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Wohngebäudeversicherung: Wann liegt eine Überschwemmung vor?

LG Nürnberg-Fürth

Az.: 8 O 9839/10

Urteil vom 26.07.2012


1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 6.009,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.657,72 € seit 15.01.2011 und aus weiteren 351,63 € seit 28.01.2011 zu bezahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird bis zum 21.01.2011 auf 6.007,72 € und für die Zeit danach auf 6.559,35 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Versicherungsleistungen aus einer Gebäudeversicherung in Anspruch.

Der Kläger hält seit dem 15.10.2009 bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung. Versichert sind unter anderem weitere Elementarschäden, Überschwemmung und Rückstau. Auf den vorgelegten Versicherungsschein vom 15.09.2009 und die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Wohngebäudeversicherungsbedingungen (WGB F01/09; im Folgenden: WGB, samt Klauseln, im Folgenden K) wird Bezug genommen. Es ist ein vertraglicher Selbstbehalt von 200,- € vereinbart. Ende Februar 2010 kam es im versicherten Gebäude des Klägers in Nürnberg, … Straße … durch Wassereintritt im Kellergeschoß zu einem Wasserschaden. Am Gebäude entstand durch in den Wänden und den Türzargen aufsteigende Feuchte ein Schaden zum Neuwert von 3.125,- €. Dem Kläger wurden für die Trocknung durch eine Trocknungsfirma 2.063,94 € in Rechnung gestellt, die der Kläger direkt an die Trocknungsfirma gezahlt hat. Es fielen hierfür Stromkosten in Höhe von 351,63 € an. Der Kläger ließ vorgerichtlich ein Schadensgutachten erstellen, wofür ihm 668,78 €in Rechnung gestellt wurden. Mit Schreiben vom 12.07.2010 lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht ab.

Der Kläger behauptet, dass es in der Nacht vom 26.02. auf den 27.02.2010 aufgrund eines Unwetters mit überdurchschnittlichen Niederschlägen zu dem Wasserschaden gekommen sei. In der Nacht vom 27. auf den 28.02.2010 sei das Sturmtief Xynthia über Bayern hinweggefegt und habe auch den Großraum Nürnberg mit Sturm und Überflutungen betroffen. Der Starkregen habe sich mit noch nicht abgetauten restlichen Schneemengen verbunden und sei in den außengelegenen Kellertreppenabgang geflossen. Das im Abflussgulli des gefliesten Kellerabgangs befindliche Rückstauventil habe sich aufgrund der aus der Kanalisation zurückstauenden Wassermassen verriegelt, sodass der Niederschlag nicht habe abfließen können. In der Folge seien die Wassermassen dann durch die Kellertür in den Kellerbereich des Gebäudes gelangt. Der Kläger ist der Ansicht, dass durch diesen Hergang eine Überschwemmung im Sinne der Versicherungsbedingungen vorgelegen habe, weshalb die Beklagte einstandspflichtig sei. Der Kläger habe die Firma B mit der Durchführung der Sanierungsarbeiten beauftragt. Er habe deshalb Anspruch auf den Neuwertanteil des Gebäudeschadens. Der Kläger habe darüber hinaus Anspruch auf Ersatz seiner allgemeinen Unkosten in Höhe von 25,- € sowie der Kosten für das vorgerichtlich erholte Schadensgutachten. Darüber hinaus müsse die Beklagte aufgrund ihrer Leistungsablehnung die vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten tragen.

Der Kläger beantragt zuletzt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 6.559,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in einer Höhe von 603,93 € nebst Zinsen in einer Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte bestreitet den vom Kläger geschilderten Geschehensablauf. So sei es insbesondere aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (erhöhte Lage) nicht möglich, dass Wasser vom Grundstück in den Kellerabgang hinuntergeflossen sei. Der Kläger habe – unstreitig – vorgerichtlich zunächst behauptet, dass sich das Schadensereignis vom 27.02. auf den 28.02.2010 (Samstag/Sonntag) ereignet haben müsse. Vorangegangen war der Hinweis der Beklagten – den diese im Gerichtsverfahren aufrechterhält -, dass am 26.02. laut Wetterauskunft lediglich 1,5 Liter pro Quadratmeter und am 28.02.2010 lediglich 3,5 Liter pro Quadratmeter Niederschlag niedergegangen seien. Diese Mengen seien nicht ausreichend, um eine Überschwemmung zu verursachen. Eine bedingungsgemäße Überschwemmung sei damit nicht gegeben. Diese erfordere, dass sich zumindest auf einem erheblichen Teil der Geländeoberfläche erhebliche Wassermengen angesammelt hätten. Die kleine Fläche vor der Kelleraußentüre sei lediglich ein verschwindend kleiner Teil des Grundstücks und für eine Überschwemmung nicht ausreichend. Der Absatz vor dem Kellerausgang sei überdies als Teil des Gebäudes anzusehen, wie auch die Treppe selbst zum versicherten Gebäude und nicht zu dessen „Grund und Boden“ gehöre. Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger sichergestellt habe, die Entschädigung zur Wiederherstellung zu verwenden. Damit sei der Anspruch auf den Neuwertanteil des Schadens nach Nr. 12.8 der WGB nicht gegeben. Die Beklagte ist außerdem der Ansicht, dass allgemeine Unkosten versicherungsvertraglich nicht zu erstatten sein, ebenso wenig wie Gutachterkosten (§ 85 Abs. 2 VVG). Überdies sei zumindest der Selbstbehalt von 200,- € in Abzug zu bringen. Vorgerichtlich entstandenes Anwaltshonorar könne der Kläger lediglich auf der Basis einer 0,65 Geschäftsgebühr verlangen.

Es wurde Beweis erhoben mit Beweisbeschluss vom 14.07.2011 (Gerichtsakte 56) durch schriftliche Vernehmung der Zeugin B. (Gerichtsakte 63 ff.), sowie mit Beweisbeschluss vom 13.10.2011 (Gerichtsakte 80) durch schriftliche Vernehmung des Zeugen B (Gerichtsakte 102) sowie dessen uneidliche Vernehmung. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2012 (Gerichtsakte 117), im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. Mit Beschluss vom 28.06.2012 wurde nach §251a ZPO die Entscheidung nach Lage der Akten beschlossen. Die Klage ist der Beklagten am 14.01.2011, die Klageerweiterung vom 19.01.2011 (betreffend die Stromkosten in Höhe von 351,63 €) am 27.01.2011 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet.

A.

Der Kläger hat nach § 1 S. 1 VVG i. V. m. Nr. 12 WGB Anspruch auf Erstattung seines Schadens in Höhe von 6.009,76 €. Der Kläger hat einen Leistungsanspruch gegen die Beklagte, weil der Versicherungsfall Überschwemmung nach K.2.1.1, K 3 eingetreten ist.

I. Nach K.2.1 leistet die Beklagte Entschädigung für versicherte Sachen, die durch unmittelbare Einwirkung einer Überschwemmung des Versicherungsortes beschädigt werden. Im Streitfall ist es zu einer solchen Überschwemmung gekommen.

1. Eine Überschwemmung ist nach K.3.1 eine „Überflutung des Grund und Bodens, auf dem das versicherte Gebäude steht (Versicherungsgrundstück), durch 1. …., 2. Witterungsniederschläge.“

a) In tatsächlicher Hinsicht ist zunächst festzuhalten, dass – wohl durch die Ränder bzw. Spalten der Kelleraußentür – Niederschlagswasser vom ca. (höchstens) 1×1 Meter großen Absatz vor der Kelleraußentür in das versicherte Gebäude eingedrungen ist. Witterungsniederschläge sind sowohl Regen als auch Schnee, Hagel, etc. (Wussow VersR 2008, 1292, 1294). Dies entspricht dem Verständnis des für die Auslegung von Versicherungsbedingungen maßgeblichen Versicherungsnehmers. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Versicherungsnehmer unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise verstanden werden. Die Auslegung muss sich davon leiten lassen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel, ausgehend von ihrem Wortlaut, bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung ihres erkennbar verfolgten Zwecks und ihres Sinnzusammenhangs verstehen muss; dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (BGHZ 84, 268, 272; 123, 83, 85). Der Versicherungsnehmer wird dabei in erster Linie vom Wortlaut einer Klausel ausgehen (BGH VersR 2009, 623).

Dass Schnee zunächst, d.h. vor dessen Schmelze, nicht geeignet ist, eine Überschwemmung, d.h. Wasserschaden zu verursachen, steht diesem Verständnis nicht entgegen. Witterungsniederschlag ist Wasser in jedwedem Aggregatszustand, das (aus Wolken) zur Erde fällt. Das in den Versicherungsbedingungen normierte Unmittelbarkeitserfordernis (K.2.1.: „unmittelbare Einwirkung einer Überschwemmung“) steht dem nicht entgegen. Dieses bezieht sich nur auf die Einwirkung der Überschwemmung selbst, nicht aber darauf, dass der Witterungsniederschlag „Schnee“ in seinem ursprünglichen Aggregatszustand den Schaden unmittelbar verursacht haben müsse. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass insoweit der Versicherungsfall „Schneedruck“ vorgesehen ist. Hierunter ist nach K.8 die Wirkung des Gewichts von Schnee- und Eismassen zu verstehen. Die Gefahr, die vom Wasser des geschmolzenen Schnees ausgeht, ist hingegen grundsätzlich durch den Versicherungsfall Überschwemmung erfasst.

Das sich im Keller gesammelte Wasser stammte aus Witterungsniederschlägen. Dies liegt mit hinreichender Überzeugung schon deshalb nahe, da es zum einen im hier relevanten Zeitraum zwischen dem 26. und 28.02.2010 schon nach dem eigenem Vortrag der Beklagten Niederschlag (Regen) gegeben hat. Hinzu kommt, dass wie auch der Kläger in seiner Anhörung – insoweit unprotokolliert – angegeben hat, noch Schneereste auf dem Treppenabgang vorhanden waren. Solche lassen sich im übrigen auch auf den vorgelegten Fotos (Anlage K2 bzw. B6) erkennen, die im Rahmen eines Ortstermins durch die Beklagte am 12.03.2010 gemacht wurden. Der vom Kläger geschilderte Schadenshergang ist typisch und findet sich vergleichbar als Tatbestand einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen (dazu unten). Schließlich zeigt die Beklagte auch keinen alternativen Ursachen für die Schadensentstehung auf, so dass letztlich vernünftige Zweifel an einem Schadenseintritt durch Witterungsniederschläge nicht bestehen.

b) Der Richter ist davon überzeugt, dass sich das Schadensereignis vom 27. auf den 28.02.2010 zugetragen haben muss. Zwar hat der Kläger in der Klageschrift insoweit den 26. bis 27.02.2010 vorgetragen. Dies ist auch das Schadensdatum, das vorgerichtlich zunächst gegenüber der Beklagten genannt worden war. Der Kläger hat aber klarstellen lassen, dass er selbst am Schadenstag nicht zuhause gewesen sei. Seine Frau habe ihn am 28.02. telefonisch erreicht und ihm das Ereignis geschildert. Es läge deshalb nahe, dass das Schadensereignis in der Nacht vom 27. auf den 28.02.2010 stattgefunden habe. Grundsätzlich ist es natürlich so, dass wechselnde Angaben zum Zeitpunkt eines Schadensereignisses mit äußerster Vorsicht zu würdigen sind. Es mag in einer solchen Situation durchaus ein berechtigtes Interesse des Versicherungsnehmers geben, das Schadensereignis auf einen bestimmten Tag „zu legen“. Ein solches ist hier indes nicht erkennbar. Niederschlag gab es an beiden Tagen, wenngleich in eher geringen Mengen – am 26.02. 1,5 Liter pro m² bzw. 3,5 Liter pro m² am 28.02.. Anhaltspunkte für ein manipuliertes Schadensereignis sind im Streitfall allerdings in keinster Weise ersichtlich und werden auch seitens der Beklagten nicht behauptet. Der Kläger hat außerdem eine nachvollziehbare Erklärung dafür gebracht, wie es zu einer Verwechslung des Datums gekommen sein kann. So habe er sich auf die Angaben seiner Frau verlassen. Diese hat die Schilderung gegenüber der Versicherung im übrigen auch erst sechs Wochen nach dem Schadensereignis (14.04.2010; Anlage B 2) abgegeben.

c) Der Kläger hat schließlich durch Vorlage entsprechender Zeitungsberichte belegt, – im übrigen insoweit durch die Beklagte auch nicht bestritten – dass am 28.02.2010 das Sturmtief Xynthia auch über Nürnberg Schäden anrichtete. Diese waren ausweislich der entsprechenden Pressemitteilungen der Feuerwehr Nürnberg zwar auf Sturm- d.h. Windschäden beschränkt. Berücksichtigt man aber, dass durch den Ort der Überschwemmung, den Absatz vor der Kelleraußentür, der Sturm den Regen (3,5 Liter pro m²) nicht nur auf die Fläche von ca. 1 m² vor der Kelleraußentreppe hat „fallen lassen“, sondern auch auf die angrenzende Kellertreppe und auf die Hauswand geschlagen hat, ist nachvollziehbar, dass sich eine Wassermenge von weit mehr als 3,5 Liter auf dem Absatz vor der Kelleraußentür angesammelt hat. Dies bestreitet im Ergebnis auch die Beklagte nicht, die vortragen hat lassen, dass tatsächlich Wasser auf dem Kellerabgangsboden aus welchen Gründen auch immer nicht abgelaufen sei (Schriftsatz vom 13.04.2011 Seite 2 u., Gerichtsakte Seite 36).

2. Hat sich damit durch Regenfälle und geschmolzene Schneereste auf dem Absatz vor der Kelleraußentür eine Wassermenge angesammelt, die geeignet war, durch die Kelleraußentür in das Hausinnere einzudringen und dort die – dem Grunde nach unstreitigen – Schäden an Mauerwerk und Türstöcken anzurichten, ist dies als bedingungsgemäße Überschwemmung zu bewerten.

a) Der in K.3.1. verwendete Begriff der Überschwemmung („Überflutung des Grund und Bodens, auf dem das versicherte Gebäude steht (Versicherungsgrundstück)“), ist aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers auszulegen (s.o.). Demnach ist die – in den Bedingungen nicht näher definierte – „Überflutung von Grund und Boden“ dann anzunehmen, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln (BGH VersR 2005, 828). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang vorab, dass in dieser Entscheidung eine bedingungsgemäße Überschwemmung unstreitig vorlag und zentraler rechtlicher Streitpunkt die Frage nach der Kausalität zwischen Versicherungsfall und Schaden war (Stichwort: Unmittelbarkeitserfordernis).

aa) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass eine Überschwemmung jedenfalls am Fehlen einer „erheblichen“ Wassermenge scheitere, kann dem zumindest für den Streitfall nicht gefolgt werden.

Es bedarf natürlich keiner weiteren Ausführungen dazu, dass etwa ein umgefallener mit Putzwasser gefüllter Eimer keine „Überflutung“ anzurichten vermag. Dies aber schon deshalb, da dadurch kein relevanter Schaden am versicherten Gebäude entstehen kann. Kommt es jedoch wie hier durch (Niederschlags-)Wasser auf dem Versicherungsgrundstück zu einem Schaden in Höhe von mehreren tausend Euro, kann das hierfür ursächliche Wasservolumen aus der Sicht des maßgeblichen verständigen Versicherungsnehmers nicht „unerheblich“ gewesen sein. Ein solcher Schaden und – ihm vorausgehend – eine solche Wassermenge ist angesichts des eingetretenen Schadens immer „erheblich“. Grundsätzlich ist zur Bestimmung der Reichweite des Versicherungsschutzes auf die Auslegung der Versicherungsbedingungen abzustellen und nicht eine Interpretation bzw. Auslegung von hierzu ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen vorzunehmen. Wollte man sich aber in eine solche begeben, bliebe vernünftigerweise zur Bestimmung der „Erheblichkeit“ in der Definition des BGH (VersR 2005, 828 unter II. 1.), nur der Vergleich mit dem hierdurch verursachten Schaden. Ein anderer Maßstab der (Un)Erheblichkeit ist wenig zielführend und im Übrigen nicht – schon gar nicht für den betroffenen Versicherungsnehmer – erkennbar in den Versicherungsbedingungen normiert. Soweit das LG Hannover (r+s 2011, 395) Wassermengen dann nicht als erheblich anerkennen will, wenn das Eindringen des Wassers nicht auf die Wassermengen selbst, sondern auf eine bauliche Gestaltung des Grundstücksbereichs (dort: abfallendes Grundstück zum Kellerabgang hin und Versiegelung des Bereichs vor dem Kellereingang durch Pflastersteine) zurückzuführen ist, erschließt sich Herkunft und Sinn der damit hergestellten Verbindung nicht. Bauliche Gegebenheiten können ggf. den Eintritt oder das Ausmaß einer bedingungsgemäßen Überschwemmung im Sinne einer Mitursächlichkeit begünstigen. Sie können jedoch keinesfalls einer bereits eingetretenen Überschwemmung ihren tatbestandlichen Charakter nehmen. Ggf. mag in einer solchen Konstellation auch eine Obliegenheitsverletzung nach WGB Nr.18.1.2 (versicherten Sachen in ordnungsgemäßem Zustand zu halten) liegen; das Vorliegen einer Überschwemmung kann davon aber nicht abhängig gemacht werden.

Im Sinne der Auslegung des BGH (VersR 2005, 828) ist etwa § 3 Buchst. a) BWE 2008 (Besondere Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden – BWE 2008 – Weitere Elementarschäden-BesBed. BWE 2008; Version 01.01.2008, GDV 0703) formuliert. Dort ist bestimmt: „Überschwemmung ist die Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser durch … Witterungsniederschläge.“ (Hervorhebung durch Verf.). Eine solche präzisierende Formulierung findet sich in den hier maßgeblichen Klauseln indes nicht. Im Übrigen sind Versicherungsbedingungen aus sich heraus zu interpretieren ohne vergleichende Betrachtungen mit anderen Versicherungsbedingungen, die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen, so dass ihm eine bedingungsübergreifende Würdigung deshalb von vornherein verschlossen bleibt (BGH VersR 2011, 202 Tz. 10; BGH VersR 2009, 1622 Tz. 19).

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Es gilt deshalb vereinfacht und zusammenfassend: Aus dem Wortlaut und Sinnzusammenhang nicht erkennbare Einschränkungen in Art, Umfang, Dauer und Örtlichkeit der Überschwemmung bzw. Überflutung können eine einschränkende Auslegung des Überschwemmungsbegriffs nicht tragen. Zutreffend formuliert deshalb Wussow (VersR 2008, 1292):

„Nicht erforderlich ist, dass das Versicherungsgrundstück vollständig überflutet wird. Unerheblich ist auch die Höhe der Überflutung oder ob das über die Oberfläche hinausgetretene Wasser steht oder in Bewegung ist. Teilweise wird für das Vorliegen einer Überflutung das Ansammeln erheblicher Wassermengen verlangt. Diese Ansicht findet jedoch keine Entsprechung in den Versicherungsbedingungen. Für das Vorliegen einer Überschwemmung ist es auch ohne Bedeutung, in welchem zeitlichen Rahmen ein Hinaustreten des Wassers stattgefunden hat. Auch ein über kurze Zeiträume sichtbares Hinaustreten des Wassers über die Oberfläche des Grund und Bodens kann hier in Abgrenzung zum bloßen Auftreffen des Wassers auf den Boden ausreichen, um eine Überschwemmung zu bejahen.“

Ein verständiger Versicherungsnehmer erwartet ohne erkennbare Anhaltspunkte für die von der Beklagten vertretene Einschränkung des Versicherungsschutzes mittels entsprechender Formulierung des Versicherungsfalls nicht, dass ein durch „Überflutung des Grund und Bodens, auf dem das versicherte Gebäude liegt“ eingetretener Schaden nur deshalb nicht versichert sein soll, weil die Menge des „flutenden Wassers“ zu gering gewesen sei, wenn diese doch gleichwohl in der Lage war, einen Schaden am versicherten Gebäude zu verursachen, der deutlich über einem etwaig vereinbarten Selbstbehalt liegt, so dass die Inanspruchnahme einer zu gerade diesem Zweck abgeschlossenen Police nahe liegt.

bb) Das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Überschwemmung scheitert auch nicht daran, dass es im Streitfall „nur“ zu einer Überflutung des kleinen Absatzes vor dem Kellerausgang gekommen ist. Im Anschluss an die vorstehenden Erwägungen kann man über die damit verbundene Frage, ob etwa das versicherte Grundstück vollständig überflutet sein muss – um mit Rixecker (r+s 2009, 397, 399) zu reden – „angesichts des Wortlauts aber nicht trefflich streiten“. Es findet sich in den maßgeblichen Bedingungen und Klauseln keine Differenzierung zur Größe der Fläche, die überflutet sein muss. Der klauselverwendende Versicherer muss sich deshalb entgegen halten lassen, dass auch die Überflutung eines knapp einen Quadratmeter „großen“ Bereichs vor einer Kelleraußentür eine bedingungsgemäße Überschwemmung sein kann. Ob darüber hinaus durch die Niederschläge auch anderen (größere) Teile bzw. Flächen des versicherten Grundstücks überflutet waren, kann deshalb dahinstehen.

cc) Der Versicherungsfall ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Absatz vor dem Kellerausgang Teil des versicherten Gebäudes ist und als solcher nicht taugliches Objekt einer Überschwemmung sein kann.

Richtig ist, dass eine Überschwemmung, die sich ausschließlich innerhalb des versicherten Gebäudes zuträgt – etwa durch Regen, der durch ein geöffnetes Fenster oder ein defektes Dach eindringt -, nicht den „Grund und Boden, auf dem das versicherte Gebäude steht“ betrifft, sondern das versicherte Gebäude selbst und deshalb keinen Versicherungsfall auslöst (z.B. OLG Hamm OLGR Hamm 2006, 10: Voraussetzung ist, dass der Grund und Boden außerhalb des Gebäudes überflutet wird; OLG Karlsruhe NVersZ 2001, 57; vgl. auch LG Berlin VersR 2005, 403). Versicherungsschutz besteht also nicht, wenn sich Wasser auf Gebäudeteilen – wie etwa einem Flachdach (OLG Karlsruhe VersR 2012, 231) – ansammelt, in das Gebäude eindringt und dort Schäden an versicherten Sachen verursacht (zutreffend LG Köln BeckRS 2009, 05101: Wasseransammlung nur in einem Lichtschacht aus Kunststoff; ebenso für einen Lichtschacht OLG Karlsruhe VersR 2012, 231). Die Formulierung, wonach der „Grund und Boden, auf dem das versicherte Gebäude steht (Versicherungsgrundstück)“ überflutet werden muss, um eine versicherte Überschwemmung annehmen zu können, macht dem verständigen Versicherungsnehmer deutlich, dass nicht Flächen des Gebäudes selbst Gegenstand der Überschwemmung sein können, sondern die Erd- bzw. Grundstücksoberfläche betroffen sein muss (Wussow VersR 2008, 1292, 1294).

Der Grund und Boden, auf dem das versicherte Gebäude steht, ist damit natürlich zunächst einmal der unbebaute und unversiegelte Teil des Grundstücks, etwa der Garten. Gleiches muss für einen abgesenkten Teil des Grundstücks gelten, der als – wenngleich nicht begehbarer – „Lichthof“ einem Raum im Untergeschoss Licht und Luft verschaffen soll (a.A. OLG Karlsruhe VersR 2012, 231). Im Weiteren dürfte aber kein verständiger Versicherungsnehmer auf die Idee kommen, dass etwa der Teil seines Gartens, der durch zu Wegen verlegten Platten den Garten erst „erschließt“ nicht Teil des „Grund und Bodens, auf dem das versicherte Gebäude steht“, sein soll. Gleiches gilt für einen gepflasterten Garagenvorplatz und muss dann jedenfalls auch für eine solche gepflasterte Terrasse gelten, die nicht in das Gebäude hineinragt, sondern lediglich an die äußerste Gebäudeaußenwand anschließt (für Terrasse zweifelnd – „in der Regel nicht“: OLG Karlsruhe VersR 2012, 231 die Terrasse als Teil des versicherten Gebäudes betrachtend auch Wussow VersR 2008, 1292, 1294).

Nach dem Vorstehenden kann jedenfalls aber der geflieste Bereich vor einer Kelleraußentür nicht als Teil des versicherten Gebäudes verstanden werden. Steht man außen vor der Kellertür, befindet man sich nicht im Gebäude, sondern davor. Man steht dann auch nicht auf einem Teil des Gebäudes, da es keinen Unterscheid machen kann, ob der Absatz vor der Kellertür Teil einer massiven und durchgehenden (Keller-)Bodenplatte ist, auf der das Gebäude gründet oder – überspitzt formuliert – einen wenige Zentimeter breiten „Grünstreifen“ von der Bodenplatte separiert ist und aus gestampftem Lehmboden besteht. Beim Bereich vor der Kellereingangstür handelt es sich mangels Erkennbarkeit solcher nahezu haarspalterischer Differenzierungen nach dem natürlichen Sprachgebrauch nicht um einen Teil des versicherten Gebäudes (a.A. LG Hannover r+s 2011, 395).

Diese Auslegung lässt sich auch mit der dem verständigen Versicherungsnehmer erkennbaren Intention des Bedingungsverwenders rechtfertigen. Diese besteht darin, den Versicherungsschutz bei Überschwemmung auf den „Grund und Boden, auf dem das versicherte Gebäude steht“ zu beschränken und Wasser, das sich – ohne sich jemals auf der Grundstücksoberfläche befunden zu haben – seinen Weg in das versicherte Gebäude bahnt, vom Versicherungsschutz auszunehmen. Dies betrifft v.a. Grundwasser oder (nur) im Erdreich (etwa einen Hang hinab) drückendes Wasser, das „von außen“ im Rahmen einer verhältnismäßigen Risikoprüfung nicht zu erkennen ist und das außerdem – anders als „Überschwemmungswasser“ – sozusagen immer „da ist“. Solchermaßen „unsichtbare“ und unkalkulierbare Wasserbewegungen sollen vom Versicherungsschutz ausgenommen sein. Eine weitere Einschränkung des versicherten „Überschwemmungswassers“ auf solches, das nur nicht versiegelte Flächen berührt, dürfte zwar zulässigerweise in den AVB normierbar sein; fehlt es aber an einer solchen für den verständigen Versicherungsnehmer erkennbaren Einschränkung, kann sie nicht anderweitig hineininterpretiert werden und so den berechtigterweise erwarteten Versicherungsschutz gravierend entwerten. Damit verlangen die hier relevanten Klauseln für eine Überschwemmung nicht – jedenfalls nicht erkennbar -, dass sich erhebliche Wassermengen auf der nicht versiegelten Geländeoberfläche ansammeln (so aber z.B. LG Kempten BeckRS 2008, 01988; ähnlich tendierend wohl AG Heinsberg r+s 2009, 25).

Gemessen am Vorstehenden kann also der an ein Gebäude angrenzende Absatz vor einer Kellerausgangstür nicht als Teil des nicht versicherten Gebäudeinneren verstanden werden, sondern es handelt sich um einen (kleinen) Teil des Grund und Bodens, auf dem das versicherte Gebäude steht.

b) Gleichwohl wird in der veröffentlichten Rechtsprechung bei dem hiesigen Streitfall ähnlichen Sachverhaltskonstellationen zum Teil das Vorliegen einer „Überflutung“ verneint. Neben den vorstehend bereits zitierten etwa:

aa) OLG Oldenburg VersR 2012, 437: Dort wird eine Überflutung von Grund und Boden verneint, wenn Wasser, von der Straße – etwa durch eine Kellertür – in das versicherte Gebäude läuft. Es fehle dann an der erforderlichen erheblichen Wasseransammlung auf dem Grundstück. Schadensursächlich sei bei diesem Geschehensablauf nicht eine Überschwemmung auf dem versicherten Grundstück, sondern letztlich dessen Neigung. Nicht ausreichend sei es nämlich, wenn sich Niederschlagswasser (erst) in dem Gebäude selbst ansammle.

Dieses Verständnis kann schon deshalb nicht richtig sein, da – was keinesfalls ein Versicherungsfall wäre – das Wasser ja nicht direkt gleichsam „berührungslos“ in das versicherte Gebäude „geflogen“ ist und dort den Boden überschwemmte, sondern zuvor seinen Weg fließend über das versicherte Grundstück nehmen musste. Dieser Moment des Überfließens ist unzweifelhaft eine Überschwemmung, da eine zeitliche Beschränkung für die Dauer derselben in den Bedingungen nicht bestimmt ist und sich auch sonst keinesfalls erschließt.

Beim fernliegenden Verständnis des OLG Oldenburg vom Überflutungsbegriff könnte außerdem ein Hanggrundstück nie bedingungsgemäß überschwemmt werden/sein (so wohl auch LG Köln BeckRS 2009, 05101). Ein Vermittler/Versicherer, der ein Gebäude auf einem Hanggrundstück gegen Überschwemmung versicherte, würde sich dann wegen Falschberatung ohne weiteres schadenersatzpflichtig machen, da der Versicherungsfall dort nie eintreten könnte bzw. es dürfte ein Fall des anfänglichen Interessenmangels i.S.d. § 80 Abs. 1 S. 1 VVG vorliegen.

bb) Ebenso hat für einen ähnlichen Fall das LG Kempten (BeckRS 2008, 01988) entschieden. Dort war Wasser von der Straße in den Kellerausgangsbereich geflossen, hatte sich dort angesammelt und war über einen Gully bzw. die Kelleraußentür in den Kellerraum eingedrungen. Nach Ansicht des LG Kempten genüge es aber für eine Überflutung nicht, dass nach Niederschlägen Wasser eine Böschung herunterlaufe, weil der Begriff Überschwemmung als weiteres Merkmal voraussetze, dass die entstehende Wasseransammlung nicht mehr erdgebunden sei. Es deshalb eine „Überflutung“ von Grund und Boden nur dann anzunehmen, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der nicht überbauten Geländeoberfläche ansammeln. Auch dieser Entscheidung kann nach dem Vorstehenden nicht gefolgt werden (s.o. unter A.I.2.a; zustimmend aber z.B. HK-VVG/Halbach 2. Aufl. § 5 VHB 2010 Rn. 10).

cc) Nach AG/LG Kiel (r+s 2009, 22) stelle die Ansammlung von Wasser im Kellerniedergang keine Ansammlung von erheblichen Wassermengen auf der Geländeoberfläche dar. Hierfür sei Voraussetzung, dass sich das Regenwasser – wenn auch nicht auf der gesamten Geländeoberfläche – aber doch auf einem erheblichen Teil ansammelt. Diese Erkenntnis verkennt schon die entsprechenden Ausführungen des BGH in VersR 2005, 828, da dort davon die Rede ist, dass sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln, nicht aber, dass sich Wassermengen auf einer erheblichen Geländeoberfläche ansammeln müssten. Folglich stellt das OLG Karlsruhe (VersR 2012, 231) zutreffend klar, dass eine Überschwemmung nicht voraussetzt, dass das gesamte versicherte Grundstück überflutet ist. Dafür gäbe es – wie bereits ausgeführt – auch keinerlei Anhalt in den Bedingungen.

c) Aus dem vorstehend unter a) Dargelegten ergibt sich, dass diese Entscheidungen nach Ansicht des erkennenden Richters den Begriff der Überschwemmung zum Nachteil des Versicherungsnehmers zum Teil deutlich zu eng auslegen. Niederschlagswasser, das den gefliesten Bereich vor dem Kellereingang bedeckt und von dort über die Kelleraußentür in das versicherte Gebäude eindringt, erfüllt den Versicherungsfall der Überschwemmung.

3. Der am versicherten Gebäude eingetretene Schaden ist durch eine „unmittelbare Einwirkung einer Überschwemmung“ entstanden.

Die Unmittelbarkeit einer Einwirkung ist dann anzunehmen, wenn zwischen Kausalereignis und Erfolg keine weitere Ursache tritt (BGH VersR 1984, 28), also der versicherte Umstand die zeitlich letzte Ursache für den Schaden setzt (HK-VVG/Rüffer 2. Aufl. § 4 VGB 2008/2010 Rn. 3 m.w.N.). Dies ist hier zu bejahen, da sich das Wasser auf dem überschwemmten Treppenabsatz ohne weiteren Zwischenschritt direkt den Weg in das Gebäude bahnte und dort die Schäden an Mauerwerk und Türzargen verursachte.

II. Der Kläger hat Anspruch auf Versicherungsleistungen in Höhe von 6.009,76 €.

1. Der Gebäudeschaden ist zwischen den Parteien mit 3.125 € für die Ausbesserungsarbeiten der Höhe nach grundsätzlich unstreitig. Von diesem Betrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten kein Abzug für die auf die Wiederherstellung zum Neuwert entfallenen Kosten zu machen.

a) Nach Nr. 12.8 WGB erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf den sog. Neuwertanteil bzw. Neuwertspitze nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen. Diese Sicherstellung erfordert eine Prognose in dem Sinne, dass bei vorausschauend-wertender Betrachtungsweise eine bestimmungsgemäße Verwendung der Entschädigung hinreichend sicher angenommen werden kann. Das ist beispielsweise anzunehmen nach verbindlichem Abschluss eines entsprechenden Werkvertrages (BGH VersR 2004, 512; BGH VersR 2011, 1180).

b) Mit der Aussage des Zeugen B hat der Kläger den Abschluss eines solchen verbindlichen Vertrags bewiesen. Nach Angabe des Zeugen habe er für das entsprechende von ihm abgegebene Angebot vom Kläger eine aus seiner Sicht verbindliche Zusage erhalten. Die Arbeiten sollten ausgeführt werden, „wenn es soweit ist“. Diese Einschränkung beziehe sich darauf, dass es eine „Versicherungssache“ sei. Diese Einschränkung kann nur so verstanden werden, dass der Zeitpunkt bzw. das „ob“ der Ausführung der Arbeiten davon abhängen sollte, dass der Kläger letztlich die von ihm begehrten Versicherungsleistungen auch tatsächlich ausbezahlt bekommt. Dann und nur dann, wenn der Kläger von seinem Gebäudeversicherer nichts erhalten würde, er also die Instandsetzung selbst würde zahlen müssen, sollte der Auftrag an den Zeugen B hinfällig sein. In rechtlicher Hinsicht ist dies als zwischen dem Kläger und dem Zeugen B vereinbarte auflösende Bedingung für den bereits verbindlich geschlossenen Werkvertrag oder aber als aufschiebende Bedingung für dessen endgültige Wirksam- und Verbindlichkeit zu werten (§ 158 BGB).

c) Ein solchermaßen bedingter Vertrag gilt als Sicherstellung der Wiederherstellung i.S.d. Nr. 12.8 WGB. Dies ergibt die – wiederum am Maßstab des verständigen Versicherungsnehmers vorzunehmende (s.o.) – Auslegung der Neuwertklausel. Mit einer Auslegung, die den Abschluss eines durch die Auszahlung von Versicherungsleistungen bedingten Werkvertrages nicht genügen ließe, würde nämlich der Versicherungsnehmer i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Es läge dann eine Vertragszweckgefährdung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor. Eine solche Gefährdung des Vertragszwecks ist anzunehmen, wenn mit der Einschränkung der Leistung der Vertrag ausgehöhlt werden kann und damit in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird (st. Rspr. BGH VersR 2009, 623). In einer nicht unerheblichen Zahl von Versicherungsfällen ist dem Versicherungsnehmer die Wiederherstellung seines beschädigten oder gar zerstörten Gebäudes ohne die entsprechenden Leistungen seines Versicherers finanziell schlichtweg nicht möglich. Dass dies im Streitfall angesichts des relativ geringen Schadens anders sein mag, ändert daran nichts, da Maßstab insoweit nicht eine konkret-individualisierende Auslegung ist. Will der Versicherungsnehmer dann aber in den Genuss der Neuwertspitze kommen, obwohl Streit über die Einstandspflicht des Versicherers dem Grunde nach besteht, kann er keine unbedingte finanzielle Verpflichtung gegenüber einem Handwerker eingehen, wenn er nicht auf der anderen Seite davon ausgehen kann, insoweit finanziell von seinem Versicherer entlastet zu werden. Ein Versicherungsnehmer könnte bei der von der Beklagten vertretenen Auslegung der „Sicherstellung“ den Nachweis der Voraussetzungen für die Neuwertspitze jedes Mal dann nicht führen, wenn er das Risiko, einen unbedingt erteilten Reparaturvertrag selbst erfüllen zu müssen, nicht einzugehen in der Lage ist.

Mit ähnlichen Erwägungen hat der BGH das Berufen des Versicherers auf den Ablauf der Wiederherstellungsfrist von drei Jahren als treuwidrig versagt, wenn die Leistungsablehnung des Versicherers dem Grunde nach zu Unrecht erfolgt war (BGH VersR 1979, 173). Auch hier verhielte sich die Beklagte widersprüchlich i.S.d. § 242 BGB, wenn sie sich auf eine fehlende Sicherstellung der Wiederherstellung beruft, die sie durch ihre unberechtigte Leistungsablehnung und der hieraus resultierenden Unsicherheit zur Kostenlast selbst ausgelöst hat. Im Übrigen ist bei der hier vertretenen Auslegung auch dem von der einschlägigen BGH-Rechtsprechung geforderten Kriterium, dass Manipulationen durch den Versicherungsnehmer möglichst auszuschließen sein sollen (BGH VersR 2004, 512) jedenfalls in gleichem Umfang Rechnung getragen, wie es bei einem (mündlichen) unbedingten Reparaturvertrag der Fall ist.

2. Unstreitig sind neben den zur Trocknung des Gebäudes durch eine Trocknungsfirma entstandenen Kosten mit 2.063,94 € auch die zur Gebäudetrocknung erforderlich gewesenen Stromkosten mit 351,63 €. Sie sind deshalb nach Nr. 12.1.3 WGB als notwendige Reparaturkosten zu ersetzen.

3. Der Kläger hat des weiteren Anspruch auf Ersatz der der Höhe nach mit 668,78 € unstreitigen Kosten des von ihm zur Ermittlung der Schadenshöhe eingeschalteten Sachverständigen.

Zwar sind nach § 85 Abs. 2 VVG Kosten, die dem Versicherungsnehmer durch die Zuziehung eines Sachverständigen oder eines Beistandes entstehen, durch den Versicherer grundsätzlich nicht zu erstatten. Es ist allerdings zutreffend anerkannt, dass im Falle des Verzugs des Versicherers mit seiner versicherungsvertraglichen Leistungspflicht dieser gleichwohl zum Ersatz erforderlicher Sachverständigenkosten verpflichtet ist (Langheid in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 85 Rn. 8; HK-VVG/Rüffer 2. Aufl. § 85 VVG Rn. 11; Voit in Prölls/Martin, VVG 28. Aufl. § 85 VVG Rn. 15). Hier ist mit der erkennbar endgültigen und ernsthaften Leistungsablehnung durch die Beklagte mit Schreiben vom 12.07.2010 (Anlage K6) Verzug eingetreten (§§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB).

Die Beklagte handelte insoweit auch schuldhaft (§ 286 Abs. 4 BGB). Lehnt der Versicherer die Versicherungsleistung ab, so gerät er nur dann nicht in Verzug, wenn er sich in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befand. Unverschuldet ist der Irrtum nur, wenn der Versicherer nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht mit einem Unterliegen im Rechtsstreit zu rechnen hat (OLG Saarbrücken r+s 2008, 76). Da der Schuldner das allgemeine Risiko einer unzutreffenden Beurteilung der Rechtslage trägt, ist ein Irrtum nur ausnahmsweise unverschuldet z.B. bei einer unerwarteten Änderung der Rechtsprechung oder vergleichbaren Sachverhalten (OLG Saarbrücken aaO). Ob hier angesichts der gegenüber einer Vielzahl von Urteilen abweichenden Rechtsansicht von einer „unerwarteten Änderung der Rechtsprechung“ auszugehen ist, kann dahinstehen. Bei der Beurteilung der Frage nach einem unverschuldeten Rechtsirrtum sind jedenfalls strenge Maßstäbe anzulegen. Bei Zweifeln über die Rechtslage sind Erkundigungen einzuziehen (BGH NJW 1994, 2754, 2755). Dabei muss der Schuldner überhaupt die tatsächlichen Voraussetzungen der Entschuldigungsgründe nach Abs. 4 darlegen und beweisen (BeckOK-BGB/Unberath, Stand 01.03.2011 § 286 BGB Rn. 83; MünchKomm-BGB/Ernst 6. Aufl. § 286 Rn. 115). Da die Beklagte insoweit aber nichts Entlastendes vorgetragen hat, ist von ihrem gesetzlich vermuteten Verschulden auszugehen.

4. Vom Leistungsanspruch ist die unstreitig vereinbarte Selbstbeteiligung von 200,00 € in Abzug zu bringen (Versicherungsschein S. 10).

5. Einen Anspruch auf Ersatz pauschal geltend gemachter Unkosten in Höhe von 25,00 € hat der Kläger nicht.

Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass allgemeine Unkosten versicherungsvertraglich nicht zu erstatten sind, da ein entsprechendes Leistungsversprechen nicht gegeben wurde. Im Bereich der allerdings hier gegebenen vertraglichen (Sekundär-)Haftung wegen Verzugs ist eine solche Pauschale ohne nähere Darlegung der getätigten Aufwendungen in der Rechtsprechung – anders als bei der Abwicklung von Verkehrsunfallschäden – nicht generell anerkannt (BGH VersR 2012, 917). Da im Streitfall keine für eine Schadensschätzung zureichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen sind, kann diese Schadensposition folglich nicht berücksichtigt werden.

5. Auch einen Anspruch auf die ihm vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten hat der Kläger nicht.

Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit nur § 280 Abs. 1 BGB (Verzug) in Betracht. Vorgetragen ist zum Verzugseintritt nur die ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung mit Schreiben vom 12.07.2010 (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB; Anlage K6). Dieses Schreiben ist allerdings nicht an den Kläger persönlich adressiert, sondern bereits an den Klägervertreter. Damit verbleibt es bei dem Grundsatz, dass diejenige Kosten auslösende anwaltliche Tätigkeit, die vor Verzugseintritt erfolgt, selbst noch kein Verzugsschaden sein kann (vgl. BGH NJW 2008, 1888).

III. Der Kläger hat nach §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB Anspruch auf Verzinsung seines berechtigten Zahlungsanspruchs ab Rechtshängigkeit (§ 308 Abs. 1 ZPO). Hinsichtlich der mit Klageerweiterung vom 19.01.2011 geltend gemachten Stromkosten ist der Zinsanspruch entsprechend zu staffeln.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung liegt im Bereich von lediglich ca. 9% und hat mangels Gebührensprungs und auch sonst keine zusätzlichen Kosten verursacht. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

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