nr. 3 VGB 2008 nach § 307 BGB noch eine Auslegung dahingehend zu begründen, dass der Versicherungsfall mit dem Schadensfall deckungsgleich sein muss oder jedenfalls die Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Schadenseintritt erforderlich ist. Der Wortlaut in § 3 Nr. 3 VGB 2008 beinhaltet keine Anknüpfungspunkte für eine einschränkende Auslegung. Der Versicherungsfall ist ein objektives Ereignis, dessen Eintritt jedenfalls hinreichende Bedingung für die Leistungspflicht des Versicherers ist. Nach der allgemein gültigen Definition ist eine Abhängigkeit dieses Ereignisses von der Kenntnis des Schadenseintritts durch den Versicherungsnehmer nicht Tatbestandsvoraussetzung (vergl. Prölss-Martin § 1 VVG Rn. 103) und stünde auch mit der weiteren Systematik des Versicherungsvertragsrechts nicht in Einklang. Die Rückwärtsversicherung nach § 2 VVG ermöglicht gerade, einen Versicherungsschutz vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu eröffnen, wobei in § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG einschränkend bestimmt wird, dass eine Leistungspflicht des Versicherers nicht besteht, wenn der Versicherungsnehmer bei Abgabe seiner Vertragserklärung Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls hatte. Bei der von dem Kläger erstrebten kenntnisabhängigen Definition des Versicherungsfalls soll diese Systematik der Rückwärtsversicherung auf die generelle Definition des Versicherungsfalles übertragen werden, wodurch das Institut der Rückwärtsversicherung leerliefe. Folglich ist die vom Kläger erstrebte Definition des Versicherungsfalles in Abhängigkeit einer Kenntnis des Schadensfalles mit der Systematik des Versicherungsvertragsrechts nicht in Einklang zu bringen.

Über die Definition des Versicherungsfalles lassen sich die Beweisschwierigkeiten des Klägers nicht kompensieren. Soweit in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Regelung für Fälle alternativer Kausalität im Rahmen des Deliktsrechts existiert, ist dieser dort normierte Rechtsgedanke auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar, da in der dortigen Regelung jedenfalls eine Gefährdungshandlung der mehreren Beteiligten für den Schadenseintritt erforderlich ist, woran es vorliegend mangelt, da keinerlei Verantwortlichkeit und Kontrollmöglichkeit des Beklagten für die schadhafte Wasserleitung bestand. Die Beweisnot des Klägers allein rechtfertigt keine Beweiserleichterung aus § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Kammer folgt damit der in Literatur und Rechtsprechung (Halm/Engelbrecht/Krahe-Wälder Versicherungsrecht Rn. 620; OLG Celle RuS 2012, 493) vertretenen Auffassung zur Definition des Versicherungsfalls und zur Wirksamkeit der Klausel in § 3 VGB 2008. Soweit der Kläger unter Hinweis auf eine vom Klägervertreter besuchte Fortbildungsveranstaltung auf eine angekündigte Änderung der Rechtsprechung im Sinne seiner Auffassung abstellt, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Es fehlt einerseits an der Darlegung einer dogmatisch tragfähigen Grundlage für diese Ansicht im Anwendungsbereich der VGB 2008, da der zur Auslegung herangezogene § 19 VGB 1988 nicht in die VGB 2008 übernommen wurde. Andererseits steht diese Ansicht – wie ausgeführt – auch nicht in Einklang mit bestimmten Regelungen des VVG.

Ein vertraglicher Leistungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten besteht somit nicht. Diese für den Kläger aus der vorliegenden Beweisnot sich ergebende unbefriedigende Situation ließe sich nur durch eine Absprache der beteiligen Versicherer ausgleichen, vermag aber eine Abhilfe auf dogmatischer Ebene durch Definition des Versicherungsfalles nicht zu begründen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

 

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