LG Berlin, Az.: 63 S 290/09, Urteil vom 23.02.2010
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29. April 2009 verkündete Schlussurteil des Amtsgerichts Mitte – 11 C 279/08 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten, der unter Betreuung steht, auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen in Anspruch.
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien währte vom 01.04.2002 bis zum 31.03.2008.
Im Mietvertrag vom 26.03.2002 heißt es in § 3 Abs. 5:
Die Schönheitsreparaturen übernimmt nach Nr. 5 und 13 AVB (Fassung D 2001) der Mieter. Für die Beseitigung von Bagatellschäden innerhalb der Mieträume ist der Mieter gem. Nr. 5 der AVB (Fassung D 2001) verantwortlich.
In Nr. 5 AVB der Klägerin (Fassung D 2001) heißt es
„Die vom Mieter übernommenen Schönheitsreparaturen sind während der Mietzeit ohne besondere Aufforderung fachgerecht auszuführen. Die Schönheitsreparaturen umfassen das Anstreichen oder Tapezieren der Wände und Decken. Abziehen, Schleifen und Versiegeln von Parkettfußböden, das Streichen der Fußböden und den Innenanstrich der Fenster, das Streichen der Einbaumöbel, der Türen und der Außentüren von innen sowie der Heizkörper und der Rohrleitungen.
Die Schönheitsreparaturen sind spätestens nach Ablauf folgender Zeiträume auszuführen:
In Küchen, Bädern und Duschen alle drei Jahre, dabei sind die Innenanstriche der Fenster sowie die Anstriche der Türen, der Einbaumöbel, der Heizkörper und der Rohrleitungen spätestens alle vier Jahre durchzuführen, in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle fünf Jahre in anderen Nebenräumen alle sieben Jahre.
Der Mieter ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung der Vermieterin von der bisherigen Ausführungsart abzuweichen.“
Aufgrund einer nach der Kündigung des Beklagten stattgefundenen Besichtigung unterzeichnete der Beklagte ein Besichtigungsprotokoll vom 08.01.2008 in dem es u. a. heißt:
„Gemäß den mietvertraglichen Bestimmungen ist der ausziehende Mieter bzw. sein Erbe zur Durchführung von Schönheitsreparaturen und zur Beseitigung von Beschädigungen, die er zu vertreten hat, verpflichtet. Die Notwendigkeit zur Ausführung von Schönheits- und sonstigen Reparaturen gemäß anliegender Einzelprotokolle erkennt der Mieter/Erbe durch Unterschrift an.“
Es folgen drei Auswahlmöglichkeiten, von denen die zweite angekreuzt ist, in der es heißt:
„Der Mieter verpflichtet sich, für die fachgerechte Ausführung der gemäß den Feststellungen in vorstehenden Protokollen notwendigen Arbeiten bis zur Wohnungsrückgabe, spätestens jedoch bis zum 29.02.08 (Vertragsende) zu sorgen. Das Gleiche gilt für Schäden, die erst nach der vollständigen Beräumung der Wohnung sichtbar oder durch diese verursacht werden.“
Vor der Rückgabe der Wohnung am 16.04.2008 unterzeichnete der Beklagte auf einem gleichlautenden Protokoll den handschriftlichen hinzugefügten Zusatz:
„Die Wohnung befindet sich gemäß Protokoll vom 08.01.2008 in keinem vertragsgemäßen Zustand.“
Mit E-Mail vom 08.07.2008 teilte der Betreuer des Beklagten der Hausverwaltung der Klägerin mit:
„… nunmehr ging hier ein Ablehnungsbescheid vom Sozialamt zu. Zur Begründung führt das Sozialamt aus, dass die Wohnungsabnahme bereits durch die WBM erfolgt ist. Da dies kein Argument für eine Ablehnung ist und die Renovierungsbedürftigkeit durch Herrn xxx, den Betreuer, die Malerfirma und Sie als Zeugen bewiesen werden kann, werde ich gegen den Bescheid Widerspruch erheben. Erfahrensgemäß zieht sich ein Widerspruchsverfahren einige Zeit hin. Zur Vermeidung weiterer Kosten stelle ich anheim bis zum Ablauf der Verjährungsfrist mit der Stellung eines Mahnantrags abzuwarten. Vorsorglich muss ich darauf hinweisen, dass Herr xxx über kein pfändbares Vermögen verfügt.“
Die Klägerin meint, der Beklagte habe sich durch Individualvereinbarung zur Übernahme der Schönheitsreparaturen bzw. der Leistung von Schadensersatz für die Unterlassung derselben verpflichtet.
Mit dem angefochtenen Schlussurteil hat das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 1.841,14 Euro nebst Zinsen wegen Nichterfüllung einer vertraglichen Pflichtausführung von Schönheitsreparaturen verurteilt und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe diese Verpflichtung nachträglich übernommen, indem er im Protokoll vom 08.01.2008 erklärt habe, er verpflichte sich für die fachgerechte Ausführung der im Protokoll festgestellten notwendigen Arbeiten zu sorgen. Es handele sich hierbei um eine Individualvereinbarung, weil die wesentlichen Inhalte – insbesondere bei Zustand der Wohnung und die notwendigen Maßnahmen – individuell bei der Begehung des Objektes vereinbart und handschriftlich in das Protokoll eingetragen worden sein. Da Anhaltspunkte für eine fehlende Geschäftsfähigkeit des unter Betreuung befindlichen Beklagen nicht bestünden, habe sich der Beklagte auch wirksam verpflichten können.
Jedenfalls würden hinsichtlich der neuerlichen Unterzeichnung einer Verpflichtung unter dem 18.04.2008 die gleichen Grundsätze gelten, so dass auch insofern eine wirksame Verpflichtung des Beklagten gegeben sei.
Des Weiteren habe der Betreuer des Beklagten mit der E-Mail vom 08.09.2008 ein Anerkenntnis im Hinblick auf die Übernahme der Kosten durch die Beklagten erklärt.
Gegen dieses ihm am 05.05.2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte, vertreten durch seinen Betreuer, mit am 04.06.2009 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit am Montag, den 06.07.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Im Übrigen wird anstelle des Tatbestands auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 511 ff. zulässige Berufung führt in der Sache zur Abänderung des angefochtenen Schlussurteils und zur Abweisung der Klage.
Denn der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB nicht zu.
Zu Recht geht das angefochtenen Urteil davon aus, dass der Beklagte nicht gemäß § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig ist; abgesehen davon, dass die Anordnung der Betreuung ohnehin keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des zu Betreuenden hat, kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass der Aufgabenkreis des Betreuers nicht die Wohnungsangelegenheiten des Beklagten umfasst, sondern sich auf die Vermögenssorge sowie die Vertretung gegenüber Behörden, Einrichtungen und Gerichte beschränkt.
Indes handelt es sich bei der im Rahmen der Wohnungsbesichtigung vom 08.01.2008 am Ende des gefertigten Übergabeprotokolls abgegebenen Erklärung des Beklagten nicht um eine mit der Klägerin geschlossene Individualvereinbarung betreffend die Durchführung von Schönheitsreparaturen. Zwar ist der BGH in seiner Entscheidung vom 14.01.2009 (VIII ZR 71/08, GE 2009, 321) davon ausgegangen, dass grundsätzlich in einem Übergabeprotokoll (dort bei Übernahme der Wohnung durch den Mieter) eine Individualvereinbarung über die Übernahme von Schönheitsreparaturen getroffen werden kann, wobei der Summierungseffekt einer unwirksamen klauselmäßigen Überbürdung der Schönheitsreparaturen nicht eingreife, sofern die Individualvereinbarung zeitlich nach dem Abschluss des Mietvertrags liegt. Ob indes im dort entschiedenen Fall tatsächlich – wegen der Verwendung eines Protokollvordrucks – eine Individualvereinbarung vorlag, war im dortigen Fall nach Aufhebung des Urteils noch vom Instanzgericht zu klären.
Vorliegend ist die Erklärung über die Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen im Lichte der vorangestellten Präambel zu betrachten, die ausdrücklich auf die mietvertraglichen Bestimmungen Bezug nimmt, drei vorgegebene Alternativen vorsieht und ausdrücklich des weiteren Bezug auf den vorangehenden Protokollvordruck, der anzukreuzende Felder für einzelne Mängel vorsieht, nimmt. Die Auslegung einer solchen Erklärung ergibt, dass es sich auf der Grundlage einer vertraglich vereinbarten wirksamen Überbürdung der Schönheitsreparaturen lediglich noch um die gemeinsame tatsächliche Feststellung bestimmter Mängel zwischen Vermieter und Mieter handelt. Unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild eines vorgefertigten Protokolls mit vorgefertigten Verpflichtungserklärungsmöglichkeiten ist inhaltliche Grundlage der Verpflichtung jedenfalls die (vermeintlich wirksame) Verpflichtung des Mieters im Mietvertrag zur Durchführung der Schönheitsreparaturen. Dies wird deutlich durch die beiden anderen – hier nicht angekreuzten – Alternativen, die auf dem Vordruck vorgesehen sind; in der ersten Alternative wird der vertragsgemäße Zustand der Wohnung und ein Vorbehalt des Vermieters zur Geltendmachung weiterer Schäden und in der dritten Alternative, die vorliegend ebenfalls nicht angekreuzt wurde, die Kostenübernahme des Mieters im Hinblick auf eine von ihm gewünschte Beauftragung von Fachbetrieben zur Durchführung der Schönheitsreparaturen als Vereinbarungsvariante vorgesehen.
Da vorliegend bereits wegen der in Nr. 5 der AVB vorgeschriebenen Ausführungsart an einer wirksamen mietvertraglichen Bestimmung, wonach der Beklagte die Schönheitsreparaturen durchzuführen hätte, die Wirksamkeit scheitert (BGH vom 13.01.2010 VIII 48/09, WuM 2010, 85; BGH vom 28.03.2007 VIII ZR 199/06, GE 2007, 717), und darüber hinaus jegliche Anhaltspunkte für eine weitergehende individuell ausgehandelte Verpflichtung des Beklagten fehlen, ergibt sich ein Anspruch der Klägerin aus dem Protokoll vom 08.01.2008 nicht.
Nichts anderes gilt für den gleichlautenden Vordruck, der am 16.04.2008 vom Beklagten unterzeichnet worden ist und dem handschriftlichen Zusatz über dem fehlenden vertragsgemäßen Zustand enthält. Denn der handschriftliche Zusatz verweist ausdrücklich auf das Protokoll vom 08.01.2008 und den dort festgehaltenen Zustand, so dass sich hieraus keine eigene – unabhängige – Verpflichtung des Beklagten zur Durchführung oder zum Schadensersatz betreffend die Schönheitsreparaturen ergibt.
Die vom Betreuer des Beklagten an die Hausverwaltung der Klägerin gesandten E-Mail vom 08.07.2008 stellt ebenfalls keine wirksame Verpflichtung dar. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist hierin nicht zu erkennen; denn der Erklärungsinhalt bezieht sich lediglich darauf, dass die Wohnung auch nach seiner – des Betreuers – Meinung in einem renovierungsbedürftigen Zustand sei und das er versuchen werde, die Kosten der Endrenovierung vom Sozialamt erstattet zu erhalten. Da ein Kostenübernahmeantrag beim zuständigen Sozialamt jedoch auch aufgrund einer nur vermeintlich bestehenden Verpflichtung gestellt werden kann, ergibt sich hieraus nicht die Wirksamkeit oder Bestätigung der vermeintlich bestehenden (in Wahrheit unwirksamen) Verpflichtung. Anderenfalls läge in jedem Antrag an eine Versicherung auf Kostenübernahme ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis; dies ist nach der Rechtsprechung selbst bei einer Kostenübernahmeerklärung des Versicherers jedoch gerade nicht der Fall (vgl. OLG Brandenburg, vom 30.04.2009 – 12 U 219/08 -, NJW RR 2009, 1256, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 543 ZPO nicht vorliegen. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, beruht die Entscheidung nicht auf der Beantwortung von Rechtsfragen, die der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen könnten, sondern stellt eine auf die konkreten Umstände abstellende Tatsachenentscheidung dar.