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Wohnraummietvertrag – Formularklausel über zweijährigen Kündigungsausschluss – Unwirksamkeit

AG Saarbrücken, Az.: 3 C 313/15, Urteil vom 13.04.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die gegnerische Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Urkundenprozess von dem Beklagten die Zahlung von Mieten für eine Wohnung für die Monate April und Mai 2015.

Der Kläger vermietete an den Beklagten beginnend zum 01.07.2014 eine Wohnung im Anwesen … in Saarbrücken zu einer monatlichen Miete von 395,00 €.

Der Vertragsschluss kam derart zustande, dass der Beklagte von der Vormieterin als Nachmieter vorgeschlagen wurde; sodann übermittelte der Kläger dem Beklagten per Email eine schriftliche Vereinbarung datiert auf den 20.06.2014, die der Beklagte ausdruckte, unterzeichnete und dem Beklagten hiervon via Email ein Lichtbild übersandte. Der Kläger druckte dieses aus und unterzeichnete seinerseits auf dem Ausdruck.

In der Vereinbarung lautet es unter anderem:

„Bis zum 30. September 2016 wird beiderseits auf eine ordentliche Kündigung verzichtet“.

Der Beklagte kündigte den Mietvertrag mit Schreiben vom 29.10.2015 u.a. hilfsweise ordentlich.

Die Wohnung wurde dem Kläger im Dezember 2014 zurück gegeben.

Wohnraummietvertrag - Formularklausel über zweijährigen Kündigungsausschluss - Unwirksamkeit
Symbolfoto: TeroVesalainen/Bigstock

Der Kläger vertritt die Auffassung, das Mietverhältnis sei allenfalls ordentlich und zwar zum 30.09.2016 gekündigt worden.

Ihm stehe daher für die Monate April und Mai 2015 noch ein Anspruch auf Mietzahlung gegen den Beklagten zu.

Der Kläger hat ursprünglich (u.a.) beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 790 € auf bestehende Miet-Zahlungsrückstände zu dem auf ihn übergegangenen Mietverhältnis betreffend das Appartement 2. Obergeschoss Mitte hinten mit kleinem Balkon, …, … Saarbrücken zu zahlen; hierbei werde dem Beklagten eingeräumt, selbst zu entscheiden, auf welchen Zeitraum er Zahlung leistet. Soweit er keine Bestimmung erteilen wird, soll dies als Einverständnis gewertet werden, dass seine Zahlung auf die Monate April und Mai 2015 gebucht wird.

Der Kläger hat auf Hinweis des Gerichts seinen Antrag geändert; und die Mieten für April und Mai 2015 zum Gegenstand der Klage gemacht.

Der Kläger beantragt nunmehr, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 790,00 € nebst Zinsen in Höhe von 12,98 % aus 395 € seit dem 08. April 2015 und aus weiteren 395 € seit dem 06. Mai 2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise rechnet er mit einem Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Kaution, die er mit 300 € beziffert, auf.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, er habe den Abschluss des Vertrages wirksam angefochten; jedenfalls aber fristlos gekündigt.

Zumindest sei das Mietverhältnis ordentlich gekündigt worden; der Kündigungsausschluss sei unwirksam.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage auf Mietzahlung konnte im Urkundenprozess (§ 592 ZPO) geltend gemacht werden.

Die Klageforderung ist jedoch unbegründet, so dass die Klage als unbegründet abzuweisen war (§ 597 ZPO), und es zu einer Entscheidung über die Hilfsaufrechnung des Beklagten – und damit die Frage der Statthaftigkeit der Urkundenklage des Klägers in diesem Fall – nicht mehr gekommen ist.

Unstreitig ist zwischen den Parteien ein Mietvertrag (§ 535 BGB) über die streitgegenständliche Wohnung beginnend zum 01.07.2014 zustande gekommen, nach dem der Beklagte eine monatliche Miete von 395 € für die Wohnung schuldete.

Unstreitig wurde im April und Mai 2015 keine Mietzahlung geleistet.

Der Anspruch des Klägers auf diese Mieten ist unbegründet, da zu diesem Zeitpunkt das Mietverhältnis – jedenfalls – durch ordentliche Kündigung beendet war. Da die Wohnung zu diesem Zeitpunkt auch bereits zurück gegeben worden war, kommt auch kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung (§ 546a BGB) gegen den Beklagten in Betracht.

Der Beklagte hat das Kündigungsschreiben vom 29.10.2014 vorgelegt.

Der Kläger hat dessen Erhalt auch nicht bestritten.

Streitig ist zwischen den Parteien insoweit allein die Rechtsfrage, ob das Kündigungsschreiben eine Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.09.2016 oder zum 31.01.2015 bewirkt hat.

Das Mietverhältnis endete (spätestens) durch die ordentliche Kündigung zum 31.01.2015.

Dem Kläger ist die schriftliche (§ 568 I BGB) Kündigung zugegangen (§ 130 I S. 1 BGB).

Die Kündigungsfrist des § 573c I S. 1 BGB beendet das Mietverhältnis zum 31.01.2015; denn die Kündigung ging bis zum dritten Werktag des Monats November dem Kläger zu.

Das Recht zur ordentlichen Kündigung wurde nicht durch eine wirksam in den Vertrag einbezogene (§ 305 II BGB) formularvertragliche Vertragsbestimmung (§ 305 I BGB) ausgeschlossen.

Die Klausel an sich verstößt zwar nicht gegen § 573c IV BGB.

Durch einen Kündigungsverzicht werden die Kündigungsfristen nicht verändert, da sich die Frage, mit welcher Frist das Mietverhältnis gekündigt werden kann, erst dann stellt, wenn dem Kündigenden überhaupt ein Kündigungsrecht zusteht.

Die Klausel verstößt auch nicht gegen § 575 IV BGB. Es handelt sich vorliegend gerade nicht um einen Zeitmietvertrag, denn das Mietverhältnis soll nach Ablauf der zwei Jahre nicht enden, sondern fortgesetzt werden. Lediglich ist das Kündigungsrecht insoweit ausgeschlossen.

Die Klausel ist jedoch gemäß § 307 BGB unwirksam, weil sie den Beklagten unangemessen benachteiligt.

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich keineswegs um eine Individualvereinbarung, sondern um eine Allgemeine Geschäftsbedingung.

Eine allgemeine Geschäftsbedingung i. S. des § 305 BGB liegt nicht vor, soweit die Vertragsbedingung zwischen den Vertragsparteien im einzelnen ausgehandelt wurde. Sie unterliegt dann nicht nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.

Indiz für ein individuelles Aushandeln kann sein, dass im vorformulierten Vertragstext nachträgliche Änderungen eingefügt werden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Regelung ist im laufenden maschinenschriftlichen Text aufgenommen.

Nach der Rechtsprechung erfordert Aushandeln mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen „gesetzesfremden Kerngehalt“, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.

Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Allenfalls unter besonderen Umständen kann ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines „Aushandelns“ gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt.

Wie dem Gericht aus anderen Rechtsstreitigkeiten des Klägers bekannt ist, verwendet der Kläger regelmäßig derartige Klauseln. Die Verwendung derartiger Klauseln ergibt sich im Übrigen auch aus dem vom Beklagten vorgelegten Mietvertrag zwischen dem Kläger und den Mietern Schmitt (Anlage B5).

Allein die Überlassung von Vertragsunterlagen zur Prüfung stellt schließlich keine ernsthaften Verhandlungen über die Klausel dar, die im Übrigen derart unerwartet an einer unüblichen Stelle des Vertrages eingefügt ist, dass es sich auch um eine überraschende Klausel (§ 305c BGB) handelt.

Damit unterliegt die Klausel der Prüfung nach § 307 BGB, und erweist sich als benachteiligend für den Beklagten.

Der Kläger als Verwender hat seine eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange des Vertragspartners mittels AGB durchgesetzt. Unstreitig handelte es sich bei dem Beklagten einen Studenten, was dem Kläger bekannt war.

Studenten haben jedoch gerade angesichts eines möglichen kurzfristigen Studienplatz– sowie Studienortwechsels ein besonderes Mobilitätsinteresse. Ein Kündigungsausschluss auch für zwei Jahre würde vielfach einen Studienplatzwechsel und damit eine für die Zukunft des Studenten wesentliche Entscheidung unmöglich machen, da der gewöhnliche Student sich die Anmietung einer weiteren Wohnung nicht wird leisten können. Auch die theoretische Stellung eines Ersatzmieters ist ungewiss. Die Klausel verstößt gegen § 307 I BGB und ist unwirksam. Damit gilt gemäß § 306 I BGB die gesetzliche Regelung.

Damit war-jedenfalls – die ordentliche Kündigung des Beklagten wirksam. Im April und Mai 2015 bestand demnach kein Mietverhältnis zwischen den Parteien aus dem sich eine Zahlungspflicht ableiten ließe.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 4, 711 ZPO.

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