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Wohngebäudeversicherung – Kontrollen in der kalten Jahreszeit

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: IV ZR 233/06

Urteil vom 25.06.2008

Vorinstanzen:

LG Stade, Az.: 3 O 9/04, Entscheidung vom 29.11.2005

OLG Celle, Az.: 8 U 197/05, Entscheidung vom 03.08.2006


Leitsatz:

Zu den Anforderungen an eine „genügend häufige“ Kontrolle der Beheizung des versicherten Wohngebäudes in der kalten Jahreszeit.


In dem Rechtsstreit hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2008 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 3. August 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, der für sein Haus in W. bei der Beklagten seit 1991 eine Wohngebäudeversicherung hält, welcher Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88) zugrunde liegen, fordert Versicherungsleistungen nach einem Frostbruch von Heizungsrohren und einem dadurch bedingten, durch ausgelaufenes Heizungswasser verursachten Leitungswasserschaden.

Das versicherte Objekt war bis Oktober 1998 durchgehend vermietet, wurde sodann renoviert und ab August 1999 erst zum Verkauf, ab Ende des Jahres 2000 wieder zur Vermietung angeboten. Eine Vermietung fand in der Folgezeit nicht statt. Stattdessen wurde das Haus zeitweise in unregelmäßigen Abständen vom Kläger selbst oder dessen Freunden und Bekannten genutzt, teilweise nur für wenige Tage in einem Zeitraum von zwei Monaten.

Zu einem nicht genau ermittelbaren Zeitpunkt während der Frostperiode vom 31. Dezember 2002 bis 11. Januar 2003, bei der die Temperaturen auf bis zu minus 14 Grad Celsius absanken, fiel die Warmwasserheizung des zu dieser Zeit nicht bewohnten Hauses aus. Am Samstag, dem 11. Januar 2003, wurden gegen 14.30 Uhr der darauf beruhende Frostbruch von Heizungswasserrohren sowie der Wasserschaden entdeckt. Letztmalig war das Haus von einem Familienangehörigen des Klägers am Montag, dem 30. Dezember 2002, kontrolliert worden.

Die Beklagte hält sich unter anderem deshalb für leistungsfrei, weil der Kläger die Obliegenheiten aus § 11 Nr. 1 lit. c und d VGB 88 verletzt habe. Nach diesen Klauseln hat der Versicherungsnehmer

„c) nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten;

d) … in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren oder dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten.“

Die Beklagte meint, angesichts der besonders niedrigen Außentemperaturen habe insbesondere eine genügende Kontrolle der Heizung hier eine zweimalige Überprüfung pro Woche erfordert. Stattdessen sei die Heizung elf Tage lang nicht kontrolliert worden.

Das Landgericht hat die Eintrittspflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt und sie zu einer Vorschusszahlung von 32.012,17 € verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen

Urteils.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob das versicherte Haus bei Eintritt des Versicherungsfalls „nicht genutzt“ im Sinne des § 11 Nr. 1 lit. c VGB 88 war. Es ist also nicht davon ausgegangen, dem Kläger habe es nach dieser Klausel oblegen, sämtliche Wasserleitungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Vielmehr hat es einen zur Leistungsfreiheit des Versicherers führenden Verstoß gegen § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88 angenommen, weil der Kläger die Beheizung des Hauses nicht genügend häufig kontrolliert habe. Nach dem ohne weiteres erkennbaren Zweck dieser Sicherheitsvorschrift sei eine Kontrolldichte geboten und zumutbar gewesen, die auch bei Ausfall der Heizung einen Frostschaden möglichst vermieden hätte. Angesichts der besonderen Witterungsverhältnisse sei hier zumindest zweimal wöchentlich zu kontrollieren gewesen („halbwöchige Kontrolle“). Denn der vom Landgericht herangezogene Sachverständige habe ausgeführt, dass bei den tiefen Außentemperaturen von bis zu minus 14 Grad Celsius bei Ausfall der Heizung ein Frostschaden an Wasserleitungen binnen 48 Stunden habe eintreten können. Weder der Umstand, dass die Heizung ansonsten zuverlässig gearbeitet habe, noch dass sie auf Stufe 3 (also nicht nur auf Frostschutz) eingestellt gewesen sei, rechtfertigten eine Verlängerung des Kontrollintervalls. Ein – vom Kläger behauptetes – mehrmaliges Nachsehen durch Dritte lediglich von außen habe die Überprüfung der Beheizung im Inneren des Hauses nicht ersetzen können.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an die Kontrolldichte überspannt hat.

1.

Allerdings entspricht es der bisher in Literatur und Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung, dass sich bei der Auslegung der Wendung in § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88, die Beheizung eines Gebäudes „genügend häufig“ zu kontrollieren, das erforderliche Kontrollintervall danach bemessen soll, binnen welcher Frist aufgrund der konkreten Fallumstände, insbesondere der vorherrschenden Außentemperaturen, nach unbemerktem Ausfall der Heizung das versicherte Ereignis eines Frostbruches von Wasserleitungen frühestens hätte eintreten können. Überwiegend

wird insoweit angenommen, die Kontrolldichte werde vom Zweck der Obliegenheit, Frostschäden an wasserführenden Leitungen zu vermeiden, bestimmt. Dementsprechend wird das Kontrollintervall – meist aufgrund einer rückblickenden Bewertung der Fallumstände – so bemessen, dass die Mindestfrist von einem Heizungsausfall bis zur möglichen Schadensentstehung leicht unterschritten wird, so dass eine Kontrolle stets noch rechtzeitig vor Schadenseintritt erfolgt wäre. Bei entsprechend niedrigen Außentemperaturen führt dieser Ansatz dazu, dass eine Kontrolle der Beheizung mehrmals pro Woche zu erfolgen hat, was dem Versicherungsnehmer regelmäßig auch zumutbar sei (vgl. zum Ganzen u.a. HansOLG Bremen VersR 2003, 1569; OLG Frankfurt am Main OLGR 2000, 226; ZfSch 2003, 601 m. Anm. Rixecker S. 602; ZfSch 2006, 33 m. Anm. Rixecker S. 34; OLG Köln r+s 2006, 114; ÖOGH VersR 1985, 556; Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. M I Rdn. 71 und 75; teilweise krit. dazu Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 11 VGB 88 Rdn. 2). Im Ergebnis erwächst dem Versicherungsnehmer daraus die Obliegenheit, durch ausreichend häufige Kontrollen das Einfrieren von Wasserleitungen eines beheizten Hauses gerade auch im Fall eines plötzlichen Heizungsausfalls nach Möglichkeit noch zu verhindern.

2.

Dem folgt der Senat nicht.

Ausgangspunkt für die Bestimmung des Kontrollintervalls ist die Frage, wie ein durchschnittlicher und um Verständnis der Klausel des § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88 bemühter Versicherungsnehmer (vgl. dazu BGHZ 123, 83, 85) die Obliegenheit „… in der kalten Jahreszeit … Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren …“ versteht.

a) Er wird erkennen, dass die Obliegenheit dem Zweck dient, die versicherte Gefahr von Beschädigungen der versicherten Sache durch Kälteeinwirkung – insbesondere Frost – im Interesse des Versicherers zu verringern. Dass ihn diese Verpflichtung „in der kalten Jahreszeit“, also im Winterhalbjahr, trifft, wird er als Hinweis darauf verstehen, dass er zunächst allgemein dazu angehalten werden soll, für die Beheizung des Hauses zu sorgen, und zwar dauerhaft und unabhängig von den konkreten Außentemperaturen. Der Versicherungsnehmer wird die Obliegenheit mithin dahin verstehen, dass er mit der kontinuierlichen Beheizung des Gebäudes einen ausreichenden Beitrag zur Verringerung des versicherten Risikos leistet. Eine darüber hinaus gehende Obliegenheit, den Eintritt des versicherten Ereignisses zu verhindern, kann er der Klausel indes nicht entnehmen. Dass § 11 Nr. 1 lit d VGB 88 dem Versicherungsnehmer alternativ zur Beheizung des Gebäudes („oder“) aufgibt, „alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten“, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Versicherungsnehmer wird dem Zusammenhang der Klausel vielmehr entnehmen, dass er – um der Obliegenheit zu genügen – zu dieser aufwändigen Maßnahme jedenfalls dann greifen muss, wenn er nicht in der Lage ist, die Beheizung des Gebäudes und deren Kontrolle zu gewährleisten.

Auch wenn der Versicherungsnehmer dabei in den Blick nimmt, dass ein Absperren und Entleeren aller Anlagen und Einrichtungen geeignet ist, den Eintritt eines frostbedingten Rohrbruchs oder eines Wasserschadens zu verhindern, folgt daraus für ihn nicht zugleich, dass auch die Anforderungen an die Beheizung und deren Kontrolle sich daran auszurichten hätten, den Eintritt des versicherten Risikos [vollständig] zu vereiteln.

Vielmehr wird der Versicherungsnehmer gerade aus den ihm angebotenen alternativen Maßnahmen folgern, dass letztlich eine ausgewogene Risikoverteilung zwischen ihm und dem Versicherer erreicht werden soll, wobei ihm zunächst aufgegeben wird, das vom Versicherer übernommene Risiko eines Frostschadens dadurch zu verringern, dass er das versicherte Objekt beheizt und das ordnungsgemäße Funktionieren der Heizung in zumutbarer und verkehrsüblicher Weise („genügend häufig“) überwacht.

b) Dem entsprechend bezieht sich auch die in § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88 geregelte Kontrollobliegenheit nach dem – in erster Linie maßgeblichen – Wortlaut der Klausel allein auf die Beheizung des Hauses. Der Versicherungsnehmer muss demnach (lediglich) genügend häufig kontrollieren, ob das Haus beheizt ist.

Entgegen der in Rechtsprechung und Literatur bisher vorherrschenden Meinung muss der durchschnittliche Versicherungsnehmer diese Obliegenheit nicht dahin verstehen, dass den Maßstab für das Kontrollintervall die Überlegung bildet, wie rasch bei ausgefallener Heizung ein Frostschaden eintreten kann (krit. dazu auch Kollhosser aaO).

Denn § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88 hat – wie dargelegt – nicht zum Inhalt, dass es dem Versicherungsnehmer obläge, das versicherte Ereignis „Frostschaden“ selbst nach einem plötzlichen Ausfall der Heizung nach Möglichkeit zu verhindern oder gar sicher auszuschließen.

c) Das jeweils erforderliche Kontrollintervall hat der Tatrichter anhand der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Maßstab für eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung ist dabei nicht der nach einem unterstellten Heizungsausfall im ungünstigsten Falle zu erwartende Zeitablauf bis zum Schadenseintritt, sondern allein die Frage, in welchen Intervallen die jeweils eingesetzte Heizungsanlage nach der Verkehrsanschauung und Lebenserfahrung mit Blick auf ihre Bauart, ihr Alter, ihre Funktionsweise, regelmäßige Wartung, Zuverlässigkeit, Störanfälligkeit und ähnliches (vgl. dazu OLG Celle VersR 1984, 437, 438) kontrolliert werden muss, um ein reibungsloses Funktionieren nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu gewährleisten. Das hat der Tatrichter anhand der Fallumstände notfalls mit sachverständiger Hilfe zu klären. Die lediglich allgemeine Erwägung, dass ungeachtet ihres ansonsten störungsfreien Funktionierens jede Heizung auch trotz ausreichender Wartung und Kontrolle jederzeit aufgrund irgendwelcher Defekte ausfallen kann, hat für die Bestimmung des Kontrollintervalls keine ausschlaggebende Bedeutung. Sie beschreibt vielmehr nur das durch die Versicherungsprämien abgegoltene, beim Versicherer verbleibende Restrisiko.

3.

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Maßstäbe kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger auch bei einem kontrollfreien Zeitraum von elf Tagen die Obliegenheit zur „genügend häufigen“ Kontrolle der Beheizung des versicherten Gebäudes nicht verletzt hat.

4.

Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht deshalb als im Ergebnis richtig, weil der Kläger die Obliegenheit aus § 11 Nr. 1 lit. c VGB 88 verletzt hätte. Denn entgegen der Revisionserwiderung kann nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass das Haus des Klägers ein nicht genutztes Gebäude im Sinne dieser Klausel war. Vielmehr wurde das nach wie vor voll möblierte Haus, wenn auch in unregelmäßigen Abständen, vom Kläger oder dessen Freunden und Bekannten weiterhin zeitweise bewohnt. § 11 Nr. 1 lit. c VGB 88 kommt aber nicht bereits dann zur Anwendung, wenn ein versichertes Gebäude nicht ständig genutzt wird, sondern erst dann, wenn es nicht (mehr) genutzt wird (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. M I Rdn. 89; Kollhosser in Prölss/Martin, 27. Aufl. § 11 VGB 88 Rdn. 1). Davon kann hier keine Rede sein.

III.

In der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe für die Bestimmung des ausreichenden Kontrollintervalls neu zu prüfen haben, ob den Kläger der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens trifft.

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