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Wohnungseinbruch – Darlegung des Einbruchshergangs

BGH

Az: IV ZR 233/05

Urteil vom 20.12.2006


Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2006 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 20. September 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, der bei der Beklagten eine Hausratversicherung nach Maßgabe der VHB 92 unterhält, fordert eine Versicherungsleistung in Höhe von 40.615 EUR wegen eines behaupteten Einbruchdiebstahls.

Danach soll mindestens ein unbekannter Täter in der Nacht zum 31. Mai 2003 auf nicht geklärte Weise die im ersten Stock belegene, zur Wohnung des Klägers gehörende Loggia erklommen, dort die zum Schlafzimmer der Wohnung führende Balkontür aufgehebelt und aus der Wohnung 1.700 EUR Bargeld sowie zahlreiche Gegenstände, darunter einen Laptop mit Drucker, Kameras, Schmuck und 23 Herrenarmbanduhren entwendet haben. Dazu sollen zwei an der Bodenplatte des Schlafzimmerschrankes verschraubte Möbeltresore gewaltsam herausgerissen und mitgenommen worden sein.

Die vom Kläger in den frühen Morgenstunden des 31. Mai 2003 herbeigerufene Polizei fand seine Wohnung durchwühlt und an der Balkontür Hebelspuren vor. Inwieweit diese den Schluss darauf zulassen, dass die Balkontür aufgehebelt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig, von den Vorinstanzen aber offen gelassen worden.

Die Beklagte hat Versicherungsleistungen unter anderem deshalb verweigert, weil ein bedingungsgemäßer Einbruchdiebstahl nicht erwiesen, insbesondere nicht geklärt sei, wie der oder die Täter auf die Loggia gelangt seien. Dafür gäbe es keine Tatspuren.

Mit der Revision verfolgt der in den Vorinstanzen erfolglose Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, zum Beweise des Versicherungsfalles „Einbruchdiebstahl“ müsse der Versicherungsnehmer zunächst nur das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung, das heißt ein Mindestmaß von Tatsachen beweisen, die nach der Lebenserfahrung den Schluss auf einen Einbruchdiebstahl zuließen. Dazu gehöre nicht nur, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vorher am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden gewesen seien, sondern müssten auch Einbruchspuren vorhanden sein. Dafür genügten die Hebelspuren an der Balkontür hier nicht. Behaupte der Versicherungsnehmer das Eindringen des Einbrechers über eine Balkontür, die nur über die Außenwand eines Hauses erreichbar sei, so setze das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls weiter voraus, dass der Versicherungsnehmer schlüssig darlege, wie der Einbrecher zu der Balkontür gelangt sei. Diese Darlegung sei dem Kläger nicht gelungen. Er habe nur spekulativ Möglichkeiten der Tatausführung (Einsatz einer Leiter, Erklettern von herangeschafften Mülltonnen, „Räuberleiter“ zweier Täter) in den Raum gestellt, die es nicht nachvollziehbar machten, wie jemand auf die ca. 3,34 m hoch gelegene Loggia gelangt sei, bei der überdies noch ein 90 cm hohes Geländer zu überwinden gewesen wäre, ohne irgendwelche Spuren an der weißen Hauswand oder dem ebenfalls weißen Geländer zu hinterlassen. Soweit der Kläger einen Sachverständigenbeweis und Inaugenscheinnahme des Tatortes beantragt habe, ziele das auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Weiterer, erst in der Berufungsinstanz gehaltener Klägervortrag zu in Tatortnähe gelagerten Aufstieghilfen sei nicht mehr zuzulassen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls überspannt hat.

1. Dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung werden von der Rechtsprechung aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zugebilligt (vgl. dazu BGHZ 79, 54, 59 f.; 123, 217, 220; 130, 1, 3 f.; BGH, Urteil vom 14. Juni 1995 – IV ZR 116/94 – VersR 1995, 956 unter 2), von denen auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht. Sie beruhen auf der Überlegung, dass es wegen des für eine Entwendung typischen Bemühens des Täters, seine Tat unbeobachtet und unter Zurücklassung möglichst weniger Tatspuren zu begehen, oft nicht möglich ist, im Nachhinein den Tatverlauf konkret festzustellen. Da sich der Versicherungsnehmer gerade auch für solche Fälle mangelnder Aufklärung schützen will, kann nicht angenommen werden, der Versicherungsschutz solle schon dann nicht eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, den Ablauf der Entwendung in Einzelheiten darzulegen und zu beweisen. Deshalb sind die Beweiserleichterungen als eine dem Vertrage innewohnende, materiellrechtliche Verschiebung des Eintrittsrisikos zugunsten des Versicherungsnehmers zu verstehen (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1983 – IVa ZR 19/82 – VersR 1984, 29 unter I 1 b). Ohne sie wäre der Wert einer Sachversicherung, soweit sie das Diebstahlsrisiko abdeckt, in Frage gestellt. Der Versicherungsnehmer bliebe oft schutzlos, obwohl er sich durch den Abschluss der Versicherung gerade auch für Fälle schützen wollte, in denen die Umstände der Entwendung nicht umfassend aufgeklärt werden können (BGHZ 79 aaO).

Der Versicherungsnehmer genügt seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 1995 aaO; BGHZ 130 aaO). Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass – abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls – Einbruchspuren vorhanden sind (Senatsurteil vom 14. Juni 1995 aaO).

2. Solche Tatsachen hat der Kläger hier behauptet und unter Beweis gestellt.

Ist eine ordnungsgemäß verschlossene Wohnung durchwühlt, sind Spuren für das gewaltsame Herausreißen ursprünglich an einem Schrankboden verschraubter Möbeltresore vorhanden, befinden sich außen an einer Balkontür Hebelspuren und fehlen zahlreiche zuvor in der Wohnung vorhandene Gegenstände, so lassen diese Umstände in ihrer Gesamtschau mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen Einbruchdiebstahl zu, ergeben mithin das äußere Bild einer solchen Tat.

Die von der Beklagten vorgebrachten Bedenken betreffen nicht mehr das äußere Bild des Einbruchdiebstahls, sondern Details des Geschehensablaufs, die der Kläger nicht darlegen musste, weil er sich insoweit in der für Entwendungsfälle typischen Beweisnot befindet und deshalb durch die dargestellten Beweiserleichterungen geschützt werden soll. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Frage, wie es Tätern gelingen konnte, einen Tatort mit umfangreicher Beute (zahlreichen Fellen und Pelzen) trotz hohen Entdeckungsrisikos unbemerkt und spurlos zu verlassen, nicht mehr die für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls maßgeblichen Mindesttatsachen, sondern darüber hinausgehende Einzelheiten der Tatausführung berührt (Senatsurteil vom 14. Juni 1995 aaO). Für die vom Berufungsgericht umfangreich erörterte Frage, wie Täter hier zur Balkontür der im Obergeschoss gelegenen Loggia gelangen konnten, ohne Spuren zu hinterlassen, gilt nichts anderes. Das Berufungsgericht, das dem Kläger anlastet, er habe – anstatt den Geschehensablauf schlüssig darzulegen – spekulativ mehrere Möglichkeiten des Aufstiegs auf die Loggia in den Raum gestellt, verkennt, dass gerade darin die für Diebstahlsfälle typische Beweisnot des Versicherungsnehmers ihren Ausdruck findet und der Kläger deshalb für die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls zu dieser Frage nichts vorzutragen brauchte. Anders wäre es allenfalls dann, wenn sich ein Aufstieg auf die Loggia völlig ausschließen ließe. Dafür ist aber nichts ersichtlich.

3. Die Bedenken des Berufungsgerichts könnten deshalb erst für eine Vortäuschung des Versicherungsfalls bedeutsam werden. Indiztatsachen, für die insoweit die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre, müssten dann mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf eine Vortäuschung des Einbruchs schließen lassen. Schon weil das Berufungsgericht dies nicht genügend auseinander gehalten hat, muss die Sache neu verhandelt werden.

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