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Wohnungseigentumsanlage aus Einfamilienhäusern – bauliche Veränderungen

AG Hamburg-Harburg, Az.: 645 C 295/15, Urteil vom 05.11.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der Nebenintervention zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Wohnungseigentumsanlage aus Einfamilienhäusern - bauliche Veränderungen
Symbolfoto: Von Pupes / Shutterstock.com

Die Kläger, die mit den Beklagten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden sind, verlangen von diesen die Unterlassung eines Bauvorhabens.

Die Parteien sind Miteigentümer des Grundstücks … . Dieses ist im Moment allein mit einem Einfamilienhaus bebaut, das im Sondereigentum der Kläger steht.

Mit Teilungserklärung vom 22.11.2009 wurde an dem genannten Grundstück Wohnungseigentum begründet (Anlage K 1), wobei der im vorliegenden Zusammenhang zentrale § 5 („Gebrauchsregelung“) der Teilungserklärung wie folgt lautet:

„Jeder Eigentümer hat das Recht der alleinigen Nutzung seines Sondereigentums sowie des Gemeinschaftseigentums, das sich im Bereich seines Sondereigentums befindet und ausschließlich diesem zu dienen bestimmt ist.

Die Vertragsparteien vereinbaren jedoch, dass jedes Wohnungseigentumsrecht rechtlich so anzusehen sein soll, als wenn es sich um eine real geteilte Grundstücksfläche handelt.

Dem jeweiligen Wohnungseigentümer soll gestattet sein, ohne Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft bauliche Veränderungen an seinem Wohnungseigentum vorzunehmen. Jeder Wohnungseigentümer soll ebenfalls berechtigt sein, ohne Zustimmung des anderen Wohnungseigentümers eine Neubebauung, die jedoch die Geschossflächenzahl des ihm als Sondernutzungsrecht zugewiesenen Grundstücksteils nicht überschreiten darf, durchzuführen.

(…)“

§ 6 der Teilungserklärung betrifft eine bereits bei Schaffung der Teilungserklärung für die Zukunft angedachte Realteilung des Grundstücks.

Die Beklagten haben den zweiten Miteigentumsanteil neben den Klägern erworben; die Kläger verfügen über eine Sondernutzungsfläche von 1.308,45 qm im – von der Straße aus gesehen – hinteren und höher gelegenen und die Beklagten von 704,55 qm im vorderen und tiefer gelegenen Grundstücksteil. Zu den genauen örtlichen Verhältnissen wird auf den der Teilungserklärung beigefügten Lageplan Bezug genommen (Anlage K 1).

Die Beklagten beabsichtigen die Errichtung eines Neubaus auf der ihnen zugewiesenen Sondernutzungsfläche, für den sie unter dem 19.06.2014 eine Baugenehmigung (Anlage K 3) erhielten (geändert mit Bescheid vom 02.06.2015, Anlage B 4). Der von den Klägern gegen die Baugenehmigung eingelegte Widerspruch wurde wieder zurückgenommen.

Im Juni 2015 haben die Beklagten mit den Bauarbeiten auf ihrem Sondernutzungsrecht begonnen.

Die Kläger sind der Auffassung, dass das Bauvorhaben der Beklagten gegen die Regelung des § 5 der Teilungserklärung verstoße, nach der die Wohnungseigentumsrechte so anzusehen seinen, als wenn es sich um eine realgeteilte Grundstücksfläche handele:

Die bauordnungsrechtlichen Grenzabstandsregelungen würden – bezogen auf die Sondernutzungsrechte der Parteien – sowohl an der westlichen Seite des geplanten Hauses als auch an dessen nördlicher Wand nicht eingehalten, wodurch eine spätere Realteilung für die Kläger nicht mehr oder nur unter erheblichen Einschränkungen möglich sei, da ansonsten die Grenzabstände zwischen den realzuteilenden Sondernutzungsrechten nicht eingehalten würden.

Zudem sei die erteilte Baugenehmigung selbst rechtswidrig, da mehr als eine Wohneinheit und mehr als ein Geschoss geplant sei.

Schließlich sei das Gebäude der Kläger durch ein Abrutschen des Hanges im Zuge der geplanten Bauarbeiten gefährdet.

Zum Vortrag der Klägerseite im Einzelnen wird Bezug auf die Schriftsätze vom 05.06.2015 und vom 08.10.2015 genommen.

Mit Schriftsatz vom 30.10.2015 ist der Streitverkündete Notar … dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Die Kläger beantragen, den Beklagten aufzugeben, es zu unterlassen, Baumaßnahmen durchzuführen, wie sich diese aus der Baugenehmigung der Freien und Hansestadt Hamburg – Bezirksamt Harburg – vom 19.06.2014 zum Geschäftszeichen H/WBZ/02511/2014 in der aktuellen Fassung ergeben und den Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von € 250.000,- oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt wird.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Der Nebenintervenient beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Einwände der Kläger hinsichtlich der Abstandsflächen unerheblich seien, da die öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Verhältnis der Parteien – auch unter Berücksichtigung des § 5 der Teilungserklärung – keine Wirkung hätten. Etwaige Abstandsflächenprobleme seien im Falle einer Realteilung durch Baulasten zu beseitigen.

Zum Vortrag der Beklagten im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 03.08.2015 und vom 21.10.2015 verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Unterlassung der beabsichtigten Baumaßnahme aus der Teilungserklärung oder einer anderen Anspruchsgrundlage.

Da die Parteien in einer Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden sind, sind für die gegenseitigen Rechte und Pflichten grundsätzlich die Teilungserklärung sowie das WEG maßgeblich, nicht aber Normen des öffentlich-rechtlichen Baurechts, wenn solche nicht in der Teilungserklärung in Bezug genommen werden.

1.

Entgegen der Auffassung der Kläger werden über § 5 der Teilungserklärung die öffentliche-rechtlichen Abstandsvorschriften nicht in das Verhältnis der Sondernutzungsrechte der Parteien zueinander einbezogen.

Die Auslegung der Teilungserklärung richtet sich allein nach Wortlaut und objektivem Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (vgl. Bärmann/Pick, WEG, 19. Aufl. 2010, § 10, Rn. 7).

Danach sind die ersten beiden Absätze hinsichtlich der Bedingungen der Nutzung des Sondereigentums zusammen zu lesen, wobei zentral ist, dass jedes Wohnungseigentumsrecht so behandelt werden soll, als handele es sich um eine real geteilte Grundstücksfläche.

Der folgende Absatz bezieht sich auf bauliche Veränderungen und eine Neubebauung. Für letztere lautet der Grundsatz, dass sie ohne Zustimmung des anderen Wohnungseigentümers zulässig ist. Als Einschränkung dieses Grundsatzes wird allein genannt, dass die Geschossflächenzahl des dem bauenden Wohnungseigentümer zugewiesenen Sondernutzungsrechts nicht überschritten werden darf. Nach dem Wortlaut gehören Abstandsvorschriften nicht zu den Einschränkungen des Grundsatzes der freien Neubebaubarkeit des Sondernutzungsrechts.

Sinn des § 5 der Teilungserklärung ist es, die Gestaltungsmöglichkeiten der Wohnungseigentümer gegenüber der sich aus dem WEG ergebenden Rechtslage zu erweitern. Dies spricht dafür, nur ausdrücklich genannte Einschränkungen der durch § 5 der Teilungserklärung gerade ausgeweiteten Spielraums der Wohnungseigentümer zuzulassen.

Zudem geht § 6 der Teilungserklärung davon aus, dass bei einer späteren Realteilung möglicherweise Baulasten und Grunddienstbarkeiten eingetragen werden müssen, was insbesondere bei Abweichungen vom öffentlichen Baurecht – wie etwa Abstandsvorschriften – in Betracht kommt.

Eine andere Auslegung ist auch nicht zur Ermöglichung einer späteren problemlosen Realteilung des Gesamtgrundstücks geboten, denn einer möglichen Abweichung von öffentlich-rechtlichen Abstandvorschriften im Verhältnis der Sondernutzungsflächen zueinander kann bei Realteilung durch einen entsprechenden Zuschnitt der neu zu schaffenden Einzelgrundstücke oder durch die Eintragung von Baulasten begegnet werden.

Insgesamt kann danach nicht angenommen werden, dass öffentlich-rechtliche Abstandsvorschriften über § 5 der Teilungserklärung in das Verhältnis der Parteien einbezogen worden sind.

2.

Die zunächst von der Klägerseite erhobene Beanstandung, die zulässige Grundflächenzahl von 0,2 werde bei der von den Beklagten geplanten Bebauung nicht eingehalten, wird von den Klägern nicht mehr aufrechterhalten, denn der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.08.2015 auf Befragen erklärt, dass nach dem jetzigen Genehmigungsstand des Bauvorhabens eine Grundflächenzahl von 1,9 (gemeint sind 0,19) vorliege. Dem Schriftsatz vom 08.10.2015 ist kein substantiierter Vortrag dazu zu entnehmen, dass und auf welcher Berechnungsgrundlage unter Berücksichtigung von Carport und Zuwegungen eine Grundflächenanzahl von 0,2 nicht eingehalten würde.

Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Kläger ihre Beanstandung aufrechterhalten haben, würde diese nicht durchgreifen, denn die Grundflächenzahl ist in § 5 der Teilungserklärung nicht als Einschränkung des Grundsatzes der freien Bebaubarkeit des Sondereigentums genannt.

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An Vortrag der Kläger zu den Frage, ob die in der Teilungserklärung genannte Geschossflächenzahl (die grundsätzlich nicht mit der Grundflächenzahl identisch ist) eingehalten wird, fehlt es trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises im Termin zur mündlichen Verhandlung.

3.

Ob die Baugenehmigung selbst unter öffentlich-rechtlichen Aspekten rechtswidrig ist, kann dahingestellt bleiben, da vorliegend allein das Verhältnis der Parteien als Wohnungseigentümer relevant ist. Für dieses ist das öffentliche Baurecht – wie oben erwähnt – nur insoweit wesentlich, als es über die Teilungserklärung in das private Rechtsverhältnis der Parteien einbezogen worden ist.

4.

Soweit die Kläger vortragen, dass durch die geplante Baumaßnahme der Beklagten ein Abrutschen des Hanges zu befürchten sei, sind trotz entsprechenden Hinweises des Gerichts keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Gefahr vorgetragen worden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihr rechtliche Grundlage in § 709 ZPO.

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