Finanzgericht Berlin
Az.: 5 K 5130/03
Urteil vom 30.03.2004
In dem Rechtsstreit XXX wegen Erbschaftsteuer hat das Finanzgericht Berlin, 5. Senat, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2004 in der Besetzung mit XXX für Recht erkannt:
Unter Änderung des Erbschaftsteuerbescheides und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung ist die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer um 180.000,00 DM zu reduzieren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 3/5 dem Beklagten und zu 2/3 der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand:
Der Erblasser hat mit notariellem Vertrag vom 1. Dezember 1997 mit der Klägerin (seiner Schwester) und ihrem Ehemann einen Kaufvertrag über die Bestellung eines persönlichen Wohnrechts auf Lebenszeit gegen Zahlung von 280.000,00 DM an einer von den Verkäufern noch zu errichtenden Wohnung geschlossen. Im Mai 1998 überwies er 180.000,00 DM auf ein Konto des Ehemannes der Klägerin. Der Restbetrag von 100.000,00 DM sollte vereinbarungsgemäß zwei Wochen nach Fertigstellung des Objekts Zug um Zug gegen Einräumung des Besitzes an der Wohnung gezahlt werden.
Vor Fertigstellung der Wohnung und nachdem die Verkäufer bereits erhebliche Bauleistungen erbracht hatten, verstarb der Erblasser am 17. August 1998, sodass es weder zur Einräumung des Besitzes an der Wohnung noch zur vereinbarten Zahlung des Restbetrages von 100.000,00 DM kam. Die Klägerin hat ihren Bruder allein beerbt.
Der Beklagte ließ im Ergebnis die gezahlten 180 000,00 DM in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer von 267 300,00 DM einfließen und setzte mit dem angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid eine Erbschaftsteuer von 45 441,00 DM fest. Hierbei blieb es auch im Einspruchsverfahren. Der Restkaufpreis von 100 000,00 DM wurde wegen nicht zu vertretender Unmöglichkeit vom Beklagten nicht als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt. Aus dem gleichen Rechtsgrund (Unmöglichkeit) könnten so der Beklagte die gezahlten 180 000,00 DM zurückgefordert werden; der Betrag sei mithin als Forderung im Nachlass zu erfassen.
Hiergegen richtet sich die Klage mit dem Antrag, unter Änderung des Erbschaftsteuerbescheides und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2003 die Erbschaftsteuer auf 0,00 DM zu reduzieren.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass § 323 Bürgerliches Gesetzbuch BGB im Streitfall nicht anwendbar sei, eine Rückabwicklung mithin nicht erfolgen könne. Damit entfalle im Aktivvermögen ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des gezahlten Kaufpreises von 180 000,00 DM. Andererseits sei das Passivvermögen um die restliche Kaufpreisforderung in Höhe von 100 000,00 DM zu ergänzen. Dies führe zu einer Reduzierung des reinen Nachlasses um 280 000,00 DM.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2003 sowie auf die im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Dem Senat haben die den Streitfall betreffenden Erbschaftsteuerakten zur Steuernummer xxxxxxxxxxx vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet, soweit der Beklagte die vom Erblasser für die Einräumung des persönlichen Wohnrechts auf Lebenszeit an die Klägerin gezahlten 180 000,00 DM in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer einbezogen hat. Im Übrigen, das heißt hinsichtlich der Geltendmachung weiterer 100 000,00 DM als Forderung gegen den Erblasser als Nachlassverbindlichkeit, konnte sie keinen Erfolg haben.
1. Die vom Erblasser an die Klägerin, seine Alleinerbin, gezahlten 180 000,00 DM sind zu Unrecht in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden.
Ausgehend davon, dass die Klägerin nur geerbt haben konnte, was dem Erblasser bei dessen Tod zustand, hat die Klägerin insoweit allenfalls ein Wohnrecht geerbt, das persönlicher Natur war und auf Lebenszeit für den Erblasser bestellt worden war. Dieses Recht ist mit dem Tode des Erblassers erloschen. Ein mit dem Tod des Erblassers erlöschendes Recht ist aber für die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer ohne Bedeutung.
Entgegen der Auffassung des Beklagten, hat die Klägerin in Bezug auf das notariell bestellte Wohnrecht aber auch keine Forderung des Nachlasses geerbt, die – wenn sie denn bestünde – zu berücksichtigen wäre, weil die Konfusion nach § 10 Abs. 3 Erbschaftsteuergesetz -ErbStG- bei der Erbschaftbesteuerung unberücksichtigt bleibt.
Der Beklagte hat eine solche Forderung zu Unrecht darauf gestützt, dass die Nutzung des Wohnrechts durch den Erblasser durch dessen Tod vor Fertigstellung des Gebäudes nach zivil-rechtlichen Grundsätzen unmöglich geworden sei und ein Fall der von beiden Vertragsparteien nicht zu vertretenden Unmöglichkeit vorliege, was zur Rückabwicklung führen müsse. Ein solcher Anspruch, der zum steuerpflichtigen Erwerb gemäß § 10 ErbStG zu rechnen wäre, ist nicht gegeben.
Der Beklagte verkennt hierbei zum einen, dass der Erblasser aufgrund der notariellen Vereinbarung vom 1. Dezember 1997 durch Rechtsgeschäft unter Lebenden gegen Entgelt eine Rechtsposition erworben hatte; Gegenleistung für die gezahlten 180 000,00 DM war nicht primär bzw. nicht nur die Nutzung des Wohnrechts, sondern die Begründung des Anspruchs auf die persönliche und lebenslängliche Nutzung der noch fertig zu stellenden Wohnung. Zum anderen wird hierbei nicht berücksichtigt, dass ein solcher Anspruch wegen seiner persönlichen Natur mit dem Tode des Berechtigten erlischt. Die Erfüllung eines mit dem Tode erlöschenden Anspruchs kann aber schon begrifflich nicht durch den Eintritt des Todes rechtlich unmöglich werden. Ist ein Anspruch erloschen, so kann rechtlich dessen Erfüllung nicht mehr unmöglich werden, noch kann – wenn nichts anderes vereinbart ist – durch das dieses Erlöschen auslösende Ereignis (Tod) etwa die Geschäftsgrundlage für den notariellen Vertrag wegfallen, was ebenfalls zu Rückforderungsrechten führen könnte.
Wäre der Erblasser auch nur einen Tag oder jahrzehntelang in den Genuss der Nutzung des Wohnrechts gekommen, so wären bei dessen Tod Rückforderungsansprüche oder die Rückabwicklung des Vertrages ausgeschlossen, eben weil der Vertrag seiner rechtlichen Natur nach nur für die Lebenszeit des Berechtigten geschlossen ist und das eingeräumte Recht mit dem Tod des Berechtigten erlischt. Nichts anderes kann gelten, wenn das Recht wirksam notariell eingeräumt worden ist, es aber zu dessen Nutzung durch den Tod des Berechtigten nicht mehr gekommen ist. Denn der Tod des Berechtigten ist aufgrund der Rechtsnatur des Wohnrechts-Vertrages ein beendendes Ereignis, das im Risikobereich des Berechtigten liegt und nicht etwa zu Rückabwicklungsansprüchen führt. Die zivilrechtlichen Regelungen über die Unmöglichkeit bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind bei Eintritt des Todes des Berechtigten in einem solchen Falle nicht anwendbar, wenn nicht ausnahmsweise im Vertrag als Geschäftsgrundlage etwa die Nutzung oder eine bestimmte Dauer der Nutzung des Wohnrechts ausdrücklich vereinbart wurde. Hierfür ist aber in der notariellen Vereinbarung vom 1. Dezember 1997 nichts ersichtlich. Die Vertragsparteien haben vielmehr bewusst ein Risikoverteilung vorgenommen, wonach der frühe Tod zu Lasten des Berechtigten ging, während ein später Tod zu Lasten des Verpflichteten gegangen wäre. Dies ist bei der Bestellung von Rechten auf Lebenszeit angemessen, weder ungewöhnlich noch unvorhersehbar, sondern in der Regel der Sinn des Rechtsgeschäfts, was zur Folge hat, dass weder der Berechtigte bzw. dessen Erbe eine Rückzahlung bei frühem Tod noch der Verpflichtete eine Nachzahlung bei spätem Tod verlangen kann. Das in § 5 des notariellen Vertrages vereinbarte Rücktrittsrecht des Berechtigten ändert daran nichts, da es ebenso wie das Wohnrecht selbst persönlicher Natur war und vom Berechtigten nicht ausgeübt worden ist.
Das Wohnrecht ist durch den notariellen Vertrag wirksam vereinbart worden. Die Tatsache, dass es noch nicht ins Grundbuch eingetragen worden ist, führt nicht zu dessen Unwirksamkeit, weil die Eintragung jederzeit hätte erfolgen können und der schuldrechtliche Anspruch unabhängig von der Eintragung ins Grundbuch bestand.
Der Beklagte hat nach alledem die aufgrund Rechtsgeschäfts unter Lebenden (Rechtskauf) gezahlten 180 000,00 DM zu Unrecht in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer einbezogen. Ob und inwieweit das Rechtsgeschäft aus anderen Gründen steuerlich relevant ist, ob mit anderen Worten möglicherweise trotz Gegenleistung (Einräumung des Wohnrechts) eine gemischte Schenkung vorgelegen haben könnte und ob und wie die Klägerin die erhaltenen 180 000,00 DM einkommensteuerlich zu behandeln hat, war in diesem die Erbschaftsteuer betreffenden Streitfall nicht zu entscheiden.
2. Die Klage ist aber insoweit unbegründet, als die Klägerin noch 100 000,00 DM als Nachlassverbindlichkeit steuermindernd geltend macht. Denn die Verpflichtung zur Zahlung dieses Betrages war nach der notariellen Vereinbarung davon abhängig, dass der Erblasser in die Wohnung tatsächlich einzieht, das Wohnrecht mithin tatsächlich nutzt.
Die Klage konnte nach alledem nur in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren hat das Gericht gemäß § 139 Abs. 3 FGO für notwendig erklärt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis des Beklagten ergibt sich §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung.